MRP-2-0-07-0-19160909-P-0017.xml

|

Gemeinsamer Ministerrat, 9. 9. 1916

II. Lieferung von Kupfervitriol für die ungarische Landwirtschaft

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z17.pdf#page=17.

                                                                                                                17.

                                                                               Wien, 9. September 1916

          Der Ministerrat behandelt die sich zunehmend verschlechternde Lebensmittelver¬
          sorgung der Monarchie.

              Rumänien hat am 27. August 1916 Österreich-Ungarn den Krieg erklärt. (Der
          rumänischen Kriegserklärung folgten innerhalb weniger Tage die Kriegserklärungen
          Deutschlands, der Türkei und Bulgariens an Rumänien.) Die rumänischen Truppen sind
          in Siebenbürgen eingedrungen, wurden aber von den österreichisch-ungarischen und
          deutschen Truppen im Verlaufe weniger Wochen wiederhinausgedrängt. Die gemeinsame
          Ministerkonferenz vom 9. September ist gerade zu dem Zeitpunkt zusammengetreten,
          zu dem das Vordringen der rumänischen Armee zum Stillstand gekommen war und
          die deutsche und österreichisch-ungarische Offensive begann. Durch diesen neuen
          Angriff auf Österreich-Ungarn selbst, noch mehr aber durch den Ausfall der rumäni¬
          schen Getreidelieferungen wurde die ohnehin schwierige Versorgungslage der Monar¬
          chie noch weiter verschlechtert. Dies war das Hauptthema der gemeinsamen Mini¬
          sterkonferenz am 9. September. Die folgende Ministerkonferenz vom 16. Oktober
          schloß sich in ihrem Verhandlungsgegenstand organisch an diese Konferenz an.
          Über die Lebensmittelversorgung, die Sicherung des Getreidebedarfes der Monarchie
         war übrigens vorher in der Ministerkonferenz vom 12. Dezember 1915, im weiteren
         dann in denen vom 16. Oktober 1916, vom 10. Januar, 22. März, 29. Juni, 6--15.
          September, 24. September, 28. Oktober 1917 und 22. Januar 1918 die Rede. Von
          diesen Konferenzen wurde am 12. Dezember 1915, 10. Januar, 22. März 1917 und
         22. Januar 1918 auch über das rumänische Getreide verhandelt.

Protokoll des zu Wien am 9. September 1916 abgehaltenen Ministerratesfür gemein¬
same Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des Ministers des k.u.k. Hauses und des
Äußern Baron Buriän.

   K.Z. - G.M.K.P.Z. 128.

   Gegenwärtige: Der k.k. Ministerpräsident Graf S t ü r g k h, der kgl.
ung. Ministerpräsident Graf T i s z a, der k.u.k. gemeinsame Finanzminister
dr. von K o e r b e r, der k.u.k. Kriegsminister G.O. Freiherr von K r o b a t i n,
der k.k. Ackerbauminister Freiherr von Zenker, der k.k. Finanzminister
Ritter von L e t h, der k.k. Handelsminister Dr. von Spitzmüller,
der kgl. ung. Handelsminister Baron Harkänyi, der kgl. ung.
Ackerbauminister Baron Ghilläny, der kgl. ung. Finanzminister Dr.
Teleszky, der Leiter des k.k. Ministeriums des Innern Freiherr von
Handel, der Vertreter des k.u.k. Armee-Oberkommandos Oberst
H ö f e r.

   Schriftführer: Generalkonsul von Joannovics.

   Gegenstand: 1. Ernährungsfrage. 2. Lieferung von Kupfervitriol für die unga¬
rische Landwirtschaft.

392
<pb/>                                      1. E r n ä h r u n g s f r a g e

    Der Vorsitzende eröffnet die Sitzungum 1/2II Uhr vormittags und
verweist einleitend auf die erhöhte Bedeutung, welche die Ernährungsfrage durch
das Hinzutreten zweier neuer Momente gewonnen hat, nämlich durch den unbe¬
friedigenden Ausfall der Ernte und durch das Versiegen der rumänischen Bezugs¬
quelle. Seitens des Kriegsministeriums sei schon vor Eintreten der rumänischen
Entscheidung auf die infolge der unbefriedigenden Ernte vergrösserten Schwierig¬
keiten der Lebensmittelversorgung hingewiesen worden; nach der rumänischen
Kriegserklärung habe der k.k. Ministerpräsident Anlass genommen, die Aufmerk¬
samkeit auf die hiedurch eingetretenen weiteren Schwierigkeiten und die zu erwar¬
tenden Folgen zu lenken. Beide Anregungen wären nunmehr am besten zusammen¬
fassend zu prüfen. Der k.u.k. Kriegsminister habe einen konkreten Vorschlag zur
Behandlung dieser Angelegenheit gemacht, bestehend in der Errichtung eines
gemeinsamen Erriährungsamtes. Die Regierungen der beiden Staaten der Mon¬
archie hätten sich gegen diesen Antrag in der Hauptsache aus verfassungsrechtli¬
chen Gründen ablehnend ausgesprochen. Die sei jedoch eine Frage der Durch¬
führung und komme erst in zweiter Linie in Betracht. In erster Linie werde es not¬
wendig sein, die durch die eingetretenen neuen Umstände geschaffene Lage zu prü¬
fen, zu welchem Zwecke festzustellen wäre:

    1. Der Ertrag der heurigen Ernte und der Stand der Getreideproduktion;

   2. der bestehende Bedarf und

   3. die Verteilung des vorhandenen und noch zu erwartenden Getreideertrages
zur Deckung des Bedarfes.

   Der k.k. Ministerpräsident schildert die durch den Eintritt Rumäni¬
ens in den Krieg hinsichtlich der Getreideversorgung geschaffene Lage. Die Bezüge
aus Rumänien hätten eine Ziffer erreicht, welche ganz wesentlich belangreich war
für die Ernährung im Erntejahre 1915/16. Dies ergebe sich aus der beiliegenden
graphischen Darstellung,&quot; welche das Verhältnis der rumänischen Zufuhren zu
den aus Österreich, beziehungsweise aus Ungarn bezogenen Mengen darstelle. Im
ganzen seien ungefähr 9 Millionen Meterzentner eingeführt worden.

   Es handle sich nunmehr darum, eine Rechnung aufzustellen, welche es möglich
mache, trotz des Versiegens der Bezüge aus Rumänien bis zur neuen Ernte durch¬
zuhalten. Angesichts der ausserordentlichen Strenge der in Österreich bereits
bestehenden, den Verbrauch von Getreide und Mehl regelnden Verordnungen
könne auf eine stärkere Anspannung dieser Massnahmen nicht gerechnet werden.
Die Kopfquote, über deren Geringfügigkeit schon jetzt geklagt werde, noch weiter
herabzusetzen, sei unmöglich. Die sonstigen Anordnungen über Beschlagnahme
und Inanspruchnahme der über die Kopfquote hinausgehenden Mengen von den
Produzenten seien in immer strengerer Weise festgelegt und in letzter Zeit noch
weiter verschärft und einer strengen Kontrolle unterworfen worden. Im allgemei-

   a) Siehe im Anschluß an das Protokoll.

                                                                                                              393
<pb/>nen könne also in diesen Belangen nichts anderes erwartet werden, als dass durch
die strengste Handhabung der getroffenen Massnahmen ihre Durchführung genau-
estens gewährleistet werde.

   Aus den Ernteschätzungen ergebe sich leider, dass die Vorberechnungen allzu
optimistische gewesen seien. Der Vergleich des voraussichtlichen Ernteertrages mit
dem Bedarfe der Zivilbevölkerung in Österreich ergebe, dass die Lage im höchsten
Masse besorgniserregend sei. Es wäre daher alles an Hilfsmitteln Erreichbare
heranzuziehen, um dieser Lage abzuhelfen. Vor allem sei es notwendig, den wirk¬
lichen Sachverhalt hinsichtlich der Landesverräte und des Landesbedarfes fest¬
zustellen und dementsprechend dasjenige vorzukehren, was zur Abhilfe gegenüber
dem sich ergebenden Manko erforderlich ist. Hiebei werden in Rücksicht zu ziehen
sein der Bedarf des Heeres, das Verhältnis der beiden Staaten der Monarchie zu¬
einander in Bezug auf die Möglichkeit, sich auszuhelfen, endlich die Heranziehung
von Ressourcen aus den besetzten Gebieten. Nach den aus Russisch-Polen
vorliegenden Nachrichten sei dort eine gute Ernte zu erwarten. Es wäre jedenfalls
in erster Linie dafür zu sorgen, dass alles, was irgend möglich, nach Abzug der für
die Ernährung der dortigen Bevölkerung unerlässlichen Menge der Monarchie zur
Verfügung gestellt werde. Schliesslich wäre noch in Erwägung zu ziehen die Heran¬
ziehung der Kartoffelernte als Surrogat für die Ernährung überhaupt, weil die
Bevölkerung in allen anderen Lebensmitteln sehr weitgehenden Beschränkungen
unterworfen sei, dann als Streckungsmittel für die Brotfrucht, was von erhöhter
Bedeutung wäre, wenn auch die Maisernte versagen sollte. Es werde Vorsorge zu
treffen sein, damit die Kartoffelversorgung Wiens aus Ungarn in ausreichendem
Masse erfolge, vor allem werde aber in dieser Beziehung auf Polen gegriffen werden
müssen, weil man annehmen könne, dass dort genügende Mengen von Kartoffeln
zur Verfügung stehen, welche den Mehrbedarf der Bevölkerung im Inlande einiger-
massen ausgleichen könnten.

   Der k.k. Ackerbauminister gibt hierauf eine Darstellung des in Öster¬
reich zu erwartenden Ernteertrages einerseits auf Grund der von den Erntebericht¬
erstattern seines Ministeriums und von6 den landwirtschaftlichen Genossen¬
schaften (Landeskulturrat) gepflogenen Erhebungen und Berechnungen, anderer¬
seits auf Grund der von der Kriegsgetreideverkehrsanstalt durchgeführter Erhe¬
bungen. In diese Berechnung sind die Bukowina und Ostgalizien, welche für die
 Getreidebeschaffung zum grössten Teile nicht in Betracht kommen, nicht einbe¬
zogen worden. Die Erhebungen der Berichterstatter des Ackerbauministeriums
 beziehungsweise jene der landwirtschaftlichen Genossenschaften ergeben die folgen¬
 den von einander nur unwesentlich abweichenden Schätzungen:

                 für Weizen . 8.1 -- 8.2 Millionen q
                 für Roggen 14.4 -- 14.9 Millionen q
                 für Gerste 8.9 -- 8.6 Millionen q
                 für Hafer 14.1 - 13.8 Millionen q

     b) Das Wort »beziehungsweise« des maschinengeschriebenen Textes wurde von Zenker
 in »und« abgeändert.

 394
<pb/>   Die Berechnungen der Kriegsgetreideverkehrsanstalt, welche nach genauer
Feststellung der Anbaufläche unter Zugrundelegung der Druschproben anfangs
Juli erfolgt sind, ergeben folgende Ziffern:

                für Weizen 9.5 Millionen q
                für Roggen 15.0 Millionen q

insgesamt also an Brotfrucht eine Ernte von 24.5 Millionen q. Hievon sei in Abzug
zu bringen: 5 % an Hintergetreide sowie der Bedarf an Saatgut, beides zusammen
6 Millionen q, so dass dem inländischen Konsum 18.5 Millionen q zur Verfügung
stünden. Diese Ziffer sei jedoch mit grösster Vorsicht als richtig anzunehmen;
jedenfalls sei es ausgeschlossen, auf einen höheren Ertrag zu rechnen.

   Der Bedarf der Bevölkerung Österreichs an Mehl setze sich zusammen aus:
   1. Dem Bedarf der Selbstversorger, im ganzen 9.1 Millionen Menschen, davon
5.9 Millionen Schwerarbeiter mit einer Kopfquote von 300 g, für die übrigen eine
Kopfquote von 240 g; Gesamtbedarf 6.5 Millionen q.
   2. Dem Bedarf der übrigen Bevölkerung unter Zugrundelegung einer Kopf¬
quote von 300 g für 4.3 Millionen Schwerarbeiter, das sind 4.7 Millionen q, bezie¬
hungsweise einer Kopfquote von 200 g für die übrigen 12.3 Millionen Menschen,
das sind 9 Millionen q.
   Hieraus ergibt sich für eine Gesamtbevölkerung von 25.7 Milhonen Menschen
ein Gesamtbedarf von 25 Millionen q Mehl oder in Getreide umgerechnet von 29
Millionen q Brotgetreide. Unter Hinzurechnung einer einmonatlichen Reserve von
2.4 Millionen q, ferner eines unerlässlichen Vorrates an Kochmehl für Gastwirt¬
schaften und der Zulage für Erntearbeiter von zusammen 1.1 Millionen q ergebe
sich somit für das laufende Erntejahr in Österreich ein Gesamtbedarf an Brotgetrei¬
de von 32.5 Millionen q. Der Abgang an Brotgetreide betrage somit 14 Millionen q.
   Zur teilweisen Deckung dieses Abganges wäre die inländische Gerste-Produk¬
tion heranzuziehen. Die Ernte betrage nach der Schätzung der Kriegsgetreide¬
verkehrsanstalt etwa 11 Millionen q. Nach Abrechnung des Bedarfes an Saatgut
und des sonstigen Bedarfes der Landwirtschaft per 3.75 Millionen q ergebe sich
eine für den Konsum verfügbare Menge von 7 |4 Millionen q. Hievon sei abzu¬
ziehen :
   Die Unaufbringlichkeitsquote, der Bedarf für die Erzeugung von Rollgerste und
Malzkaffee, endlich ein für die Futtermittelzentrale zu reservierendes Quantum.
Nach diesen Abzügen verbleibe im besten Falle für die Vermahlung eine Menge
von 5.5 Millionen q. Selbst bei Heranziehung dieses Surrogates sei also ein Defizit
an Brotgetreide von 8.5 Millionen festzustellen-. Die Versorgung Österreichs mit
Brotgetreide wäre demnach für die Selbstversorger rechnungsmässig bis Mitte Juni,
für die Nichtselbstversorger nur bis Ende März, bei Berücksichtigung der einmo¬
natigen Reserve bis Ende April sichergestellt.
  Dies sei an und für sich keine aussergewöhnliche Erscheinung, da Österreich
auch in normalen Erntejahren immer auf die durchschnittlich ca. 15 Millionen
Meterzentner Getreide betragendec Einfuhr aus Ungarn angewiesen und für die

    c) Der Absatz »durchschnittlich ca. 15 Millionen Meterzentner Getreide betragende«
wurde von Zenker in den maschinengeschriebenen Text des Protokolls eingefügt.

                                                                                                    395
<pb/>eigene Bevölkerung etwa auf ein Viertel des Normalbedarfes unterdeckt gewesen
sei. Für die Armee könne Österreich unter diesen Umständen nichts liefern, ohne
die Bevölkerung der Hungersgefahr auszusetzen. Österreich könne aus seinen
Beständen nicht nur nichts abgeben, sondern sei selbst um die Hungerration zu
decken, auf die Einfuhr von 8.5 Millionen q angewiesen. Die einzige Abhilfe dürfte
daher in der grösstmöglichen Heranziehung der besetzten Gebiete zu finden sein.

   Ungarischerseits wird dieser Berechnung entgegengehalten, dass bei
der Umrechnung des Mehlbedarfes auf Getreide insoferne ein Fehler unterlaufen
sei, als dieser Berechnung nicht der Vermahlungsschlüssel von 84% zugrunde
gelegt wurde, sondern ein geringerer. In der Vermahlung müsse man aber unbe¬
dingt möglichst weit gehen. Ferner sei der Ausfall an Getreide ohne Einstellung der
einmonatlichen Reserve zu berechnen, endlich scheinen die Schwerarbeiter mit
einer viel zu hohen Ziffer in Rechnung gestellt worden zu sein.

   Unter Berücksichtigung dieser Korrekturen bezüglich der Vermahlungsart
beziehungsweise der Reserve berechnet der k.k. Ackerbauminister den
Gesamtbedarf Österreichs an Getreide mit 28.6 Millionen q, welchem ein Ernte¬
ertrag von 18.5 Milhonen q gegenüberstehe, woraus sich ein Defizit von 10 Millio¬
nen q Getreide ergebe.

   Der k.k. Handelsminister macht aufmerksam, dass das angesichts der kritischen
Lage mit grösster Raschheit erlassene&quot;&#39; Vermälzungsverbot vielleicht6 nicht mit
volleU Strenge werde aufrecht gehalten werden können, einerseits wegen des uner-
lässlichen Bedarfs an Malzkeimen zur Hefeerzeugung, deren Ersatz durch Ammo¬
niumsulfat nur im beschränkten Umfange möglich sei, eventuell auchg ins Gewicht
fallenden Schädigung der Brauindustrie und des Gastgewerbes.ft Injedem Falle sei
hinsichtlich der Handhabung des Vermälzungsverbotes ein einvernehmliches Vor¬
gehen beider Regierungen unbedingt geboten.

   Anschliessend hieran gibt der kgl. ung. Ackerbauminister eine Dar¬
stellung des Ernteergebnisses und des Bedarfes Ungarns. Die Berechnung des
Ernteertrages sei auf Grund der Druschstatistik ohne Einrechnung Kroatiens und
Slavoniens erfolgt, welche Länder im besten Falle für den eigenen Bedarf auf-
kommen. Hiebei sei zu bemerken, dass in der letzten Woche ein rapides Sinken der
Druschergebnisse zu bemerken gewesen sei, so dass angenommen werden müsse,
dass der Drusch in der Hauptsache seinem Abschlüsse entgegengehe. Auf Grund
dieser Berechnung ergebe sich als wahrscheinlicher Ernteertrag:

    d) Von Spitzmüller eigenhändig vorgenommene und mit seinem Handzeichen versehene
 Eintragung in den maschinengeschriebenen Text des Protokolls: »angesichts der kritischen
 Lage mit grösster Raschheit erlassene«.

    e) Zusatz Spitzmüllers: »vielleicht«.
    f) Das Wort »aller« des maschinengeschriebenen Textes wurde von Spitzmüller in »voller«
 korrigiert.

        Der ursprüngliche Text: »ferner wegen der schwer« wurde von Spitzmüller in »eventuell
 auch« korrigiert.

     h) Nachträgliche, mit seinem Handzeichen versehene eigenhändige Eintragung Spitzmül¬
 lers: »In jedem Falle sei hinsichtlich der Handhabung des Vermälzungsverbotes ein einver-
 nehmliches Vorgehen beider Regierungen unbedingt geboten«.

 39Ö
<pb/>                bei Weizen 28 Millionen q,
                bei Roggen 10 Millionen q,
somit insgesamt 38 Millionen q an Brotgetreide.
   Hievon sei abzuziehen:
die Ernte der evakuierten sechs Siebenbürgischen Komitate per 1.4 Millionen q,
ferner 5% an Hintergetreide von den verbleibenden 36.6 Millionen q, das ist
1.8 Millionen q;
somit verbleibt verfügbar ein gesamter Ertrag von 34.8 Milhonen q.
   Der Bedarf für die Bevölkerung Ungarns ergibt sich aus nachstehender Berech¬
nung:
   Gesamtbevölkerung 18.8 Millionen;
davon sind abzuziehen die in Siebenbürgen verbliebenen 0.7 Milhonen;
somit verbleibt eine zu verpflegende Bevölkerung von 18.1 Milhonen.
   Hievon entfallen:
62% auf Urproduzenten = 11.2 Millionen Menschen weniger 14% = 1.6 Millio¬
nen, die in militärischer Verpflegung stehen, das sind 9.6 Millionen; 1.2% in Berg¬
werken beschäftigte = 0.2 Millionen; 5.4% in Handel und Industrie beschäftig¬
te = 1 Million weniger 14% =0.1 Milhon, die in mihtärischer Verpflegung
stehen;
             somit .0.9 Millionen;
             31.4% andere = 5.7 Milhonen
             weniger 14% =0.8 Milhonen in mihtärischer Verpflegung,
             somit ..4.9 Milhonen.
   Das ergibt einen gesamten Verpflegsstand an Zivilbevöl¬
              kerung von .15.6 Milhonen.
   Der Bedarf beläuft sich bei den Urproduzenten unter Zugrundlegung einer
monatlichen Kopfquote von 18 kg auf 20.7 Millionen q, von welchen jedoch
10% =2.1 Millionen q als Naturallohn in Abzug zu bringen sind; dies ergibt
somit .18.6 Millionen q. Bei den im Berg¬
bau beschäftigten unter Zugrundelegung einer täglichen Kopfquote von 400 g
Mehl = 174 Kg Getreide jährlich einen Bedarf von 0.3 Millionen q;
   bei den in der Industrie, im Handel und Verkehr beschäftigten unter Zugrunde¬
legung einer Kopfquote von 300 g Mehl täglich = 131 kg Getreide jährlich einen
Bedarf von .1.2 Millionen q:
   bei der übrigen Zivilbevölkerung unter Zugrundelegung einer Kopfquote von
240 g Mehl täghch = 104 Kg Getreide jährlich einen Bedarf von .... 5.1
Millionen q;
somit als gesamtes Getreideerfordernis für die Versorgung der Zivilbevölkerung
Ungarns: 25.2 Milhonen q.
   An Saatgut sind ferner erforderlich .7.5 Milhonen q.
   Der Gesamtbedarf Ungarns an Brotgetreide stellt sich somit auf 32.7 Mihio-
nen q, woraus sich gegenüber dem Ernteertrage ein Überschuss von blos 2.1 Milho¬
nen q ergibt.
   Für den Fall der Rückeroberung der vom Feinde besetzten Gebiete Siebenbür¬
gens würde an Saatgut ein weiteres Erfordernis von 0.2 Millionen q, ferner zur

                                                                                                   .397
<pb/>Versorgung der dortigen Bevölkerung ein solches von 1.4 Millionen q Zuwachsen.
Andererseits könnte, vorausgesetzt dass es die Maisernte gestatte, da ein Teil
der Bevölkerung Ungarns auch in normalen Zeiten sich nicht von Brotfrucht allein
sondern zur Hälfte von Mais ernähre, hiedurch eine Ersparnis von 2 Millionen q
erzielt werden.

   Der Ertrag der Gersteernte in Ungarn dürfte höchstens 9 Millionen q ergeben.
Unter Zugrundelegung der gleichen Berechnung der Abzüge, wie in Österreich,
würden in beiden Staaten der Monarchie bestenfalls 8 --10 Millionen q Gerste für
Ernährungszwecke erübrigen, wobei die vollständige Einstellung der Vermälzung
Platz greifen müsste.

   Die Maisernte Ungarns werde gegenüber einem normalen Ertrage von 40 -- 50
Millionen q höchstens 20 Millionen q ergeben. Ebenso schlecht werde die Kar¬
toffelernte ausfallen mit einem voraussichtlichen Ertrage von etwa 30 Millionen q
gegen 50 Millionen in normalen Jahren.

   Der Vertreter des Armeeoberkommandos gibt sohin die Erntedaten
für Polen bekannt, welche auf Grund der Druschproben berechnet wurden. Eine
Unterscheidung zwischen den einzelnen Getreidearten sei nicht gemacht worden,
weil sie sämtlich als Brotgetreide Verwendung finden. Der Gesamtertrag der an und
für sich mittelguten Ernte sei nachteilig beeinflusst worden durch den beschränkten
Anbau: links der Weichsel seien zwar 95 % des Ackerbodens, rechts der Weichsel
bis zum Bug jedoch bloss 60 % und rechts vom Bug nur mehr 25 bis 30 % bebaut
worden. Der Gesamtertrag an allen Getreidearten sei mit 10,380.000 q berechnet
worden, wovon 7 3/4 Millionen q auf Brotgetreide, 2 74 Millionen q auf Hafer
entfallen.

   Hievon sind in Abzug zu bringen:
   20% als Saatgut = 1.5 Millionen q; für die Versorgung einerseits der Bevölke¬
rung (4 Millionen Menschen) unter Zugrundelegung einer Kopfquote von 330 g
Getreide täglich, andererseits der in Polen befindlichen Gouvernementstruppen
und Ersatzkörper unter Zugrundelegung einer Kopfquote von 500 g Mehl werden
benötigt: 5.2 Millionen q; an Hafer werden benötigt für 200.000 Zivilpferde zu
2 kg täglich und 15.000 Millitärpferde zu 4 kg täglich 1.7 Millionen q. Dies ergibt
einen Gesamtbedarf von 8.4 Millionen q Getreide, so dass sich ein Überschuss
von rund 1 xj2 Millionen q aus der Ernte ergebe. Hievon seien zur Deckung des
Heeresbedarfes bereits 1.2 Millionen q in die Berechnung der Heeresverwaltung ein¬
gestellt worden, und zwar 800.000 q Brotgetreide und 400.000 q Hafer, so dass als
Reserve des Generalgouvernements noch etwa 300.000 q erübrigen werden.
   Die Kartoffelernte Polens werde, weil es an Saatgut gefehlt habe, minder günstig
ausfallen; immerhin erhoffe man einen Ertrag von 30 Milhonen q. Doch dürfte es
wegen des Mangels an Verkehrsmitteln seine Schwierigkeiten haben, diese Ernte
herauszubekommen; es werde daher mit ihrer vollen Ablieferung nicht zu rechnen
sein.
   Bezüglich Serbiens sei zu bemerken, dass der Anbau an und für sich ein geringer
war und die Hauptfrucht, der Mais, eine schlechte Ernte erwarten lasse. Unter
diesen Verhältnissen werde man froh sein können, wenn Serbien und die dort
befindlichen Truppen vom Lande verpflegt werden können. Dagegen sei die Mög-

 398
<pb/>lichkeit gegeben, aus Serbien Vieh in nicht unerheblichen Mengen herauszuziehen.
Die vom Militärgeneralgouvernement Mitte Juli 1. J. durchgeführte Viehzählung
habe ein günstiges Ergebnis geliefert. Der Stand an Rindern jeden Alters betrage
etwa eine halbe Million Stück, Schweine seien über 400.000 Stück vorhanden. Es
sollen im ganzen 112.000 Stück Schlachtrinder, 74.000 Schweine und 64.000 Schafe
für die Zwecke der Heeresverpflegung sukzessive bezogen werden, davon bis Ende
Dezember 1. J. 46.000 Rinder, 26.000 Schweine und 22.000 Schafe. Ferner sei
verfügt worden, 3000 Waggons Weizen aus Serbien in Umtausch gegen Mais zu
beziehen.

   In Montenegro und Albanien stehen die Ernteverhältnisse ungünstig; doch
bedürfen diese Länder nur einer geringen Aushilfe. Die Truppen müssten aller¬
dings durchaus durch Nachschub verpflegt werden.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident konstatiert auf Grund der geliefer¬
ten Daten, dass sich für die beiden Staaten der Monarchie ein Defizit von 8 Mil¬
lionen q ergebe. Unter Hinzurechnung des Heeresbedarfes betrage das Gesamt¬
defizit 22 3/4 Millionen q. Dieser Fehlbetrag könne unmöglich hereingebracht
werden. Selbst mit Zuhilfenahme der Gerste und des Maises sei im besten Falle
eine Deckung nur bis zur Hälfte möglich. Es müsse daher an die Heeresverwaltung
mit dem dringendsten Ersuchen herangetreten werden, ihren Bedarf auf das
äusserste zu beschränken.

   Dieses Ansuchen wird vom Vorsitzenden nachdrücklichst unterstützt,
weil hiedurch, wenn auch noch nicht alles, so doch immerhin eine wesentliche
Streckung in der Zeit, für welche das Auslangen gefunden werde, erreicht werden
könne. Ein solcher Zeitgewinn sei bei den bestehenden Verhältnissen von unschätz¬
barem Werte.

   Der k.u.k. Kriegsminister gibt eine eingehende Darlegung der all¬
mählich eingetretenen Herabsetzung der Verpflegsrationen bei der Armee und
weist daraufhin, dass, während bisher keine Klage wegen ungenügender Ernährung
vorgebracht worden sei, seit Juni 1. J. derartige Klagen von allen Fronten einlau-
fen. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass die vorgeschriebenen Gebühren
durchwegs bezogen wurden, aber viel zu geringe seien. Es zeigen sich jetzt schon
Ernährungskrankheiten bei der Armee im Felde.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident weist darauf hin, dass der beiliegen¬
den Aufstellung des Kriegsministeriums&#39; die Normalportionen zugrunde gelegt
wurden. Es seien in diese Berechnung vielmehr die nach den Angaben des Kriegs¬
ministers dermalen geltenden herabgesetzten Portionen einzusetzen.

   Der Vertreter des Armeeoberkommandos gibt näheren
Aufschluss über die Art der Berechnung. Für den Verpflegsstand der Armee im
Felde per 3 Millionen Mann seien 500 g Mehl für 6 Tage der Woche, 250 g für
einen Tag in der Woche berechnet worden, an welchem die Mannschaft Zwieback
erhalte. Ferner seien die Festungen, welche dermalen mit einem ungenügenden
Vorrat für bloss zwei Monate versehen seien, mit höheren Portionen bedacht wor¬
den, um diese Vorräte hinaufzubringen. Ausserdem sei für 300.000 Kriegsgefan-

     i) Siehe als Sonderbeilage auf Seiten 400--401.
<pb/>No. Und zwar                         Brot Zwieback Koch Einbrenn Roll¬                                           Mais¬
                                                                                                         gerste  gries

                                                                Mehl                                             in Meter-
                                     6 014 000 385 000 342 000 150 000
1. Armeebedarf                                                                500 000                            -

2. Truppen u. Anstalten des                      24 000 401 500 73 000        145 600                              -
            Heres d. Ldw. u. d. Ldst. 4 015 000                                                                  1 000

3. Kriegsmarine                      40 000      -           9 400 600 -

4. Mil. Erziehung u. Bild.           13 000      -           3 300 200 -                                         -
      Anstalten ein schliessl. Ldw.

5. Bohneerfordernis für die                                                     --
                                                                                --
Fleischkonserven                     ---                              -         - 104 000
                                                                              145 600 105 000
6. für Mastzwecke                    - --                             -        645 600 105 000

7. Kriegsgefang.                     876 000     -           - 21 900

8. Summe (:Hinterland:)              4 944 000   24 000      414 200  95 700

9. Gesamterfordernis                 10 958 000 409 000 756 200 245 700

10. Rund                                         12 400 000                   645 600 105 000

BERECHNUNGSGRUNDLAGEN:

ad. Ruhr. No. 1.: Vom A.O.K. nachgewiesen
            für 2 217 644 400 Portionen Kaffeekonserven
            je 10 g. Gerste um Kaffee (roh) sowie 30 g Zucker eingestellt.

ad Ruhr. No. 2.: für einen Stand von 2 000 000 Mann und 100 000 Pferde:
            Brotmehl für 1 000 000 Mann Marschformationen, die stets erneut werden und besser genährt zur Armee
            abzugehen haben mit täglich 840 g Brot abzugehen 600 g Mehl und für 1 000 000 Mann mit täglich
            700 g Brot abzugehen 500 g Mehl
            Zwiebackmehl für die Ausmarschdotierung der Marschformationen
            Kochmehl an zwei Tagen der Woche für Mehlspeisen ä 190 g umgerechnet auf eine Tagesgebühr von 55 g
            Einbrennmehl täglich 10 g

       Hülsenfrüchte an drei Tagen der Woche ä 140 g, anher wöchentlich 420 g. Hieraus eingestellt in Hülsen¬
                        früchten zwei Drittel, in Rollgerste ein Drittel

            Fleisch täglich 180 g
            Fett täglich 10 g
            Zucker monatlich 1250 g
            Kaffee für Frühstück und Nachtmahl monatlich 300 g
            Hartfutter täglich 4 kg pro Pferd

400
<pb/>Hart¬    Hülsen¬    Fleisch      Fett             Gerste   Kaffee      Zucker    An¬
futter   früchte  einschliess¬                              roh                  mer¬
                                         Speck
                   lich des
                   Erforder¬                                                     kung
                  nisses für
                    Fleisch¬                      für Kaffeekonserven
                  konserven
                   für die

                    Armee

zentner                                                                            Hievon
                                                                                    665 000
14 800 000 1 086 000 4 124 000   238 000 189 000  220 000  220 000     685 000* für
                                                                                    Kaffee¬
1 460 000 291 200 1 314 000      73 000  -        - 72 000                          konser¬

                                                                                      ven

                                                                       300 000

-        10 300          30 000  1 095   -        -        1 080          4 500

-        2 100           5 530         292 -      -           288 1200

- 110 000                        -- - -                                -

600 000  -               --              -        -        --

-        208 000         93 600  21 900  -        -        -           57 600

2 060 000 621 600 1 443 130      96 287  -        -        73 368      363 300

16 860 000 1 707 600 5 567 130 334 287 189 000 220 000 293 368 1 228 300

16 900 000 1 700 000 5 600 000 335 000 189 000 220 000 294 000 1 230 000

ad Ruhr. No. 3.: Vom K.M. Marinesektion nachgewiesen
ad Ruhr. No. 4.: Nach Angabe dr 6. Abt. auf Grund des Standes und der Gebühr
ad Ruhr. No. 5.: Für das Jahreserfordernis von 220 000 000 Stück Fleischkonserven ä 50 g Bohnen

          Zur Ersparung des Fleisches wird ein Viertel der Gebühr durch Bohnen ersetzt.
ad. Ruhr. No. 6.: Für die Mästung von 120 000 Schweinen
ad Ruhr. No. 7.: Für die Hälfte des Standest das sind 600 000 Mann, wobei angenommen wird, dass die andere

            Hälfte bei der Landwirtschaft beschäftigt ist und von dieser verpflegt wid.
            Brotmehl täglich 400 g
            Einbrennmehl täglich 10 g
            Fett täglich 10 g dann
            Hülsenfrüchte wöchentlich 1000 g darunter zwei Drittel Hülsenfrüchte und ein Drittel Maisgries
            Fleisch wöchentlich 300 g
            Zucker monatlich 800 g

Besondere Bemerkung: Ein Erfordernis für das erfahrungsgemässe Kalo im Hinterlande für Verluste und Schaden
            ^ller Ort wurde nicht eingestellt.

26 Komjäthy: Protokolle                                                          401
<pb/>gene bei der Armee im Felde eine Kopfquote von 360 g Mehl täglich und für
200.000 Einwohner Montenegros und Albaniens eine solche von 160 g täglich ein¬
gesetzt worden. Schliesslich seien ein 10%-iges Calo und ein 10 %-iger Zuschlag für
Standeserhöhungen hinzugerechnet, dagegen die aus Polen zu liefernden 800.000 q
und die aus Wolhynien zu beziehenden 100.000 q in Abzug gebracht worden.

   Bei Wiederaufnahme der um 2 Uhr nachmittags unterbrochenen Sitzung er¬
klärte der k.u.k. Kriegsminister, dass er sich angesichts der bestehenden
Verhältnisse veranlasst gesehen habe, eine Herabsetzung der Anforderung der
Heeresverwaltung zu verfügen. Das Erfordernis an Brotfrucht sei von 12.4 Millio¬
nen q auf 11 Millionen q ermässigt worden. Auf dieser Grundlage werden die neuen
Gebühren berechnet und das Auslangen gefunden werden. Bezüglich der vom
Vorsitzenden hiemit im Zusammenhänge zur Sprache gebrachten Frage einer
entsprechenden Vorsorge bei der Aufstapelung der Vorräte und ihres Abschuhes
an die Front zum Zwecke der Vermeidung von Verlusten bei militärischen Rück¬
schlägen bemerkte der k.u.k. Kriegsminister, dass er seinerseits keinen Einfluss
habe auf die Deponierung der Vorräte bei der Armee im Felde. Er müsse aber
bitten, die Verpflegsvorräte für die Armee jetzt schon zur Verfügung zu stellen,
damit man nicht, wie gegenwärtig, auch weiterhin auf einen Vorrat für bloss
7 Tage angewiesen bleibe. Es müssten mindest für 30 Tage Vorräte bereit stehen.
Hinsichtlich der Disponierung der Vorräte nach vorwärts sei es ja richtig, dass bei
Luck grössere Vorräte verloren gegangen seien. Dass man die Verpflegsvorräte so
weit als möglich nach vorwärts schiebe, sei begründet durch den Mangel an Wag¬
gons, wodurch die Nachschübe aus entfernteren Gegenden sehr erschwert würden.

   Der Vertreter des Armeeoberkommandos bemerkt zu diesem
Punkte, dass die strengsten Verfügungen ergangen seien, damit nur die unumgäng¬
lich notwendige Verpflegsmenge an die Front abgeschoben werde. Die Verluste bei
Rückschlägen seien in dieser Beziehung im Verhältnis zur Gesamtheit ganz mini¬
mal. Die Reserven, welche die Armee im Felde bei sich habe, seien jetzt reduziert
auf den Bedarf für 10 bis 11 Tage; diese müssten aber wegen der plötzlich eintre¬
tenden Truppenverschiebungen vorhanden sein, damit ein augenblicklich auf¬
tretender Mehrbedarf gleich gedeckt werden könne.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident ersucht den k.u.k. Kriegsminister
um Bekanntgabe jener Mengen, welche von der Heeresverwaltung im letztver¬
flossenen Wirtschaftjahre tatsächlich in Anspruch genommen wurden.

   Diesbezüglich erklärt der k.u.k. Kriegsminister, dass in das Wirt¬
schaftsjahr 1915/16 mit einem 36-tägigen Verpflegsvorrate eingetreten wurde, in
das Jahr 1916/17 dagegen nur mit einem 6-tägigen; die Armee habe somit im Jahre
1915/16 einen Monat lang von den Vorräten aus dem Jahre 1914/15 gelebt. Von den
für das letzte Wirtschaftsjahr angesprochenen und zugestandenen Lieferungen seien
die beiden Staaten der Monarchie überdies mit etwa 2.7 Millionen q im Rück¬
stände geblieben.

   Der kgl. ung. Handelsminister gibt die hiezu nachstehenden näheren
Daten: Angefordert wurden an Brotgetreide ursprünglich 13.2 Millionen q. Diese
Anforderungen seien später auf 10 Millionen q Weizen und Roggen und 2
Millionen q Gerste, somit irn ganzen auf 12 ^ Millionen q herabgesetzt worden.

402
<pb/>Davon seien weniger geliefert worden 2.7 Millionen q Mehl = 3.2 Millionen q
Getreide. Somit habe die Armee tatsächlich etwas mehr als 9 Millionen q Getreide
erhalten, wozu noch der durch die Übernahme der Vorräte aus dem Vorjahre
gedeckte einmonatliche Bedarf hinzuzurechnen sei, somit im ganzen 10 Millionen q
Getreide. Auf Mehl umgerechnet seien dies 8.4 Millionen q. Es bedeute also selbst
die vom k.u.k. Kriegsminister bereits zugestandene Herabsetzung der Ansprüche
pro 1916/17 auf 11 Millionen q Mehl eine Mehrforderung von etwa 25%. Dies sei
nach dem heurigen Ernteergebnisse zu leisten unmöglich. Man müsse daher die
vorjährigen tatsächlichen Verbrauchsziffern als Grundlage für die Berechnung des
Heeresbedarfes nehmen.

   Der k.u.k. Kriegsminister hält diesen Ausführungen entgegen, dass die Armee
heuer tatsächlich um 300.000 Mann stärker sei als im letzten Wirtschaftsjahre.

   Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister stellt die Approvisio-
nierungslage in Bosnien und der Herzegowina folgendermassen dar:

   Die normale durchschnittliche Jahresverbrauchsmenge per Kopf der Bevölke¬
rung Bosniens und der Herzegowina in der Dekade 1903 -- 1912 stellt sich folgen¬
dermassen dar:
Durchschnittlicher Jahresertrag an Brotfrüchten . 4,011.590 q
Durchschnittlicher Mehrimport an Getreide und Mehl (letzteres
in Getreide umgerechnet) . 430.521 q

Summe der im Inlande verbrauchten Brotfrüchte. 4,442.111 q
Durchschnitthcher jährlicher Saatgutbedarf in der Dekade 1903 --
1912 . 474.330 q

verbleibt ein durchschnittlicher Konsumbedarfpro Jahr von . . . 3,967.781 q.

Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Jahresverbrauchsmenge auf den Kopf

der laut Volkszählung im Jahre 1910 konstatierten Zivilbevölkerung von 1,898.044

Seelen in der Höhe von 3,967.781 q = 209 kg oder eine Monatskopfquote von
          1,898.044
17.4 kg.

Der Durchschnitt der fünfjährigen Periode 1908 --1912 weist analoge Zahlen auf.

Durchschnittliche Jahresproduktion an Brotfrüchten . 4,007.484 q

Mehrimport an Getreide und Mehl (letzteres in Getreide umgerech¬

net) .. 558.501 q

                     Zusammen .... 4,565.985 q

Hievon ab Jahresdurchschnittbedarf an Saatgut . 461.200 q

verbleibt Jahresverbrauchsmenge. 4,104.785 q
das ist im Jahre per Kopf 216 kg oder im Monate 18 kg.

  Für die Landbevölkerung würde sich selbstverständlich eine höhere Quote
ergeben, da die Stadtbevölkerung stets weniger an Mahlprodukten konsumierte.

  Nach der gegenwärtigen Verbrauchsregelung in Bosnien-Herzegowina beträgt
die Monatskopfquote für die Stadtbevölkerung 6 kg Mehl = 7.2 kg Getreide,
für die Landbevölkerung 10.5 kg Getreide.

   Für einzelne Kategorien der Bevölkerung wie: Industrie-, Berg-, Wald- und
sonstige Schwerarbeiter, welche ausschliesslich oder nahezu ausschliesslich auf

26* 403
<pb/>Mahlprodukte und Brot angewiesen sind, kann die Landesregierung ausnahms¬
weise auf das notwendigste Mass beschränkte Zuschübe gestatten.

  Die Verbrauchsmenge für die Landbevölkerung in Ungarn wurde mit 18 kg

Getreide per Monat fixiert.
  Der Vergleich mit der in Bosnien-Herzegowina in normaler Zeit gebräuchlich

gewesenen durchschnittlichen Verbrauchsmenge sowie auch mit der in Ungarn
festgesetzten Konsumquote lässt erkennen, in welch rigoroser Weise der Getreide-
(Brot-) Konsum der Landbevölkerung in Bosnien-Herzegowina geregelt wurde.
Dies hat allerdings bei einem grossen Teile der Bevölkerung, welcher andere
Lebensmittel als Ersatz für den Entgang an Mehl und Brot zur Ergänzung ihrer
Ernährung nicht heranziehen konnten, eine Unterernährung zur Folge.

   Ausgehend von der dermaligen gesetzlichen Konsumregelung, das ist 7.2 kg
Getreide für die Stadt- und 10.5 kg Getreide pro Monat für die Landbevölkerung
soll im Nachstehenden der Bedarf an Brotfrucht für Bosnien-Herzegowina pro

1916/17 nachgewiesen werden.
   Der Stand der Bevölkerung betrug nach der am 15. Februar 1916 vorgenomme¬

nen Zählung 1,657,739 Personen, wovon auf die Städte 290.753, auf das Land

1,366.986 entfallen.
  Bei der Feststellung des Konsumbedarfes für die städtische Bevölkerung müs¬

sen nach dem Anträge der Landesregierung in Sarajevo 30%, das sind 87.225
Personen als Industrie-, Montan-, Wald- und sonstige Schwerarbeiter für eine

50%-ige Erhöhung der Konsumquote berücksichtigt werden.
   Brotfruchtbedarf der eigentlichen Stadtbevölkerung (203.528

Personen) ä 7.2 kg Getreide pro Monat. 14.654 q

Brotfruchtbedarf der Industrie-, Montan-, Wald- und sonstigen  9.420 q
Schwerarbeiter (87225 Personen) ä 7.2 kg Getreide +50% Erhö¬
hung = 10.8 Getreide.

Brotfruchtbedarf der Landbevölkerung (1,366.986 Personen) ä 10.5
kg Getreide.. 143.533 q

Summe des Mehlbedarfes der gesamten Bevölkerung. 167.607 q

das ist pro Jahr 167.607x12 =                                  2,011.284 q

  Hiezu beantragt die Landesregierung in Sarajevo einen Zuschlag von 20 % des
Brotfruchtbedarfes der Landbevölkerung aus folgenden Gründen:

  Die volle Einrechnung der eigenen Ernte in die Bedarfsdeckung setzt voraus,
dass alle Vorratsüberschüsse im ganzen Lande bei jedem einzelnen Produzenten
restlos erfasst und der allgemeinen Approvisionierung zugeführt werden. Dies ist
aber in dieser Vollkommenheit nirgends technisch durchführbar, am allerwenigsten
in Bosnien-Herzegowina bei den kleinen von den Verkehrsstrassen weit entfernten
Kleinwirtschaften. Hiezu kommt ausserdem der zwar mit allen zulässigen Mitteln
bekämpfte, aber nicht ganz einzudämmende Schmuggel mit Getreide nach Dal¬
matien, in den Sandzak, nach Montenegro und über die Nordgrenze in die Lika.

   Ferner muss der Landesverwaltung die Möglichkeit gewahrt werden, gegebenen¬
falls auch die Verbrauchsquote der Landbevölkerung in einzelnen Gebieten zu
erhöhen. Dies gilt insbesondere für die vom Feinde heimgesuchten Gebiete, in

404
<pb/>denen der Ernährungszustand der Bevölkerung stark gelitten hat und daher einer
Aufbesserung bedarf. Aber auch jene Gegenden des Landes kommen hier in
Betracht, die hauptsächlich zufolge ihrer Lage und der daraus resultierenden
Verkehrsschwierigkeiten nicht immer entsprechend approvisioniert werden
konnten und auch daher eine gewisse Berücksichtigung verdienen.

   Weiter muss auch damit gerechnet werden, dass, wenn auch Mais als mensch¬
liches Nahrungsmittel den übrigen Brotfrüchten vollkommen gleich gehal¬
ten wird, die Ausschaltung der Maisverfütterung zur Gänze und auf die Dauer
nicht aufrechterhalten werden kann. Es muss ein entsprechendes Maisquantum
für Mastzwecke ins Kalkül gezogen werden, weil Fettmangel herrscht und Melasse,
Ölkuchen und sonstige Rückstände landwirtschaftlicher Industrien für die Vieh¬
fütterung in Bosnien-Herzegowina nicht zur Verfügung stehen.

   Schliesslich darf nicht ausser Betracht bleiben, dass, wie die Landesregierung in
Sarajevo auf Grund der Meldungen der Unterbehörden bereits berichtet, die fakti¬
schen Ernteergebnisse den Schätzungen nicht entsprechen, das heisst hinter den¬

selben Zurückbleiben werden.
   Für alle diese hier ins Auge gefassten Eventualitäten präliminiert daher die

Landesregierung einen 20 %-igen Zuschlag zu dem Brotfruchtbedarf der Landbe¬

völkerung = 344.479 q.
   Den Saatgutbedarf an Weizen, Roggen, Gerste, Spelz, Mengfrucht und Mais

beziffert die Landesregierung mit insgesamt 663.670 q, das ist gegenüber dem früher
angegebenen durchschnittlichen jährlichen Saatgutbedarfe per
474.330 q um 189.340 q mehr, weil die Anbauflächen pro 1916/17 auf Grund der
in den Jahren 1913/15 festgestellten Anbauflächen angenommen wurden.

        Rekapitulation.                                    2,011.284 q
        Nahrungsbedarf aller Bevölkerungs¬
schichten wie oben angegeben ....                           344.479 q
20%-iger Zuschlag zum Nahrungsbedarf                         663.670 q
 der Landbevölkerung.                                      3,019.433 q
Saatgutbedarf an Brotfrüchten ....

                        Gesamtsumme

  Es ergibt sich somit ein Gesamtbedarf an Brotfrüchten für Bosnien und die
Herzegowina pro 1916/17 von rund 30.194 Waggons.

  Die Ernteergebnisse, die nach den früheren Schätzungen zu gewärtigen wären,
aber nach den neuesten Meldungen der Unterbehörden leider als zu optimistisch
geschätzt angenommen werden müssen, stellen sich folgendermassen dar:

                         Weizen . .                          491.880 q
                         Roggen                                39.740 ,,
                         Gerste . .
                         Spelz . . .                         416.550 ,,
                         Mengfrucht                            10.520 ,,
                         Mais . . .                            30.000 ,,

                                                 Zusammen  1,105.000 ,,

das ist rund 20.936 Waggons.                               2,093.690 q

                                                                          405
<pb/>   Dies bedeutet gegenüber dem Gesamtbedarf per 30.194 Waggons einen Abgang
von 9.258 Waggons, welcher aus den Vorräten der beiden Staaten der Monarchie
zu decken wäre. (In der an die beiden Ministerpräsidenten gerichteten Note wurde
dieses Manko mit rund 10.000 Waggons angeführt.) Bemerkt sei, dass Bosnien und
die Herzegowina in dem verflossenen Wirtschaftsjahre, das wie das kommende
unter dem Zeichen einer ausgesprochenen Missernte stand, 7.304 Waggons
Brotfrucht von auswärts benötigte, wovon 6.000 Waggons auf das in der gemein¬
samen Ministerkonferenz vom 22. Dezember 1915 zugesprochene aus rumänischen
Importen zu deckende Kontingent entfallen. Letzteres wurde bis auf 189 Waggons
angeliefert.

   Was nun die Anlieferung des für das Wirtschaftsjahr 1916/17 benötigte ausser¬
halb Bosniens und der Herzegowina zu beschaffende Brotfruchtkontingent von
rund 10.000 Waggons anbelangt, so bemerkt der k.u.k. gemeinsame Finanzminister
folgendes:

   Die Landesregierung in Sarajevo bezeichnet es als dringend notwendig, dass ä
conto des obigen Kontingentes schon jetzt ab 1. September bis Ende des Jahres
4000 Waggons Getreide oder Mehl, das ist 1000 Waggons pro Monat, zugescho¬
ben werden. Hievon würden in erster Linie je 200 Waggons Mehl oder eines ent¬
sprechenden Quantums von Weizen, Roggen und Gerste pro Monat für die Appro-
visionierung der Städte und Industrien verwendet werden, während der Rest für die
Ernährung der Landbevölkerung und zur teilweisen Deckung des Saatgutbedarfes
zu dienen hätte. Als letzteren meldet die Landesregierung an: 150 Waggons Win¬
tergerste, 150 Waggons Winterweizen, und 30 Waggons Winterroggen und
bittet um deren Zuschub im Laufe des Monates September. Was die Zuschübe
für die Ernährung der Landbevölkerung anbelangt, so könnten dieselben, wie die
Landesregierung meint, im schlimmsten Falle bis zu 200 Waggons auch aus
Weizen und Roggenkleie bestehen.

   Der Grund, warum die Landesregierung Zuschübe bereits ab 1. September
erbittet, hegt vor allem darin, dass der Drusch und die Einbringung der Ernte bei
den in Bosnien und der Herzegowina zum grössten Teile aus Kleinwirtschaften
bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben, welche überdies von Zug- und Ar¬
beitskräften entblösst sind, lange dauert, die bosnisch-herzegowinische Mühlenin¬
dustrie nur eine geringe Leistungsfähigkeit aufweist, daher die neue Ernte an
Weizen, Roggen und Gerste viel später als in der Monarchie dem Konsum zuge¬
führt werden kann. Hiezu kommt, dass Bosnien und die Herzegowina ohne Reser¬
ven in das neue Wirtschaftsjahr eintreten, da sie in den letzten Monaten lediglich
auf die den knappen Bedarf deckenden rumänischen Importe angewiesen waren.
Es würde aber auch die Versorgung des Landes, insbesondere der Städte und In¬
dustrien, aus der eigenen Weizen-, Roggen- und Gersteernte zu einem späteren Zeit¬
punkte gefährdet, auch die Sicherung des bezüglichen Saatgutes in Frage gestellt wer¬
den, würde die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung die Halmfrüchteernte
schon jetzt zur Gänze dem Konsume zur Verfügung stellen, ganz abgesehen davon,
dass sie die entlegenen und unter schwierigen Verkehrsverhältnissen leidenden
gebirgigen Gebiete des Landes mit entsprechenden Wintervorräten versehen muss.

   Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister kann den von der Landesregierung in

406
<pb/>Sarajevo eingenommenen Standpunkt nur als vollkommen begründet bezeichnen.
Er müsse auf die Anlieferung der von der Landesregierung angesprochenen Ge¬
treide- und Mehlzuschübe bis Ende des Jahres schon deshalb den grössten Wert
legen, weil sich die Zuschübe im neuen Jahre zufolge allmählichen Erschöpfens
der Vorräte in den beiden Staaten naturgemäss stets schwieriger gestalten werden
und falls sie ausblieben, das Land, welches dann zum grössten Teile nur noch über
die relativ geringe Maisernte verfügen würde, vor einer Notlage stünde, der abzu¬
helfen die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung ausser Stande wäre.

   Ausserdem müsse noch um die Sicherstellung von 150 Waggons Hülsenfrüchte,
sowie eines Kartoffelkontingentes von 1200 Waggons für Nahrungszwecke, wel¬
ches in der Zeit vom 1. Oktober bis Mitte November anzuliefern wäre, sowie um
die Sicherstellung von 800 Waggons Saatkartoffel, lieferbar im Frühjahr, gebeten
werden.

   Im Vorjahre war nämlich eine Kartoffelmissernte und dem Mangel an Saat¬
gutkartoffeln wurde durch Lieferung von auswärts nur in ungenügendem Ausmasse
abgeholfen.

   Die Hülsenfrüchte und Kartoffeln bilden dermalen in Anbetracht der niedrigen
Kopfquote an Getreide und zufolge des Mangels an Vorräten anderer Gemüse
wichtige Nahrungsmittel.

   Aus der obigen Darstellung geht hervor, dass Bosnien und die Herzegowina auch
im kommenden Wirtschaftsjahr 1916/17 auf nahmhaftere Zuschübe aus den beiden
Staaten der Monarchie angewiesen sein werden, wenn nicht die Ernährung der
dortigen Bevölkerung ernstlich in Frage gestellt werden soll.

   Schliesslich bringt der k.u.k. gemeinsame Finanzminister auch folgendes zur
Sprache:

  Vor einiger Zeit brachten Zeitungen die Notiz, welche die zum Teile unentgelt¬
liche Beteilung der notleidenden Bevölkerung einzelner okkupierter Gebiete durch
die Heeresverwaltung mit Getreide zum Gegenstände hatte. Es sei vollkommen
begreiflich, dass die Heeresverwaltung für die Ernährung der von ihr administrierten
Bevölkerung Sorge trage, doch seien derlei Kundgebungen nur geeignet, in Bosnien
und der Herzegowina, insbesondere in den an Montenegro angrenzenden Gebieten
der Herzegowina, in welchen schon in normalen Zeiten die Bevölkerung mit Er¬
nährungsschwierigkeiten kämpfe, eine gewisse Missstimmunghervorzurufen, welche
in ihrer Tragweite nicht zu unterschätzen sei und welcher vorzubeugen getrachtet
werden müsste.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident nimmt hierauf die nachstehende Auf¬
stellung des gesamten Defizits vor, wobei als Heeresbedarfdie Quote des Vorjahres
angenommen wird:

                          Defizit Österreichs.10 Mill. q
                          Defizit Bosniens und der Herzegowina 1 Mill. q
                          Heeresbedarf .8,4 Mill. q

                          Gesamtdefizit.19,4 Mill. q

                          Hievon ab Überschuss Ungarns ... 2 Mill. q

                          verbleibt ein Defizit von.17,4 Mill. q
                          Getreide.

                                                                                                               407
<pb/>   Bezüglich des Heeresbedarfes hebt der kgl. ung. Ministerpräsident
hervor, dass die Heeresleitung unter den so viel ungünstigeren Verhältnissen des
laufenden Wirtschaftsjahres keinesfalls mehr in Anspruch nehmen könne, als das
Quantum von 8.4 Millionen q Getreide, welches im vergangenen Wirtschafts¬
jahre von den beiden Staaten der Monarchie tatsächlich zur Verfügung gestellt wur¬
de. Ein etwaiger Mehrbedarf des Heeres fände seine sichere Deckung in den
Überschüssen der besetzten russischen Gebiete.

   Dieser Auffassung wird von beiden Regierungen zugestimmt, wobei vom kgl.
ung. Finanzminister nachdrücklichst betont wird, dass die Kartoffel¬
ernte der russischen Gebiete zur Ernährung der dortigen Bevölkerung in möglichst
intensiver Weise herangezogen und ein grosser Theil der dortigen Getreideernte
zur Deckung des österreichischen Defizites verwendet werden sollte.-&#39;

   Bezüglich der Deckung sei zunächst zu prüfen, ob die Ernteberechnung zutreffe
oder nicht. Für Ungarn könne die Druschstatistik als eine ziemlich verlässliche
Grundlage angesehen werden. Bezüglich Österreichs wäre die Feststellung des
tatsächlichen Ernteergebnisses noch zum Gegenstände möglichst genauer Erhe¬
bungen zu machen, da die vorliegende Berechnung ein äusserst ungünstiges Bild
liefere. Ferner wäre festzustellen, was an Gerste abgegeben werden könne, wobei die
Bierbrauerei auf das zur Presshefeerzeugung notwendige Minimum einzuschrän¬

ken wäre.
   Zu diesem letzteren Punkte wird einvernehmlich festgestellt, dass zur Vermah¬

lung in beiden Staaten der Monarchie zusammen etwa 7 Millionen q Gerste zur
Verfügung stehen würden.

   Der Vorsitzende stellt somit fest, dass man hinsichtlich der Brotversor¬
gung vor einem Defizit stehe, welches, sehr strenge berechnet etwa 10 Millionen q
betrage und für welches es einen Ersatz in der Monarchie nicht gebe. Es werfe sich
daher die Frage auf, ob es nicht möglich wäre, angesichts der heuer wesentlich
günstigeren Lage Deutschlands an deutsche Hilfe zu appellieren im Zusammen¬
hänge mit dem deutschen Bedürfnisse nach Petroleum. Es sei nicht ausgeschlossen,
wenn man deutscherseits mit neuen Anforderungen in diesem Belange herantrete,
einen Kompensationsanspruch auf deutsches Getreide anzumelden. Dies würde
deutscherseits von vorneherein wahrscheinlich nicht abgelehnt werden können;
 man würde aber voraussichtlich eine gemeinsame Prüfung der Lage verlangen,
was in einer Rücksprache der massgebenden Persönlichkeiten geschehen müsste.
 Es sei wohl denkbar, dass sich Deutschland zu einem Opfer bereit finde, doch müsse
man darauf gefasst sein, dass dann auch eine Kontrolle der Gebahrung in der
 Monarchie verlangt werden würde. Deutschland habe ja schon vorgeschlagen, das
 Ernährungswesen der Zentralmächte zu zentralisieren und werde sich jedenfalls
die Sicherheit schaffen wollen, dass in Österreich-Ungarn tatsächlich so gespart
werde wie es nötig ist. Es entstehe daher die Frage, ob man österreichisch-ungari-
 scherseits in der Lage wäre, ein solches Ansinnen dann noch abzulehnen. Die
 gehoffte Aushilfe würde man von Deutschland in diesem Falle wohl nicht erhalten

    j) Der mit »Bezüglich des Heeresbedarfes« beginnende und mit »werden sollte« endende
 Teil wurde von Istvän Tisza nachträglich in den maschinengeschriebenen Text des Proto-
 kohs eingefügt.
<pb/>können. Wenn man also zur Erkenntnis gelangen sollte, dass es kein anderes Mittel
zur Deckung des Defizits gebe, so wäre eine offene Aussprache mit Deutschland
wohl nicht zu scheuen.

   Gegen die Idee einer weiteren perzentuellen Herabsetzung der Kopfquote für die
Bevölkerung erklärt sich der Vorsitzende aus dem Grunde aussprechen zu müssen,
weil die Wirkung nach aussen hin eine überaus ungünstige wäre. Die Feinde mü¬
ssten den Eindruck gewinnen, dass es jetzt mit den wirtschaftlichen Kräften der
Zentralmächte zu Ende gehe und würden daher ihre Anstrengungen verdoppeln,
wodurch die Aussicht einer Verbesserung der militärischen Lage, die sonst in den
nächsten Monaten eintreten könnte, wieder in Frage gestellt würde. Es sei im
gegenwärtigen Augenblicke unbedingt alles zu vermeiden, was den moralischen
Faktor der Feinde heben könnte.

   Dagegen erscheine es unerlässlich, die Berechnungen des Bedarfes und der vor¬
handenen Deckung einer neuerlichen genauesten Prüfung zu unterziehen und zu
trachten, das Defizit auf irgend eine Weise zu decken. Die abgehaltene Bespre¬
chung sei daher zunächst lediglich als eine orientierende anzusehen, welche eine
Fortsetzung zu finden haben werde. Die beiden Regierungen werden zunächst die
geeigneten Mittel zur Behebung der Schwierigkeiten in Erwägung zu ziehen haben
und das Armee-Oberkommando werde ersucht, die Leistungsfähigkeit Polens einer
genauesten Nachprüfung zu unterziehen, damit aus diesem Lande der grösst-
mögliche Zuschub an Brotgetreide erzielt werde. Dies könnte durch tunlichste
Einschränkung der Bevölkerung auf den Konsum von Kartoffeln erreicht werden,
wodurch die in der Berechnung des Armee-Oberkommandos für die Ernährung der
Bevölkerung eingesetzten Getreidemengen zum grossen Teile für die Monarchie frei

würden.
   Es gelangt nun schliesslich noch die Frage der Deckung des augenblicklichen

Bedarfes der Heeresverwaltung und Österreichs, insbesondere der Stadt Wien, so¬
wie Konstantinopels in der Weise zur Regelung, dass von den seitens der Heeres¬
verwaltung angesprochenen 280 Waggons täglich bis auf weiteres 20 Waggons
nach Konstantinopel und 30 Waggons nach Wien abgeliefert werden, so dass 230
Waggons zur Verfügung der Heeresverwaltung gestellt werden. Der kgl. ung.
 Handelsminister macht hiebei darauf aufmerksam, dass das Tempo der
Lieferung von 280 Waggons täglich auf die Dauer nicht werde eingehalten werden
können und wahrscheinlich nach einem Monate werde herabgesetzt werden müssen,,
da die Zufuhren aus dem Lande gleichfalls nachlassen werden.

   2. Lieferung von Kupfervitriol für die ungarische
Landwirtschaft.

   In dieser Beziehung handelt es sich im wesentlichen um die Erfüllung des Wun¬
sches des kgl. ung. Ackerbauministers, dass das der ungarischen Land¬
wirtschaft seitens des k.u.k. Kriegsministeriums zugesagte Quantum Kupfer zur
Erzeugung von Kupfervitriol dem kgl. ung. Ackerbauministerium aus dem in
Ungarn requirierten Kupfer beigestellt werde behufs Verarbeitung zu Kupfer¬
vitriol in den ungarischen Fabriken. Der Gesamtbedarf Ungarns an Kupfervi¬
triol werde sich demnach in folgender Weise decken:
<pb/>    Durch Beistellung von 100 Waggons Kupfer zur Erzeugung von 300 Waggons
Kupfervitriol in den ungarischen Fabriken; durch Lieferung von 300 Waggons
Kupfervitriol aus Deutschland und durch den Bezug von 200 Waggons Kupfer¬
vitriol von den Aussiger Werken.

   Der k.u.k. Kriegsminister sagt eine den ungarischen Wünschen
entsprechende Regelung zu.

   Der Vorsitzende schliesst sohin die Sitzung um % 9 Uhr abends.

            Original-Reinschrift. -- Der »zur Einsicht«-Mantelbogen des Protokolls fehlt.
         Auf dem letzten Blatt die Kenntnisnahme durch den Herrscher: »Wien, am 11. Novem¬
         ber 1916.« Unter dem Text rechts die Unterschrift Buriäns, links unten die von Joanno-
         vics. -- Ebd. das maschinengeschriebene Konzept des Protokolls mit mehreren, vom
         Protokollführer stammenden Korrekturen; das sichtlich vom Protokoll unabhängig
         angefertigte maschinengeschriebene Konzept der langen Ausführungen des gemeinsa¬
         men Finanzministers nachträglich hinzugefügt.

                                                                                                                18.

                                                                                Wien, 16. Oktober 1916

        Debatte über die Schwierigkeiten der Lebensmittelversorgung der Monarchie.
        Die Versorgungslage in Österreich und in Ungarn.

            Bereits im Ministerrat vom 9. September war der Gedanke aufgetaucht, sich zur
         Linderung des katastrophalen Getreidemangels in der Monarchie an Deutschland zu
        wenden. Nun wurde nach längerer Debatte ein entsprechender Beschluß gefaßt, der
        jedoch dem ungarischen Ministerpräsidenten mißfiel. Fast erfreut nahm er die Mittei¬
        lung zur Kenntnis, auch bei den Deutschen sei die Ernte nicht gut ausgefallen. Nicht
        ohne Grund befürchtete er nämlich, durch das Hilfeansuchen werde die ohnehin
        auf schwachen Füßen stehende wirtschaftliche, politische und militärische Selbständig¬
        keit der Monarchie weiter geschwächt werden, außerdem würden die Österreicher in
        die Versorgungsverhältnisse Einsichtnahme verlangen, was auch bereits auf dieser
        Konferenz eintrat. -- Zu der Frage übrigens, welche Ministerkonferenzen sich mit
         dieser Frage befaßten, siehe den Kommentar zum Protokoll vom 9. September 1916.

Protokoll des zu Wien am 16. Oktober 1916 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des Ministers des k.u.k. Hauses und des
Äußern Baron Buriän.

   K.Z. - G.M.K.P.Z. 529.
   Gegenwärtige: der k.k. Ministerpräsident Karl Graf S t ü r g k h, der kgl. ung.
Ministerpräsident Stefan Graf T i s z a, der k.u.k. gemeinsame Finanzminister
Dr. Ernst von K o e r b e r, der k.u.k. Kriegsminister GO. Freiherr von Kro-
b a t i n, der k.k. Ackerbauminister Freiherr von Zenker, der k.k. Finanz¬
minister Ritter von L e t h, der k.k. Handelsminister Dr. von Spitzmüller,
der kgl. ung. Handelsminister Baron Harkänyi, der kgl. ung. Ackerbau¬
minister Baron Ghilläny, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der
Leiter des k.k. Ministeriums des Innern Freiherr von Handel, der Vertreter
des k.u.k. Armeeoberkommandos Oberst des k.u.k. Generalstabskorps H ö f e r,
der Chef der Zentraltransportleitung Oberst K r e n n e i s.
   Protokollführer: Generalkonsul von Joannovics.
   Gegenstand: 1. Getreidefrage. 2. Kündigung der Handelsverträge.

410
<pb/>