MRP-2-0-07-0-19150708-P-0012.xml

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Gemeinsamer Ministerrat, 8. 7. 1915

I. Die Organisation des Getreideimportes aus Rumänien

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z12.pdf.

II. Die Deckung des deutschen Petroleumbedarfes

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z12.pdf#page=11.

III. Feststellung der Quote für die Zurückgabe der im Kriege verwendeten Pferde an die beiden Staaten der Monarchie

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z12.pdf#page=14.

IV. Verwaltung des mobilen und immobilen Vermögens der italienischen Staatsangehörigen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VII/pdf/oe_hu_mrp_VII_z12.pdf#page=17.

         fehlt. -- Ebd. das maschinengeschriebene Konzept mit unzähligen, hauptsächlich aus der
         Feder des Protokollführers Günther stammenden Korrekturen. Am Schluß die Unter¬
         schrift Günthers. (Die ersten 8 Bogen des Protokolls wurden, wie aus den Korrekturen
        ersichtlich, von Walterskirchen, die übrigen von Günther verfaßt.)

                                                                                                     12.

                                                                                         Wien, 8. Juli 1915

         Der Ministerrat behandelt die politischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte des
         Getreideimports aus Rumänien, die mit der Befriedigung des deutschen Erdölanspruchs
        zusammenhängenden Fragen und einige weitere Wirtschafts- und Finanzprobleme.

            Die Fragen der Getreideversorgung der Monarchie kamen in den Sitzungen des
         gemeinsamen Ministerrates während des Krieges wiederholt zur Sprache (dazu siehe
         den Kommentar zum Protokoll vom 9. September 1916). Über die »Kriegeszentralen«
         und Gesellschaften orientiert Redlich in seinem, im Kommentar zum Protokoll vom 3.
         Februar 1915 erwähnten Werk (hauptsächlich auf S. 179 ff.), sowie das ebendort
        zitierte Werk von Szterenyi--Ladänyi (vor allem S. 265 ff.). Über das Problem des
        Nickelgeldes siehe Popovics: a.a.O., S. 77 ff. sowie Ivänyi: a.a.O. S. 89--90 und 199.

Protokoll des zu Wien am 8. Juli 1915 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame
Angelegenheiten, unter dem Vorsitze des Ministers des k.u.k. Hauses und des
Äußern Baron Buriän

   K.Z. 60. - G.M.K.P.Z. 523.

   Gegenwärtige: der k.k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung.
Ministerpräsident Graf T i s z a, der k.u.k. gemeinsame Finanzminister Dr. von
K o e r b e r, der k.u.k. Kriegsminister FZM. Ritter von K r o b a t i n, der
k.k. Handelsminister Dr. von Schuster, der kgl. ung. Handelsminister
Baron Harkänyi, der k.k. Ackerbauminister Dr. Zenker, der kgl. ung.
Ackerbauminister Baron G h i 11 ä n y, der k.k. Finanzminister Freiherr von
Engel, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der k.k. Minister
für öffentliche Arbeiten Dr. T r n k a, der kgl. ung. Minister am Allerhöchsten
Hoflager Baron R o s z n e r.

   Schriftführer: k.u.k. Generalkonsul von Joannovics.

   Gegenstand: 1. Die Organisation des Getreideimportes aus Rumänien. 2.Die
Deckung des deutschen Petroleumbedarfes. 3. Feststellung der Quote für die
Zurückgabe der im Kriege verwendeten Pferde an die beiden Staaten der Mon¬
archie. 4. Verwaltung des mobilen und immobilen Vermögens der italienischen
Staatsangehörigen. 5. Einziehung der Nickelmünzen.

266
<pb/>                                                   I

  Die Organisation des Getreide-Importes aus Rumänien

   Der Vorsitzende verweist einleitend auf die eminente politische Bedeu¬
tung, welche dieser Frage innewohne. Die Ausfuhr von Cerealien bilde ein vitales
Interesse ersten Ranges für den Agrarstaat Rumänien. Schon im verflossenen Jahre
sei Rumänien nicht in der Lage gewesen, den Überschuss seiner Ernte zu exportie¬
ren. Die neue Ernte verspreche Gutes; ihr Exportfähiges Erträgnis werde auf rund
300.000 Waggons eingeschätzt, wovon etwa die Hälfte schon im Herbste zur
Ausfuhr bereit stehen werde. Da sich die Schwierigkeiten der Ausfuhr imVergleiche
zum verflossenen Jahre noch mehr verschärft haben, wende sich die öffentliche
Meinung Rumäniens in erhöhtem Masse der Frage der Verwertung der neuen
Ernte zu.

   Das Verhältnis Österreich-Ungarns als Käufer gegenüber Rumänien als Ver¬
käufer habe sich bedeutend geändert, indem die Monarchie heute nicht mehr,
wie ehedem, als Bittende auftrete. Rumänien konnte bisher die Empfindung haben,
dass die Monarchie auch bezüglich der Volksernährung von ihm abhänge und war
infolgedessen in der Lage, für die Durchführung der Importe schwere Bedingungen
zu stellen. Heute ist das Verhältnis ein wesentlich anderes. Rumänien wisse, dass
wir für unsere Volksernährung auf sein Getreide nicht mehr angewiesen sind.
Heute seien wir daher nicht mehr die Bittenden, sondern die Hilfebringenden, die
Gewährenden. Wir stehen Rumänien bei in der Sorge um die Verwertung seiner
Ernte.

   So wesentliche Erleichterungen die geänderte Lage uns bei unseren Entschlüssen
an die Hand gebe, so enthebe sie uns doch nicht der Notwendigkeit, alles zu
erwägen und vorzukehren, um eine Lösung herbeizuführen, welche, abgesehen
davon, dass sie als ein Rumänien geleisteter Dienst erscheinen soll, auch unseren
grossen Bedürfnissen in der preiswürdigsten Weise zu dienen hätte.

   Um dieses Ziel zu erreichen, seien die vollständige Konzentrierung der Aktion,
die Beherrschung der Preisbildung und ein Vorgehen erforderlich, welches diese
Aktion nicht als ein Vorgehen der beiden Zentralmäch&#39;te erscheinen lasse, sondern
auch das Interesse Rumäniens zum Ausdruck bringe, indem es die einzelnen Inter¬
essenten an das zu gründende Unternehmen binde und sie veranlasse, sich seiner
zu bedienen.

   Die Modalitäten der Durchführung sollen den Gegenstand der heutigen Be¬
sprechung bilden.

   Die Haltung Rumäniens in politischer Beziehung sei zwar eine schwankende,
doch sei es immerhin gelungen, diesen Staat von dem Eintritt in die Reihe unserer
Feinde abzuhalten und zum vorläufigen Festhalten an der Neutralitäts-Politik
zu veranlassen. Es können aber nicht genug Garantien dafür geschaffen werden,
dass dies auch weiterhin so bleibe. Eine der wichtigsten Garantien für die Fort¬
dauer dieses Zustandes würde sich darin finden, dass Rumänien durch eine grosse
geschäftliche Konzeption an die Zentralmächte geknüpft werde. Ist der Abschluss
einer solchen Transaktion möglich, so ist jedermann in Rumänien daran interes-

                                                                                                               267
<pb/>siert, dass die Durchführung dieser Sache keine Störung erleide und dass ihr nicht
durch politische Einflüsse Abbruch geschehe, wodurch sehr bedeutende, den
einzelnen treffende materielle Schäden entstehen müssten.

   In der Dardanellenfrage nehme Rumänien nicht einen russophilen Standpunkt
ein. Es könne nicht wünschen, dass die Meerengen unter die russische Kontrolle
fallen. Es seien aber an der Dardanellen-Aktion alle drei Entente-Mächte engagiert
und es sei von Anfang an ein Wettbewerb zwischen ihnen zu bemerken, sich dieser
wichtigen Position zu bemächtigen. Bisher sind die Meerengen nur von der
englisch-französischen Aktion bedroht, während die russische Aktion nicht
wirksam geworden ist. Dies sei der Grund, warum Rumänien an den Fall der
Dardanellen gewisse Hoffnungen knüpfe, die darin bestehen, dass die Meerengen
unter eine internationale Kontrolle gelangen, welche verhindern würde, dass
Rumänien ganz der russischen Willkür ausgeliefert werde.

   Nachdem also Rumäniens Haltung ganz entschieden von dieser Erwägung
beeinflusst wird, verdiene es unsererseits die allerernsteste Prüfung, ob wir dazu
beitragen können, diesen rumänischen Besorgnissen helfend und entlastend
entgegenzukommen. Sind wir nicht in der Lage, der rumänischen Getreideausfuhr
einen sicheren Markt zu verschaffen, so bliebe die Hoffnung Rumäniens natur-
gemäss für den Absatz seiner Erzeugnisse ausschliesslich auf die Chancen der
Meerengen-Aktion gerichtet. Wenn wir aber dem rumänischen Exportbedürfnisse
abhelfen können, so würde dies unsere Ingerenz auf die politische Haltung
Rumäniens sehr erleichtern können, da es dann für den Erfolg der englisch-
französischen Aktion an den Dardanellen kein so wesentliches Interesse zu
bekunden hätte.

   Der Vorsitzende ersucht die Konferenz daher, bei den volkswirtschaft¬
lichen Erwägungen der in Verhandlung stehenden Angelegenheit auch die im Vor¬
stehenden dargelegten politischen Momente in Berücksichtigung ziehen zu wollen.

  Über Anregung des k.k. Ministerpräsidenten bringt&quot; der k.k.
Ackerbauminister hierauf zunächst die Ergebnisse der tags vorher

   cc) Anträge der drei Getreide-Zentralen auf Grund der Vorbesprechung vom 7. Juli 1915.
    1. Zentralisierung der Tätigkeit der drei Zentralen im rumänischen Geschäfte. Einkauf
durch eine rein rumänische Organisation, deren Errichtung einvernehmlich mit der rumäni¬
schen Regierung gefördert werden soll. Verkehr mit dieser Organisation durch ein Ein¬
kaufs-Komitee, bestehend aus je einem Vertreter der drei Zentralen.
    2. Organisation einer gemischten Transport- und Verteilungs-Kommission mit dem Haupt¬
sitze ausserhalb Rumäniens (Brassö) und bestehend paritätisch aus Vertretern Österreich-
Ungarns und Deutschlands. Delegierung von Transport-Kommissionen an den Einbruchs-
Stationen. Agentur in Bukarest.
   3. Qualitative Übernahme der Ware in Rumänien in den Verladestellen durch Vertrauens¬
männer.
   4. Usancemässige Anzahlung durch private Gruppen möglichst unter Bankengarantie und
im Verhältnisse zur Abbeförderung der Ware. Bei Feststellung der Zahlungsbedingungen
möglichste Schonung der Valuta.
   5. Preise und Konditionen einheitlich und möglichst entgegenkommend.
   6. Kompensationsverhandlungen bezüglich Getreide vorläufig abbrechen.
    7. Temporisierung der Verhandlungen, um eine möglichst günstige taktische Position
gegenüber Rumänien zu gewinnen.

268
<pb/>zwischen der österreichischen Kriegsgetreide-Verkehrsanstalt und den Delegierten
der deutschen Zentral-Einkaufsgesellschaft unter Vorsitz des k.u.k. Kriegs¬
ministeriums abgehaltenen vorbereitenden Besprechung zur Kenntnis, an welcher
allerdings die Vertreter der ungarischen Kriegsprodukten-Gesellschaft nicht
teilgenommen hatten.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident bedauert, dass die Vertreter
der ungarischen Zentrale in Ermangelung einer Verständigung an dieser Vor¬
besprechung nicht teilgenommen haben. Da er jede Absichtlichkeit für ausge¬
schlossen hält, will er sich bei diesem Incidenzfalle nicht länger aufhalten, ersucht
jedoch, dieselben&quot; zu solchen Konferenzen in Hinkunft immer heranzuziehen,
da die deutschen Vertreter sonst eine ganz falsche Vorstellung von dem Interesse
erhalten könnten, welches Ungarn diesen Fragen entgegenbringe, und von der
Stellung der dem ungarischen Staate gebührt.b

   Auf das Meritum übergehend erklärt der kgl. ung. Ministerpräsident, dass er
sich den prinzipiellen und politischen Ausführungen des Vorsitzenden vollinhalt¬
lich anschliesse. Die Rumänien gegenüber geschaffene Lage sei jedenfalls wirt¬
schaftlich wie politisch möglichst auszunützen. Die erst zu schaffende Organisation
müsse eine Gewähr gegen die Missbräuche bieten, welche der regellose dezentrali¬
sierte Einkauf gezeitigt habe, und die Erhaltung der für die Monarchie günstigen
Lage verbürgen. Sie müsse eine einheitliche sein, wie es auch von den Zentralen
in ihrer Vorbesprechung in Aussicht genommen wurde. Redner habe die Gründung
einer privaten rumänischen Handelsfirma vorgeschwebt, damit die drei staatlichen
Anstalten mehr in den Hintergrund treten. Ob dieser Firma auch Angehörige
der beiden Zentralmächte beitreten sollen, sei eine Zweckmässigkeitsfrage und
der Entscheidung der Gesellschaften zu überlassen. Ausschlaggebend sei der
private Charakter der Firma, welche die Verbindung mit den einzelnen Händlern
herzustellen haben werde.

   Bezüglich der Tätigkeit der Organisation wäre insbesondere in der geschäftlichen
Frage zunächst jede Übereilung zu vermeiden; es genüge, vorest einen ernsten
Anfang zu machen, um den rumänischen Interessenten zu zeigen, dass die Möglich¬
keit eines guten Absatzes ihrer Ernte vorliege. Die Geschäfte wären in einem
ruhigen besonnenen Tempo einzugehen und abzuwickeln.

   In der Preisfrage sei möglichstes Entgegenkommen zu betätigen. Bezüglich
des Umfanges der zu tätigenden Käufe müsse auf zwei Umstände Rücksicht
genommen werden:

   a) auf die Notwendigkeit, die in Rumänien noch erliegenden sehr beträchtlichen
Mengen bereits gekauften Getreides hereinzubringen, und

   b) auf die Möglichkeit der Abtransportierung.

  a) In der Reinschrift wurde der Text »und ersucht sie« von Tisza gestrichen und statt dessen
der mit »Da er« beginnende und mit »jedoch dieselben« endende Text gesetzt.

   b) Der Teil »und von der Stellung der, dem ungarischen Staate gebührt« wurde von Tisza
nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.

                                                                                                              269
<pb/>   An gekauftem Getreide langem für Österreich-Ungarn allein noch zirka 4 Millio¬
nen Meterzentner in Rumänien, deren Abtransport mindestens drek Monate in
Anspruch nehmen würde, selbst wenn dem Waggonmangel abgeholfen werden
könnte. Einen vielleicht noch längeren Zeitraum würde die Abwicklung der alten
deutschen Geschäfte erfordern, so dass bei den beschränkten Verkehrsmöglich¬
keiten Neueinkäufe eigentlich als irrationell erscheinen müssten. Da aber Rumänien
an der Abwicklung der gut angezahlten, zum Teile ganz ausbezahlten alten
Käufe ein geringeres Interesse habe, als an neuen Käufen, die neues Geld ins Land
bringen, sei ein Interessen-Ausgleich durch eine quotenmässige Beteiligung der
alten Käufe an den Getreideausfuhren anzustreben, indem etwa auf zwei Waggons
neuer Ernte ein Waggon alter Ernte ausgeführt würde.

   Für das ganze Unternehmen sei die Verkehrsfrage von ausschlaggebender
Bedeutung. Der Waggonnot werde zwar mit deutscher Hilfe gesteuert werden
können; allein der Mangel an leistungsfähigen Verkehrswegen, zumal die Benütz¬
barkeit der über Gahzien führenden Linien noch nicht feststehe, lege der Aktion
doch sehr enged Grenzen auf, die man sich vor Augen halten müsse. Solange
nämlich der Donauweg, und damit die Bahnstrecke über Orsova nicht eröffnet
werden kann, können monatlich höchstens 1, respective nach Eröffnung der
galizischen Verbindung 1.5 Millionen Meterzentner abtransportiert werden,
gegenüber der 30 -- 40 Millionen Meterzentner, welche Rumänien an dem Mann
zu bringen hat. Ein Umstand welcher in einem späteren Stadium der Sache zur
politischen Beeinflussung Rumäniens sehr gut ausgenützt werden könne/

   Zur Frage der Beteiligung an den rumänischen Importen sei zu bemerken, dass
Ungarn nur in einem bescheidenen Rahmen in Betracht komme. Für die ungari¬
sche Viehzucht wäre es von grossem Werte, eine ansehnliche Menge Mais vorerst
beziehen zu können. Auch auf österreichischer Seite dürfte bei Brotfrüchten zu¬
nächst eine zuwartende Stellung eingenommen werden können.- Es erscheine
zweckmässig, den Bedarf der Monarchie auf das unbedingt nötige Minimum zu
beschränken, um dem wesentlich grösseren Bedarfe des deutschen Reiches gerecht
werden zu können. Die Monarchie sei Deutschland gegenüber in der schlechten
Lage, immer Leistungen verlangen zu müssen, ohne Kompensationen bieten zu
können. Ein Zurückstellen unseres Bedarfes, speziell an Brotfrüchten, zugunsten
Deutschlands, welchem wir beim Bezüge aus Rumänien den Vortritt lassen würden,
könnte uns wertvolle Kompensationen beim Warenbezüge aus Deutschland ver¬
schaffen und unsere wirtschaftliche Stellung dem Bundesgenossen gegenüber
wesentlich stärken.

  Auf die Besprechung der Ernte übergehend, bemerkt der königlich ungarische
Ministerpräsident, dass sich das Ernteergebnis für Ungarn dermalen noch nicht
verlässlich bestimmen lasse. Die letzten Nachrichten bezüglich der Weizenernte

    c) Ursprünglich stand »zwei«, das Wort wurde dann durchgestrichen und über demselben
»drei« geschrieben.

   d) »sehr enge« ist eine nachträgliche, von Tisza vorgenommene Korrektur; ursprünglich
stand hier »gewisse«.

    ejDer mit »Solange nämlich« beginnende und mit »werden könne« schließende Teil
wurde von Tisza nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingetragen.

270
<pb/>lauten zwar günstig, doch stehe es mit der Beschaffung landwirtschaftlicher
Arbeiter namentlich in den südungarischen Komitaten, wo alle Arbeitsfähigen
teils zum Waffendienste, teils seitens der Etappenkommanden zu militärischen
Arbeiten herangezogen wurden, überaus ungünstig, so dass die Erntearbeiten
mit den grössten Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Es sei dringend notwendig,
diesem Übelstande abzuhelfen, was der k.u.k. Kriegsminister innerhalb der Gren¬
zen seiner Kompetenz zusagt.

   Seine Darlegungen zusammenfassend, gibt der königl. ungarische Minister¬
präsident der Meinung Ausdruck, dass bei der Berechnung des Bedarfes der
Monarchie an Weizen möglichst ein Minimum angenommen, Deutschland gegen¬
über aber ein Optionsrecht für weitere Importe Vorbehalten werden sollte, wobei
die Frage des Zeitpunktes der Einfuhr keine ausschlaggebende Rolle zu spielen
hätte.

   Der k.u.k. Kriegsminister bedauert, dass die ungarische Zentrale
infolge eines Missverständnisses an den Vorbesprechungen nicht teilgenommen
habe, und bemerkt, dass die endgiltigen Verhandlungen der drei Zentralen am
9. Juli beginnen werden.

   In Bezug auf die Frage der Benützung der galizischen Bahnen zu den Getreide¬
transporten aus Rumänien sei zu bemerken, dass vom technischen Standpunkte
die Möglichkeit hiezu gegeben sei, da alle Bahnen wieder in Stand gesetzt sind.
Dagegen sei es wegen der grossen Vorbereitungen Russlands zu neuen Angriffen
fraglich, ob die militärischen Rücksichten die Benützung dieser Bahnen bald
gestatten werden.

   Der k.k. Ministerpräsident stimmt den Ausführungen seines Vor¬
redners, sowohl was die politischen wie die wirtschaftlichen Erwägungen und
insbesondere auch die Deutschland gegenüber zu verfolgende Taktik betrifft,
vollkommen bei. Ein Einvernehmen der k.k. und der königl. ungarischen Regie¬
rung halte er deshalb für sehr wichtig, weil der dualistische Charakter der Monar¬
chie ihr in der geplanten Organisation die Majorität sichere. Bezüglich der Art
der Beteiligung der beiden Staaten der Monarchie an den Importen habe Ungarn
sein spezielles Interesse an Futterartikeln hervorgehoben. Österreich hinwiederum
könne auf einen Zuschuss von Weizen aus Rumänien nicht verzichten, was jedoch
eine Verständigung über Umfang und Zeitpunkt dieser Importe nicht ausschhesse.

   Der kgl. ung. Handelsminister erblickt die Hauptschwierigkeit des
zu lösenden Problems in der Transportfrage. Auf den heute zur Verfügung stehen¬
den Bahnlinien treten maximal täglich 350 Waggons ein. Solange die galizischen
Bahnen nicht zur Verfügung stehen, könne daher das Höchstausmass der in
einem Monate zu bewältigenden Getreide-Importe nicht über eine Million Meter¬
zentner veranschlagt werden. Mit Hilfe der galizischen Bahnen könnten die
Transporte zwar erheblich gesteigert werden, doch sei auch in diesem Falle gegen¬
über den in Rumänien zur Verfügung stehenden Mengen an exportfähigem Getreide
nur ein mässiger allmähliger Import möglich, solange der Donauweg versperrt
bleibe.

  Nicht minder schwierig gestalte sich die Waggonfrage. Da österreichisch-
ungarischerseits für die rumänischen Getreide-Importe keine Waggons zur Ver-

                                                                                                              27 r
<pb/>fügung gestellt werden können, sei die einzige Möglichkeit der Waggonbeschaf¬
fung in einem Abkommen mit Deutschland gegeben. Ein solches sei zwischen der
k.u.k. Zentral-Transportleitung und den preussisch-hessischen Staatsbahnen in
Vorbereitung begriffen und könne, mit gewissen seinerseits vorgeschlagenen Abän¬
derungen/ ungarischerseits angenommen werden. Es biete die Möglichkeit® den
Import zu regeln, indem die für diesen Zweck bestimmten Waggons in kompletten
bezeichneten Güterzügen rollen, also anderweitig nicht in Anspruch genommen
werden können, während wieder andererseits für private Transporte kaum die
nötigen Betriebsmittel vorgefunden werden dürften, so dass ohne® Erlassung
eines förmlichen Verbotes die Privattätigkeit im Import auf ein Minimum redu-
cirt werden dürfte.&#39;

   Bezüglich des Einkaufes empfiehlt der königl. ungarische Handelsminister die
grösste Vorsicht, namentlich bei Gewährung eines Angeldes walten zu lassen;
in Rumänien könne dies nicht übel genommen werden, weil es dem Usus ent¬
spreche.

   Der k.k. Ackerbauminister urteilt etwas günstiger über die Höhe
des aus Rumänien zu erzielenden Getreide-Importes, wenn die geplante Organisa¬
tion rasch erfolge. Es sei die Gründung einer rumänischen Gesellschaft in Aussicht
genommen, welche das Getreide in Rumänien anzukaufen und für die Abfuhr
an die drei Zentralen bereitzustellen hätte. Dieser Gesellschaft sollen rumänische
Grossgrundbesitzer angehören, auf deren Einfluss bei der Regierung und der
Eisenbahnverwaltung gerechnet werde, um sich etwa ergebende Schwierigkeiten
zu überwinden. Da der grössere Teil des Kaufpreises erst beim Eintreffen der
Ware auf ungarischem Boden erlegt werde, würden diese rumänischen Interessen¬
ten veranlasst, auf ihre Regierung den grössten Druck wegen Erleichterung der
Ausfuhr auszuüben. Die zweite Förderung der Sache sei durch die deutscherseits
beabsichtigte Beistellung der nötigen Waggons in ganzen nur für diesen Zweck
bestimmten Zügen gegeben.

   Hinsichtlich der Teilung der hereingebrachten Getreidemengen sei zu bemerken,
dass Deutschland, welches ja die Waggons beistellt, wohl einen erheblichen An¬
spruch auf die mit seinen Waggons eingeführten Getreidmengen, es sei eine
50%-ige Teilung erwähnt worden, erheben werde. Hierüber werde jedenfalls
mit Deutschland eine Verständigung zu erfolgen haben. Bezüglich der Verteilung
des Restes zwischen den beiden Staaten der Monarchie sei zu berücksichtigen,
dass die österreichische Ernte wesentlich hinter der ungarischen zurückstehen
werde. In Weizen sei bestenfalls eine bescheidene Mittelernte, in Roggen eine

    f) Die Worte »mit gewissen seinerseits vorgeschlagenen Abänderungen« wurde von
Harkänyi nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.

    g) »den besonderen Vorschlag« wurde von Harkänyi gestrichen und statt dessen »die
Möglichkeit« gesetzt.

    h) Das Wort »ohne« wurde von Harkänyi statt des von ihm gestrichenen Textteiles »man
der Notwendigkeit der« gesetzt.

    i) Der Teil »die Privattätigkeit im Import auf ein Minimum reducirt werden dürfte« wurde
von Harkänyi nachträglich in die Reinschrift des Protokolls gesetzt; ursprünglich stand dort
»entheben ist«, das von ihm durchstrichen wurde.

.272
<pb/>Ernte unter Mittel zu erwarten, Gerste werde eine halbe, Hafer nur eine Drittel-
Ernte ergeben. Für die Deckung des Bedarfes sei bisher bloss durch die Verein¬
barung mit Ungarn rücksichtlich Brotfrucht vorgesorgt worden, wobei die zuge¬
sagten 9 Millionen Meterzentner auch an die Voraussetzung geknüpft sind, dass
Ungarns Ernte jener des Jahres 1913 gleichkommen werde. Bezüglich Gerste und
Mais sei noch keinerlei Zusage erfolgt. In Galizien seien nur 50 % des Ackerbodens
bebaut; der Grossgrundbesitz liege ganz brach. Hiezu kommen noch die Schwierig¬
keiten der Hereinbringung der Ernte im Allgemeinen, sowie des Abtransportes
des Getreides, welcher zum grossen Teil in offenen Waggons erfolgen werde und
dadurch mit Verlusten und Schädigung der Waare verbunden sei. Alle diese
Erwägungen führen zum Schlüsse, dass das für Österreich sich ergebende Defizit
an Brotgetreide mit 4 bis 5 Millionen Meterzentnern zu veranschlagen sei, welches
unbedingt aus dem Auslande beschafft werden müsse, um der Viehzucht wieder
die Gerste als Futtermittel zuführen zu können und dadurch einer Katastrophe
bei derselben vorzubeugen. Ausserdem sei die Einfuhr der grösstmöglichen Mengen
Mais und Gerste zu Futterzwecken anzustreben.

   Hiernach müsse jeder der beiden Regierungen überlassen bleiben, jene Frucht¬
gattungen selbst ständig zu bestimmen, die für ihren Anteil in Rumänien anzu¬
kaufen sein werdend

   Bezüglich des Zeitpunktes des Einkaufes wäre jedenfalls eine Eventuahtät
auszuschliessen, nämlich die, dass durch einen allzu langen Aufschub die günstige
Konjunktur versäumt werden könnte.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident erwidert, es liege ihm ferne,
bezüglich des österreichischen Bedarfes Stellung zu nehmen, er könne nur Anre¬
gungen geben und wolle auch die Möglichkeit grösserer Einfuhren nicht aus-
schliessen, weshalb er gerade die Wahrung eines Optionsrechtes gegenüber Deutsch¬
land vorgeschlagen habe, bis sich das Ernteergebnis in Österreich-Ungarn genau
überblicken lassen werde. Wenn man das Kompensationsprinzip Deutschland
gegenüber zur Geltung bringen wolle, so müssten die eigenen Ansprüche auf einen
tunlichst engen Rahmen beschränkt werden, da sonst die Kompensation ihren
Wert verliere. Nach aussen hin könne ja der Bedarf als sehr gross hingestellt
werden, um dann in den Verhandlungen Zugeständnisse machen zu können. Jeden¬
falls sei bei den deutschen Unterhändlern die durchaus irrtümliche Annahme
einer Rekord-Ernte in Ungarn richtig zu stellen. Je weniger dann österreichischer-
seits als fixer Bedarf für sich in Anspruch genommen werde, desto leichter werde
die Verständigung mit Deutschland erfolgen können.

   Ein deutscherseits noch immer nicht genügend in Rechnung gestelltes Moment
sei die Schwierigkeit der Beförderung. Wenn für die beiden Staaten der Monarchie
vorerst ein ansehnliches Quantum Altmais, für Österreich überdies 5 Milhonen
Meterzentner an Brotgetreide in Anspruch genommen werden, so sei es schwer,
bei einer maximalen Exportmöglichkeit von 1 Million Meterzentnern monatüch
auch noch für den deutschen Bedarf Raum zu schaffen. Eine möglichste Ein-

   k) Der mit »Hiernach müsse« beginnende und mit »sein werden« endende Teil wurde von
Zenker in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.

18 Kornjäthy: Protokolle  273
<pb/>Schränkung des Bedarfes der Monarchie werde also wohl nicht zu vermeiden
sein.

   Was die Einteilung der Importe nach den Getreidegattungen anbelange, so sei
die Einfuhr von Mais für alle Beteiligten dringend. Das Bedenken, dass bei Ankauf
von Brotfrüchten eventuell günstige Konjunkturen versäumt werden könnten,
sei dadurch zu entkräften, dass man dieser Eventualität durch rechtzeitige Schlüsse
Vorbeugen könne. Die tatsächliche Übernahme der gekauften Ware sei bei Brot¬
früchten nicht so dringender Natur, wie beim Mais, welcher an erster Stelle und
zwar möglichst rasch bezogen werden müsste und in gleichen Teilen zu verwenden
wäre, um bei der Armee den Bedarf an Hafer zu ersetzen und der Landwirtschaft
und Viehhaltung aufzuhelfen.

   Bezüglich eventueller Bezüge von Gerste und Hafer aus Ungarn ersucht der
königl. ungarische Ministerpräsident keine grossen Hoffnungen zu hegen, da es
sich bestenfalls nur um sehr mässige Mengen werde handeln können. Bei Mais
hänge dies noch von der Ernte ab, die sich heute noch nicht bestimmen lasse.

  Auf Grund der durchgeführten Diskussion einigt sich der Ministerrat dahin,
dass vorerst mit Deutschland ein Einvernehmen herzustellen sein wird, wonach
eine zu vereinbarende Teilquote des eingeführten Getreides an Österreich-Ungarn
abgetreten werden wird, welche wieder zwischen den beiden Staaten der Monarchie
geteilt werden soll. Hiebei wird über Wunsch des k.k. Ackerbauministers die
freie Wahl jedes Staates bezüglich der Fruchtgattung innerhalb des hereinzubrin¬
genden Gesammtgewichtsquantums Vorbehalten.

  Der Vorsitzende bemerkt hiezu, dass das Thema noch eine Erweiterung
erfahren könne mit Rücksicht auf die bulgarische Ernte, welche sich auch gemeldet
habe. Er verliest einen gegenständlichen Bericht der k.u.k. Gesandtschaft in
Sofia, wonach die bulgarischen Minister die Ausfuhr der Ernte nach der Monarchie
angeregt hätten und zu diesem Zwecke unter ihrem Einfluss stehende Syndikate
zu gründen beabsichtigten, um den Verkauf zu organisieren und die Beschlag¬
nahme der Ernte durch die Agenten der Entente zu verhindern.

   Es werden nun die Vertreter der österreichischen und der ungarischen Zentrale
der Beratung zugezogen, um ihr sachverständiges Gutachten im Gegenstände
abzugeben, welchen die in der tagsvorher abgehaltenen Vorbesprechung der drei
Zentralen gestellten Anträge zu Grunde gelegt werden (Vid. Beilage).

   Direktor Klein von der ungarischen Kriegsprodük-
tengesellschaft weist darauf hin, dass der normale Überschuss der
rumänischen Ernte etwa 40 Millionen Meterzentner betrage. Es sei ausgeschlossen,
ein solches Quantum selbst im allergünstigsten Falle auf dem Eisenbahnwege auch
nur annähernd zur Ausfuhr zu bringen. Die mit Heranziehung der galizischen
Bahnen zu bewältigenden Transporte sind mit l1/^ Millionen Meterzentner
monatlich schon zu hoch berechnet; es würden also selbst im Falle des Zutreffens
dieser optimistischen Einschätzung in einem Jahre nur IS1^ Millionen Meter¬
zentner abtransportiert werden können.

  Wir stehen also vor der Tatsache, dass ein sehr bedeutendes Quantum der
Ernte aus technischen Gründen nicht zur Ausfuhr gebracht werden könne, was in
Rumänien grosse Unzufriedenheit hervorrufen würde. Redner glaube, dass diese

274
<pb/>Unzufriedenheit zum Ausgangspunkte einer politischen Agitation genommen
werden könnte, als deren Ziel die geplante einheitliche rumänische Einkaufsorgani¬
sation sich ergeben würde, gleichviel ob diese Stelle aus Rumänen oder aus
Angehörigen der Zentralmächte gebildet werde. Es sei daher von grösster Wichtig¬
keit, eine Organisation zu schaffen, welche möglichst wenig einem solchen Ant¬
agonismus begegnen würde.

   Ein Vorteil der geplanten Zentralisierung liege in der Erleichterung der administra¬
tiven Abwicklung. Dieser Vorteil lasse sich aber in wirksamer Weise auch auf
anderem Wege durch Vereinbarung eines Konditionenkartells zwischen den drei
Zentralen erreichen.

   Bezüglich der Anzahlungen sei zu bemerken, dass solche im reinen kauf¬
männischen Verkehre mit Rumänien bisher nicht üblich waren. Deutscherseits
sei im verflossenen Jahre der schwerwiegende Fehler begangen worden, solche
Anzahlungen zu leisten, was zum nicht geringen Teile zu den beklagten Übelständen
in den Exportverhältnissen geführt habe. Es wäre wünschenswert, die alte Gepflo¬
genheit wiederherzustellen, nämlich die Zahlung nur bei Übernahme der Ware
zu leisten, um dadurch einen Anreiz für den Export zu geben.

   Die in den Vorbesprechungen beantragte Übernahme der Ware in Rumänien
sei schwer durchführbar. Das rumänische Getreidegeschäft sei sehr unsolid und
es wäre kaum möglich, verlässliche Vertrauensmänner zu finden, welche überdies,
wenn sie Angehörige der Zentralmächte wären, den ärgsten Chikanen ausgesetzt
wären. Es hätte daher die Übernahme an der Grenze durch die Organe des
Komitees zu erfolgen.

   Zur Preisfrage bemerkt Redner, dass bei den einzelnen Getreidearten wesent¬
liche Unterschiede im Vergleiche zu unserer Preisbildung bestehen. Während
dieselbe sich bei Weizen der unsrigen ziemlich nähere, liegen die Verhältnisse bei
Mais, Gerste wesentlich anders und sei eine sehr erhebliche Spannung zu bemer¬
ken, woraus sich die Möglichkeit ergebe, durch eine Arbitrage Vorteile für die
einzelne Partei zu gewinnen.

   Der Präsident der österreichischen Getreide-Ver¬
kehrsanstalt, Sektionschef Ritter von Schonka, be¬
merkt, dass die ganze Frage sich eigentlich als ein Verkehrsproblem darstelle.
Es sei leicht, in Rumänien Getreide anzukaufen; die Schwierigkeit liege darin,
es herauszubringen. Hier liege die Quelle der hohen Preise, zu welchen uns diese
Produkte zu stehen kommen; hier sei auch die Ursache der schweren Störungen
zu suchen, die sich im Exportgeschäfte gezeigt haben. Diesen sei am besten durch
ein sogenanntes Konditionenkartell der drei Zentralen abzuhelfen. Dies führe
aber zu der weiteren Erwägung, dass, wenn man sich einmal über dieses Prinzip
geeinigt hat, ausserhalb des Kartells laufende Einkäufe möglichst ausgeschlossen
werden sollten. Alle jene Vorteile, welche unrechtmässiger Weise irgend welchen
Faktoren in Rumänien zugefallen sind, könnten dann ohneweiters in den Preis
eingerechnet und dem rumänischen Produzenten zugewendet werden, welcher
auf diese Weise einen sehr auskömmlichen Preis für sein Erzeugnis erhalten würde.

   Redner schliesst sich den Ausführungen seines ungarischen Kollegen, was die
Organisation und insbesondere die Vermeidung von Anzahlungenbetrifft, durchaus

    18* 275
<pb/>än. Es genüge vollkommen, dem Verkäufer im Wege von Bank-Akkreditiven den
vollen Betrag sicherzustellen, sobald die Ware die Grenze überschritten habe.

  Zur Frage der Organisation bemerkt der kgl. ung. Ministerpräsident,
dass ihm die in der Vorbesprechung der Zentralen gegebene Anregung einer
Zweiteilung, nämlich der Einsetzung eines Komitees der drei Zentralen ausserhalb
Rumäniens und der Heranziehung einer oder mehrerer rumänischen Firmen,
eventuell selbst die Bildung einer zentralen rumänischen Einkaufsgesellschaft
durchaus zweckmässig erscheine. Ausschlaggebend sei, dass die Zentralen nicht
selbst in Rumänien auftreten, sondern das Geschäft dort in private Hände legen.
Die oberste Leitung hätte das Komitee ausserhalb Rumäniens zu führen, welches
zu diesem Zwecke am besten in der Nähe etwa in Brassö seinen Sitz haben müsste.

   Über Befragen erklären die Vertreter der beiden Zentralen,
dass in dem Momente, wo die einheitliche Leitung normiert und die Kompetenz
des Komitees begründet werde, zu bestimmen, wie in Rumänien gearbeitet werden
soll, keine Bedenken gegen die Durchführung der Organisation in dem vom
königl. ungarischen Ministerpräsidenten angegebenen Sinne bestehen.

   Der k.k. Handelsminister bemerkt hiezu, dass seiner Auffassung nach
dem Komitee eigentlich nicht vollkommen freie Hand gegeben werden sollte.
Er halte gerade im Sinne der Ausführungen des Vorsitzenden eine gewisse Bindung
auf das Programm: Gründung einer autochthonenrumänischen Gesellschaft, an
welcher einflussreiche rumänische Persönlichkeiten allein beteiligt sein sollen, für
notwendig, weil nur dadurch die Schwierigkeiten, die sich bisher gezeigt haben,
beseitigt werden könnten. Die Grundbesitzer sollen das Geschäft selbst machen
und nicht weiter Zusehen, wie ihnen das Geschäft von anderen abgenommen
werde. Zu diesem Zwecke wäre in Bezug auf die Durchführung des Einkaufes in
Rumänien den Zentralen die Gründung einer autochthonen rumänischen Export¬
gesellschaft, welche den Export zu besorgen hätte, vorzuschreiben.

   Dieser Antrag begegnet indessen der Einwendung, dass die den Rumänen
mangelnde Geschäftskenntnis und ihre geringe Vertrauenswürdigkeit sie nicht
hierfür als geeignet erscheinen lassen.

   Nachdem der Vorsitzende schliesslich noch dem Wunsche Ausdruck
gegeben hat, dass dem Komitee mit Rücksicht auf die grosse Bedeutung der
Organisation und der Durchführung vom Standpunkte der auswärtigen Politik
ein Vertrauensmann des k. und k. Ministeriums des Äussern nach Bedarf beige¬
geben werde, einigt sich die Konferenz auf folgenden Beschluss:

   Die drei Zentralen haben sich behufs Zentralisierung des rumänischen Getreide¬
geschäftes über ein einheitliches Vorgehen zu verständigen, zu welchem Zwecke
sie je einen Vertreter in ein zu bildendes Komitee entsenden, welches die Aufgabe
hat, die Einkäufe im Rumänien am zweckmässigsten zu organisieren. Da die
Zentralen in Rumänien selbst nicht zu erscheinen haben, wird dieses Komitee
seinen Sitz eventuell* ausserhalb Rumäniens, am zweckmässigsten in Brassö haben.
Mit Rücksicht auf das an die Organisation geknüpfte politische Interesse entsendet

    /) Das Wort »eventuell« wurde von Harkänyi nachträglich in die Reinschrift des Protokolls
eingefügt.

276
<pb/>das k. und k. Ministerium des Äussern auch seinerseits einen Vertrauensmann
in das Komitee; das gleiche Recht bleibt dem Berliner Auswärtigen Amte Vor¬
behalten, falls es dasselbe beanspruchen sollte.

   Die nächste Aufgabe des Komitees wird die Hervorrufung einer spezifisch
rumänischen Interessentengruppe sein, mit welcher es wegen Einleitung und Durch¬
führung des Getreidegeschäftes in Verbindung zu treten haben wird. Bezüglich
der Organisation dieses Geschäftes selbst wird es nicht für zweckmässig gehalten,
dem Komitee im vorhinein die Hände zu binden, da sich bei der Durchführung
manche Momente ergeben dürften, die sich jetzt noch nicht voraussehen lassen.
Da die Abmachungen des Komitees der Gutheissung der Zentralen unterliegen,
erscheint hiedurch die erforderliche Kontrolle seitens der Regierungen gesichert.

   Anzahlungen sind nicht zu leisten, die Preise tunlichst entgegenkommend
zu halten.

   Über die Verteilung der zur Ausfuhr gelangenden Getreidemengen ist vorerst
mit Deutschland das Einvernehmen zu erzielen, wobei dem offenbar grösseren
deutschen Bedürfnisse gegen Kompensationen auf anderen wirtschaftlichen Gebie¬
ten entsprechend Rechnung zu tragen wäre.

   Bezüglich der Teilung des auf Österreich-Ungarn entfallenden Anteiles zwischen
den beiden Staaten der Monarchie einigt sich die Konferenz behufs Entlastung
der Landwirtschaft von den Lieferungen von Futterartikeln an die Heeresverwal¬
tung dahin, dass von den aus Rumänien zu Einfuhr gelangenden Hartfuttermitteln
 (Mais, Hafer und Gerste) 50% der Heeresverwaltung abgetreten werden, welche
diese von den ihr vereinbarungsgemäss von den beiden Regierungen zu liefernden
Quantitäten von Haferm in Abschlag bringt, während 30% auf Österreich und
 20% auf Ungarn entfallen sollen.

                                                   II

      Die Deckung des d e u t s c h e n P e t r o 1 e u m b e d a r f e s

    Der Vorsitzende bringt die Vorschläge der deutschen Regierung zur
 Sprache, welche die Sicherstellung des dringendstenBedarfes des Deutschen Reiches
 an Leuchtöl durch Heranziehung der galizischen Produktion und der Einfuhr
 aus Rumänien bezwecken.

    Es liege hier ohne Zweifel ein vitales Interesse der deutschen Volkswirtschaft
 vor, dessen Befriedigung die deutsche Regierung durch Erleichterung des Abtrans¬
 portes des galizischen Öles vermittelst einer neu anzulegenden Rohrleitung, sowie
 durch zweckmässige Organisation der Petroleumeinfuhr aus Rumänien mit Hilfe
 der 3 grossen deutschen Erdölgesellschaften anstrebe, wobei das einzuführende
 Petroleum zunächst bei unseren Raffinerien einzulagern wäre, um auf diesem
 Wege eine planmässige Aufsammlung von Vorräten während des Sommers zu
 ermöglichen. Ursprünglich sei deutscherseits die Beistellung österreichischer und
 ungarischer Zisternen für diese rumänischen Importe gewünscht worden, doch sei
 man hievon abgekommen und werde sich mit deutschen und rumänischen Zister-

m) »von Hafer« wurde nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.

                                                                                277
<pb/>nen behelfen, wogegen aber verlangt werde, dass der rumänische Markt ganz den
 Importen Deutschlands überlassen werde.

   Vom Standpunkte des Ministeriums des Äussern erscheine das tunlichste Ent¬
gegenkommen gegenüber dem deutschen Anliegen mit Ausnahme der vollständi¬
gen Überlassung des rumänischen Marktes erwünscht, da es gelte einem sehr
dringenden Bedürfnisse des Bundesgenossen Rechnung zu tragen.

   Der kgl. ung. Handelsminister hält im Falle des Baues der Rohrlei¬
tung ein Entgegenkommen für möglich und angezeigt, weil durch die auf diese
Weise bedingte Erleichterung des Abtransportes und bei einiger Beschränkung
des eigenen Bedarfes eine Abgabe galizischen Petroleums an Deutschland durch¬
führbar erscheine. Auf den Bezug aus Rumänien&quot; wäre jedoch aus verschiedenen
Gründen nicht zu verzichten, zumal man bezüglich gewisser Petroleumprodukte
auf Rumänien angewiesen sei und das galizische Petroleum eine solche Preisstei¬
gerung erfahren habe, dass die Iviöglichkeit eines anderweitigen Bezuges gewahrt
bleiben müsse.

   Auch seitens des k.k. Ministers für öffentliche Arbeiten
wird die Forderung Deutschlands nach einem Bezug von 6000 Zisternen galizischen
Petroleums unter den gegebenen Voraussetzungen als erfüllbar bezeichnet, zumal
die Verhandlungen mit Deutschland über die Legung der Rohrleitung-einen be¬
friedigenden Abschluss erwarten lassen und die Leistungsfähigkeit der staatlichen
Raffinerie in Drohobycz eine genügende ist. Eine Schwierigkeit ergebe sich
allerdings in der Frage des Abtransportes des raffinierten Petroleums von Chyrow,
dem Endpunkte der Leitung, zu welchem Zwecke deutscherseits Zisternen beige¬
stellt werden müssten. Auf die Einfuhr aus Rumänien könnte auch österreichi-
scherseits wegen der Unsicherheit der Zukunft nicht verzichtet werden; es könnte
Deutschland höchstens bis zu einem gewissen Grade der Vorrang beim Bezüge
von rumänischem Petroleum eingeräumt werden.

   Zur Frage der Verteilung des in Galizien gewonnenen Petroleums bemerkt
der kgl. ung. Finanzminister, dass von der Gesammtpröduktion bis
Ende 1915 vorweg 12.000 Zisternen für den Bedarf der beiden Staaten der Mon¬
archie reserviert worden seien, wovon 8.000 auf Österreich, 4.000 auf Ungarn
entfallen. Dann werden 6.000 Zisternen an Deutschland abgetreten, vorausgesetzt,
dass es die Rohrleitung legt und die Zisternen beistellt. Was darüber hinaus pro¬
duziert werde, verbleibe ausschliesslich für den Bedarf Österreich-Ungarns und sei
zwischen den beiden Staaten der Monarchie zu teilen.

   Es entspinnt sich nun eine längere Diskussion bezüglich der Kosten der Rohr¬
leitung. Deutscherseits ist übernommen worden, die Rohre bis zur Grenzstation
beizustellen. Der weitere Transport und die Legung der Leitung selbst erfolgt
durch die k.u.k. Heeresverwaltung also auf gemeinsame Kosten, wobei allerdings
zu bemerken ist, dass diese Kosten keinen Mehraufwand im Heeresbudget erfor¬
dern, da es sich um eine Naturalleistung der den Etappen-Kommanden ohnehin
zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte handle. Österreichischerseits vertritt man

   n) In der Reinschrift des Protokolls wurde »rumänischen Bedarf« von Harkänyi auf
»Bezug aus Rumänien« verbessert.

278
<pb/>daher den Standpunkt, dass eine Refundierung dieser Kosten aus österreichischen
Staatsmitteln an und für sich nicht gerechtfertigt wäre, zumal es sich um eine im
gemeinsamen Interesse ausgeführte Arbeithandle,derenUnterbleiben auch Ungarn
schädigen und die Befriedigung der deutschen Wünsche unmöglich machen würde.
Ungarischerseits kann man von der prinzipiellen Auffassung, dass es sich im
vorliegenden Falle um eine Investition zugunsten einer staatlichen österreichischen
Anstalt auf österreichischem Gebiete handle, für welche gemeinsame Mittel nicht
herangezogen werden können, nicht abgehen, ist aber bereit, diese Frage auf

sich beruhen zu lassen.
   Der k.k. Handelsminister macht schliesslich noch darauf aufmerksam,

dass es notwendig sei, die Frage des gewerberechtlichen und Eigentums-Verhält¬
nisses der Rohrleitung nach dem Kriege in dem mit Deutschland abzuschliessen-

den Übereinkommen genau zu regeln.
   Die Konferenz einigt sich sohin auf die nachstehende Vorgangsweise gegenüber

den deutschen Wünschen:
   Insoweit die Lieferung der für den österreichischen und ungarischen Bedarf

benötigten 8.000 beziehungsweise 4.000 Zisternen Petroleum sichergestellt ist,
besteht keine Einwendung, Deutschland eine Menge bis zu 6.000 Zisternen gali-
zischen Petroleums (Leuchtöls) zuzusichern, vorausgesetzt dass Deutschland das
Material für die Rohrenleitung von Drohobycz nach Chyrow beistellt und den
Abtransport seines Petroleums mit den eigenen Zisternen übernimmt.

   Auf den Bezug von Petroleum und Mineralölprodukten aus Rumänien kann
österreichisch-ungarischerseits nicht verzichtet werden, es bleibt den Unter¬
händlern überlassen, entweder den gemeinschaftlichen Einkauf mit Deutschland
oder die Option auf einen Teil des aus Rumänien auszuführenden Petroleums
etc.0 zu vereinbaren, wobei jedoch der Abtransport der für Deutschland bestimm¬
ten Sendungen keinesfalls mit österreichischen oder ungarischen Zisternen erfolgen

könnte.
   Über Anregung des kgl. ung. Finanzministers und des kgl. ung.

Handelsministers gelangt schliesslich noch die interne Frage der
Beschlagnahmung der Zisternenwagen seitens der k.u.k. Heeresverwaltung zur
einvernehmlichen Regelung. Mit den requirierten Zisternen sei bisher nur ein
Minimum der möglichen Leistungen erreicht worden. Es wäre daher die Beistel¬
lung der Zisternen und deren Verwendung in Hinkunft directp der Zentral-
Transportleitung zu unterstellen und dafür zu sorgen, dass die seitens der
Heeresverwaltung nicht verwendeten Zisternen wieder ausgefolgt werden, um
anderweitig verwendet werden zu können. Über den jeweihgen Stand der in
Anspruch genommenen Zisternen und deren Verwendung sowie über die jeweilig
aus Galizien nach Österreich beziehungsweise nach Ungarn abtransportierten
 Mengen Petroleums und dessen Produkte9 hätte die Zentral-Transportleitung

o) Das Wort »etc.« wurde von Harkanyi nachträglich eingefügt.  ,,

p) Das Wort »direct« wurde von Harkänyi nachträglich in die Reinschrift des Protokolls

      Der mit »sowie über die« beginnende und mit »und dessen Produkte« endende Teil
wurde von Harkänyi nachträglich eingesetzt.

                                                               279
<pb/> beziehungsweise die Heeresverwaltung die beiden Handelsministerien im Wege
wöchentlicher Ausweise im Laufenden zu erhalten. Endlich wären den ungarischen
Staatsbahnen auf ihren Wunsch ihre Zisternen/ -- eine Anzahl von etwa 200
 Stück&#39; für die Einfuhren insbesondere von Schmierölen aus Rumänien, zur Ver¬
fügung zu stellen.

   Der k.u.k. Kriegsminister erklärt sich bereit, den vorgebrachten
Wünschen Rechnung tragen zu wollen.

                                                   III

  Zurückstellung der im Kriege verwendeten Pferde

   Es handelt sich um die Feststellung der Quote, nach welcher die im Kriege ver¬
wendeten und kriegsuntauglich gewordenen, aber in der Landwirtschaft noch
brauchbaren, ferner die nach der Demobilisierung zurückzustellenden Pferde
an die beiden Staaten der Monarchie abzugeben sein werden. Diese Abgabe soll,
wie in Aussicht genommen, zu einem reduzierten Preise mit Ausschluss des Zwi¬
schenhandels an landwirtschaftliche Abnehmer erfolgen.

   Ungarischerseits wurde als Grundlage der Berechnung der Friedensremontie¬
rungsschlüssel angenommen, wogegen österreichischerseits eingewendet wurde,
dass dieser Schlüssel in gar keinem Verhältnisse zu jenen Zahlen stehe, welche
tatsächlich für Kriegszwecke herangezogen wurden.

   Österreichischerseits wird daher die Rückgabe nach dem Quotenschlüssel
beantragt, da der Ankauf der eingezogenen und requirierten Pferde nach dem
Quotenschlüssel erfolgt sei.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident hält die tatsächliche Inanspruch¬
nahme des Pferdestandes eines jeden der beiden Staaten der Monarchie für die
richtige Basis der Berechnung des Verteilungschlüssels bei der Rückgabe, welche
nach dem reellen Werte der Pferde zu erfolgen hätte, da es sich nicht darum handle,
der Landwirtschaft ein Geschenk zu machen, sondern die ihr durch die Entziehung
des Pferdematerials zugefügten Schäden tunlichst zu lindern. Es wäre daher
zweckmässig zu erheben, in welchem Ausmasse die tatsächliche Inanspruchnahme
der Zivilpferde erfolgte.

   Auf die Bemerkung des k.u.k. Kriegsministers, dass eine solche Er¬
hebung mit Schwierigkeiten verbunden sei, weil man nicht wisse, was die Armeen
im Wege der Requisitionen im Etappenraume und sogar im Hinterlande genommen
haben, bemerkt der kgl. ung. Ministerpräsident, dass eine annähernde
Berechnung des Umfanges dieser Requisitionen nachträglich auf Grund der
Reklamationen der Bevölkerung wohl möglich wäre.

   r) »im Wege wöchentlicher Ausweise« wurde von Harkanyi nachträglich in die Reinschrift
des Protokolls eingetragen.

   s) »auf ihren Wunsch ihre Zisternen« wurde von Harkänyi nachträglich eingefügt.
    t) In der Reinschrift des Protokolls wurde das Wort »Zisternen« von Harkänyi nachträglich
auf »Stück« verbessert.

280
<pb/>   Der k.k. Ackerbauminister stimmt der Auffassung des königl.
ungarischen Ministerpräsidenten bei, dass die Geldfrage Nebensache, die der
Landwirtschaft zu gewährende Hilfe bei Beschaffungdes Pferdematerials die Haupt¬
sache sei. Er verweist auf die traurige Lage Galiziens und der Bukowina, deren
Pferdestand von rund einer Million Stück auf 6°/0 reduziert sei und glaubt, dass
die wirkliche Inanspruchnahme der Pferde sich kaum werde feststellen lassen,
so dass doch der Quotenschlüssel die gerechteste Grundlage für die Berechnung
bilden dürfte.

   Der kgl. ung. Ackerbauminister hält die Angaben über Galizien für
viel zu pessimistisch. Ungarischerseits seien den gepflogenen Erhebungen zufolge
1,150.000 Pferde aus allen Teilen des Landes der Heeresverwaltung abgegeben
worden. Ausserdem seien an Deutschland ungefähr 100.000 Pferde verkauft
worden. Schliesst sich gleichzeitig zu den Ansichten der beiden Finanzministern
bei, dass nicht nur aus finanziellen Rücksichten, sondern hauptsächlich aus
wichtigen wirtschaftlichen Interessen durch die Heeresverwaltung nur dem nor¬
malen Friedenstand entsprechende Pferdezahl zurückbehalten werden soll. Der
Überschuss dagegen in vollem Schätzungswerte den tatsächlichen Aushebungen
entsprechender Quote, den beiden Ackerbauministern zur Verfügung gestellt
werde.&quot;

   Über Anregung des kgl. ung. Ministerpräsidenten wird ungari¬
scherseits sohin eine Berechnung der Höhe der erfolgten Requisitionen versucht.
Nach den von der Heeresverwaltung erhaltenen Daten sind in Österreich 460.000
Pferde in Anspruch genommen worden, was gegenüber der auf Ungarn entfallen¬
den Zahl von 1,150.000 ungefähr dem Schlüssel der Friedens-Remontierung
entspräche. Man sei ungarischerseits bereit, den galizischen Verhältnissen Rech¬
nung zu tragen, und nehme an, dass von den 970.000 Pferden Gahziens ein Drittel
im Wege der Assentierung ausgehoben wurde; von den restlichen zwei Dritteln
wäre die Hälfte als im Requisitionswege seitens der Etappen-Kommanden
abgegangen, oder in Folge feindlicher Verwüstung und Plünderung verlustig
gegangen&#39;&#39; anzunehmen,, wodurch sich die Inanspruchnahme Österreichs im
ganzen auf 783.000 Stück erhöhe. Von einer Erhöhung der ungarischen Ziffer
a conto dieser ziffermässig nicht feststehenden Requisitionen durch die Etappen¬
kommanden werde abgesehen, obwohl sie zweifellos in erheblichem Umfange
stattgefunden hätten, worin schon ein Entgegenkommen Österreich gegenüber
liege. Es ergebe sich sonach für die beiden Staaten der Monarchie eine Gesamt¬
ziffer von 1,930.000 Stück wovon 60% auf Ungarn, 40% auf Österreich fallen.
Ungarischerseits erklärt man sich bereit, die Verteilung der zurückgestellten
Pferde nach diesem Schlüssel anzunehmen.

   Da man österreichischerseits jedoch erklärt, dass die vom kgl. ung. Minister¬
präsidenten angeführten Ziffern der beiderseitigen Abgabe von Pferden nicht
zweifellos feststehen und namentlich die für Österreich abgegebene Zahl von

   u) Der mit »Schließt sich gleichzeitig« beginnende und mit »gestellt werde« endende Teil
wurde von Ghilläny nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.

   v) Die Worte »oder in Folge feindlicher Verwüstung und Plünderung verlustig gegangen«
wurden von Tisza nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.

                                                                                                                                               281
<pb/>460.000 Pferden jedenfalls viel zu niedrig gegriffen sei, dass ferner&quot;&#39; über die tat¬
sächlichen Verhältnisse in Galizien vorerst noch verlässliche statistische Fest¬
stellungen vorgenommen werden30 müssen und ausserdem auf die seit Ausbruch
des Krieges mit Italien eingetretene starke Inanspruchnahme der südlichen Kron-
länder in Rechnung gestellt werden müsse/ wird die Angelegenheit einer weiteren
Beratung Vorbehalten, wodurch natürlich die ungarischerseits angebotene Con-
cession einer Teilung zu 60-40% hinfällig wird.2 Auf Antrag des k. ung. Finanz¬
ministers wird ferner erklärt, dass alle die Verwendung der kriegstauglichen
Pferde betreffenden Vorschläge und Pläne des k.u.k. Kriegsministeriums einer
eingehenden Prüfung seitens beider Regierungen bedürfen und nur insoferne
durchgeführt werden können, als diesbezüglich das Einvernehmen mit den beiden
Regierungen erzielt werden wird.00

                                                  IV

Verwaltung des mobilen und immobilen Vermögens
               der italienischen Staatsangehörigen

   Seitens des kgl. ung. Ministerpräsidenten wird auf die Notwendig¬
keit hingewiesen, bezüglich eines einheitlichen Vorgehens in den beiden Staaten
der Monarchie schlüssig zu werden.

   Der Vorsitzende erklärt, dass dem Ministerium des Äussern bisher
kein Fall bekannt geworden sei, dass die italienische Regierung gegenüber öster¬
reichischem oder ungarischem Eigentum gesetzwidrig vorgegangen wäre, oder
das Eigentum verletzende Handlungen geduldet hätte. Gefährdete Objekte seien
durch die Behörden geschützt worden und soweit bekannt, intakt geblieben. Die
spanische Botschaft in Rom sei ersucht worden, diesen Dingen ihre Aufmerksam¬
keit zuzuwenden. Am 22. Mai, also am Tage vor der italienischen Kriegserklärung,
habe der italienische Botschafter dem Vorsitzenden einen den Schutz des beider¬
seitigen Eigentums im Kriegsfälle betreffenden Vertragsentwurf zur Annahme
und Unterzeichnung vorgelegt, nachdem eine solche Vereinbarung zwischen
Deutschland und Italien bereits zustande gekommen war. Der deutschen Regierung
sei an diesem Übereinkommen sehr viel gelegen gewesen, weil sich in Italien

   w) Der mit »daß die vom kgl. ung. Ministerpräsidenten« beginnende und mit »daß ferner«
endende Teil wurde mit Tinte nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt. Von

wem dieser Zusatz stammt, konnte nicht festgestellt werden.
   x) In der Reinschrift des Protokolls wurde an Stelle der Wörter »vornehmen lassen zu«

nachträglich »vorgenommen werden« geschrieben. Das Verbalpräfix »vor« blieb unkorrigiert.
   y) An Stelle des Wortes »verweist« wurde nachträglich »in Rechnung gestellt werden

müsse« gesetzt.    . , ,, jt
z) Der mit »wodurch natürlich« beginnende und mit »hinfällig wird« schließende Teil wur¬

de von Istvän Tisza nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt.

aa) Der mit »Auf Antrag des k.ung. Finanzministers« beginnende und mit »erzielt werden

wird« endende Teil dürfte von Teleszky nachträglich in die Reinschrift des Protokolls einge¬

fügt worden sein.

282
<pb/>erheblich mehr deutscher Besitz befinde als umgekehrt. Doch scheine sich auch
der italienische Minister der Äussern der Sache gerne angenommen zu haben,
so dass das Abkommen wirklich zustande kam. Mit dem Herzog von Avarna
habe eine Verständigung nicht mehr erfolgen können, da tags darauf der Krieg
erklärt wurde. Das Konzept des Vertrages befindet sich in den Händen des Mini¬
steriums des Äussern. Wenn die beiden Regierungen Wert darauf legen sollten,
sich mit der Sache weiter zu befassen, so wäre der Vorsitzende bereit, durch die
spanische Botschaft in Rom anfragen zu lassen, ob die italienische Regierung
geneigt wäre, in die Verhandlung des knapp vor der Kriegserklärung überreichten
Vertragsentwurfes einzutreten.

   Aus den im Vorstehenden angeführten Gründen erklärt der Vorsitzende, dass
er sich dermalen gegen den Beginn einer Sequestrierung italienischen Eigentums
in der Monarchie aussprechen müsse, zumal die grösseren Werte an fremdem
Eigentum in Italien liegen. Vom Gesichtspunkte der Gesamtinteressen sollte der
Anfang mit strengeren Massregeln nicht österreichisch-ungarischerseits gemacht
werden.

   Seitens der Konferenz wird dieser Auffassung beigepflichtet, zumal
man bisher immer an dem Prinzipe der Retorsion festgehalten habe, d.h. dass
strengere Massregeln erst, wenn ein Anlass hiezu vorhege, ergriffen werden sohen.
Man werde daher eine Verständigung des Ministeriums des Äussern abwarten,
ob mit Retorsionsmassregeln gegenüber italienischem Eigentum vorgegangen
werden solle.

   Der k.u.k gemeinsame Finanzminister verweist auf den Um¬
stand, dass ihm seitens der Regierungen beziehungsweise des Ministeriums des
Äussern bereits Mitteilungen in diesem Sinne zugekommen seien, während ande¬
rerseits seitens der militärischen Stellen und des Kriegsüberwachungsamtes in der
striktesten Weise die Einziehung italienischen Eigentums und das strengste Vor¬
gehen gegen italienische Staatsangehörige gefordert werde. Es wäre daher ange¬
zeigt zu bestimmen, dass im allgemeinen gleichartige Verfügungen zu ergehen
hätten.

   Der Vorsitzende bemerkt hiezu, dass im Prinzipe selbst das volle Ein¬
vernehmen zwischen den Zentralstellen, wie früher festgestellt wurde, erzielt sei,
dass aber andererseits der Heeresleitung, insbesondere innerhalb des Bereiches
der Kriegszone, zugestanden werden müsse, gewisse Massregeln zur Sicherung
der militärischen Interessen zu ergreifen, welche sich allerdings nicht gegen das
Eigentum, sondern nur gegen die Personen richten können.

                                                   V

   Frage der Einziehung der Nickel-Scheidemünzen

   Der kgl. ung. Finanzminister erklärt, dass es sich um ein Ansuchen
der Heeresverwaltung nach Einziehung der Nickelmünzen behufs Beschaffung
des für die Herstellung von Munition nötigen Nickelquantums handle. Es sei
bereits eine starke Thesaurierung von Nickelmünzen zu konstatieren und man
<pb/>werde also nur sehr wenig einziehen und abliefern können. Abgesehen davon
sei die Herstellung neuer Münzen aus anderem Metall erforderlich, was bei der
geringen Leistungsfähigkeit der beiden Münzwerkstätten geraume Zeit in Anspruch
nehmen würde, zumal die im Gange befindliche Prägung der zehn Millionen 10-
Heller-Stücke nicht unterbrochen werden könne. Es würde daher im Falle der
Einziehung der im Verkehr befindlichen Nickelmünzen in der kürzesten Zeit die
grösste Not an Scheidemünzen eintreten. Die Einziehung könnte daher nur erfol¬
gen, wenn für einen Ersatz durch andere Kleinmünzen schon vorgesorgt wäre.
Erst wenn die neuen Münzen in der erforderlichen Menge ausgeprägt wären,
könnten die Nickelmünzen ausser Verkehr gesetzt werden. Gegenwärtig befänden
sich um insgesamt 80 Millionen Kronen Nickelmünzen im Verkehr, wobei die
neuen 10-Heller-Münzen nicht eingerechnet seien. Selbst bei Reduzierung dieses
Betrages bis auf 50 Millionen sei, sogar wenn die Ausprägung von Halbkronen¬
stücken in grossem Umfange in Aussicht genommen würde,66 für die Ausprägung der
Ersatzmünzen ein Zeitraum von 17 Monaten erforderlich. Dies führe zum Schlüsse,
dass auf die Einziehung der Nickelmünzen seitens der Heeresverwaltung, inso-
ferne es nur möglich wäre, verzichtet werden sollte. Wenn diese Massregel jedoch
unbedingt nötig erscheine, so sei sie nur durch die Ausgabe von Papiergeld mög¬
lich, was etwa&quot;&#39; innerhalb eines Monates durchgeführt werden könnte. Allerdings
wäre eine solche Massregel von dem allerschlechtesten Einflüsse auf die Stimmung
der Bevölkerung und auch auf die&quot;&quot; Valuta der Monarchie. Es frage sich daher,
ob der Heeresverwaltung durch die einen Erlös von etwa 10.000 Meterzentnern
(der Hälfte des ausgeprägten Nickels) versprechende Einziehung der Nickel¬
münzen soweit gedient sei, dass die schädlichen Einflüsse auf die Valuta und die
übrigen damit im Zusammenhänge stehenden nachteiligen Erscheinungen in den
Kauf genommen werden müssten.

   Nachdem sich auch der k.k. Finanzminister durchaus im gleichen
 Sinne ausgesprochen hat, wird der k.u.k. Kriegsminister ersucht, die
Angelegenheit nochmals einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, was von seiner
 Seite zugesagt wird.

    Hiemit war die Tagesordnung erschöpft; die Sitzung wurde vom Vorsitzenden
 um 9 Uhr abends geschlossen.

            Original-Reinschrift. -- Die Einsichtnahme wurde auf dem Mantelbogen des Proto¬
          kolls von sämtlichen Teilnehmern des Ministerrates bestätigt. Auf demselben Blatt
          rechts oben mit Bleistift geschrieben: »fertig«. Auf dem letzten Blatt die Kenntnis¬
          nahme durch den Herrscher: »Wien, 18. November 1915.« Unter dem Text rechts die
          Unterschrift Buriäns, links die von Joannovics. -- Ebd. das handschriftlich ange¬
          fertigte Konzept des Protokolls, von Joannovics unterfertigt, mit einigen, aus seiner
          Feder stammenden Korrekturen. Am Rumbrum das Handzeichen Buriäns.

    bb) Der mit »sogar wenn« beginnende und mit »genommen würde« endende Teil dürfte
 von Teleszky nachträglich in die Reinschrift des Protokolls eingefügt worden sein.

     cc) Das Wort »etwa« wurde aller Wahrscheinlichkeit nach von Teleszky in die Reinschrift
 des Protokolls eingefügt.

     dd) Der Teil »Stimmung der Bevölkerung und auch auf die« dürfte eine nachträgliche
 Eintragung Teleszkys sein.

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