Gemeinsamer Ministerrat, 14. 12. 1913
I. Die bosnischen Bahnen und
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z46.pdf.
II. das gemeinsame Budget pro 1914/1915
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Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 631 Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. Dezember 1913 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza, derk. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Biliriski (24. 12.), derk. u. k. Kriegsminister FZM. Ritter v. Krobatin (26. 12.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der k. u. k. Marineko¬ mmandant Admiral Haus, der Leiter des k. k. Finanzministeriums Sektionschef Freiherr v. Engel. Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Günther. Gegenstand: [I.] Die bosnischen Bahnen und [II.] das gemeinsame Budget pro 1914/1915. KZ. 76-GMKPZ. 510 Protokoll des zu Wien am 14. Dezember 1913 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hau¬ ses und des Äußern Grafen Berchtold. [I.] Nach Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden ergreift der kgl. ung. Ministerpräsident das Wort und erklärt, daß die ungarische Regierung sich mit dem Plan einer Modifikation des Gesetzentwurfes über die bosnischen Bahnen beschäftige,1 die dahin gehe, daß er die Ermächtigung enthal¬ te, zum Baue dieser Bahnen Zahlungen auch dann zu leisten, wenn in Österreich kein analoges Gesetz zustande gekommen sei.2 Nun sei ihm nahegelegt worden, daß dieses Vorgehen in österreichischen parlamentarischen Kreisen Aufsehen er¬ regen und der k. k. Regierung Schwierigkeiten verursachen würde. Von dem Wunsche geleitet, die Situation im Reichsrate für die k. k. Regierung nicht zu erschweren, habe er darüber nachgedacht und sei zu folgendem Entschlüsse ge¬ kommen. Die ungarische Regierung könnte das Gesetz ohne Modifikation vom Abgeordnetenhause votieren, im Magnatenhause aber noch nicht behandeln las¬ sen. Auf die Annahme des Gesetzentwurfes im Abgeordnetenhause gestützt, könnte die ungarische Regierung ihre Einwilligung geben, daß die Vorarbeiten veranlaßt, die Bauten ausgeschrieben und in Angriff genommen werden. Zu einer Einzahlung der auf Ungarn fallenden Beiträge sei freilich das Zustandekommen des Gesetzes notwendig; da jedoch eine Frist von mehreren Monaten bis dahin verstreichen werde, wird sich die Situation bezüglich der parlamentarischen Er¬ ledigung des Gesetzentwurfes im Reichsrate klären können. Kann das analoge Gesetz auch dort zustande kommen, so entfiele die Notwendigkeit einer Modifi¬ kation des ungarischen Gesetzentwurfes. Im entgegengesetzten Falle würde das Oberhaus die Kodifikation vornehmen, das Gesetz wieder ins Abgeordnetenhaus zurückgelangen und dortselbst mit der Modifikation neuerlich erledigt werden. Fortsetzung des GMR. v. 10. 11. 1913/11, GMKPZ. 509 Mit Schreiben (deutsche Übersetzung) v. 8.12.1913 hatte Tisza diese Idee Bilihski unterbrei¬ tet, HHStA., PA. I, CdM. VIII c 12/13, Karton 637, 153r-154r. <pb/>632 Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 Der k. k. Ministerpräsident ist für diese Mitteilungen sehr dankbar. In Österreich werde die Sache mit der Lokalbahnvorlage verquickt.3 Er hoffe, daß bei der Wiederaufnahme der Tätigkeit des Abgeordnetenhauses Ende Jänner oder Anfang Februar die Schwierigkeiten beseitigt sein werden. Er geden¬ ke, einen Nachtrag zum Staatsvoranschlage pro Halbjahr 1914 einzubringen und sich bezüglich des letzteren durch die Provisorialermächtigung zu decken. Was das konkrete Begehren des gemeinsamen Finanzministers betreffe, so sei Graf Stürgkh der Meinung, daß derselbe ex commissione die gewünschte Ermächti¬ gung erhalten könnte. Dr. v. Bilihski betont zunächst die Notwendigkeit, sobald als mög¬ lich mit der Ausschreibung der Bauten zu beginnen, so daß mit dem Bau im März angefangen werden könne. Er erbitte sich daher die Ermächtigung zur sofortigen Ausschreibung des Baues und, insofeme die beiden Gesetze bis dahin nicht in Kraft seien oder die Marktverhältnisse die Begebung von Obligationen nicht er¬ möglichen, eventuell eine schwebende Schuld aufzunehmen, wobei er mit allen Kräften bemüht sein werde, die großen Anlehenaktionen der beiden Regierungen nicht zu stören. Der kgl. ung. Finanzminister fragt, was für Arbeiten und in welchen Dimensionen dieselben vorgenommen werden sollen und ob Sicherheit vorhanden sei, daß, für den Fall, daß die Gesetzgebung in Österreich für absehba¬ re Zeit nicht in der Lage sei, das einschlägige Gesetz zu bewilligen, die Arbeiten sistiert werden können. Was die schwebende Schuld betreffe, so müsse man bedenken, daß das Anle- hensbedürfhis der beiden Staaten ebenso wie die privaten Ansprüche an den Welt¬ markt befriedigt werden müssen. Er möchte daher anregen, daß der gemeinsame Finanzminister vor Aufnahme einer schwebenden Schuld sich mit beiden Finanz¬ ministem ins Einvernehmen setze, was von einem Tag zum anderen möglich sei. Nachdem die Konferenz dem Anträge auf sofortige Bauausschreibung nach der Annahme des Gesetzes im ungarischen Abgeordnetenhause und auf eventuel¬ le Aufnahme einer schwebenden Schuld prinzipiell zugestimmt, sagt D r. v. B i 1 i n s k i, daß es sich zunächst um den Bau der Linien Samac-Doboj, Ban- jaluka-Jajce und Bugojno-Arzano handle. Die von ihm konsultierten Fachleute haben über die Frage, ob die Arbeiten nur nach Einheiten, was an sich ideal gut wäre, oder im Pauschale, was im allgemeinen schlecht ist, vergeben werden sol¬ len, gemeint, es stehe nicht genügend Überwachungspersonale für die erstere Alternative zur Verfügung und so werde man wohl im Pauschale nach Losen vergeben müssen. Um in beiden Richtungen die finanziellen Chancen zu prüfen, werde zunächst eine Probeausschreibung für eine beschränkte Arbeit im Pau- 3 Der Vortrag des k. k. Eisenbahnministers v. 11. 12.1913 zum Einbringen eines Gesetzentwur¬ fes zum Bau von Lokalbahnen in Cisleithanien in den Reichsrat war von Franz Joseph mitAh. E. v. 14. 12. 1913 resolviert worden, HHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 2969/1913, wurde jedoch wegen der Vertagung des Abgeordnetenhauses am 16. 3. 1914 nicht zu Ende verhandelt. <pb/>Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 633 schale a(bei einem Tunnel)3 und eine solche nach Einheiten b(hei der Linie Bihac- Novi)b erfolgen. Was die schwebende Schuld anbelangt, so sei er bereit, über die allgemeinen Vereinbarungen hinaus, vor der Aufiiahme dieser Schuld mit den beiden Finanz¬ ministem das Einvernehmen zu pflegen. Der kgl. ung. Finanzminister stellt fest, daß nach den Ausfuh- mngen des gemeinsamen Finanzministers die Möglichkeit gegeben sei, daß, in- sofeme die Gesetze nicht zustande kämen, nur ein Stück der projektierten bos- nisch-herzegowinischen Bahnen, nämlich die Strecken Samac-Doboj und Banjaluka--Jajce, ferner ein Teil der Linie Bugojno--Arzano, ausgebaut werde und nachher die Fortsetzung der weiteren Bauten bis zum Inkrafttreten der Gesetze und der erfolgten Aufnahme der definitiven Anleihe sistiert werde. Der gemeinsame Finanzminister will nach der Probeaus¬ schreibung an den Bau der zunächst im Gesetze vorgesehenen vorerwähnten drei Bahnen schreiten, wozu vorerst die zwei Millionen Bosniens ex 1913 und 1914 zur Verfügung stünden. Freiherr v. Engel begrüßt es, daß vorläufig eine Kreditoperation nicht notwendig sei, und bittet, die Aufnahme einer schwebenden Schuld mög¬ lichst lange hinauszuziehen und vielleicht gänzlich zu vermeiden. Wenn man in Österreich auch kein Gesetz habe, so könne man doch auf Grundlage des Budget¬ provisoriums die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung stellen und zwar als Fortsetzungskredite. Die beiden Staaten wollen wohl am Schuldendienste, nicht aber am Kapitale teilnehmen. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister macht darauf aufmerksam, daß man den Finanzleuten gesagt habe, im Obligationentexte wer¬ den drei Gesetze zitiert werden. Hievon sei aber nun eines nicht fertig und da werden die Finanzleute zu keiner Emission, sondern nur zur Erteilung eines Vor¬ schusses bereit sein. Dr. Teleszky spricht sich gegen letztere Modalität aus; da sollte man eher eine Schatzscheinschuld in Frankreich oder England aufhehmen. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister nimmt dies zur Kenntnis. Auf Ersuchen des kgl. ung. Ministerpräsidenten wird das von der ungarischen Regierung beabsichtigte und am Anfänge der Sitzung von ihm dargelegte Vorgehen zur Kenntnis genommen.4 M Signierte Einfiigung Bilinskis v. 24. 12. 1913. b'b Signierte Einfligung Bilinskis v. 24. 12. 1913. 4 Der ungarische Änderungsantrag zu § 6 (deutsche Übersetzung) des Gesetzentwurfes zurInan¬ griffnahme der bosnischen Bahnbauten liegt in HHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 831/1914. Mit Vortrag v. 5. 4.1914 legte Tiszaden vom ungarischen Reichstag angenommenen Gesetzentwurf betreffend die Ergänzung des bosnisch-hercegovinischen Eisenbahnnetzes vor, der mitAh. E. v. 6. 4. 1914 sanktioniert wurde, ebd. Über Vortrag des k. k. Eisenbahnministers Förster v. 4. 4. <pb/>634 Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 [IL] Es wird hierauf in die Beratung des Heeresbudgets eingegangen,5 wobei der Kriegsminister die Details seines Voranschlages eingehend be¬ spricht und die beiden Finanzminister auf geringfügige Unter¬ schiede in der Berechnung aufmerksam machen. Dr. Teleszky ersucht, hinsichtlich der Basis für die Mehranforderun¬ gen bei allen Budgets folgendes Schema zu beobachten. Es sei zunächst das Ge- samterfordemis pro 1913 mit dem Gesamtanspruch pro 1914/1915 zu verglei¬ chen und von dem sich ergebenden Plus das reelle Plus für das erste Halbjahr 1914 in Abzug zu bringen, hieraus werde sich jene Mehranforderung ergeben, die im nächsten Budget zu begründen wäre, das sei z. B. für das Heer nach dem jet¬ zigen Summar: 55 935 220 Kronen. Der Kriegsminister, fahrt Dr. Teleszky fort, verlange über das Programm 26 422 720 Kronen. Hiezu komme aber noch eine Summe von 2 905 000 Kronen an Ersparnis bei Emteurlauben, welche man zur Ausgestaltung des Heeres ver¬ wenden möchte, was aber nicht zulässig sei. Über das Programm verlange man sonach eigentlich 29 327 720 Kronen; ziehe man hievon den Betrag von 21 541 000 Kronen für Sanierungen ab, so ergebe sich noch immer ein Plus von 7 786 720 Kronen. Er sei ganz einverstanden, daß man Sanierungen vornehme, obwohl er nicht in die Lage gesetzt worden ist, die Beträge zu kontrollieren. Man müsse da klar sehen, weil in der letzten Zeit wesentliche Preisverminderungen eingetreten sind und weitere solche zu erwarten seien. Auch der Ausgestaltungs¬ kredit weise ein Plus von 6,4 Millionen auf. Diese beiden Mehrbeträge von zu¬ sammen rund 14 Millionen bitte er zu streichen. Der Kriegsminister weist darauf hin, daß er 2,3 Millionen für die Justizreform benötige, da dieselbe am 8. Juli nächsten Jahres durchgeführt sein müsse. Er sei bereit, einiges zurückzustellen, ganz streichen könne er nichts. Der kgl. ung. Finanzminister entgegnet hierauf, daß man Mehrforderungen für Sanierungen passieren könne, nicht aber solche für organi¬ satorische Maßnahmen. Freiherr v. Engel bittet, die Mehrausgaben auf das unbedingt Nöti¬ ge zu beschränken. Er finde im Präliminare des Kriegsministers eine Reihe von Posten, die leicht zurückgestellt werden können, so die Maßnahmen zugunsten des Registratur- und Rechnungspersonales, die Ernennung von Ergänzungsoffi¬ zieren zu Obersten usw. In der Kriegsverwaltung müsse gleichwie bei allen ande¬ ren Ressorts der Begriff der finanziellen Ausgleichung zur Durchführung kom¬ men. Bei allen anderen Budgets werden Mehrerfordemisse in einzelnen Positionen durch Mindererfordemisse in anderen wettgemacht. Er sei mit der Sanierung 1914 wurde die bosnische Eisenbahnvorlage als Notverordnung mit Ah. E. v. 6. 4. 1914 sank¬ tioniert; der Akt, laut Protokollbuch ebd. KZ. 832/1914, liegt nicht mehr ein; publiziert als RGBl. Nr. 83/1914. Zur Frage des Zeitpunktes des Zusammentritts der Delegationen siehe GMR. v. 10. 11. 1913/1, GMKPZ. 509. <pb/>Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 635 vollkommen einverstanden, er glaube aber nicht an den Erfolg. Im Kriegsmini¬ sterium werde über sämtliche Kredite zu Anfang des Jahres verfügt, weshalb man für unvorhergesehene Fälle nicht vorsorgt. Er weist ferner darauf hin, daß man einen Interkalarabstrich von über eine Million einfach fallen gelassen habe. Eben¬ so sei bei den Anforderungen für die Unteroffiziere auf solche Individuen Be¬ dacht genommen worden, für die die betreffenden Summen nicht bestimmt seien. Auch wisse man nicht, was im Programm enthalten sei und was nicht, und erfah¬ re dies erst bei der Konferenz; dies sollte früher geschehen. Auch die Höhe der Raten bleibe sich immer gleich, obwohl man gewiß öfters kleinere Beträge ein- setzen könne; auch das Extraordinarium sei keine gegebene Größe, sondern man müsse sich auch da fragen, ob es unbedingt nötig sei. Er bitte, das Extraordinari¬ um nicht als Fixum zu betrachten, das sich nur vermehren und nicht vermindern könne. Hinsichtlich der Abstriche schließe er sich vollkommen der Anregung des kgl. ung. Finanzministers an. FZM. v. Krobatin erwidert hierauf, daß sein Voranschlag auf Grund der Anträge der Sektionschefs und Referenten zusammengestellt werde, nach¬ dem alles, was angängig, gestrichen wurde. Da auf diese Weise ohnehin nur das unumgänglich Notwendige zur Anforderung gelangt, können Ersparnisse nicht erzielt werden. Er werde in Hinkunft vor der Konferenz Ausweise über das ver¬ teilen lassen, was paktiert sei, und über das, was neue Anforderungen darstelle. Im übrigen sei er bereit, einer Reduktion zuzustimmen, insoweit eine solche tun¬ lich sei. Er mache jedoch speziell darauf aufmerksam, daß die Justizreform zu dem angegebenen Termin durchgeführt sein müsse. Hiebei wird der Kriegsminister vom k. k. Ministerpräsidenten, der auf die Fol¬ gen, die die Nichteinhaltung im österreichischen Parlamente mit sich brächte, aufmerksam macht, wämstens unterstützt. Was das Extraordinarium betreffe, so wäre das nicht willkürlich zusammengesetzt, sondern nach dem Bedarfe. Hin¬ sichtlich des Vorwurfes, daß er keine Reserven sammle, müsse er konstatieren, daß, wie der hohen Konferenz bekannt, seine Referenten beauftragt seien, zu Beginn des Jahres bei allen Posten 5 % als Reserve zurückzubehalten. Der kgl. ung. Ministerpräsident schlägt vor, daß die in der Beilage D des Budgets enthaltene Abzugspost per 2,9 Millionen auszuschalten sei, indem die Auslagen, welche in dieser Beilage verzeichnet sind, um dieselbe Summe herabgesetzt werden. Es stünden dann für die übrigen Erfordernisse 2,9 Millionen zur Verfügung. Er wolle gewiß keinen kleinlichen Standpunkt einnehmen. Aber, und das gelte für alle Ressorts, man dürfe gegenwärtig keine Besserung der Rangsverhältnisse in den Budgets vornehmen. Da die ungarische Regierung durch die traurige Fi¬ nanzlage des Landes gezwungen ist, ihren eigenen Angestellten gegenüber dies mit brutaler Konsequenz durchzuführen, so müsse man auch bei den gemeinsa¬ men Stellen warten, bis die Finanzen sich gebessert haben. Wenn z. B. die gemein¬ samen Amtsdiener um die beantragte, an und für sich geringfügige Summe eine Erhöhung ihrer Bezüge erhielten, was würden da die ungarischen Diener und Di- <pb/>636 Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 umisten sagen, deren sicher nicht unberechtigte Wünsche man rundweg zurück¬ weisen müsse? Auch er glaube, daß in der Durchführung der Militärstrafproze߬ ordnung ein Verzug nicht eintreten dürfe und sei ja auch die bezügliche Deckung vorhanden, insofeme von den damit zusammenhängenden organisatorischen Ma߬ nahmen nur diejenigen ins Leben gerufen werden, welche zur Einführung der Strafprozeßordnung absolut notwendig sind. Ebenso könne man auch bei den Bauten Ersparungen erzielen, weil vielfach die alten Gebäude ausreichen dürften. Der kgl. ung. Finanzminister macht darauf aufmerksam, daß der Kriegsminister über keinen so hohen Offiziersnachwuchs verfüge, als im Vor¬ anschläge vorgesehen, daher ein Abstrich leicht vorgenommen werden könne. Der Kriegsminister stimmt dem zu. Nachdem noch der kgl. ung. Ministerpräsident hinsichtlich der Sanierungen darauf verwies, daß die eingestellten Summen überraschend hoch sind, trotzdem z. B. der Hafer und der Roggen im Preise ganz erheblich zurückgegangen seien und man absolut nicht mehr sanieren dürfe, als unbedingt notwendig sei, wird beschlossen, daß der Voranschlag des Kriegsministeriums im Sinne der Anregung des Grafen Tisza d. i. mit einem Abstriche von ungefähr 11 Millionen umzuarbeiten sei und daß die vorzunehmenden Abstriche in einer zwi¬ schen dem Kriegsminister und den beiden Finanzministem abzuhaltenden Kon¬ ferenz zu besprechen seien.6 Es wird hierauf zur Besprechung des Marinebudgets übergegangen und erklärt der Marinekommandant die einzelnen Posten seines Voranschlages, bei dem er sich im Rahmen des ihm zugewiesenen Kontingentes gehalten habe.7 Dem gegenüber weist der kgl. ung. Finanzminister darauf hin, daß das Marinebudget im Jahre 1913 74 257 210 Kronen betragen habe und nunmehr in einer Summe von 78 567 210 Kronen sich zeige, was ein Plus von 4 310 000 Kronen bedeute. Ziehe man hievon das reelle Plus für das erste Halb¬ jahr 1914 per 1,2 Millionen ab, so bleibe ein Betrag von 3,1 Millionen, welcher zu begründen wäre. Für die Unteroffiziere entfallen im zweiten Semester 1914 460 000 Kronen, im ersten Semester 1915 390 000 Kronen, zusammen 850 000 Kronen, hiezu die programmäßige Steigerung von 1,5 Millionen, was eine Ge¬ samtsumme von 2 350 000 Kronen ergibt. Dem obigen Betrage per 3,1 Millionen gegenüber ist daher eine Mehranforderung über das Programm hinaus von Krobatin teilte beiden Finanzministern den reduzierten Heeresvoranschlag pro 1914/15 mit Schreiben v. 20. 12. 1913 mit, Ka., KM., Abt. 15/B, Rubrikzahl 1-5/20-5/1913. Mit Schrei¬ ben (K.) Engels an Krobatin v. 13. 1. 1914, Fa., FM., allg., Z. 95735/1913 und Schreiben (Abschrift) Teleszkys an Krobatin v. 6. 2.1914, ebd.,Z. 1655211914, teilten beide dem Kriegs¬ minister mit, dass die Reduktionen nicht dem Sinn des Beschlusses des gemeinsamen Mini¬ sterrates entsprächen. Mit den Schreiben (K.) Krobatins v. 28. 1. 1914 an Engel, Ka., KM., Abt. 15/B, Z. Rubrikzahl 1-5/7/1914, und v. 10. 3.1914 an Teleszky, ebd., Rubrikzahl 1-5/7- 2/1914, unterstrich Krobatin, andere Reduzierungen nicht vornehmen zu können. Den Entwurfdes Marinevoranschlages teile Bilihski Engel mit Schreiben v. 20. 11.1913 mit, Fa., FM., allg., Z. 92678/1913. <pb/>Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 637 750 000 Kronen vorhanden; hiezu komme eine Summe von 1 550 500 Kronen an Ersparnissen der Kohlenbeschaffung. Da letztere durch den Ausgestaltungskredit erzielt worden seien, indem die Marine soviel Kohle habe, daß sie weitere gar nicht unterbringen könne, so könne dieser Betrag nicht zu Gunsten des Marine¬ budgets verwendet werden. Diese 1 550 500 Kronen, mehr den obigen 750 000 Kronen, zusammen 2 310 500 Kronen, sind daher zu streichen. Redner weist nun eingehend nach, daß der Marine in 1 V2 Jahren 13 xh Millionen Kronen zur Aus¬ gestaltung als fortlaufende Auslagen bewilligt worden seien, was absolut in kei¬ ner Proportion stehe, weder mit der Ziffer des Marinebudgets per 78 Millionen noch mit der finanziellen Lage. Der Marinekommandant opponiert dieserAuffassung und verweist auf die höheren Instandhaltungskosten, auf die Vermehrung der Offiziere und der Mannschaft und auf die Mehrkosten der größeren Schiffe. Schon GrafMontecuc- coli habe wiederholt auseinandergesetzt, daß er mit 1 V2 Millionen Steigerung absolut nicht auskommen könne und eine solche von 4 V2 Millionen benötige. Der kgl. ung. Finanzminister beweist nun, daß selbst gegen¬ über der ursprünglichen Forderung der Marine von einer Steigerung per 6 Millio¬ nen jährlich, das sei in 1 14 Jahren 9 Millionen, die Marine noch immer einen Mehrbetrag von 4 14 Millionen bekommen habe. Wohl sei der Titel 7 gedrosselt worden, doch bedeute dies keine Erleichterung, weil die außerordentlichen Erfor¬ dernisse in so großer Höhe bewilligt werden mußten. Es wird nun beschlossen, daß hinsichtlich des Marinebudgets derselbe Vorgang eingehalten werde, wie hinsichtlich des Kriegsbudgets, wobei der seitens des kgl. ung. Finanzministers beantragte Abstrich von 2,3 (genau 2,31) Millionen vorzunehmen sei. Der kgl. ung. Ministerpräsident führt aus, daß in der letzten Ministerkonferenz hinsichtlich des neuen Marineprogrammes festgelegt worden sei, daß nicht sämtliche Einheiten sofort, sondern nur ein aliquoter Teil gebaut werden soll. Aus der Vorlage entnehme er jedoch, daß sämtliche Einheiten sofort in Angriff genommen werden würden. Er erbitte sich hierüber eine Aufklärung sowie weiters eine solche über die Entwicklung der Schiffsbautypen. Es sei ihm nämlich bekannt geworden, daß andere Marinen ganz erheblich größere Schiffe bauten, als unsere Über-Dreadnoughts. Es frage sich daher, ob es zweckmäßig sei, jetzt schon zu bestellen, wenn man darin etwa vom Ausland überholt würde und nicht mehr das Allerbeste hätte. Der Marinekommandant erwidert hierauf, daß er die Sache so ver¬ standen habe, daß in dem Maße auszubauen sei, wie das Geld einfließe. Es wurde gesagt, der Kredit werde erst ab 1. Jänner 1915 flüssig sein, aber man könne gleich bauen lassen, so wolle er denn zwei der größten Schiffe gleich, die beiden anderen nach 1 !4 Jahren fertigstellen lassen, denn würden die Bauten erst in 5 Jahren vollendet, könnten sie leicht wieder veraltet sein. Auch bitte er um eine Ermächtigung hinsichtlich der Zinsen, da selbe sonst in den Kosten zum Aus¬ drucke gelangen würden. <pb/>638 Ni: 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 Dr. Teleszky gibt seiner Meinung dahin Ausdruck, daß die Bauten ver¬ geben werden können, sobald die Bewilligung der Delegationen vorliege. Von einer Zinsenzahlung sei bis jetzt keine Rede gewesen. Eine solche Ermächtigung zu erteilen sei auch die Konferenz nicht kompetent. Seitens des Marinekomman¬ danten sei gesagt worden, es werden keine Zinsen gezahlt werden, weil das Stabi- limento bereit sei, ohne solche zu arbeiten, da es froh sein müsse, die vorhandenen Arbeiter zu beschäftigen. Das Tempo der Bauten müsse sich nach den Mitteln richten. Letztere werden, wie bisher üblich, in 12 Monatsraten zur Verfügung ge¬ stellt werden. Ob der Marinekommandant hievon die alten Schulden oder die neu¬ en Schiffe zahle, sei gleich. In einem rascheren Tempo, als es den jeweils zur Verfügung stehenden Krediten entspricht, könne nicht gebaut werden, weil sonst ein zweijähriges Vakuum eintrete oder neue Kredite bewilligt werden müßten. Freiherr v. Engel lenkt die Aufmerksamkeit der Konferenz auf die großen Unannehmlichkeiten, welche der Vorgang der Marine für den Geldmarkt hatte. Die Banken sagten, die Marine schulde uns 29 Millionen, sie könnten nicht mehr kreditieren. Dies wurde saniert, aber er müsse dringend ersuchen, daß nicht wieder ,,vorgebaut" werde, schon mit Rücksicht auf die parlamentarischen Schwierigkeiten. Der kgl. ung. Finanzminister schlägt vor, dem Stabilimento zu sagen, wenn es ohne die Preise zu erhöhen und ohne Zinsen bauen wolle, könnte der Bau demnächst vergeben werden. Die Zahlungen könnten aber erst vom 1. Jänner 1915 nach den programmmäßig vorhandenen Mitteln geleistet werden. Der Marinekommandant bestreitet entschieden, gelegentlich der Verhandlungen im Frühjahre über den Bau eines Schiffes ohne Bewilligung durch die Delegationen gesagt zu haben, daß dieses Schiff vom Stabilimento ohne Zin¬ sen gebaut werde, wenn die Zahlung erst ein Jahr nach dem Baubeginne erfolgt. Im Gegenteile habe er immer daraufhingewiesen, daß das Schiff um den Betrag der Zinsen höher zu stehen kommen würde. Er erzählt nun als Beispiel die gegen¬ wärtigen Offertverhandlungen, an welchen sich der Cantiere Navale, der Danubi¬ us und das Stabilimento beteiligten. Letzteres habe aber keine Preise angegeben, was daraufhindeute, daß es einfach die Preise nach jenen der beiden ersterwähn¬ ten Unternehmungen richten wolle. Der kgl. ung. Finanzminister macht auf die Gefahr aufmerksam, eine dritte Werfte zu schaffen, da man auch diese Konkurrenz zahlen werde müssen. Die Werften leben von der Marine, das heißt, je mehr Werften, desto mehr Schiffe oder umso teuerer werde man bauen müssen. Nachdem der Marinekommandant nochmals betonte, daß er heuer Zinsen zahlen müsse, wird beschlossen, daß die Kredite nicht zum gleichzeitigen Bau aller Schiffe verwendet werden dürfen, daß der Marinekommandant dement- <pb/>Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 639 sprechend das Programm zu modifizieren habe und daß letzteres bei der Konfe¬ renz mit den zwei Finanzministem definitiv festgestellt werden würde.8 Graf Berchtold bespricht nun seinen Voranschlag9 und erklärt, daß er den ihm bekannt gegebenen Bedenken bezüglich der Neusystemisierungen be¬ ziehungsweise der Erhöhungen der Gehalte der Amtsdiener Rechnung trage und dieselben zurückziehe. Hierauf erklärt der Leiter des k. k. Finanzministeriums, daß er diese Erklärung begrüße und hinsichtlich der Diener vorschlage, es wie bisher bei dem Systeme der Aushilfen zu belassen. Er möchte nur noch dem Ersu¬ chen Ausdruck geben, bei der Errichtung neuer effektiver Konsulate und bei der Umwandlung von Honorarkonsulaten in effektive Konsulate mit möglichster Zu¬ rückhaltung vorzugehen, da eine fortschreitende Vermehrung der effektiven Kon¬ sulate mit einer empfindlichen Belastung der Staatsfinanzen verbunden wäre. Der kgl. ung. Ministerpräsident hat hinsichtlich des Voran¬ schlages des Ministeriums des Äußern zwei Bemerkungen zu machen. Die eine betreffs die Besserung der Bezüge, folglich in erster Reihe die vom Minister des Äußern vorgeschlagenen Neusystemisierungen beziehungsweise die Verbesse- rung der Gehalte der Amtsdiener mit einem Mehrerfordemisse von 6000 Kronen. Diese beiden Posten habe übrigens GrafBerchtold bereits zurückgezogen. Ferner müsse er sich gegen die Erhöhung der Funktionszulagen von Missionschefs per 45 200 Kronen, gegen die Erhöhung der Zulagen von diplomatischen Beamten per 24 000 Kronen, gegen die Umwandlung von gewissen Konsulstellen in sol¬ che höherer Kategorie per 2600 Kronen und gegen die Erhöhung der Lokalzula¬ gen einiger Konsularamtsleiter per 15 500 Kronen aussprechen. Dies würde zu¬ sammen einem Abstriche von 93 300 Kronen gleichkommen. Ferner möchte er anregen, daß mit Rücksicht auf die finanzielle Lage von der Errichtung zweier unter den vorgeschlagenen fünf Konsulaten dermalen abgesehen werde. Graf Berchtold macht den Vorschlag, daß auch bezüglich der Anre¬ gungen des Grafen Tisza die Festsetzung, wie bei den Budgets des Heeres und der Marine, Besprechungen mit den beiden Finanzverwaltungen überlassen blei¬ be. Er müsse jedoch bemerken, daß dem Ministerium des Äußern von den Vertre- tungskörpem stets zur Pflicht gemacht werde, dafür zu sorgen, daß bei den Kon¬ sulaten jeder in seiner Muttersprache sich verständlich machen könne. Man kann von Honorarfunktionären nicht verlangen, daß sie Beamte besolden, die die in der Monarchie vorkommenden Sprachen beherrschen. Wo also unsere Kolonien dies erfordern, müssen die Honorarämter in effektive umgewandelt werden. Den Nach den Referentenbemerkungen im Finanzministerium fand die - vermutlich nicht proto¬ kollierte - Besprechung am 17. 12. 1913 statt, Fa., FM., allg., Z. 93690/1913. Den reduzier¬ ten ordentlichen und außerordentlichen Voranschlag teilte Bilihski Engel mit Schreiben v. 12. 1. 1914 mit, ebd., Z. 3422/1914, die Spezialkredite mit Schreiben v. 23. 1. 1913, ebd., Z. 6865/1914. Mit Schreiben Berchtolds an Engel v. 22. 11. 1913 war der Entwurfdes Voranschlages des Außenministeriums mitgeteilt worden, ebd., Z. 92676/1913. <pb/>640 Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 bezüglichen Standpunkt, den zunächst gerade die österreichische Regierung tei¬ len müßte, nehme er gleichfalls ein. Mit dem Anwachsen unserer Kolonien ver¬ größere sich der Konsularetat und werde derselbe daher auch in Hinkunft steigen. Die neuen Ämter sind unbedingt nötig und werde sich die Errichtung weiterer Ämter in Kleinasien und Syrien notwendig erweisen. Er bittet zu glauben, daß er mit der größten Sparsamkeit vorgehe, was ja die Schlußrechnungen beweisen, aber auch zu bedenken, daß ein Beamter, der deutsch, ungarisch, eine slawische Sprache und die betreffende Landessprache spricht, im Konsulardienste nicht bleibt, sondern zu Privatuntemehmungen geht, die ihn besser besolden, wenn ihm nicht durch Effekivierung günstigere Chancen geboten werden. Redner könnte, wenn ihm im Konsularetat Schwierigkeiten gemacht werden, die Verant¬ wortung weder für jetzt noch für die Zukunft übernehmen, wobei er noch darauf verweise, daß z. B. durch die neu errichteten Ämter in Nordamerika an Schaden¬ ersätzen und dergleichen viele Millionen in die Monarchie strömen, die sonst verloren wären und daß diese Ämter im Rechtsschutze unserer Nationalen gera¬ dezu hervorragendes leisten. Der kgl. ung. Ministerpräsident muß zu seinem Bedauern seinen auf die Konsularämter bezüglichen Standpunkt aufrecht erhalten, worauf der Vorschlag des Grafen Berchtold angenommen wird, daß auch die Festsetzung dieses Voranschlages Besprechungen mit den beiden Finanzministem überlassen werde.10 Die Budgets des gemeinsamen Finanzministeriums und des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes werden, beide mit Hinweglassung der Erhöhung der Löhne der Amtsdiener, angenommen. Über eine Anregung des Kriegsministers, welcher konstatiert, daß ihm für die Aufnahme von Söhnen albanischer Notabilitäten in Militärbildungs¬ anstalten keine Mittel zur Verfügung stünden und er daher nicht in der Lage sei, diesbezügliche Ansuchen zu erfüllen, erklären sich beide Ministerpräsidenten be¬ reit, je die Hälfte von 4 bis 5 Stiftungsplätzen aus ihren Dispositionsfonds zu zahlen, bis eine vom Minister des Äußern eingeleitete Aktion der privaten Stif¬ tung solcher Plätze Erfolg haben werde. Es wird ferner beschlossen, gegebenen¬ falls den auf die Monarchie entfallenden Teil der von England vorgeschlagenen Hilfsaktion für Albanien (60 000 Pfund Sterling) im Budget des Ministeriums des Äußern als Nachtragskredit von den Delegationen in Anspruch zu nehmen. Rücksichtlich des von den Großmächten Montenegro zur Verfügung zu stel¬ lenden Betrages von 30 Millionen Francs,11 meint Graf Tisza, es wäre am besten, die auf Österreich-Ungarn entfallende Summe von 5 Millionen in das Die definitiven Mehr- und Minderanforderungen des Außenministeriums wurde nach der er¬ folgten Besprechung im Schreiben Günthers an Engel v. 19. 12. 1913 mitgeteilt, ebd., Z. 95123/1913. u Siehe dazu auch das Telegramm Mensdotffs an Berchtold v. 29. 7. 1913 über die Beschlüsse der Londoner Botschafterreunion, HHStA., PA. XII, Liasse XLV/16, Karton 439, Nr. 575. <pb/>Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 12. 1913 641 gemeinsame Budget einzustellen, welchen Antrag auch der Leiter des k. k. Fi¬ nanzministeriums unterstützt. Der k. u. k. Kriegsminister ist der Ansicht, daß man von Mon¬ tenegro eine Gegenleistung verlangen sollte, etwa den Lovcen oder Pljevlje als Grenzregulierung. Graf Berchtold sagt, daß nach seiner Ansicht sehr gewichtige Erwä¬ gungen vornehmlich politischer Natur dafür sprechen, daß die Monarchie sich von dieser internationalen Hilfsaktion nicht ausschließe. Nach zuverlässigen Informationen herrscht in Montenegro infolge der durch den Krieg hervorgerufenen allgemeinen Notlage derzeit eine große Unzufrieden¬ heit, die sich auch gegen die Dynastie wendet. Durch diese Stimmung werden die bereits vorhandenen Tendenzen nach einer wirtschaftlichen und politischen Ver¬ einigung mit Serbien stark genährt und machen sich immer mehr geltend. Wenn somit die Mächte Montenegro nicht mit einer seinen Bedürfnissen entsprechen¬ den Anleihe zu Hilfe kommen und ihm die weitere wirtschaftliche Existenz er¬ möglichen, so ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die vorgedachten Unifikations¬ bestrebungen die Oberhand gewinnen. Serbien scheint gewillt zu sein, zunächst eine Zollunion mit Montenegro abzuschließen und soll sich auch erboten haben, unter dieser Bedingung für die Deckung des budgetären Bedarfes Montenegros gegen den Vorbehalt zu sorgen, daß ihm letzteres eine entsprechende Kontrolle über seine Finanzgebahrung einräume. Es besteht also die Gefahr, daß Monte¬ negro, falls es sich allein überlassen bleibt, bei dem stammesverwandten Serbien oder jenen fremden Mächten, die hinter Serbien stehen, Hilfe suchen wird. Es ist aber zweifellos ein eminentes politisches Interesse der Monarchie, daß die Union Montenegros mit Serbien beziehungsweise die Ausdehnung der Machtsphäre des letzteren Staates bis an die Adria hintangehalten oder zumindest solange als mög¬ lich hinausgeschoben werde. Hauptsächlich aus diesem Grunde erscheint es ihm unerläßlich, daß die Monarchie durch ihre Mitwirkung das Zustandekommen der geplanten internationalen Aktion fördere. Außerdem wäre es seiner Ansicht nach vom Standpunkte der Entwicklung unserer wirtschaftlichen Beziehungen zu dem benachbarten Montenegro keineswegs vorteilhaft, wenn wir uns von dieser Akti¬ on femhalten und uns dadurch den kommerziellen Wettbewerb mit anderen Mächten, die Montenegro eine Unterstützung gewähren, erschweren würden. Über diese Frage wird keine Entscheidung getroffen, sie bleibt vorläufig offen. Es werden die drei Finanzminister ermächtigt, das Zollpräliminare zu fixieren, wobei die Erhöhung nach dem Wunsche Dr. Teleszkys bis zur Grenze der Realität, wenigstens aber soweit gehen soll, daß die Heeressanierungen ge¬ deckt erscheinen. Graf Tisza wünscht noch, daß bei der Fixierung des Zollpräliminares auf eine gewisse Reserve Bedacht genommen werde.12 12 Über Vortrag Berchtolds v. 8. 4. 1914 wurde die Einberufungder Delegationenfür den 28. 4. 1914 nach Budapest mit den Ah. Handschreiben v. 9. 4. 1914 an Berchtold, Stürgkh und <pb/>642 Nr. 47 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 24. 5. 1914 Über eine weitere Anregung des kgl. ung. Ministerpräsidenten wird die Frage der serbischen Bahnen besprochen. Die Serben hätten sich jetzt entschieden ins Unrecht gesetzt. Unsere Vertretung in Belgrad müsse sehr energisch protestie¬ ren. Der Vorsitzende fuhrt aus, daß es sich um zwei Dinge handle. Erstens um die Restitution des den Orientbahnen weggenommenen Betriebes an diesel¬ ben und zweitens um die Tarifffage, durch deren Behandlung die Convention ä quatre verletzt zu sein scheint.13 Da in letzterer Hinsicht zunächst die Bahnverwal¬ tungen betroffen sind, würde er bitten, daß sich beide Regierungen an das Mini¬ sterium des Äußern wenden. Jedenfalls handle es sich um unser Prestige und unsere Interessen und um Vorsorge für die Zukunft. Denn bei der bekannten Psy¬ che der Serben müsse man sich vor Augen halten: principiis obsta. Nachdem noch beide Ministerpräsidenten zugesagt, daß sie die Fundierung der Beschwerde sehr sorgfältig prüfen lassen werden,14 schließt der Vorsitzende um 4 Uhr 15 Mi¬ nuten die Sitzung. Berchtold Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien. 24. Jänner 1914. Franz Joseph. Nr. 47 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 24. Mai 1914 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Dr. Ritter v. Bilinski (22. 6.), der k. k. Eisenbahnmi¬ nister Dr. Freiherr v. Förster (24. 6.), der k. k. Handelsminister Dr. v. Schuster (25. 6.), der kgl. ung. Handelsminister Freiherr v. Harkänyi, der k. k. Finanzminister Freiherr v. Engel, der kgl. ung. Fi¬ nanzminister Dr. Teleszky, der k. u. k. Sektionschef im k. u. k. Ministerium des Äußern Graf Wik- kenburg, der k. k. Sektionschef im k. k. Handelsministerium Riedl, der k. k. Ministerialrat im Tisza bestimmt, HHSxA., Kab. Kanzlei, KZ. 867/1914. Der Voranschlagflir 1914/15 in Km., MKSM., Karton 1149, Fasz. Voranschlag für das Budgetjahr 1914/15. Über Vortrag des ge¬ meinsamen Ministeriums v. 20. 4. 1914 wurde der gemeinsame Budgetentwurffiir 1914/15 mit Ah. E. v. 22. 4. 1914 resolviert, HHSxA., Kab. Kanzlei, KZ. 974/1914. Nach der Annah¬ me des Budgetsfür 1914/15 durch die Delegationen wurde es über Vortrag Berchtolds v. 12. 6. 1914 mit Ah. E. v. 14. 6. 1914 sanktioniert, ebd., KZ. 1476/1914. Gemeint ist der Betrieb der Orientbahn durch den serbischen Staat im neu erworbenen Ge¬ biet. Zur Situation siehe die Note über die Orientbahn o. D. undAngaben über Absender und Empfänger als Beilage A der Referentenbemerkungen in Fa., FM., allg., Z. 91370/1913. Die Frage des Kaufes der Aktien der Betriebsgesellschaft der Orientalischen Einsenbahn durch ein Konsortium cisleithanischer und ungarischer Banken war zur Sprache gekommen in GMR. v. 21. 2. 1913, GMKPZ. 504. Fortsetzung über die Rechte der Orientalischen Ein¬ senbahn in Serbien in GMR. v. 24. 5. 1914, GMKPZ. 511. <pb/>