Gemeinsamer Ministerrat, 14. 5. 1913
I. Die Anfrage dreier Etablissements wegen Erbauung eines Dreadnoughts
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594 Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 1. Die Einberufung der bosnischen Nichtaktiven der 1., 2. und 3. Reserve, 2. die Bewilligung der Geldmittel für den vollen Umfang des Pferdeankaufes (12,9 Millionen), 3. die Bewilligung von 5 Millionen für Cattaro, 4. die Erhaltungskosten für die beschafften Pferde sowohl für April als Mai. Auf die Einberufung des dalmatinischen Landsturmes wird infolge der Aus¬ führungen des k. k. Ministerpräsidenten vorläufig verzichtet.16 Sohin schließt der Vorsitzende um 2 Uhr nachmittags die Sitzung. Berchtold Ah. E. fehlt. Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. Mai 1913 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Bilinski (28. 5.), der k. u. k. Kriegsmini¬ ster FZM. Ritter v. Krobatin (23. 5.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski (26. 5.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der k. u. k. Marinekommandant Admiral Haus (24. 5.). Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Günther. Gegenstand: Die Anfrage dreier Etablissements wegen Erbauung eines Dreadnoughts. KZ. 36 - GMKPZ. 507 Protokoll des zu Wien am 14. Mai 1913 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Berchtold. Der Vorsitzende eröffnet um 14 12 Uhr vormittags die Sitzung und führt aus, daß der Anlaß zur Einberufüng eine das Marineressort betreffende An¬ gelegenheit sei, bei welcher gewisse Gegensätze zutage getreten sind, welche klarzustellen beziehungsweise auszugleichen wären. Mehrere Firmen seien an Auf Vortrag Krobatins v. 2. 5. 1913 wurde mit Ah. E. v. 3. 5. 1913 die Einberufung der bosni¬ schen Nichtaktiven angeordnet, Ka., MKSM. 82--1/1--9/1913, diese aber auf Vortrag Kroba¬ tins v. 8. 5. 1913 mit Ah. E. v. 9. 5. 1913 wieder in das nichtaktive Verhältnis zurückversetzt, ebd., 82-1/1-11/1913. Krobatin bezeichnete im Schreiben an Bilihski v. 1. 5. 1913 den An¬ kaufder Pferde und Tragtiere als Ausführung des Beschlusses der am 29. April 1. J. stattge¬ habten gemeinsamen Ministerkonferenz - vermutlich eine Konferenz von Ministern beider Regierungen und des Kriegsministers, ein Protokoll dieser Konferenz konnte in den Bestän¬ den des Ka., KM., Präs, nicht gefunden werden. Mit diesem Schreibenforderte Krobatin auch das Geldfür die Kriegsausrüstung Cattaros undfür die Erhaltungskosten der angekauften Pferdefür April und Mai, Ka., KM., Präs. 37--4/6-2/1913. <pb/>Nr. 43 Gemeinsamer Ministermt, Wien, 14. 5. 1913 595 das Marinekommando mit der Bitte herangetreten, mitteilen zu wollen, welcher Typus für den nächsten Dreadnoughtbau unserer Marineverwaltung konvenieren würde. Die Marinesektion habe hierauf den beiden Regierungen den Entwurf ei¬ nes Antwortschreibens zukommen lassen. Über die Redaktion desselben bestün¬ den gewisse Differenzen, weshalb er die hohe Konferenz bitte, Stellung dazu zu nehmen, in welcher Weise die Sache auszutragen wäre.' Der Vorsitzende erteilt hierauf dem Marinekommandanten das Wort. Dieser möchte seinen Darlegungen vorausschicken, daß der ganzen Angelegenheit nicht etwa eine An¬ regung der Marine zugrunde liege.2 Vor zirka drei Monaten seien die Firmen Skoda, Witkowitz, Stabilimento in Verbindung mit der Creditanstalt getreten und hätten erstere drei Firmen, als die bezüglichen Verhandlungen abgeschlossen wa¬ ren, an ihn eine Zuschrift gerichtet, die er allen drei Regierungen ebenso wie später den Entwurf eines Antwortschreibens mitgeteilt habe. Das Konsortium schlägt vor, einen Dreadnought auf eigene Rechnung herzustellen, in der Hoff¬ nung, daß die Marine, wenn sie die verfassungsmäßigen Mittel erhält, das Schiff erwerbe. Für die Marine würde sonach eine Verbindlichkeit nicht eintreten und sie hätte bloß die Pläne beizustellen. Er habe das stets so aufgefaßt, daß er weder moralisch noch juridisch eine Verpflichtung übernehme. Die Pläne bilden kein Geheimnis und könne aus deren Kenntnis niemandem ein Vorteil zu unserem Schaden erwachsen. Er wolle hiemit etwaige Bedenken zerstreuen, die sich dahin äußern könnten, daß eine andere Macht diese Pläne zu verwerten vermöchte. Der Stabilimento wäre ganz gut in der Lage, das Schiff an eine andere Macht zu ver¬ kaufen, etwa an Griechenland, die Türkei oder an Bulgarien. England, Frankreich und Italien kämen wohl nicht in Betracht, weil sie ihre eigenen Werften besitzen. Die österreichische Finanzverwaltung habe sich dahin geäußert, daß in dem Ant- wortsentwurfe der Charakter der Unverbindlichkeit zu wenig zum Ausdrucke kommt. Es wurde nun seitens des k. k. Finanzministers ein anderer Entwurf vor¬ gelegt, welcher sich diesbezüglich noch deutlicher ausspricht. Er enthält ferner einen Passus, wonach der Schiffsbau hauptsächlich den Etablissements zugute käme, da diese sonst ihre Arbeiter entlassen müßten. Sie hätten dafür der Marine Schreiben der Skodawerke, des Stabilimento tecnico triestino und der Witkowitzer Bergbau- undEisenhütten-Gewerkschaft v. 18. 4. 1913, dann das Schreiben (K.) Haus'an Berchtold, Bilihski, Stürgkh undLukäcs v. 23. 4. 1913, in dem Haus das Angebot der drei Unternehmen mitteilt, beides in Ka., KM, MS., PK. 1-4/11-2067/1913 sowie das Schreiben Bilihskis an Haus v. 8. 5. 1913 mit den Reaktionen (Abschriften) der beiden Finanzminister: Teleszkys an Bilihski v. 25. 4. 1913 und Zaleskis an Bilihski v. 4. 5. 1913. AufGrund der Antworten emp¬ fahl Bilihski die Einberufung eines gemeinsamen Ministerrates, ebd., PK. 1-4/11- 2067/1913. Im Bericht Haus'an die Militärkanzlei Franz Ferdinands v. 20. 3. 1913 aufdie Nachfrage, was erzürn Baubeginn der sogenannten II. Dreadnought-Division unternommen habe, heißt es: In diesem Belange habe ich bereits Schritte bei der Etablissementsleitung unternehmen lassen und sind hierüber geheime unverbindliche Verhandlungen im Zuge, ebd., PK. 1-4/11- 1096/1913. <pb/>596 Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 gewisse Kompensationen zu gewähren, und zwar sowohl in bezug auf die Preise als auch durch den Verzicht auf Interkalarzinsen. Ob die Firmen darauf eingehen werden, wisse er nicht, jedenfalls nehme er aber den Entwurf an. Die ungarische Finanzverwaltung hege Bedenken verfassungsrechtlicher Natur. Er würde diesel¬ ben akzeptieren, wenn es sich um eine Bestellung handelte. Vielleicht sei der Entwurf des österreichischen Finanzministers geeignet, diese Bedenken zu zer¬ streuen. Er möchte hiezu noch aufmerksam machen, daß sowohl die österreichi¬ sche als die ungarische Delegation zu verschiedenen Malen dem Wunsche nach einer zwar nicht extensiven, wohl aber intensiven Ausgestaltung der Marine Aus¬ druck verliehen haben. Dabei wolle er hervorheben, daß die Monarch-Klasse ver¬ altet sei und durch moderne Schiffe ersetzt werden müsse. Die ganze Welt, die Regierungen, die Parlamente wissen, daß die Monarch-Klasse zur operativen Flotte nicht gezählt werden könne. Die Delegationen werden unbedingt die Er¬ satzbauten bewilligen. Da durch die Verlegung des Budgetjahres auf den 1. Juli er schon mit Beginn des zweiten Halbjahres 1914 auf diese Bewilligung rechnen könne, so handle es sich nur um eine geringfügige Antizipation, die aber umso wichtiger sei, als man die Stapel nicht unbeschäftigt lassen sollte. Er verweist darauf, daß in Ungarn zwei Stapel errichtet wurden, die Erbauung einer Kano¬ nenfabrik in Aussicht genommen sei und endlich auf die Stimmung in den Dele¬ gationen sowie darauf, daß das ganze Risiko nicht von der Marine, sondern von den Firmen getragen werde. Er könne weder ein staatsrechtliches, noch ein son¬ stiges Bedenken darin erblicken, wenn man einfach gestatte, das Schiff zu bauen. Der große Vorteil liege aber darin, daß das Schiff ein Jahr früher fertig sein wer¬ de. Die Interkalarzinsen betrügen 2,2 Millionen, um diesen Betrag käme das Schiff eventuell höher zu stehen; nun frage es sich, ob der Vorteil des früheren Fertigstellens so hoch anzuschlagen sei. Wenn man garantieren könnte, daß wir fünf Jahre hindurch Frieden haben werden, so fände er in der rascheren Erbauung keinen Vorteil. Da man aber nicht wisse, ob man nicht schon in drei oder vier Jahren in eine ähnliche Lage geraten werde wie vor kurzem, so müsse er sich den großen Nachteil vor Augen halten, wenn man diese frühere Fertigstellung verab¬ säume. Der Marinekommandant fuhrt nun in längerer Rede aus, wie ganz anders der jetzige Krieg ausgefallen wäre, wenn die Türken den bestellten Dreadnought ,,Reschad V." schon gehabt hätten. Die Griechen hätten sich wahrscheinlich am Kriege überhaupt nicht beteiligt, Salonik und Prevesa wären niemals eingenom¬ men worden. Die albanesische Küste wäre mit zwei bis drei Schiffen schlechte¬ ster Art genügend gesichert gewesen. Wie ganz anders hätte sich die Sache ge¬ staltet, wenn in Durazzo und vor Antivari je ein türkisches Schiffgewesen wären. Redner führt noch zahlreiche Beispiele an, um zu beweisen, welche Vorteile die Türkei gehabt hätte, wenn ihr der Dreadnought zur Verfügung gestanden wäre. Im Hinblicke aufunsere Lage im Verhältnis zu den Balkanstaaten und zur See könne man wohl nicht verantworten zu verhindern, ein Schiff um ein Jahr früher zu bauen, wobei man sich noch dazu gar nicht binde. Admiral Haus legt nun dar, welche Aufgabe unsere Flotte haben werde und lenkt die Aufmerksamkeit darauf, <pb/>Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 597 daß Frankreich die Hegemonie im Mittelmeere beanspruche. Dies habe Italien in unsere Arme getrieben und wohl auch hauptsächlich zur Erneuerung der Tripel¬ allianz geführt. In ganz Italien sei man zu einer Kooperation zur See mit uns ge¬ neigt, weil unsere Flotte Italien gegen Landungsversuche schützen und den Transport von 100 000 Mann französischer Truppen aus Afrika verhindern kön¬ ne. Auch Deutschland beabsichtige eine ständige Division von Kreuzern und na¬ mentlich von Ausspähkreuzem im Mittelmeere zu haben. Es blieben dann italie¬ nische Truppen frei zur Unterstützung Deutschlands, das wieder uns mehr unterstützen könnte. Er glaube, die Lage sei kritisch genug, um den rascheren Bau des Schiffes zu rechtfertigen. Der k. k. Finanzminister möchte den Standpunkt der österreichi¬ schen Regierung auseinandersetzen. Es seien drei Hauptmomente zu berücksich¬ tigen, erstens die Schlagfertigkeit unserer Marine, zweitens die Zweckmäßigkeit, den Bau früher zu beginnen, drittens wenn die beiden ersten Momente als richtig anerkannt werden, ob man den früheren Bau vom verfassungsmäßigen Stand¬ punkt vertreten könne. Ad 1. habe bereits Graf Montecuccoli wiederholt auf die Notwendigkeit des Ersatzes der Monarch-Klasse verwiesen und die Ministerkon¬ ferenz bereits zugestimmt, die Marine von 1915 an durch Vorsorge der Mittel in die Lage zu versetzen, das Entsprechende zu veranlassen. Dies sei auch den De¬ legationen mitgeteilt worden, in diesem Punkte bestehe also keine Meinungsver¬ schiedenheit; ad 2. glaube er die Frage der Zweckmäßigkeit, den Bau früher zu beginnen, ohneweiters bejahen zu sollen. Es bestehe wohl kein Zweifel darüber, daß die Unterbrechung der Arbeit in den drei in Betracht kommenden Werken auch vom finanziellen und wirtschaftlichen Standpunkte nicht günstig beurteilt werden könne, darüber sei ein Beweis nicht notwendig; ad 3. müsse man sich gewiß vor Augen halten, daß es bedenklich sei, Bestellungen zu machen, weil die zur Bestreitung dieser Ausgaben erforderlichen Kredite aufverfassungsmäßigem Wege noch nicht sichergestellt erscheinen. Es würde aber dem Prinzipe der Ver¬ fassungsmäßigkeit gewiß nicht widersprechen, wenn die drei Werke die Arbeit derart beginnen, daß mit vollster Klarheit zutage trete, daß sie dies auf eigenes Risiko ohne Bestellung seitens der Regierung tun. Die drei Werke stellen selbst fest, daß es in ihrem eigenen Interesse liegt, wenn sie mit weiterem Bauen begin¬ nen. Redner zitiert die betreffende Stelle aus der Eingabe, welche mit den Worten schließt: ,,Die Marinesektion möge den Werken jene Unterlagen liefern, die zur Inangriffnahme dienlich sind." Er glaube beantragen zu sollen, daß man in Beant¬ wortung der Zuschrift in prägnanter Weise feststelle, daß es sich um keinerlei Bestellung handle und sich auf die weitere Erklärung beschränken solle, daß man das Schiff kaufen werde, wenn die Mittel verfassungsmäßig bewilligt sind und das Schiff so ausfallt, wie die Marine es wünscht. Die Frage, ob die Marinesektion in die Pläne Einsicht nehmen läßt, sei eine ausschließlich technische und trägt hiefür der Marinekommandant die Verant- <pb/>598 Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 wortung. Der Minister liest nun den Text der von ihm proponierten Antwort vor3 und knüpft hieran die Bemerkung, daß, abgesehen von der Zweckmäßigkeit, den Bau sofort zu beginnen, die enorme Bedeutung nicht übersehen werden dürfe, welche der Bau für die Firmen mit sich bringe. Es werde sich also darum handeln, daß diese Kostenersparung nicht in die Taschen der Firmen komme und glaube er, daß sich das erzielen lasse. Er bitte den Marinekommandanten, sich von die¬ sem Gesichtspunkte leiten zu lassen, damit uns nicht etwa im Jahre 1915 der Preis diktiert werde. Es handelt sich gegenwärtig um nichts anderes, als daß man zur Kenntnis nehme, daß die Werke arbeiten und hiezu die erforderlichen techni¬ schen Behelfe erhalten. Die bezügliche Korrespondenz werde man den Delega¬ tionen ohne weiters vorweisen können. Nachdem noch der Marinekom¬ mandant angibt, daß der ursprünglich mit rund 85 Millionen angegebene Preis sich nach den Berechnungen der Marine auf 81 14 Millionen stellen dürfte, ergreift der kgl. ung. Ministerpräsident das Wort und konsta¬ tiert, daß der Ausgangspunkt der ganzen Diskussion die Zuschrift der drei Firmen bilde. Als Motiv für den Bau werden der Mangel an Beschäftigung, beziehungs¬ weise die daraus resultierenden Arbeiterentlassungen angegeben. Dieses Motiv sei keinesfalls von solcher Bedeutung, daß man den angeregten Schritt riskieren könne, welcher nach seiner Überzeugung gegen das ausdrückliche Versprechen der ungarischen Regierung wäre. Für Österreich liege die Sache ganz anders, weil eben österreichische industrielle" Interessen im Spiele stünden, aber was für ein Motiv könne er bei der ungarischen Delegation Vorbringen, wenn man ihm vorwerfen werde, daß er sein Programm nicht gehalten hat. Diese Forderung käme jetzt nicht zum ersten Male aufs Tapet, man habe sie schon früher gestellt und sie sei zurückgewiesen worden. Man habe den Termin ohnehin verkürzt, jetzt handle es sich um eine Differenz von sieben Monaten, diese könne man nicht wieder antizipieren, er könne auch den Standpunkt nicht teilen, daß der Marine- kommandant, ohne die Minister zu befragen, die Zeichnungen mitteilen dürfe. Die Minister könnten sich nicht damit entlasten, indem sie sagen, sie hätten von nichts gewußt. Wenn die Fabriken ohne unsere Mitwirkung bauen, so sei das ihre Sache, wenn wir aber gewissermaßen eine Verpflichtung zum Kaufe überneh¬ men, so sei dies gegen das den Delegationen erteilte Versprechen. Die Sache habe daher aus politischen Gründen ihre Schwierigkeit. Wenn die Fabriken in die un¬ angenehme Lage kommen, Arbeiterentlassungen vornehmen zu müssen, so gebe es den Ausweg, ein paar hunderttausend Kronen zu opfern, die zu den Baukosten des nächsten Schiffes dazugeschlagen würden. Dies sei in Ungarn eher vertret¬ bar. Einfügung. 3 Zaleskis Gegenentwurfder Antwort an die anbietenden Unternehmen zum EntwurfHaus'in ebd., PK. 1-4/11-2067/1913. <pb/>Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 599 Nun höre man zum ersten Mal, daß auch politische Gründe für den raschen Bau sprechen. Die Sache stünde anders, wenn von kompetenter Seite erklärt wür¬ de, daß wir binnen drei Jahren einen Krieg haben werden. Wenn also das Motiv der Arbeiterentlassung für die ungarische Delegation nicht entscheidend sei, so könne man doch auch am Vorabend des Friedens nicht das Motiv eines zu gewär¬ tigenden Krieges anführen. Der Vorsitzende erwidert, daß er allerdings nicht versichern könne, daß wir von heute in drei Jahren Krieg haben werden, er könne aber auch nicht für das Gegenteil einstehen. Es sei wohl eine gewisse Entspannung eingetreten, von der Sicherheit einer anbrechenden Friedensära könne aber keine Rede sein! Die Lage sei noch immer ungeklärt und müssen allerhand Eventualitäten in den Kalkül eingestellt werden. Vor allem werde es sich nun zu entscheiden haben, ob der Balkanbund fortbestehen und sichb unter russischer Patronanz gegen uns wen¬ den werde. Die ganze Mittelmeerpolitik werde infolge der Umwälzung am Bal¬ kan wie im Zusammenhänge mit den veränderten Besitzverhältnissen in Nordaffi- ka nun eine veränderte Physiognomie und eine erhöhte Bedeutung erhalten. Es gab eine Zeit, wo Großbritannien 17 Linienschiffe ständig im Mittelmeere dislo¬ ziert hatte und moralisch auf Seite des Dreibundes stand. Die Einkreisungspolitik König Eduards hatte die Verlegung der Mittelmeerflotte in die Nordsee zur Folge und die gegenwärtig im Mittelmeere befindlichen englischen Kriegsschiffe sind nebst der französischen Flotte dem gegnerischen Groupement gutzuschreiben. Unser Verhältnis zu Italien könne als ein inniges bezeichnet werden und werde es hoffentlich auch weiter bleiben, die Balkanstaaten aber, die bisher als quantite negligeable behandelt werden konnten, dürften in Zukunft eine nicht zu unter¬ schätzende Rolle spielen. Speziell Griechenland sei im Begriffe, eine Seemacht zu werden. Bulgarien werde auch nicht Zurückbleiben und wie sich diese Staaten uns gegenüber stellen werden, sei sehr zweifelhaft. Man möge sich daher im Be¬ lange der auswärtigen Lage keinen Illusionen hingeben, Illusionen, die zu Kata¬ strophen führen könnten, wofür er keine Verantwortung übernehmen könne und wolle. Der k. k. Ministerpräsident stimmt dem kgl. ung. Ministerprä¬ sidenten vollkommen bei, wenn dieser erkläre, das Motiv der Arbeiterentlassun¬ gen gelte nicht für die kgl. ung. Regierung, er müsse aber aufmerksam machen, daß ganz andere Motive vorliegen. Beide Regierungen hätten zu einem rascheren Bau in einem Momente zugestimmt, wo noch keine Gefahr vorhanden. AufGrund dieser Zustimmung habe Graf Montecuccoli seinerzeit die bekannte Erklärung abgegeben. Nun handle es sich um eine weitere Antizipation. Die Regierungen seien durch den Entwurf des k. k. Finanzministers vollkommen gedeckt. Heute seien auch in Ungarn die Forderungen für die Marine viel leichter durchzusetzen wie früher und er glaube nicht, daß man einen Hiatus von sieben Monaten zulas¬ sen könne. Dies wäre von jedem Standpunkte aus irrationell. Man dürfe nicht b Gestrichen immer. <pb/>600 Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 übersehen, daß die qualifizierten Arbeiter und die Ingenieure auseinandergehen und sich vielleicht in fremde Dienste begeben. In diesem Standpunkte der Lei¬ stungsfähigkeit der Etablissements liege auch ein gemeinsames Interesse. Er möchte gerne dazu beitragen, daß eine Form gefunden werde, um das unver¬ ständliche Unterbrechen, die Desorganisierung zu vermeiden, und zwar nicht im Interesse der österreichischen Industrie, sondern im Interesse der Marine. Der gemeinsame Finanzminister meint, das salus rei publi- cae müsse über alles gehen. Die Krise des Jahres 1909 und die jetzige seien viel¬ leicht nur die vorbereitenden Phasen einer großen europäischen Krise. Der Mini¬ ster des Äußern habe sich diesbezüglich des näheren geäußert. Für die Monarchie, die geographisch und ethnographisch so unglücklich gelegen, handle es sich dar¬ um, wie sie ihre Grenzen zu decken haben werde. Wir müssen imstande sein, so stark zu werden, daß wir entweder gegen ein treulos gewordenes Italien Vorgehen können oder für Italien ein umso begehrenswerterer Bundesgenosse werden. Für beide Fälle müsse auch unsere Marine stark sein und da dürfen wir uns nicht verspäten. Der Minister verweist auf das Vorgehen des Grafen Montecuccoli und sagt, daß sein Nachfolger der gewiß richtigen Ansicht sei, derartige Angelegen¬ heiten nur mit Wissen der Regierungen durchzufuhren. Man dürfe die Sache nicht durch konstitutionelle Tüfteleien hintertreiben, weil man dies bitter bereuen könnte. Er rate daher, die Formulierung des Schreibens nach der Anregung des k. k. Finanzministers anzunehmen. Der kgl. ung. Finanzminister ergreift nunmehr das Wort und sagt, daß er sich nach den Worten des kgl. ung. Ministerpräsidenten und den Aus¬ führungen seiner Note kurz fassen könne. Alle vorgebrachten Motive hätten ihn nicht überzeugen können, daß die Sache verfassungsmäßig möglich sei. Die Sti¬ lisierung des k. k. Finanzministers sei etwas mehr verschleiert als jene des Mari¬ nekommandanten. Das eine bleibe aber immer dasselbe: daß es sich hier um eine versteckte Bestellung handle. Der Umstand, daß den drei Unternehmungen die Entwürfe und Pläne für die von der Marinesektion als Ersatz der Monarch-Klasse in Aussicht genommenen Neubauten mitgeteilt werden, ferner die Intentionen der ganzen Abmachung beweisen, daß da tatsächlich eine Bestellung stattfindet. Was die Mitteilung der Entwürfe und Pläne betrifft, sei er persönlich in einer sehr schiefen Lage. Er habe nämlich eine ausländische Firma bei der Errichtung der ungarischen Kanonenfabrik ausschließen müssen, weil man ihm gesagt habe, daß es nicht möglich sei, dieser Firma die Artillerieausrüstung der Marine be¬ kanntzugeben, weil sie diese der englischen Regierung mitteilen könnte. Deshalb habe er mit Skoda verhandeln müssen und dies auch in seinem Motivenberichte, wenn auch verschleiert, angegeben.4 Schon aus diesem persönlichen Grunde Zur Diskussion um die Ausschließung der Londoner Firma Vickers fiir die Errichtung der Kanonenfabrik in Ungarn siehe das Schreiben Lukdcs ' an Aujfenberg v. 12. 1. 1912, das Schreiben Montecuccolis an Aujfenberg v. 28. 1. 1912 und Aujfenbergs Antwort (K.) an Lukdcs v. 28. 2. 1912 in ebd., KM., Präs. 32-8/1/1912. <pb/>Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 601 könnte er die Sache nicht vertreten. Er könne dies aber hauptsächlich aus dem Grunde nicht tun, weil, wie immer auch man die Sache drehe, es sich doch um eine Bestellung handle. Wenn diese so dringend sei, daß sie den siebenmonatli¬ chen Aufschub nicht verträgt, dann sei das einzig würdige, nach seiner Ansicht, zu sagen: Wir haben bestellt. Man habe den 170 Millionenbestellungen der Hee¬ resleitung und den Erfordernissen für die Marine zugestimmt, weil diese Bestel¬ lungen eminent dringend und notwendig waren. Die Frage sei nun, ob diese Be¬ schleunigung im Baue der neuen Dreadnoughtdivision ebenso dringend und notwendig sei. Diese Frage müsse mit Nein beantwortet werden und daher könne sie auch nicht auf Umwegen zur Durchführung gelangen. Alle Momente, auch die der großen europäischen Politik, seien schon besprochen worden, neue aber nicht hinzugekommen. Im Sommer vorigen Jahres habe man diese Frage ad graecas kalendas verschoben, im Herbste den Beschluß gefaßt und auch den De¬ legationen mitgeteilt, daß die neue Dreadnoughtdivision im Jahre 1915 bestellt werden wird und auch zugestimmt, daß die schon bewilligten Dreadnoughts frü¬ her als im Jahre 1915 und 1916 gezahlt werden. Der Hiatus war schon damals bekannt; um ihn zu verkürzen, habe man die Verschiebung vorgenommen. Man habe den Ausbau beschleunigt, jetzt könne man die Sache nicht noch mehr be¬ schleunigen. Mit der jetzt relevierten Unterbrechung mußte man schon früher rechnen. Eine weitere Antizipation könne die ungarische Regierung weder im Parlamente noch den Delegationen gegenüber vertreten. Wegen der in Frage ste¬ henden sechs bis sieben Monate könne man nicht die Verantwortung überneh¬ men, die Bestellung vorzunehmen, noch weniger, wenn sie verschleiert sei. Das wichtigste Moment sei aber nicht der Bau eines Schiffes, sondern der Umstand, daß hiedurch der Typus für eine ganze Division gegeben und daher den verfas¬ sungsmäßigen Rechten der Delegation, diesen oder einen anderen Typus zu wäh¬ len, präjudiziert werde. Außerdem kämen hohe wirtschaftliche Momente in Fra¬ ge, so zum Beispiel die Inanspruchnahme der für die Befriedigung der privatwirtschaftlichen Kreditbedürfriisse bestimmten Geldmittel zu staatlichen Zwecken. Der Staat müsse seine Kreditbedürfhisse ordnungsmäßig durch Emis¬ sion langfristiger Anlehen decken und nicht durch das Kontrahieren schwebender Schulden oder die Emission von Schatzscheinen, weil sonst die Volkswirtschaft in Ermangelung des notwendigen Kapitals notleidend werden muß. Im Interesse der Schlagfertigkeit der Monarchie sei es gelegen, daß sich die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse nicht wiederholen, wie wir sie jetzt durchgelebt. Wenn man jetzt wieder 85 Millionen der Volkswirtschaft entziehe, woher soll die Leistungsfähigkeit kommen, für das, was noch zu bestreiten sein wird. Er sei kein Freund von Programmen, aber einen gewissen Überblick müsse man doch ge¬ winnen, um beschließen zu können, was das Maximum sei, das für militärische Zwecke gegeben werden könne. Die Volks- und Finanzwirtschaft müsse zu einer Stabilisierung gelangen. In der inneren Verwaltung müsse eine gewisse Sparsam¬ keit eintreten und auf die Verfassungsmäßigkeit der Gebahrung ein großes Ge¬ wicht gelegt werden, was aber nicht durchzusetzen sein wird, wenn diese Ge- <pb/>602 Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 sichtspunkte nicht auch auf dem Gebiete der Heeres- und Marineverwaltung auf das strikteste beobachtet werden. Gelingt dies aber auf der ganzen Linie, so hoffe er in die Lage zu kommen, daß man nicht bei einer neuen Krise finanziell und wirtschaftlich so unschlagfertig sein werde, wie dies jetzt der Fall gewesen. Der Kriegsminister klärt auf, daß die jetzige Mitteilung der Pläne etwas ganz anderes sei, als das, um was es sich im Falle der ungarischen Kano¬ nenfabrik gehandelt. Der Unterschied liege darin, daß fertiges Materiale gar nichts verrate, wohl aber die Preisgabe der Konstruktionsgeheimnisse. Die Auf¬ klärung müsse er geben, damit man nicht glaube, es bestünde eine Differenz in der gegenständlichen Auffassung zwischen ihm und der Marinesektion. Der kgl. ung. Finanzminister dankt für diese Aufklärung, meint aber, daß die Laien dies nicht verstehen werden. Der k. k. Ministerpräsident hält es für wahrscheinlich, daß die Delegationen den Regierungen einen Mangel an Voraussicht vorwerfen werden, gouvemer c`est prevoir. Weshalb habt Ihr nicht, wird man uns sagen, da Ihr das Bauende und den Hiatus gewußt, die vom militärischen und technischen und wohl auch vom wirtschaftlichen Standpunkte nötige Kontinuität hergestellt? Der k. k. Finanzminister hebt die Wichtigkeit hervor festzustel¬ len, ob die Entwicklung der volkswirtschaftlichen und finanziellen Kräfte mit der Entwicklung der militärischen Erfordernisse im Einklang stehe. Darüber werde man aber erst sprechen müssen, wenn die neuen militärischen Projekte vorliegen werden, weil man da vor einem Novum stehe. Der Ersatz der Monarch-Klasse sei aber kein Novum. Die Regierungen haben bereits erklärt, hiefür ab 1915 Vorsor¬ ge treffen zu wollen, das vorangedeutete Problem hänge daher mit der Beschleu¬ nigung des Baues des 5. Dreadnoughts nicht zusammen. Er übersehe gewiß nicht die großen finanziellen Schwierigkeiten, die auch ihm die größten Sorgen ma¬ chen, denn man wolle das Budget mit militärischen Mehrauslagen von jährlich mindestens 100 Millionen bleibend belasten. Daraus, wirft der kgl. ung. Finanzminister ein, leite er den Schluß ab, daß man solche Bestellungen nicht inzidentaliter machen dürfe. Wür¬ de die Herstellung der neuen Dreadnoughtdivision per 4 Schiffe samt den Neben¬ schiffen und anderen Marineinvestitionen 420 Millionen Kronen betragen, müßte man nach dem jetzigen Programme für die Jahre 1915 bis 1918 mit einer Bela¬ stung von jährlich 105 Millionen rechnen, was schon an und für sich sehr schwer zu bestreiten ist. Dies würde sich aber anders gestalten, wenn sich diese Summe von 420 Millionen auf 3 Jahre, das ist 1914 bis 1916 verteilen würde, wo man noch mit 108 Millionen für bereits bewilligte Schiffsbauten mitbelastet sei. In diesem Tempo könne es nicht weitergehen. Würde man den Hiatus jetzt vermei¬ den, so würde er, wenn man das Tempo nicht beschleunigt, später eintreten. Das Tempo sei die Hauptfrage. Die Majorität im ungarischen Parlamente habe die Ausführungen der Regierung betreffend das Programm der weiteren Schiffsbau¬ ten zur Kenntnis genommen. Wenn nun solche Bestellungen ohne parlamentari¬ sche Genehmigung erfolgen, könne er die Verantwortung nicht tragen. <pb/>Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 10. 1913 603 Der kgl. ung. Ministerpräsident schließt sich dem an und sagt weiter, es handle sich um eine Differenz von sieben Monaten. Wenn die Sa¬ che so dringend sei, so müsse man die Forcen einhalten und die Delegationen einberufen. Der Marinekommandant tritt nochmals dafür ein, daß der Bau in Angriff genommen werde, ihm schließt sich der gemeinsame Finanzminister an. Nachdem der Vorsitzende ein Resume der heutigen Verhandlung gegeben, erklären der kgl. ung. Ministerpräsident und Dr. Telesz- k y als Standpunkt der ungarischen Regierung, daß diese in der Mitteilung der Entwürfe und Pläne an die Etablissements eine Bestellung ersehen und daraus die Konsequenzen ziehen müßten. Der Vorsitzende schließt hierauf um 3/4 2 Uhr nachmittags die Sitzung.5 Berchtold Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, am 26. Juni 1913. Franz Joseph. Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. Oktober 1913 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Bilinski (3.11.), der k. u. k. Kriegsminister FZM. Ritter v. Krobatin (4. 11.), der k. k. Minister für Landesverteidigung GdI. Freiherr v. Georgi (5. 11.), der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Baron Hazai, der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der k. u. k. Chefdes Generalstabes Gdl. Freiherr Conrad v. Hötzendorf (12. 11.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral Haus (12. 11.). [Publiziert in: Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Band 7, Nr. 8779] Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Günther. Gegenstand: Der gemeinsame Voranschlag für das I. Semester 1914. KZ. 62 - GMKPZ. 508 Protokoll des zu Wien am 3. Oktober 1913 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Berchtold. Der Vorsitzende eröffnet um 11 54 Uhr vormittags die Sitzung mit dem nachfolgenden Expose: Bericht über den Verlaufaller geführten Beratungen zu dem Thema zwischen den gemeinsa¬ men Ministem, den Ministerpräsidenten und Finanzministem sowie eine Audienz Teleszkys bei Franz Joseph im Schreiben Haus 'an die Militärkanzlei Franz Ferdinands v. 22. 5. 1913, ebd., MS., PK. 1-4/11-2295/1913. <pb/>