Gemeinsamer Ministerrat, 2. 5. 1913
I. Der gegenwärtige Stand der politischen Lage
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z42.pdf.
Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 579 handelt sich im Grunde um den teilweisen Rückkauf eines von der Landesregie¬ rung ganz frei abgeschlossenen Abstockungsgeschäftes. Mit Rücksicht jedoch auf die Motive und die wirtschaftliche Bedeutung der geplanten Aktion für Bos¬ nien und die Herzegowina erachte ich es für notwendig und geboten, vor einer Perfektionierung des Übereinkommens mit Steinbeis die Sachlage zur Kenntnis der hohen Regierungen zu bringen und mich der Zustimmung derselben zu versi¬ chern. Dies erscheint mir auch noch aus dem weiteren Grunde erforderlich, weil es doch nicht ausgeschlossen ist, daß durch das Zusammentreffen besonderer, heute nicht absehbarer Ereignisse in dem einen oder anderen Betriebsjahre der Ertrag die vorgesehene Höhe nicht erreichen könnte und zur Deckung der Til- gungsquote des betreffenden Jahres budgetär durch das Land vorgesehen werden müßte. Eine gewisse Sicherung gegen die Eventualität von minder günstigen Betriebs¬ ergebnissen dürfte übrigens darin erblickt werden können, daß ich für den Fall des Abschlusses des Übereinkommens vorgesorgt habe, daß Steinbeis auch wei¬ terhin als Betriebsleiter dem Unternehmen erhalten bleibt, wodurch die Weiter¬ führung des Geschäftes auf Grund der reichen Erfahrungen eines der tüchtigsten Fachmänner unter strenger Kontrolle der Landesregierung sichergestellt wäre. Dadurch bliebe der bewährte privatwirtschaftliche Betrieb bis auf weiteres auf¬ rechterhalten und könnte die spätere Überleitung des Betriebes in die landesära¬ rische Verwaltung ohne Überstürzung und ohne Gefahr von politischen Einflüs¬ sen allmälig vorbereitet werden. Aufjeden Fall aber bliebe der Landesregierung die Möglichkeit Vorbehalten, je nach der finanziellen Konvenienz einzelne Reviere mit Vorteil an kleinere' verläßliche Privatfirmen wieder zu vergeben, andererseits aber im eigenen Be¬ triebe durch Ausdehnung der Abstockungsperioden für die Perennierung der Waldbestände Sorge zu tragen. Ich bitte die hohe Konferenz den beabsichtigten Aktienkauf, dem der Landes¬ chefvon Bosnien-Herzegowina bei einer Besprechung der ganzen Steinbeisfrage in Wien Ende Januar d. J. prinzipiell zugestimmt hat, genehmigend zur Kenntnis nehmen zu wollen. Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. Mai 1913 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh (10. 5)., der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Bilinski (10. 5.), der k. u. k. Kriegs¬ minister FZM. Ritter v. Krobatin (11. 5.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky (28. 5.). [Publiziert in: Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Band 6 Nr. 6870.] Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Alexander Ritter v. Günther. Gegenstand: Der gegenwärtige Stand der politischen Lage. <pb/>580 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 Keine KZ. - GMKPZ. 506 Protokoll des zu Wien am 2. Mai 1913 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬ same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Berchtold. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung um % 12 Uhr vormittags und hält folgendes Expose: Ich habe mich genötigt gesehen, den heutigen Ministerrat einzuberufen, um angesichts des bedrohlichen Charakters der internationalen Lage den beiden Re¬ gierungen den derzeitigen Stand unserer auswärtigen Beziehungen darzulegen und - daran anknüpfend - die Maßnahmen zu erörtern, welche die Monarchie gegebenen Falles zur Wahrung ihrer Lebensinteressen zu treffen gezwungen sein könnte.1 Wie den beiden Regierungen bekannt, hatten wir im Laufe der Balkankrise unser politisches Programm in folgenden Punkten festgesetzt: 1. Schaffüng eines selbständigen Albaniens; 2. Nichtzulassung der Serben zur Adria; 3. tunlichste Beschränkung des serbischen Elementes auf seine natürlichen ethnischen Grenzen; 4. Kompensationen für Rumänien. Vor vierzehn Tagen noch hatte es geschienen, daß dieses Programm - aller¬ dings nach langwieriger und mühsamer diplomatischer Arbeit - mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden könnte. Das selbständige Albanien sowie der Ausschluß der Serben von der Adria waren durch internationale Beschlüsse sank¬ tioniert, die Serben dadurch im großen und ganzen innerhalb ihre ethnischen Grenzen zurückgewiesen und die von Rumänien beanspruchte Kompensation - Silistria - war demselben gleichfalls durch internationalen Beschluß zugespro¬ chen worden. Da nebstbei der Friede zwischen der Türkei und den Balkanstaaten nahezu gesichert war, konnte mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auf eine befrie¬ digende Lösung gerechnet werden. Der Fall von Skutari am 23. April hat diese Berechnungen durchkreuzt. Skuta- ri ist sozusagen der Schlüssel zu unserem Balkanprogramme. Die Gründe hiefür sind folgende: 1. Ohne diese Stadt ist, nach allen albanesischen Autoritäten, ein lebensfähiges Albanien nicht zu denken. Mit dem Verluste derselben müßte somit die Bildung eines selbständigen Albaniens aufgegeben werden. 2. Ist einmal Sku¬ tari in den Besitz Montenegros gelangt, so steht zu befürchten, daß sich der natür¬ liche Hafen desselben, der Hafen von San Giovanni di Medua, auf die Dauer auch nicht bei Albanien wird halten können. Montenegro käme dadurch in den Besitz eines neuen Hafens, den es schon mit Rücksicht auf die von den Serben bei der Über militärische Maßnahmen in Bosnien-Herzegowina und Dalmatien war in der Bespre¬ chung der gemeinsamen Minister v. 24. 12. 1912 beraten worden, Ergänzendes Protokoll anderer Provenienz VIII dieses Bandes. <pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministermt, Wien, 2. 5. 1913 581 Aktion von Skutari geleistete Hilfe gegen Entgelt den Serben überlassen könnte, wodurch letztere -- ganz abgesehen von der Eventualität einer Fusion zwischen Serbien und Montenegro gegen unseren Willen doch an die Adria gelangen wür¬ den und 3. würde durch Einverleibung Skutaris rein albanesisches Gebiet einem serbischen Staatswesen zugeschlagen werden und dadurch das Serbentum eine Ausbreitung über seine ethnischen Grenzen hinaus erfahren. In allen drei Belan¬ gen ist somit unser Balkanprogramm mit dem Schicksal von Skutari eng verbun¬ den. Hiezu kommt, daß aber mit Rücksicht auf die dadurch aufgeworfene Frage der Durchsetzung unseres Programmes und unseres Willens das Skutariproblem innerhalb und außerhalb der Monarchie zu einer Prestigesache der letzteren ge¬ worden ist, bei deren Lösung das ganze moralische Gewicht derselben, deren Ansehen, Macht und Einfluß in Frage kommen. Indem König Nikolaus den Beschlüssen der Mächte zum Trotz die Stadt ein¬ genommen und gleichzeitig erklärt hat, dieselbe nicht wieder herauszugeben, ha¬ ben wir uns somit vor die Alternative gestellt gesehen: entweder den wesentli¬ chen Teil unseres Balkanprogrammes aufzugeben und damit nicht nur vitale politische Interessen der Monarchie preiszugeben, sondern auch das Prestige der¬ selben aufs Spiel zu setzen, oder der Möglichkeit ins Antlitz zu schauen, unser Programm und unseren Willen eventuell mit Waffengewalt durchsetzen zu müs¬ sen. Die Wahl zwischen diesen zwei Alternativen konnte selbstverständlich nicht einen Augenblick in Zweifel kommen. Unsere Sorge war nun nur mehr darauf gerichtet, die diplomatische Lage den veränderten Verhältnissen tunlichst zu un¬ seren Gunsten anzupassen. Vom Beginne der Krise an hatten wir, um den europäischen Frieden nach Mög¬ lichkeit vor Gefährdung zu bewahren, mit Rückstellung augenfälliger eigener Interessen den Kontakt mit den anderen Mächten auffechtgehalten. Diese stete Fühlungnahme hat uns den Vorteil geboten, mit rein diplomatischen Mitteln un¬ ser Balkanprogramm bei allen Mächten durchzusetzen und dadurch eine völker¬ rechtlich festgefügte Plattform gegenüber der Balkanstaaten zu gewinnen. Der Apparat des europäischen Konzertes hat aber den Nachteil, langwierig und schwerfällig zu arbeiten und so ist es gekommen, daß der Beschluß vom 22. März, wodurch die Frage der Zugehörigkeit Skutaris endgiltig in unserem Sinne gelöst worden war,2 bis heute dem König von Montenegro nicht aufgezwungen werden konnte. Die internationale Blockade hat den gewünschten Zweck nicht erreicht und zu wirksameren Koerzitivmaßregeln wollten sich einzelne der betei¬ ligten Mächte nicht bereitfinden. Nur so konnte es kommen, daß König Nikolaus die Stadt eingenommen und bis heute nicht herausgegeben hat. Jeder verlorene Tag bedeutet aber eine Verschlechterung unserer Position. Wenn gestern noch alle Mächte mit Emphase betonten, Skutari müsse unter allen Umständen unbe- Siehe dazu Telegramm Mensdorffs an Berchtoldv. 22. 3. 1913, publiziert in Österreich-Un¬ garns AUSSENPOLITIK, Bd. 5, Nr. 6261. <pb/>582 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 dingt zu Albanien kommen, wird heute schon von der Opportunität gesprochen, durch territoriale Kompensationen, natürlich auf Kosten Albaniens, den König zur Nachgiebigkeit zu zwingen3 und der Panslawismus ist inzwischen rastlos an der Arbeit, um die Einnahme von Skutari als Heldentat einer slawischen Nation zu feiern, die historischen Rechte Montenegros auf den Besitz Skutaris zu be¬ gründen und jeden Eingriff in die geschaffene Sachlage als Verletzung des Völ¬ kerrechtes hinzustellen. Die Minierarbeit dieser Elemente ist umso gefährlicher, als dadurch nicht nur die Stellung der mäßigenden Faktoren in den leitenden Kreisen Rußlands gefährdet und die öffentliche Meinung in Frankreich vergiftet wird, sondern auch die Haltung des uns bisher wohlgesinnten englischen Kabi- nettes durch Rücksichtnahme auf die Ententegenossen und die äußeren Einflüs¬ sen zugängliche Stimmung im eigenen Lande eine unerfreuliche Änderung erfah¬ ren könnte. Wir haben uns angesichts dieser Umstände bemüßigt gesehen, in der Sitzung der Londoner Botschafterreunion vom 28. April unseren Standpunkt dahin zu präzisieren, daß wir uns Vorbehalten müßten, ,,im gegebenen Momente die not¬ wendigen Maßnahmen zur Durchsetzung des Willens Europas zu ergreifen."4 Es ist damit nicht gesagt, daß wir uns offen vom Konzert der Mächte trennen; wir haben uns nur freie Hand gesichert, um nicht weiter von der Verschleppungsme¬ thode des Mächtekonzertes abhängig zu sein. Eine selbständige Aktion der Mon¬ archie gegen Montenegro würde unmittelbar zu dem angestrebten Doppelziele fuhren: 1. Durchsetzung unseres Balkanprogrammes und 2. Wahrung unseres Prestiges. Ein solches Vorgehen dürfte aber zweifelsohne einen lebhaften Sturm in Rußland und dessen Exposituren am Balkan hervorrufen. Um uns gegen des¬ sen eventuelle Konsequenzen sicher zu stellen, schien es uns klug, mit Italien in Fühlung zu treten und dies umsomehr, als wir in früherer Zeit mehrere, Albanien betreffende Übereinkommen mit dem Königreiche geschlossen haben, die uns eine spezielle Berücksichtigung des Letzteren auferlegen.5 Aus diesem Grunde sind wir an die italienische Regierung mit der Mitteilung herangetreten, daß, falls die beschlossene Kollektivdemarche in Cetinje zu keinem positiven Resultate fuhren würde und die Mächte sich über das Ergreifen wirksamer Koerzitivmaß- nahmen nicht einigen könnten, für uns bloß zwei Eventualitäten übrig bleiben: Entweder der Krieg mit Montenegro oder eine militärische Kooperation mit Ita- Zur anfänglich unnachgiebigen Haltung der Botschafterreunion in der Frage Skutari gegen¬ über Montenegro siehe Telegramm Mensdorjfs an Berchtold v. 1. 5. 1913, HHStA., PA. XII, Liasse XLV/11, Karton 428, fol. 237 f., publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpolitik Bd. 6, Nr. 6848; zur Konzessionsbereitschaft siehe besonders die Position Russlands im Tele¬ gramm Thums an Berchtold v. 2. 5. 1913, HHStA., PA. XII, Liasse XLV/11, Karton 428, fol. 324, publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Bd. 6, Nr. 6869. Telegramm Mensdorjfs an Berchtold v. 28. 4. 1913, publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Bd. 6, Nr. 6804. Zu den Absprachen mit Italien siehe Schreiben Mereys an Berchtold v. 10. 4. 1913 mit zwei Beilagen HHStA., PA. XII, Liasse XLV/6, Karton 417, fol. 255-262. <pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 583 lien zum Zwecke der Erzwingung der Räumung Skutaris. Das römische Kabinett hat sich nach einigem Zaudern entschlossen, die zweite Eventualität in Erwägung zu ziehen und unter gewissen Bedingungen seine Mitwirkung in Aussicht ge¬ stellt. Auch hat Italien im Wege der Presse zu verstehen gegeben, daß es im Hin¬ blicke auf die derzeitigen anarchischen Zustände in Albanien gezwungen sein könnte, eine militärische Expedition dahin ins Auge zu fassen. Es läßt sich heute absolut nicht voraussehen, was die nächste Zukunft bringen wird. Ob sich die Botschafterreunion in letzter Stunde zu wirksamen internatio¬ nalen Zwangsmaßnahmen aufraffen werde, ob die Kooperation mit Italien trotz der von letzterem gestellten, namentlich in militärischer Hinsicht, onerosen Be¬ dingungen, ausführbar sein wird, oder wir selbständig gegen Montenegro werden Vorgehen müssen, ob weiters eine militärische Besetzung Albaniens sich als not¬ wendig erweisen wird, schließlich wie sich König Nikolaus zu der veränderten Sachlage stellen werde: all dies läßt sich heute nicht feststellen. Soviel aber ist gewiß, daß wir mit der Möglichkeit, um nicht zu sagen Wahrscheinlichkeit eines Konfliktes mit Montenegro zu rechnen haben, in dessen weiterem Verlaufe auch die Eventualität eines Eingreifens des serbischen Schwesterstaates in Rechnung zu stellen ist. Ich halte mich für verpflichtet, die Aufmerksamkeit der beiden Re¬ gierungen auf diese Sachlage zu lenken und daran den Appell zu knüpfen, die gemeinsame Regierung in den Stand setzen zu wollen, im gegebenen Falle über die Mittel zur Bedeckung der sich als unvermeidlich erweisenden Kosten verfü¬ gen zu können. Der kg 1. ung. Ministerpräsident fragt, ob die Nachrichten der Zeitungen über Montenegro zu gewährende Kompensationen und über die Beschlüsse der Londoner Botschafterkonferenz richtig seien. Der Vorsitzende erwidert, daß er die Gewährung von Kompensatio¬ nen an Montenegro im gegenwärtigen Augenblicke als ein unstatthaftes Entge¬ genkommen bezeichnen müsse.6 Was die gestrige Botschafterkonferenz betreffe, so sei ihm das bezügliche Telegramm noch nicht vorgelegt worden. Die Bot¬ schafterreunion tage konstant seit 22. März und habe seit dem Falle Skutaris, 23. April, schon 3 Sitzungen abgehalten, ohne greifbares Resultat zu erzielen. Die englische Regierung sei zu wirksamen Maßnahnen nicht bereit, weil britische Interessen nicht tangiert werden und sie Rücksicht auf die beiden anderen En¬ tentemächte nehmen müsse. Der k. k. Ministerpräsident gibt seiner Ansicht dahin Aus- druck, es sei wohl kein Zweifel möglich, daß Koerzitivmaßregeln gegen Monte¬ negro unerläßlich wären. Solche, welche eine diesbezügliche Vereinigung aller Großmächte in sich schlößen, böten wohl keine Chance, in Erfüllung zu gehen. Es erübrigten daher nur Koerzitivmaßregeln, welche Italien und Österreich-Un- 6 Siehe hierzu Telegramm Berchtolds an Mensdorff v. 2. 5. 1913, HHSxA., PA. XII, Liasse XLV/11, Karton 428, fol. 279-284, publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpoutk, Bd. 6., Nr. 6866. <pb/>584 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 gam ohne eigentliches Mandat gleichsam als negotiorum gestor anwenden oder solche, welche Österreich-Ungarn allein zur Wahrung seiner Lebensinteressen und seines Prestiges durchfuhren würde. Er erlaube sich daher die Anfrage, wel¬ ches der letzte Stand der Besprechungen mit Italien sei. Der Vorsitzende entgegnet, daß vorgestern ein Telegramm Herrn v. Mereys aus Rom eingelangt sei,7 welches folgende Bedingungen Italiens mit¬ teilt: 1. Ein Aufschieben der Kooperation, insolange die Hoffnung auf eine interna¬ tionale Aktion oder auf ein Nachgeben Montenegros nicht verloren sei, dies heiße soviel, als daß die Kooperation gegenwärtig noch prämaturiert wäre. 2. Vorheriges Einvernehmen über die Details, z. B. Höhe der beiderseitigen Kontingente, Operationsplan, Wahl des Ausschififungsortes, Marsch auf Skutari etc. 3. Vorheriges Festsetzen, daß Montenegro territorial auf keinen Fall angegrif¬ fen werde. 4. Vorherige Vereinbarung über die nach den voraussichtlichen Folgen dieser Aktion zu treffenden gemeinsamen Entscheidungen. 5. Skutarifrage wäre nicht zu isolieren, sondern vorher gemeinsames Vorgehen hinsichtlich Süd- und Südostgrenze Albaniens sowie gegenüber der durch Essad Pascha neuestens geschaffenen Situation zu vereinbaren. Er teile diese Bedingungen den Konferenzmitgliedem streng vertraulich mit und möchte nur hinzufügen, daß dieselben infolge der telegraphischen Berichter¬ stattung nur einen Auszug der einschlägigen Aufzeichnung des Marquis di San Giuliano darstellen und er letztere in extenso für heute erwarte.8 Der Kriegsminister sagt, daß er in Anlehnung an die Frage des Gra¬ fen Stürgkh kurz ausführen wolle, wie er sich die Situation vorstelle. Europa habe gezeigt, daß es uns nur immer zurückhalten wolle. Es wird zuweilen langsam nachgegeben, nur damit wir nicht energisch werden. Zunächst wollte man über¬ haupt keine Blockade der montenegrinischen Gewässer. Dann wurde sie unwirk¬ sam durchgeführt und man ließ sie nicht sich ausdehnen. Die Serben konnten ihre Soldaten und ihr Kriegsmaterial, ein russischer Dampfer Munition und derglei¬ chen ausladen. Über Drängen der Monarchie wurde die Blockade bis Durazzo ausgedehnt, aber erst in einem Momente, wo nichts mehr zu verhindern war. Sei¬ ner Meinung nach sei es ausgeschlossen, daß Europa wirksame Koerzitivmaß- nahmen ergreifen werde. Was eine Kooperation Italiens betreffe, so glaube er nach den Ausführungen des Vorsitzenden schließen zu dürfen, daß auch da nichts zu machen sein werde und Italien uns nur zurückhalten wolle, was schon die Zu- Telegramm Mereys an Berchtold v. 30. 4. 1913, HHStA., PA. XII, Liasse XLV/11, Karton 428, fol. 182, publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpolitdc, Bd. 6, Nr. 6839. Dies geschah mit Schreiben Mereys an Berchtold v. 30. 4. 1913 mit einer Abschrift der Auf¬ zeichnungen San Giulianis, ebd., Karton 428, fol. 2X2--2X6, publiziert in Österreich-Un¬ garns Aussenpolitik, Bd. 6, Nr. 6840. <pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 585 mutung beweise, daß Montenegro territorial auf keinen Fall angegriffen werden dürfe. Der Kriegsminister verliest die jüngsten, ihm zugekommenen Telegram¬ me. Es meldet der Militärattache in Rom, daß ein Expeditionskorps in der Stärke einer Truppendivision aus zwei Korps gebildet werden soll. Das würde lange Zeit dauern und sonach die Monarchie abermals gehindert werden, was umsoweniger angeht, als auch er gleich dem Vorsitzenden der Meinung sei, daß jeder verlorene Tag eine Verschlechterung unserer Position bedeute. Der Vorsitzende habe ge¬ sagt, daß man im gegebenen Falle über die nötigen Mittel verfugen müsse. Er bitte, ihm zu sagen, was man unter diesem gegebenen Falle zu verstehen habe. Seiner Ansicht nach müssen wir unbedingt den Krieg mit Montenegro ins Auge fassen und zwar allein. Wenn die Italiener wollen, können sie sich uns ja an¬ schließen. Italien beabsichtige ohnehin, ein Kriegsschiffnach Valona zu schicken unter dem Vorwand, dort Ordnung zu schaffen. Wenn wir energisch auftreten, wird Italien sofort bereit sein. Man müsse sich klar werden, ob man das Prestige der Monarchie durch eine Mobilisierung aufrecht erhalten wolle. Er denke sich die Sache so, daß man das 15., 16. und 13. Korps mobilisiere und einige Forma¬ tionen aufstelle, sobald König Nikolaus auf eine Aufforderung erkläre, daß er Skutari nicht räumt. Wenn aber nach dieser Mobilisierung der König die Räu¬ mung zugibt, so sei eine Milliarde ausgegeben und eigentlich nichts erreicht. Er wolle dahingestellt sein lassen, ob die serbische Schwestemation mittun und ob Rußland zu einer ernsten Auseinandersetzung bereit sein werde. Er bitte aber zu fixieren, wie weit das Ziel gesteckt werden solle und sich dabei nicht darauf zu beschränken, ein Albanien mit Skutari zu schaffen, denn werde man dann der Bevölkerung die Rechnung präsentieren, so werde sie damit nicht zufrieden sein. Er glaube daher, daß eine Besetzung des Sandjaks und Nordalbaniens ins Auge gefaßt werden müsse. Vor allem dürften die bosnischen Nichtaktiven und der Landsturm in Dalmatien und eventuell in Kroatien-Slawonien einzuberufen sein. Er verweist auf das berechtigte Drängen des Armeeinspektors in Sarajewo, ver¬ liest ein Telegramm aus Sofia, wonach der Ministerrat ein Vorgehen gegen Serbi¬ en beschlossen habe und ein solches aus Athen, betreffend die bevorstehende Räumung Albaniens durch die serbischen Truppen und bespricht die Dislozie¬ rung der montenegrinischen Armee.9 König Nikolaus beabsichtige offenbar, ei- Ein Telegramm aus Sofia, in dem über einen bulgarischen Ministerratsbeschluß zum Vorge¬ hen gegen Serbien berichtet wurde, konnte in den Beständen des HHStA., PA. XII, Hasse XLV und PA. XV nicht gefunden werden. Das Telegramm Tarnowskis an Berchtold v. 1. 5. 1913 ließ vielmehr einefriedliche Einigung zwischen Serbien und Bulgarien noch offen, in¬ dem er mitteilte, daß die Bulgaren gegen Serbien eingestellt seien sollte es auch zur friedli¬ chen Teilung Mazedoniens kommen, HHStA., PA. XII, Liasse XLV/4, Karton 406, fol 49, publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Bd. 6, Nr. 6860; auch das Telegramm aus Athen konnte in den Beständen des HHStA., PA. XII, Liasse XL VundPA. XVI nicht gefunden werden; zur Dislozierung der montenegrinischen Armee siehe den Tagesbericht v. 1. 5. 1913 des Evidenzbüros des Generalstabesfür das Außenministerium, HHStA., PA. XII, ad Liasse XLV/3, Karton 441. <pb/>586 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 nen Guerillakrieg gegen uns zu fuhren. Der Kriegsminister gibt weiters an, daß er angeordnet habe, die Pferdekäufe nur im Umfange der bewilligten Geldmittel durchzuführen. Da sich die Zuweisung von Militärärzten und so weiter als unum¬ gänglich notwendig erwies, habe er die Ah. Ermächtigung eingeholt, sämtliche Reservegagisten für Bosnien einzuberufen, weiters habe er alle Urlaube einge¬ stellt.10 Der Armeeinspektor verlange das Inkrafttreten des Kriegsleistungsgeset¬ zes11 und meldet, daß zahlreiche Wehrpflichtige über die Grenze flüchten und die Bildung von Banden bevorstehe.12 Nach seinen Informationen habe König Niko¬ laus angeordnet, aufjede österreichische Patrouille, welche 10 m vor der Grenze erscheine, zu schießen. Es sei nun an der Zeit, dezidierte Maßregeln zu ergrei¬ fen. Der gemeinsame Finanzminister erklärt, daß jetzt ein histori¬ scher Augenblick gekommen sei, wo es Pflicht ist, seine Ansicht über die Zukunft der Monarchie offen auszusprechen. Seit dem verflossenen Herbste habe man eine Politik geführt, die dazu dienen sollte, auf friedlichem Wege einen diploma¬ tischen Erfolg zu erzielen. Unser politisches Programm war in den vier vom Vor¬ sitzenden aufgezählten Punkten festgesetzt. Wenn es gelungen wäre, hätten wir viel Geduld und viel Geld aufgewendet, aber schließlich einen Erfolg erzielt, wenn man auch nicht übersehen dürfe, daß ein großer Teil der Bevölkerung mit dieser Politik nicht einverstanden sei. Dank der perfiden, aber glänzenden Politik Rußlands seien wir in dem Momente, wo wir glaubten nur zugreifen zu müssen, um den ganzen Erfolg ge¬ kommen. Was nun immer geschehe, werde dabei ein Mißerfolg herauskommen. Mobilisiere man, so werde man eine Menge Geld ausgeben und gibt der König dann nach, so bedeute dies doch nur einen schwachen Erfolg für uns. Er müsse sich vollkommen dem Gedankengange des Kriegsministers anschließen. Die Siehe dazu Anm. 16 dieses Protokolls. Gemeint ist ein Kriegsleistungsgesetz fiir Bosnien-Herzegowina; Telegramm Potioreks an Krobatin v. 30. 4. 1913, Ka., KM., Präs. 81-17/13/1913. Ein solches war in Ungarn als GA. LXVIII/1912 und in Cisleithanien als Gesetz v. 26. 12. 1912, RGBl. Nr. 236/1912 schon in Kraft getreten. Am 2. 5. 1913 erließ die bosnisch-herzegowinische Landesregierung die so¬ genannten Kriegsleistungsverordnungen, Gesetz- und Verordnungsblatt für Bosnien und die Hercegovina Nr. 59 bis 67, alle ex 1913, die Suspension einzelner Bestimmungen des Landesstatutes (59), die Einschränkung der Freizügigkeit, des Vereins- und Versammlungs¬ rechtes (60), die Einschränkung des Waffenbesitzes (61), die zeitweise Unterstellung der Zi¬ vilpersonen unter die Militärgerichtsbarkeit (62), die Verschärfung der Strajprozeßordnung (63), die Einschränkung des Preßwesens (64), die Bestimmungen über Postsendungen (65), die Einschränkung und Überwachung des Telegraphen- und Telefonverkehres (66) sowie die Hintanhaltung des Mißbrauches von Brieftauben (67). Mit den Verordnungen der Landesre¬ gierung v. 15. 5. 1913 wurden die Kriegsleistungsverordnungen wieder außer Kraft gesetzt, ebd. Nr. 70 und 71, beide ex 1913. Über die Situation in den herzegowinischen Grenzbezirken siehe Telegramm (Abschrift) Po¬ tioreks an Krobatin v. 2. 5. 1913, Ka., KM., Präs. 81-10/63/1913. <pb/>Nr 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 587 Mächte wollen uns hinziehen und jetzt wolle dies auch das römische Kabinett. Es würden wieder Wochen vergehen ohne den geringsten Erfolg. Es sei keine Zeit zu verlieren und er begreife nicht, weshalb man warten wolle. Tatsache sei, daß uns leider nichts übrig bliebe, als der Krieg. Wenn wir nur in Skutari der Polizeimann Europas sein sollen und 330 Millio¬ nen ausgeben werden, so werde man etwas am Prestige retten, aber auf Jahre hinaus geschwächt sein. Redner müsse aber auch als Verwalter Bosniens spre¬ chen, wo sich immer mehr die Ansicht durchbreche, daß die Monarchie ganz kraftlos sei. Er verliest ein ihm soeben zugekommenes an Se. Majestät gerichte¬ tes Loyalitätstelegramm des Männergesangsvereines ,,Harmonie" in Zenica, worin der Kampf für die Interessen der Dynastie und der Monarchie glorifiziert wird und erzählt, daß der Landtagspräsident Sola dem Chef der Landesregierung vertraulich mitgeteilt habe, daß Unruhen in den Grenzbezirken zu erwarten seien. Alles neige sich den Serben zu, auch die Kroaten, berauscht durch die Siege der Alliierten und dadurch impressioniert, daß wir uns alles gefallen lassen. Den Ge¬ dankengang: Bestrafung Montenegros und Rettung Skutaris für Albanien könne er sich nicht aneignen, denn wer habe eigentlich Skutari genommen? Die Ant¬ wort lautet: die serbischen Truppen, die serbische Artillerie, der serbische Ober¬ kommandant. Er rufe das Zeugnis des Vorsitzenden an, daß er stets der Ansicht gewesen: entweder Krieg mit Serbien und Aufteilung desselben, oder andauernde Freundschaft mit diesem Königreiche. Ungeklärte Verhältnisse, wie sie jetzt be¬ stehen, könne man nicht weiter bestehen lassen; denn er glaube zwar, daß Ru߬ land sich jetzt nicht rühren wird, aber dauernd auf die Zertrümmerung der Mon¬ archie ausgeht. Im gegebenen Falle müßten wir gegen drei Fronten Krieg fuhren und somit müssen wir uns schon jetzt speziell des serbischen Gegners entledigen entweder durch Krieg oder in Freundschaft. Redner glaubt alles getan zu haben, um freundschaftliche Beziehungen zu Serbien anzubahnen. Er habe den serbi¬ schen Gesandten gewarnt, Soldaten nach Skutari zu schicken, man habe auf allen Gebieten Konzessionen gemacht, aber in demselben Augenblicke, wo man glau¬ ben konnte, daß etwas zu machen wäre, kam der serbische Sturm auf Skutari. Daraus folge, daß Serbien keine Freundschaft wolle. Selbst nach Verhängung der Blockade habe es in Salonik noch 17 Schiffe beladen und erst dann ausgeschifift, als es sah, daß der Transport nicht möglich sei. Der Minister komme daher zu dem Schlüsse, daß, wenn der Krieg unerläßlich ist, er auf Serbien auszudehnen sei. Wenn wir die Südgrenze nicht sichern, dann sei auch Bosnien auf die Dauer nicht zu halten. Er fasse seine Ausführungen in folgende drei Punkte zusammen: 1. Hinsichtlich der Mobilisierung sei auf gar nichts mehr zu warten, 2. der Krieg müsse so geführt werden, daß er auch gegen Serbien gerichtet sei und Serbien als selbständiger Staat zu existieren aufhöre, 3. das serbische Volk müsse der Monarchie als gleichberechtigter Teil ange¬ gliedert werden und hier national und politisch sein Heim finden. Vielleicht habe Pasic guten Willen, aber die radikale Partei sei mächtiger als er. <pb/>588 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 Der Vorsitzende sympathisiert mit der Idee des gemeinsamen Finanz¬ ministers, er müsse aber auf die Gefahren aufmerksam machen, die dessen Plan habe. Es sei ins Auge zu fassen, daß Italien eine solche Störung des Gleichge¬ wichtes nicht ruhig hinnehmen und Rußland gegen uns auftreten werde. Der gemeinsame Finanzminister macht aufmerksam, daß Rußland sich in einem Dilemma befinden werde, da einerseits Serbien und Mon¬ tenegro, andererseits Bulgarien und Rumänien in Frage kämen. Der kgl. ung. Finanzminister teilt vollständig die Meinung, daß wir vor einem kritischen Augenblicke stehen, in welchem man sich über die Situation und die zu ergreifenden Maßnahmen vollkommen klar sein müsse. Vor allem lege er vom Standpunkte seines Ressorts das größte Gewicht darauf, daß man aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen, um die Wiederkehr normaler, wirtschaftlicher Verhältnisse tunlichst zu beschleunigen, so früh als möglich ei¬ nen durchschlagenden Erfolg erziele, hiebei aber nur einen kleinen Aufwand an Geldmitteln ins Auge fasse. Wir haben schon über 500 Millionen aufgewendet, hiezu kämen noch im Falle M13 330 Millionen, so daß man einen Gesamtaufwand von ungefähr 850 Millionen in Kalkül zu ziehen habe. Wird der dadurch erzielte Erfolg ausschließlich in der Räumung Skutaris und in der Schaffung eines unabhängigen Albaniens bestehen, so wird die Bevölke¬ rung allerdings zwischen dem Erfolge und dem Aufwande kein zufriedenstellen¬ des Verhältnis finden. Die Wiederkehr normaler wirtschaftlicher Verhältnisse wird aber allmählich die Beruhigung der Bevölkerung herbeiführen. Die Ansicht des gemeinsamen Finanzministers wegen Hineinziehung Serbiens könne er nicht teilen. Das von diesem gewünschte Resultat wäre ja sehr erfreulich, aber es un¬ terliege keinem Zweifel, daß unter den jetzigen wirtschaftlichen Verhältnissen im Falle B14 unsere Geldverfassung gänzlich zugrunde gerichtet würde, weil wir nur durch solche Anstrengungen die erforderlichen Geldmittel aufbringen könnten, welche die Grundlage unserer Geldverfassung in ihrem Wesen erschüttern wür¬ den. Die Geldbeschaffung im Falle B sei fast mit größeren Schwierigkeiten ver¬ bunden, wie im Falle einer allgemeinen Mobilisierung. Bei letzterer Eventualität könne man sich viel leichter mit der Idee der Suspendierung der Statuten der Notenbank und der Dekretierung eines Moratoriums befreunden als im Falle B. Die Emissionsfahigkeit unserer Notenbank ist äußerst beschränkt, die an sie ge¬ richteten Ansprüche sind aber enorm. Am 30. April habe die Budapester Bank¬ hauptanstalt mit 60 Millionen Einreichungen einen Rekord erzielt, in Wien seien an einem Tage 20 Millionen lombardiert worden. Man bedürfe keiner besonderen Phantasie, um vorauszusagen, welche wirtschaftliche und finanzielle Situation im Falle B sich ergeben würde. Rußland, das sonst auch schwer einer Aufteilung Serbiens ruhig Zusehen könnte, wird unbedingt eingreifen, wenn es sieht, wie Mit Fall M ist der Aufinarschplan im Falle eines Krieges nur gegen Montenegro gemeint. Fall B ist der Aufinarschplan Balkan. <pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 589 schlecht wir wirtschaftlich stünden. Wir müßten daher alles aufbieten, uns auf den Fall M zu beschränken. Der k. k. Ministerpräsident möchte nochmals die aktuelle Si¬ tuation beleuchten. Von der Botschafterkonferenz sei nichts zu erwarten. Man müsse daher das Schwergewicht auf die Verhandlungen mit Italien legen. Er begreife vollkommen, weshalb man, diplomatisch genommen, hohen Wert darauf lege, Italien und Rußland auseinanderzuhalten. Andererseits käme die militärisch-strategische Seite in Betracht. Italiens Zusammengehen mit uns würde nur aus Eifersucht diktiert, Italien ma¬ che nur ungern, nur der Kontrolle wegen mit. Daher verfolge es die gleiche Ten¬ denz wie die Botschafterkonferenz, das heißt, es versuche die aktive Kraft Öster¬ reich-Ungams lahmzulegen. Die vom Römer Kabinett aufgestellten 5 Punkte beweisen uns das. Was speziell den 1. Punkt betreffe, daß die Aktion prämaturiert wäre, so wüßte er nicht, auf welche Reife man noch warten soll. Hinsichtlich des Punktes 3 wi¬ derspreche dem die Auffassung des Königs Nikolaus selbst. Dieser stehe auf dem Standpunkte der Erobemng. Skutari wäre daher nach des Königs Meinung ein Bestandteil Montenegros und somit auch jede Aktion gegen Skutari soviel wie eine solche gegen montenegrinisches Gebiet. Das ganze sei daher nur eine völ¬ kerrechtliche Illusion, wozu noch die militärischen Schwierigkeiten kämen. Um den Preis, daß Italien scheinbar mitgehe, könne man eine weitere Verschleppung nicht dulden, weil damnter unser diplomatisches und militärisches Prestige lei¬ den würde. Wir dürfen uns nicht in eine zweite dilatorische Phase hineinziehen lassen, wo Italien die Rolle der Londoner Konferenz übernimmt. Unter diesen Umständen stehe der diplomatische Vorteil einer Kooperation mit Italien, welche, wenn sie rasch und korrekt erfolgen würde, sehr schätzbar wäre, weit hinter dem zurück, wenn wir selbst bald und energisch handeln. Was geschehen muß, soll daher schnell und von Österreich-Ungarn allein getan werden. Jeder verlorene Tag bedeute einen Verlust militärischerseits, sei aber auch ein solcher für unser Prestige. Er sei in der Lage nachzuweisen, daß der Verlust unseres Prestiges nicht bloß ein idealer sondern ein sehr realer sei. Die Nullifizierung der Kraft unserer Monarchie und der unerhörte Aufschwung der Balkanstaaten, welcher den Gipfel politischen und staatlichen Selbstbewußtseins erreicht hätte, habe bei unserer südslawischen, temperamentvollen Bevölkerung den stärksten Eindruck hervor- gemfen. In gleichem Maße geht aber in den Augen der Bevölkerung das Bewußt¬ sein von der Machtentwicklungsfähigkeit der Monarchie zurück und so müßten Dalmatien und die Küstengebiete moralisch für die Monarchie verloren gehen. Wenn die k. k. Regierung den Sympathiebezeugungen, solange dieselben rein theoretisch waren, ruhig gegenübergestanden sei, so sei dies jetzt nicht mehr möglich; die k. k. Regierung habe daher längst in Dalmatien energische Maßnah¬ men ergriffen. Wie weit es gekommen, zeigen die Fälle, daß man Advokaten und Notare suspendiert und in Anklagestand versetzt, einen Staatsanwalt plötzlich zu entheben und den Bürgermeister Spalatos unter Anklage des Hochverrates vor <pb/> 590 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 ein delegiertes Gericht zu stellen genötigt sei.15 Auch in den nördlichen Ländern seien bedenkliche Symptome vorhanden. Wohl werden sich die Tschechen geo¬ graphisch mit den Serben nicht alliieren wollen, aber es seien Beweise genug vorhanden wie tief man uns einschätze. Der k. k. Finanzminister hegt gleichfalls die Überzeugung, daß die Monarchie auf dem Scheidewege stehe, da sie zu beurteilen habe, ob ihre Stimme kräftig genug sei im Konzerte der Mächte oder ob sie sich passiv verhal¬ ten müsse. In den letzten sechs bis sieben Jahren habe man ungeheuere Opfer, nämlich weit mehr als eine Milliarde, von der Bevölkerung verlangt. Man habe diese Opfer gebracht weil die Monarchie intakt bleiben muß und ihre Lebensin¬ teressen auch jenseits ihrer Grenzen zu vertreten habe. Ein weiteres dilatorisches Vorgehen würde uns aber in einigen Monaten bedeutend größere Opfer und be¬ deutend größere Gefahren bringen. Was uns die Krise an Völksvermögen kostet, das abzuschätzen sei nicht möglich. Bei weiterer Verschleppung würde sich das aber fast in geometrischer Proportion vermehren. Es erübrigt daher nichts ande¬ res, als den Knoten zu durchschneiden. Er müsse bemerken, daß wir uns im Falle M eigentlich schon befinden, er möchte von seinem Standpunkte der Mobilisie¬ rung der drei Korps zustimmen und glaube, es werde unvermeidlich sein, auf den B-Fall zu kommen. Wenn er auch gleich seinem ungarischen Kollegen die An¬ sicht teile, daß die finanziellen Konsequenzen äußerst peinlich seien, fast ärger wie jene einer vollständigen Mobilisierung, so müsse er doch der Überzeugung Ausdruck geben, daß die Rücksichten auf Finanzen und Volkswirtschaft, so be¬ dauerlich dies sei, in den Hintergrund gestellt zu werden haben. Hiebei sei er von dem Gedanken geleitet, daß, wenn sich ein Erfolg unserer Aktion einstelle, auch der wirtschaftliche Erfolg nicht fehlen werde. Es sei schwer, den Propheten zu spielen, aber so wie Herr v. Bilinski glaube auch er daran, daß Rußland passiv verbleiben werde. Es handle sich darum, unsere Aktion derart zu führen, daß unser Erfolg auch anderen Balkanstaaten zugute komme. Dadurch stünde Ru߬ land vor einem Dilemma. Zu einer Abrechnung zwischen Rußland und uns werde es vielleicht einmal kommen, aber er hoffe auf ein entsprechendes Spatium, so daß wir dann, gekräftigt durch unsere Erfolge im Süden und finanziell gestärkt, der Entscheidung gegenüberstünden. Wenn uns Rußland für 100 Jahre den Frie¬ den garantierte, dann könnte man ruhig Zusehen, so aber sei ein weiteres Zuwar¬ ten unmöglich. Der kgl. ung. Finanzminister wäre ganz der Meinung seines österreichischen Kollegen, wenn der Fall B uns wirtschaftlich und finanziell nicht zugrunde richten würde. Da aber, wie er schon angeführt hat, der Fall B sehr böse wirtschaftliche und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen wird, müsse er daraus den Schluß ziehen, daß Rußland, wenn es das sieht, Abrechnung halten wird, da es nie einen geeigneteren Moment fände und nie den Fehler begehen wird, wie wir ihn anläßlich des japanisch-russischen Krieges begingen. Sobald 15 Zu den Ereignissen in Dalmatien siehe Gross, Erzherzog Franz Ferdinand 293. <pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 591 uns der Fall B finanziell und wirtschaftlich zugrunde richtet, wird uns Rußland kein Spatium gewähren. Was die Zukunft betrifft, sei er der Meinung, daß, wenn es uns jetzt gelingt, in Montenegro Ordnung zu schaffen und dadurch die Wieder¬ kehr normaler Verhältnisse zu sichern, wir im Zusammenhänge mit einer friedli¬ chen auswärtigen Politik durch wenigstens vier bis fünf Jahre eine sehr kluge wirtschaftliche und finanzielle Politik treiben müßten, um genügende Kräfte zu sammeln und dann energisch mit den Rüstungen zu beginnen. Hiedurch kämen wir für den Fall einer Abrechnung sowohl nach Norden als auch nach Süden hin in eine bessere Lage als in der wir uns jetzt befinden. Der gemeinsame Finanzminister wirft ein, daß uns inzwi¬ schen Bosnien und Dalmatien verloren gehen können; ihm erwidert der unga¬ rische Finanzminister, daß er daran nicht glaube. Die Situation sei in Kroatien besser als in den gleichen Gegenden Österreichs, weil man dort ener¬ gisch vorgegangen sei, wenn auch die ungarische Regierung deshalb so stark befeindet wurde. Der k. k. Finanzminister gibt seiner Meinung dahin Ausdruck, daß, wenn wir den Fall M annehmen, alles andere Theorie sei; sobald der erste Schuß gefallen, könne man nicht wissen, wohin die Sache führe. Der k g 1. ung. Finanzminister gibt dies in dem Sinne zu, daß man nur darüber schlüssig werden kann, was man erzielen will, nicht aber was tatsächlich erfolgen wird. Er legt daher das größte Gewicht darauf, daß man nicht Prätexte suche, um Serbien hineinzuziehen, im Gegenteile müsse man einem Kriege mit Serbien so¬ lange als tunlich ausweichen. Das wäre die von ihm befürwortete Richtlinie. Der kgl. ung. Ministerpräsident weist daraufhin, daß in Ungarn sich die Südslawen viel ruhiger verhalten haben als in Österreich. Der Grund hiefur liege darin, daß man 1. rechtzeitig energisch vorgegangen sei und 2. daß die intel¬ ligenten Klassen nicht in so großer Zahl vorhanden seien wie in Österreich, daher die strengen Maßregeln größere Wirkung ausgeübt haben. Die österreichische Regierung befinde sich daher in einer schwierigeren Lage. Die Situation sei eine sehr traurige. Man könne nur Theorien aufstellen und müsse sich Faktoren anbe¬ quemen, die nicht von uns abhängen. Er glaube, daß die Rücksichten auf das Prestige der Monarchie und deren vitalsten Interessen es nicht zulassen, daß man die jetzige Situation weiter dulde. Da wir bei keiner Seite Unterstützung finden, müssen wir durchführen, was wir mit eigener Kraft durchführen können. Der Krieg müsse einen raisonablen Zweck haben, sonst sei er nicht zu rechtfertigen. Der Grund sei nicht die Frage, ob Skutari zu Albanien zu gehören habe oder nicht, sondern die südslawische Frage. Ob sich Rußland passiv verhalten werde, könne man nicht wissen. Sicher sei aber, daß wenn die Idee Herrn v. Bilinskis durchdringe, die Folge der Trialismus sein werde. Wir hätten dann eine slawische Majorität und diese bedeute das Ende des Dualismus. Abgesehen von der furcht¬ bar schwierigen internationalen Situation, wo wir nur auf Deutschland rechnen können, verlieren wir die moralische Basis, wenn wir einen Prätext suchen, um aus dem Rahmen hinauszutreten. Wir bedürfen eines europäischen Mandates. <pb/>592 Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 Trotz der traurigen Erfahrung, die wir mit der Diplomatie gemacht, könne er doch nicht glauben, daß Europa gegen seinen eigenen Mandatar auftreten werde. Vor¬ läufig müsse man sich auf die Skutariffage beschränken, allerdings könne man im voraus nicht wissen, wie weit wir werden gehen müssen, aber den formellen Rechtsstandpunkt haben wir vorläufig einzuhalten, das weitere könne man ruhig dem lieben Herrgott überlassen. Wir sind gegenwärtig nicht in der Lage, einen fixen Plan jetzt auszuarbeiten. Die wichtigste Aufgabe sei, der Sache je schneller ein Ende zu machen, weil, je länger wir zögern, desto mehr liege die Gefahr einer inneren Verblutung vor. Der Vorsitzende bedauert konstatieren zu müssen, daß im Schoße des Ministerrates die Fühlungnahme mit Italien einer gewissen Antipathie zu begeg¬ nen scheine. Er halte sie aber nicht nur für nützlich, sondern für notwendig, und zwar einerseits weil wir uns nicht der Gefahr aussetzen können am Balkan Krieg zu führen mit der Möglichkeit eines Konfliktes mit Rußland ohne Rückendek- kung gegen Italien und andererseits weil wir positive Abmachungen mit Italien über Albanien haben, welche wir nicht ignorieren können. Auch dürfe der große politische Vorteil nicht übersehen werden, der darin besteht, daß durch die Ko¬ operation Italiens letzteres in Bezug auf die Balkanpolitik mit Österreich-Ungarn solidarisch werde statt ins gegenerische Lager abzufallen und der österreichisch¬ ungarischen Politik gemeinsam mit Rußland Schranken zu setzen. Die Stärkung, die dadurch der derzeit wenig koherente Dreibund erfahren muß, brauche nicht näher erörtert zu werden. Allerdings werde die Monarchie durch das Zusammengehen mit Italien eini¬ germaßen in ihrer Bewegungsfreiheit gehemmt, dasselbe gelte aber auch für den Partner. Der kgl. ung. Ministerpräsident erwidert, daß er die Füh- lungnahme mit Italien als etwas selbstverständliches betrachte, aber Fußfesseln dürfe man sich nicht anlegen lassen, dagegen erklären, daß wir nicht länger war¬ ten können. Der k. k. Ministerpräsident will gleichfalls nicht kritisieren, daß der Minister des Äußern mit Italien Fühlung genommen habe, eine andere Frage sei es aber, ob nach dem Stande dieser Pourparlers unsere Zwecke zeitlich oder inhaltlich zu erreichen sein werden. Es müsse die Möglichkeit vorhanden sein, die Pourparlers abzuschließen und zwar sehr bald. Eine weitere Verzöge¬ rung vertrage die politische Lage nicht, umsoweniger, als die Bewegung nicht nur die Südslawen ergriffen habe. Der Kriegsminister wollte gleichfalls die Verhandlungen mit Italien nicht angreifen, aber auch er sei der Meinung, daß man sich keine Fußfesseln anlegen lassen dürfe. Nachdem der Vorsitzende erwidert, daß er darüber in Rom keinen Zweifel gelassen, führt der Kriegsminister weiter aus, daß man die bosnischen Reserven und den Landsturm in Dalmatien schon jetzt mobilisieren müsse und, wenn die Verhandlungen mit Italien zu keinem Resulta¬ te führen, Montenegro ein 48-stündiges Ultimatum zu stellen sei. Gibt Montene- <pb/>Nr. 42 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1913 593 gro nicht nach, so seien das 15., 16. und 13. Korps zu mobilisieren und der Krieg unter jeder Bedingung zu fuhren, auch wenn dann Montenegro nachgeben sollte. Der k. k. Ministerpräsident verweist auf die wirtschaftliche Lage Dalmatiens. Das Land sei bereits durch die sogenannte Mobilisierung des 16. Korps wirtschaftlich sehr bedroht. Durch die Einberufung des Landsturmes bekäme es die Schrecken des Krieges schon jetzt zu fühlen, sie würde eine wirt¬ schaftliche Katastrophe bedeuten, trotzdem würde er keine Einwendung erheben, wenn er bestimmt wüßte, daß es zum Kriege käme. Andernfalls könnte er aber diese Maßnahme schon jetzt nicht verantworten. Der k. k. Finanzminister schließt sich dieser Ansicht an. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister ist der Ansicht des Kriegsministers. Was insbesondere Bosnien betreffe, so werden von den ein¬ zuberufenden 48 000 Mann 30 000 Mann, unverläßliche Elemente, in die Monar¬ chie geleitet, der Rest bei der Sanität, als Koppelführer und so weiter verwendet. Beruft man diese Leute erst gelegentlich der Mobilisierung ein, so würde durch die in beiden Richtungen verkehrenden Züge, bei der schmalspurigen Bahn und dem geringen Transportmaterial eine riesige Verzögerung eintreten. Der k. k. Ministerpräsident betont, daß er nur schildern wollte, welchen Effekt die Einberufung des Landsturmes in Dalmatien hätte. Er würde trotzdem nicht einen Moment zögern, dem Ministerrate die Zustimmung vorzu¬ schlagen, wenn er die Garantie hätte, daß es binnen einigen Tagen zum Kriege käme. Wenn man aber anstatt dessen, wie bisher, nur diplomatisch verhandeln wollte, müßte über eine voreilige und vielleicht überflüssige Aufbietung des Landsturmes das Gesamtkabinett demissionieren. Der k. k. Finanzminister macht auch auf den klaren Wortlaut des bezüglichen Gesetzes aufmerksam, welches die Einberufung des Landsturmes nur im Falle eines Krieges oder der Bedrohung mit einem Kriege vorsieht. Der kgl. ung. Finanzminister schlägt vor, daß, wenn wir be¬ schließen, mit Montenegro eventuell auch allein möglichst bald abzurechnen, man Italien sagen soll, was wir tun werden, mit dem Beisatze, daß wir alle bishe¬ rigen Abmachungen einhalten werden und Italien die Kooperation Vorbehalten sei. Der Vorsitzende erklärt, daß man Italien natürlich kein Ultimatum für den Zeitpunkt einer Einigung stellen könne, daß aber das gleiche praktisch er¬ reichbar sein dürfte. Nachdem noch der gemeinsame Finanzminister darauf auf¬ merksam machte, daß man von Wien aus nicht beurteilen könne, was der Landes¬ chef an Ort und Stelle verlange, und man ihm, der auch als zukünftiger Armee¬ kommandant volle Verantwortung trage, vertrauen dürfe, und der kgl. ung. Finanzminister darauf verweist, daß eine solche Einberufung unseren diplomatischen Schritten einen gewissen Nachdruck verleihen würde, wird fol¬ gendes beschlossen: <pb/>594 Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. 5. 1913 1. Die Einberufung der bosnischen Nichtaktiven der 1., 2. und 3. Reserve, 2. die Bewilligung der Geldmittel für den vollen Umfang des Pferdeankaufes (12,9 Millionen), 3. die Bewilligung von 5 Millionen für Cattaro, 4. die Erhaltungskosten für die beschafften Pferde sowohl für April als Mai. Auf die Einberufung des dalmatinischen Landsturmes wird infolge der Aus¬ führungen des k. k. Ministerpräsidenten vorläufig verzichtet.16 Sohin schließt der Vorsitzende um2 Uhr nachmittags die Sitzung. Berchtold Ah. E. fehlt. Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. Mai 1913 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Bilinski (28. 5.), der k. u. k. Kriegsmini¬ ster FZM. Ritter v. Krobatin (23. 5.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski (26. 5.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der k. u. k. Marinekommandant Admiral Haus (24. 5.). Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Günther. Gegenstand: Die Anfrage dreier Etablissements wegen Erbauung eines Dreadnoughts. KZ. 36 - GMKPZ. 507 Protokoll des zu Wien am 14. Mai 1913 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen Berchtold. Der Vorsitzende eröffnet um 14 12 Uhr vormittags die Sitzung und führt aus, daß der Anlaß zur Einberufung eine das Marineressort betreffende An¬ gelegenheit sei, bei welcher gewisse Gegensätze zutage getreten sind, welche klarzustellen beziehungsweise auszugleichen wären. Mehrere Firmen seien an Auf Vortrag Krobatins v. 2. 5. 1913 wurde mit Ah. E. v. 3. 5. 1913 die Einberufung der bosni¬ schen Nichtaktiven angeordnet, Ka., MKSM. 82-1/1-9/1913, diese aber auf Vortrag Kroba¬ tins v. 8. 5. 1913 mit Ah. E. v. 9. 5. 1913 wieder in das nichtaktive Verhältnis zurückversetzt, ehd., 82-1/1-11/1913. Krobatin bezeichnete im Schreiben an Bilihski v. 1. 5. 1913 den An¬ kaufder Pferde und Tragtiere als Ausführung des Beschlusses der am 29. April 1. J. stattge¬ habten gemeinsamen Ministerkonferenz - vermutlich eine Konferenz von Ministern beider Regierungen und des Kriegsministers, ein Protokoll dieser Konferenz konnte in den Bestän¬ den des Ka., KM., Präs, nicht gefunden werden. Mit diesem Schreibenforderte Krobatin auch das Geldfür die Kriegsausrüstung Cattaros undfür die Erhaltungskosten der angekauften Pferdefür April und Mai, Ka., KM., Präs. 37--4/6-2/1913. <pb/>