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Gemeinsamer Ministerrat, 21. 2. 1913

I. Ankauf der Majorität der Aktien der Betriebsgesellschaft der Orientalischen Eisenbahnen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z40.pdf.

Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913                     561

chung bei den bevorstehenden Verhandlungen mit Serbien und Montenegro Wert
gelegt werde.5 Diese betreffen:

   a) die Drina-[Grenz-]Regulierung,
   b) die Regulierung der Grenze gegen den Sandschak,
   c) die Entwaffnung der Grenzbevölkerung und die Organisation der Gendar¬
merie in den an Bosnien grenzenden Gebieten,
   d) die Herstellung eines Eisenbahnanschlusses zwischen Loznica und Janja als
dem Endpunkte einer bosnischerseits über Bjelina zu führenden Anschlußbahn
an die ungarischen Eisenbahnen.
   Der Ministerrat nimmt diese Anträge mit dem Beifügen zur Kenntnis, daß die
sub a) und b) erwähnten Angelegenheiten bereits den Gegenstand von Verhand¬
lungen mit der serbischen Regierung bilden.
   Schließlich werden die österreichischen Abänderungsanträge zur Beilage 5
des ,,Programmes", betreffend die rücksichtlich des Tabakankaufes zu stellenden
Altemativforderungen zur Kenntnis genommen.
   Somit ergibt sich als Beschluß des Ministerrates das sub 5 anverwahrte ,,Pro¬
gramm für die wirtschaftlichen Vereinbarungen mit den Balkanstaaten", auf
Grund welches der Minister des Äußern ermächtigt wird, die Verhandlungen mit
den Regierungen der Balkanstaaten im geeigneten Zeitpunkte einzuleiten.6'6
   Hieraufwurde die Sitzung am 17. Februar 1913 um 8 `/z Uhr abends geschlos¬
sen.

                                                                                            Berchtold

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Bad Ischl, am 29. Juli 1913. Franz Joseph.

       Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. Februar 1913

   RS. (und RK.)
   Gegenwärtige: derk. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh (4. 4.), derk. u. k. Kriegsminister FZM.
Ritter v. Krobatin (5. 4.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski, der k. k. Eisenbahnminister Dr.
Freiherr v. Förster (5. 5.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der kgl. ung. Handelsminister

       Liegt als Beilage 5 dem Originalprotokoll bei.

       Siehe dazu Schreiben (Abschrift) Potioreks an Bilihski v. 5. 1. 1913 mitfiinfBeilagen, Ka.,
       Nachlaß Potiorek B/1503, Karton 2, Nr. 13.
       Am 16. 6. sowie 11. und 12. 7. 1913fanden wegen einer Revision des Handelsvertrages mit
       Serbien Zoll- und Handelskonferenzen statt. Das Protokoll der Konferenz v. 11. und 12. 7.
       1913 in HHStA., Admin. Reg., F 37, Karton 85, Fasz. Serbien 6, Z. 48701/9aNr. 1740/1913.
       In der Zoll- und Handelskonferenz v. 22. 6. 1914 wurde die Revision des Handelsvertrages
       mit Serbien fallengelassen, HHStA., Admin. Reg., F 34, Konferenzen Österreich-Ungarn,
       Karton 79, Z. 38.
<pb/>562 Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913

Dr. v. Beöthy, der kgl. ung. Ackerbauminister Graf Szerenyi, der k. k. Handelsminister Dr. Schuster
Edler v. Bonnott, der k. k. Ackerbauminister Zenker, der k. u. k. Sektionschef im k. u. k. Ministeri¬
um des Äußern Graf v. Wickenburg.

    Protokollführer: Generalkonsul Joannovics.
    Gegenstand: Ankauf der Majorität der Aktien der Betriebsgesellschaft der Orientalischen Eisen¬
bahnen.

   KZ. 29 - GMKPZ. 504
   Protokoll des zu Wien am 21. Februar 1913 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hau¬
ses und des Äußern Grafen Berchtold.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung um 4 Uhr nachmittags und leitet
die Beratungen mit einem Expose über den Zweck der Erwerbung der Majorität
der Aktien der Betriebsgesellschaft der orientalischen Eisenbahnen durch ein
Syndikat österreichischer und ungarischer Banken ein.1 Angesichts der Umsturz¬
bewegung auf dem Balkan habe es sich der Vorsitzende als verantwortlicher Lei¬
ter der auswärtigen Politik der Monarchie zur Aufgabe gestellt, den politischen
und wirtschaftlichen Einfluß der Monarchie in den Balkanstaaten, insolange dies
möglich sei, mit friedlichen Mitteln aufrechtzuhalten und zu stärken. Dies habe
den Anlaß dazu gegeben, Mittel und Wege zu suchen, um Österreich-Ungarn eine
Einflußnahme auf die dortigen Eisenbahnverhältnisse zu sichern. Eine Gelegen¬
heit hiezu biete sich in der Absicht der Deutschen Bank, die in ihrem Besitze
befindlichen Aktien der Orientbahnen zu verkaufen, um sich aus den Engage¬
ments bezüglich des Deutschland weniger interessierenden westlichen Netzes
zurückziehen zu können. Es erschiene wohl unzulässig, diesen Liquidierungspro¬
zeß vorübergehen zu lassen, ohne durch den Ankauf der zu vergebenden Aktien
Österreich-Ungarn einen Einfluß auf diese westlichen Linien zu sichern.

    Diese Einflußnahme sei aus nachstehenden drei Gründen anzustreben:
    1. Vom Standpunkte der Sicherung eines freien Debouches für den Handel der
Monarchie nach Salonik. Die neue Gestaltung der territorialen Besitzverhältnisse
auf dem in Betracht kommenden Teile der Balkanhalbinsel werde gerade in dem
Gebiete, welches die Bahn nach Salonik durchziehe, eine Teilung des ehemaligen
einheitlichen türkischen Gebietes unter verschiedene Staaten zur Folge haben, so
daß der österreichisch-ungarische Handel, für welchen früher im Falle des An¬
schlusses des türkischen Eisenbahnnetzes an das bosnische im direkten Transit
ein einheitliches Staatsgebiet und eine einzige Bahnverwaltung in Betracht ge¬
kommen wäre, in der Folge mit mindestens zwei, wahrscheinlich auch mit mehr
fremden Territorien und Eisenbahnverwaltungen zu rechnen haben werde. Die-

         Zur Geschichte der Entstehung der Eisenbahnlinien in Makedonien und der Betriebsgesell¬
         schaft der orientalischen Eisenbahnen siehe Röll, Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Bd.
         7 453 sowie Zografski, Die ökonomischen und strategischen Aspekte des Eisenbahnbaus in
         Makedonien 171-177.
<pb/>Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913  563

sem Nachteile wäre durch die Erhaltung des Privatbetriebes zugunsten der beste¬
henden Privatgesellschaft oder ihrer von dem Syndikate der österreichischen und
ungarischen Banken zu bildenden Nachfolgerin auf der ganzen Strecke Mitrovi-
ca-Salonik vorgebeugt. Sollte die Sicherung des Privatbetriebes auf Schwierig¬
keiten stoßen, die dem Werte dieses Betriebes nicht mehr entsprechen würden, so
gebe der Besitz dieser Bahnen Österreich-Ungarn immerhin die Mittel an die
Hand, die Bedingungen für den Verzicht auf den Privatbetrieb festzulegen oder
zumindest zu beeinflußen.

   2. Die Betriebsgesellschaft der orientalischen Eisenbahnen besitze Vorrechte
für Teilstrecken einer zukünftigen Eisenbahn gegen das adriatische Meer, die Ge¬
sellschaft der Bahn Salonik-Monastir dagegen habe ähnliche Vorrechte für eine
Altemativlinie von Monastir nach Valona oder nach Durazzo: Diese Vorrechte
würden auf das österreichisch-ungarische Bankensyndikat übergehen, wodurch
für dasselbe ein Vorsprung gewonnen wäre gegenüber jenen Anwärtern, welche
auf Grund minderwertiger Konzessionsrechte den Ausbau dieser Linien anstre¬
ben sollten. Aus politischen Gründen sei es unerläßlich, daß Österreich-Ungarn
diesen fremden Aiiwärtem gegenüber festen Fuß fasse und seinen Einfluß auf das
künftige albanesische Eisenbahnnetz sicherstelle.

   3. Endlich liegen die natürlichen Anschlußpunkte für die griechischen Bahnen
auf den heutigen Linien Salonik-Monastir beziehungsweise Salonik-Mitrovitza.

   Somit würde Österreich-Ungarn durch den Besitz der Aktien der genannten
Gesellschaften in den Eisenbahnffagen des westlichen Balkans eine Position ge¬
winnen, die in anderer Weise überhaupt nicht und um keinen Preis zu erwerben
wäre. Man sei daher mit der Deutschen Bank in zunächst unverbindliche Vorver¬
handlungen wegen des Aktienankaufes eingetreten.2 Die hierüber auch mit den
österreichischen und ungarischen Finanzinstituten abgehaltenen Besprechungen
hätten zu dem Entwürfe eines Übereinkommens geführt, dessen Details der Vor¬
sitzende an der Hand der Beilage näher ausfuhrt.

   Der Vorsitzende ersucht die beiden Regierungen, dem Projekte ihr Wohlwol¬
len zuzuwenden und die beiden Finanzminister zu ermächtigen, auf Grund des
vorliegenden Entwurfes mit der Bankengruppe ein Abkommen zum Zwecke des
Ankaufes von 51 000 Aktien der Betriebsgesellschaft der orientalischen Eisen¬
bahnen zu treffen.

   Der k. k. Ministerpräsident ersucht, ehe in die Erörterung der
Details des Projektes eingegangen wird, um Aufklärung darüber, ob genügende
Garantien dafür geboten werden können, daß die Rechte, welche die Orientbah¬
nen in der Türkei besessen und ausgeübt haben, auch von den Balkanstaaten wer¬
den anerkannt werden. Es sei unwahrscheinlich, daß diese mit einem hohen Grade
von Selbstbewußtsein ausgestatteten Staaten sich ohneweiters als Rechtsnach-

2 Über die unterschiedlichen Verhandlungen siehe die Aufzeichnungen Wickenburgs v. 15. 1.
       und 3. 2. 1913, HHSxA., Admin. Reg., F 23, Karton 105, Fasz. Erwerbung der Aktien der
       Orientbahngesellschaft und der Salonick-Monastir Epsenbahn] Gfesellschaft] durch ein öst.
       ung. Konsortium IZ. 5 und Z. 11.
<pb/>564 Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913

folger der Türkei in Verhältnisse fügen und Rechtszustände anerkennen werden,
welche ihren Begriffen der staatlichen Souveränität widersprechen. Es sei auch
zu erwarten, daß sich die Balkanstaaten und speziell Serbien der Festsetzung
österreichischen und ungarischen Kapitals und Einflusses in ihrem Eisenbahnwe¬
sen widersetzen werden. Hieraus seien Verwicklungen zu befurchten, welche die
ruhige Entwicklung der politischen Beziehungen zu den Balkanstaaten gefährden
könnten.

   Der Vorsitzende verweist diesbezüglich auf die von den Großmächten
in der Londoner Botschafterreunion gefaßten Beschlüsse, betreffend die Wah¬
rung der Rechte der Eisenbahngesellschaften in der Türkei, welche lauten:

   ,,Les Etats cessionnaires sont subroges dans tous les droits et charges du Gou¬
vernement Imperial Ottoman en ce qui conceme les concessions de chemins de fer
et autres ayant leur exploitation sur les territoires cedes par le present traite; ils
s&#39;engagent egalement ä remettre les compagnies interessees en possession imme-
diate des lignes exploitees par elles avant la guerre, nonobstant tout regiement qui
pourrait etre envisage pour Tavenir d&#39;accord avec les Interesses; ils s&#39;engagent en
outre dans ces territoires ä respecter et ä executer les contrats valablement consen-
tis par le Gouvernement Imperial ou les autorites ottomanes competentes.&quot;3

   Zu Vorstehendem sollen die Balkanstaaten im Friedensvertrage verpflichtet
werden.

   Bezüglich des befürchteten Widerstandes gegen die Festsetzung des öster¬
reichisch-ungarischen Einflusses verweist der Vorsitzende auf den Umstand, daß
die Betriebsgesellschaft in ihrem gegenwärtigen Charakter eines deutsch-öster¬
reichisch-ungarisch-schweizerischen privaten Konzerns bestehen bleiben soll
und auch in Hinkunft ihren privaten Charakter nach außen hin wahren werde.

   Durch die Besitzergreifung der heute bestehenden Eisenbahnlinien am westli¬
chen Balkan soll außerdem ein noyau geschaffen werden, von welchem aus mit
späterer Zuhilfenahme französischen und belgischen Kapitals das Eisenbahnnetz
weiter ausgestaltet würde.

   Der k. k. Eisenbahnminister unterzieht das Projekt zunächst
vom verkehrspolitischen Standpunkte einer Kritik. Im Vordergründe des Interes¬
ses stehe die Idee des Zuganges nach Salonik auf einer neuen, unter dem Einflüs¬
se der Monarchie stehenden direkten Eisenbahnlinie (Mitrovica-Salonik). Ver¬
kehrspolitisch liege ein Bedarf nach einer solchen Linie nicht vor, da der

        Beschluß der Londoner Botschafterreunion v. 29.1.1913. Siehe hierzu das Telegramm Mens-
        dotffs an Berchtoldv. 29.1.1913, publiziert in Österreich-Ungarns Aussenpolitik, Bd. 5, Nr.
        5594. Österreich-Ungarn hatte am 29.1. 1913 einen Gegenvorschlag zu einemfranzösischen
        Entwurfzum Übergang eines Teils der türkischen Staatsschuld auf die Erwerber türkischer
        Gebiete - wie der deutsche Botschafter in Paris Freiherr v. Schoen in seinem Bericht v. 15.1.
        1913 an Bethmann Hollweg schrieb, publiziert in Grosse Politik Bd. 37/2, Nr. 15172 - vor¬
        gelegt, der dort auch angenommen wurde. Neben dem oben zitierten Telegramm Mensdorffs
        siehe dazu auch das Telegramm des deutschen Botschafters in London, Fürst v. Lichnowsky,
        v. 29. 1.1913 an das deutsche Auswärtige Amt, publiziert in ebd., Bd. 34/1, Nr. 12758.
<pb/>Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913  565

Landverkehr nach Salonik im Vergleiche zum Seeverkehr nur von geringer Be¬
deutung sei und schon gegenwärtig eine wirklich gute Verbindung mit Salonik
über Belgrad bestehe. Jeder neue Weg sei länger als die Verbindung via Belgrad,
so die Sandschakbahn um zirka 200 Kilometer. Ferner ergebe sich aus der Förde-
mng des Landweges nach Salonik eine Konkurrenz zwischen den ägäischen und
dalmatinischen Häfen, welche die k. k. Regierung gerade durch die Heranzie¬
hung der serbischen Transporte zu heben bestrebt sei. Verkehrspolitisch sei dem¬
nach die Förderung eines neuen Debouches nach Salonik nicht zu befürworten.

   Was die weitere Idee der Schaffung eines noyau für die künftige Ausgestaltung
des Eisenbahnnetzes auf dem westlichen Balkan anbelange, so sei Österreich-
Ungarn diesem Unternehmen für sich allein nicht gewachsen. Es sei daher schon
jetzt die Beteiligung fremden Kapitals in Aussicht genommen. Hiemit höre aber
auch der vorherrschende Einfluß Österreich-Ungams auf, was man gerade durch
den Ankauf der Orientbahnaktien vermeiden wollte. Hierin zeige sich ein Wider¬
sprach gegenüber der dem Projekte zugrunde liegenden ursprünglichen Absicht.

   Auch sei zu befürchten, daß durch das Eindringen Österreich-Ungams in diese
Gebiete der Wirtschaftspolitik der Balkanstaaten eine Quelle neuer Gefahren und
Verwicklungen geschaffen werde. Man mute den Balkanstaaten ein schweres Op¬
fer zu, wenn man von ihnen verlange, auf die Vereinigung der auf ihrem Staats¬
gebiete befindlichen Eisenbahnen in ihrer eigenen Hand zu verzichten. Mit Kon¬
zessionen seien die Rechte der Privatgesellschaften nicht genügend gesichert. Es
liege vollständig in der Hand des Territorialstaates, die Tätigkeit der Privatgesell¬
schaften derart zu erschweren, daß sie schließlich weichen müssen. Dies werde,
wenn hinter den Gesellschaften eine fremde Regiemng stehe, mit dieser zu Ver¬
wicklungen führen.

   Aus diesem Grunde wäre die geplante Transaktion nicht früher durchzuführen,
ehe man nicht eine formelle Sicherheit dafür gewonnen habe, daß die Balkanstaa¬
ten die in Betracht kommenden Eisenbahnen nicht selbst in Besitz nehmen wollen.
Der in dem Beschlüsse der Botschafterreunion zum Ausdruck kommende Gedan¬
ke, daß die Balkanstaaten die Rechte und Pflichten der Türkei gegenüber den Ge¬
sellschaften übernehmen müssen, sei selbstverständlich und könne nur als eine Er¬
klärung aufgefaßt werden, wonach diese Staaten sich mit den Gesellschaften über
die Erwerbung der von ihnen betriebenen Linien zu verständigen haben werden.

   Der k. k. Handelsminister gibt gleichfalls der Anschauung Aus¬
druck, daß dem Wege nach Salonik heute nicht mehr die gleiche Bedeutung zu-
komme, wie zu jener Zeit, wo die Möglichkeit bestanden habe, den direkten
Transit über ein einheitliches türkisches Territorium sicherzustellen. Heute stün¬
den für die k. k. Regiemng andere handelspolitische Gesichtspunkte mehr im
Vordergrande des Interesses, so in erster Linie die Fürsorge für die Hebung der
eigenen Seehäfen. Der Zweck der ganzen Aktion bestehe darin, Österreich-Un¬
garn einen vorherrschenden Einfluß auf das Eisenbahnwesen auf dem westlichen
Teile der Balkanhalbinsel zu sichern. Da aber Serbien und Bulgarien auf der
Wahrung ihrer eigenen Eisenbahnhoheit sehr bedacht sind, dürften sie in dieser
<pb/>566 Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913

Aktion eine unfreundliche Handlung Österreich-Ungams ihnen gegenüber er¬
blicken, was die Abneigung dieser Staaten gegen die Monarchie noch erhöhen
werde. Es sei zu befurchten, daß diese Stimmung eine ungünstige Rückwirkung
auf die handelspolitischen Verhandlungen mit den Balkanstaaten ausüben werde.
Wenn sich die Monarchie bei diesem Anlasse finanziell stark engagiere, so habe
sie sich dadurch selbst neue Interessen geschaffen, für welche sie bei den Ver¬
handlungen mit den Balkanstaaten einen gewissen Schutz werde erringen müs¬
sen. Hiedurch würden die Forderungen in den anderen wirtschaftlichen Fragen
künstlich erschwert, so daß möglicherweise wichtigere andere Wünsche zurück¬
gestellt werden müßten.

   In geschäftlicher Beziehung sei zu bemerken, daß die Initiative in der Angele¬
genheit nicht von Österreich-Ungarn, sondern von jener Seite ergriffen worden
sei, die sich gegenwärtig im Besitze der Majorität der Aktien der Orientbahnen
befinde und mit Rücksicht auf die eingetretenen Verhältnisse ein sehr großes In¬
teresse daran habe, diese Aktien loszuschlagen. Die von der Deutschen Bank
angeregte und von einigen österreichischen und ungarischen Banken aufgegriffe¬
ne Idee flöße unter den gegebenen Verhältnissen ein gewisses Mißtrauen ein,
umsomehr als die angebotenen Bedingungen den modernen Anschauungen über
derartige Geschäfte nicht entsprechen. Eine staatliche Garantie in dem Sinne zu
fordern, daß im Falle des Gelingens des Unternehmens die Gesellschaft den gan¬
zen Nutzen einheimse, im Falle sich Schwierigkeiten ergeben, der Staat allein
den Schaden zu tragen habe, sei ein heute überwundener Standpunkt. Die Vor¬
rechte der Orientbahngesellschaft stünden möglicherweise auch gegenüber der
Türkei auf schwachen Füßen und dürften von Serbien und Bulgarien wahrschein¬
lich nicht mit besonderer Fürsorge behandelt werden. Es sei daher zu befurchten,
daß die Wahrung dieser Vorrechte nicht leicht zu erreichen sein werde.

    Seine Ausführungen zusammenfassend, erklärt der k. k. Handelsminister, daß
vom Standpunkte der handelspolitischen Interessen kein Anlaß vorliege, die in
Rede stehende Transaktion zu befürworten, da sie zu Engagements führe, deren
Einlösung die Zurückstellung anderer, vielleicht wichtigerer handelspolitischer

Forderungen zur Folge haben könnte.
    Der kgl. ung. Finanzminister teilt im allgemeinen die Be¬

fürchtungen der k. k. Regierung. Der Zweck, welcher dem Projekte zugrunde
liege, könne eigentlich nur dann erreicht werden, wenn die Fortdauer des Privat¬
betriebes auf den in Betracht kommenden Eisenbahnen sichergestellt sei. Dies sei
aber kaum zu erwarten, da Serbien und Bulgarien mit der Zeit erfahren werden,
daß hinter den Engagements der Banken die Regierungen stehen. Die beiden Bal¬
kanstaaten dürften dann für die Verstaatlichung der Bahnen mit Nachdruck ein-
treten. Dies zu verhindern, biete der Beschluß der Botschafterreunion keine
Handhabe. Auch werde es Österreich-Ungarn schwerlich möglich sein, ein Ansu¬
 chen der Balkanregierungen um Zustimmung zur Verstaatlichung dieser Bahnen
 abzuschlagen. Es würde also zu Verhandlungen kommen. Wenn diese Verhand¬
 lungen einen freundschaftlichen Charakter haben werden, so könnte die Verstaat-
<pb/>Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913  567

lichung unter sehr günstigen Bedingungen erfolgen; wenn aber eine freundschaft¬
liche Verständigung nicht zustande käme, so dürften die Bedingungen für die
Verstaatlichung ungünstige werden. Zugegeben, daß das finanzielle Risiko, wel¬
ches die k. k. und die kgl. ung. Regierung übernehmen sollen, auch in diesem
Falle kein besonders großes ist, so werde hiemit schließlich doch nichts Besonde¬
res erreicht.

   Ehe die Regierungen sich verpflichten, wären unbedingt einige technische Fra¬
gen noch vor Abschluß des Balkankrieges zu regeln. Über den gegenwärtigen
Zustand der Bahnen fehlen Informationen. Die Kriegsschäden können enorme
sein und man wisse nicht, was man kaufe. Dies wäre also vorerst festzustellen.
Jedenfalls wäre den beiden Regierungen eine Stellungnahme sehr erleichtert,
wenn zunächst versucht würde, mit den Balkanstaaten sich darüber zu einigen,
daß die in Rede stehenden Bahnen, auch wenn sie in den Besitz eines Syndikates
österreichischer und ungarischer Banken übergehen sollten, weiterhin im Privat¬
betriebe bleiben werden.

   Der Vorsitzende weist darauf hin, daß es seine Schwierigkeiten habe,
die Entscheidung auf diese Weise hinauszuschieben, weil die Deutsche Bank im
Begriffe stehe, mit den Balkanstaaten selbst wegen Übernahme der Aktien zu
verhandeln und Österreich-Ungarn nur bis zu einem demnächst ablaufenden Ter¬
mine ein Optionsrecht zugestanden habe. Man müsse sich also bald darüber
schlüssig werden, ob man das Anbot ausnützen wolle.

   Der k. k. Finanzminister führt aus, daß es zur richtigen Beurtei-
lung der Frage unerläßlich sei, vorerst festzustellen, welche Vorteile sich aus der
beantragten Transaktion für Österreich-Ungarn ergeben. Die politischen Vorteile
habe der Minister des Äußern zu beurteilen. Über den handelspolitischen Wert gin¬
gen die Meinungen auseinander. Unter diesen Umständen sei es vom Standpunkte
des Finanzressorts sehr schwer zu entscheiden, inwieweit die Regierung die Verant¬
wortung für ein finanzielles Engagement übernehmen könne. An sich sei dieses
Engagement zwar kein besonders großes, wenn es auch bedenklich erscheine in der
Form, wie die vom Bankensyndikate unterbreiteten Vorschläge lauten.4 Diese ent¬
hielten Bestimmungen, die durchaus nicht annehmbar seien und unbedingt abgeän¬
dert werden müßten, falls auf die Sache eingegangen werden soll. Es sei begreif¬
lich, daß die Banken derartige Vorschläge gemacht haben, weil sie selbst nicht
wüßten, was sie kaufen. Es sollen Aktien gekauft werden, die hoch über dem ge¬
genwärtigen Preis des Marktes eingesetzt wurden. Ob der Buchwert dem tatsächli¬
chen Werte entspreche, könne heute niemand wissen. Deshalb seien die Banken
bemüht, das ganze Risiko auf die garantierenden Regierungen abzuwälzen.

   Es frage sich nun, ob die Regierungen die Übernahme derart weitgehender fi¬
nanzieller Verpflichtungen den Parlamenten gegenüber vertreten könnten. Wenn

HHStA., Admin. Reg., F 23, Karton 105, Fasz. Erwerbung der Aktien der Orientbahngesell¬
schaft und der Salonick-Manastir Efisenbahn] Gesellschaft] durch ein öst. ung. Konsortium
I, kleine Zahl 4.
<pb/>568 Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913

sich sichtbare Vorteile ergäben, so sei es vielleicht nicht ausgeschlossen, die für
die Transaktion erforderlichen einigen Millionen noch auf das Konto der allge¬
meinen Kriegskosten zu legen, doch müßten auch in diesem Falle die Vorteile
tatsächlich nachgewiesen werden. Ohne diesen Nachweis wäre es schwer, die
Berechtigung der geleisteten Garantie anzuerkennen. Man garantiere einer Ge¬
sellschaft, die mit einheimischem Kapital im Auslande operiere, für diese im
Auslande gemachten Geschäfte, die der Monarchie nur indirekte Vorteile brin¬
gen, nachdem der direkte Anteil Österreich-Ungams an dem Verkehre der in Be¬
tracht kommenden Bahnen nur ein ganz geringer sei. Ein Vorteil könne darin er¬
blickt werden, daß diese Bahnen ein noyau bilden sollen, von welchem aus sich
das Eisenbahnnetz des westlichen Balkans unter dem Einflüsse Österreich-Un¬
gams weiter entwickeln soll. Diesen Vorteil werde aber jener Staat haben, wel¬
cher für die neuen Bahnen das Geld gibt. Österreich-Ungarn werde dies nicht tun
können, da es in der Frage der Geldbeschaffung zunächst eine passive Rolle spie¬
len werde. Einigermaßen vorteilhaft wäre es, wenn es gelänge, bei der Konstru-
ierung dieses Geschäftes eine Kooperation mit französischem und belgischem
Kapital zu ermöglichen, um auf diesem Wege eine Interessengemeinschaft mit
dem österreichisch-ungarischen Kapital anzubahnen.

   Wenn es demnach gelänge, den Vorschlag des Bankensyndikates wesentlich
abzuändem, so wäre die finanzielle Seite der Frage für die Entscheidung der Re¬
gierung weniger ausschlaggebend und es könnte dann dem Geschäfte nähergetre¬
ten werden, falls das Ministerium des Äußern den Wert der Transaktion so hoch
einschätze, daß zu den bisherigen Lasten, welche die Balkankrise der Monarchie
auferlegt habe, noch einige Millionen zugeschlagen werden sollen.

   Der k. u. k. Kriegsminister äußert sich dahin, daß die Balkan¬
staaten aus militärischen Gründen die Forderung erheben dürften, daß die Bah¬
nen in den staatlichen Betrieb übergehen.

   Andererseits müsse anerkannt werden, daß im Falle der Herstellung der Ver¬
bindung mit dem bosnischen Eisenbahnnetze diese Bahnen sehr entwicklungsfä¬
hig sein werden, weil sie alle künftigen Linien, die gegen die Adria geführt wer¬
den sollen, aufgreifen. Falls die Balkanstaaten also die alte Konzession der
Orientbahngesellschaft nicht für erloschen erklären könnten, so sei das Geschäft
jedenfalls als ein sehr gutes anzusehen.

   Der Vorsitzende betont in seinen Schlußausführungen nachdrücklichst
den großen politischen Wert, den die Festsetzung des österreichisch-ungarischen
Einflusses in den Eisenbahnfragen des westlichen Balkans speziell mit Rücksicht
auf die albanische Politik der Monarchie habe. Die Konzessionsrechte der Be¬
triebsgesellschaft der orientalischen Eisenbahnen bezüglich der Linien von Mer-
dare nach Pristina und von Üsküb über Kalkandelen nach Gostivar seien unbe¬
dingte Rechte; bezüglich der Linien Monastir-Valona beziehungsweise
Monastir-Durazzo sei die Gesellschaft, welche die Eisenbahn Salonik-Monastir
in ihrem Besitz habe, verpflichtet, die Trassenprojekte und sonstigen Voranschlä¬
ge binnen einer bestimmten Zeit einzureichen, worauf die Regierung sich für die
zu wählende Trasse zu entscheiden haben werde. Die Gesellschaft habe ihre Tras-
<pb/>Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913                     569

senstudien bereits vorgelegt und warte die Entscheidung der Regierung ab. Es
liege kein Moment vor, wonach die Rechte der Gesellschaft in irgend einer Hin¬
sicht verwirkt wären. Die Absicht der Monarchie, die weitere Erhaltung des Pri¬
vatbetriebes auf den in Frage stehenden Bahnen zugunsten der bestehenden Ge¬
sellschaft oder ihrer Rechtsnachfolgerin sicherzustellen, sei den Regierungen der
Balkanstaaten bereits bekanntgegeben worden, ohne daß diese Mitteilung eine
besondere Erregung hervorgerufen hätte. Diese Forderung habe aber nur dann
einen Sinn, wenn die Aktien in den Besitz eines österreichisch-ungarischen Ban¬
kensyndikates gelangen. Daher müsse man sich zuerst zum Ankauf dieser Aktien
entschließen und dann erst, wenn man sich ihren Besitz gesichert habe, mit den
Balkanstaaten verhandeln. Eine besondere Voreingenommenheit dieser Staaten
gegen die Investierung österreichisch-ungarischen Kapitals sei nicht ohneweiters
vorauszusetzen, solange die Gesellschaft ihren privaten Charakter wahre und ins¬
besondere da sie einen französischen Einschlag bekommen solle. Es wäre aber
jedenfalls ein Fehler, die Sache in der Öffentlichkeit als einen großen Erfolg hin¬
zustellen. Es handle sich bloß um die Wahrung einer Position, welche die Monar¬
chie zum Teile jetzt schon einnehme und die für die Zukunft erhalten und gestärkt
werden solle.

   Auf Grund der durchgeführten eingehenden Erörterung der Angelegenheit ei¬
nigt sich der Ministerrat vorläufig dahin, daß als erste Voraussetzung für die wei¬
tere Verfolgung des Projektes eine Revision der Vorschläge des Bankensyndika¬
tes platzgreifen müßte, um sie für die beiden Regierungen annehmbar zu machen.
Das Ministerium des Äußern wird ermächtigt, die Verhandlungen hierüber unter
Beiziehung der Referenten der beiden Regierungen mit den Vertretern der Ban¬
ken aufzunehmen. Die Regierungen behalten sich ihre Entscheidung nach dem
Ergebnisse dieser Verhandlungen vor.5

   Sohin wurde die Sitzung um 7 Uhr abends geschlossen.
                                                                                            Berchtold

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, am 31. Mai 1913. Franz Joseph.

Am 25. 2. 1913 kam es zu einer Sitzung der Bankvertreter und Ministerialreferenten im k. k.
Finanzministerium. Siehe hierzu Schreiben d&#39;Adlers an Wickenburg v. 27. 2. 1913 enthaltend
ein Gedächtnisprotokoll der Sitzung v. 25. 2. 1913 sowie Skizze A Vertrag zwischen Deutsch-
bankengmppe und der österr. Ungar. Bankengruppe v. 27. 2. 1913 und Skizze B Vertrag zwi¬
schen der österr. Ungar. Bankengruppe und der Regierung v. 27. 2. 1913, alles in HHStA., Ad-
min. Reg., F 23, Karton 105, Fasz. Wertpapiere 1909-1918 Österreich-Ungarn 10, Sammelakt
kleine Zahl 148. Der k. k. Ministerrat beriet in der Sitzung vom 8. 3.1913/1 über die Erwerbung
der Aktienmajorität der Orientbahnen durch Oesterreich-Ungarn, Ava., Ministerrat, Minister¬
ratsprotokolle, Tagesordnungen 1910-1913 Band 16. Das Protokoll liegt nicht mehr ein. Zum
Aktienkaufsiehe auch das Schreiben des deutschen Botschafters in Wien Tschirschky an den
deutschen Reichskanzler Bethmann Hollweg v. 28. 4.1913, publiziert in Die grosse Politik, Bd.
37, Nr. 15119. Die Behandlung der Orientbahnen durch Serbien und die Verhandlungen mit
Serbien darüber kamen zur Sprache in GMR. v. 14. 12. 1913, GMKPZ. 510.
<pb/>570 Nr. 40a Finanzierungsplan

                           Nr. 40a Finanzierungsplan

    Finanzierungsplan

   Der Ankauf der in Rede stehenden Aktien soll durch ein österreichisches-un-
garisches Konsortium erfolgen, dessen Mitglieder die Österreichische Boden-
Kredit-Anstalt, der Bank-Verein, die Anglo-Bank, die Ungarische Kredit-Bank
und die Fester Kommerzial-Bank sind. Hiebei würden die Aktien der Eisenbahn
Salonik-Monastir durch die orientalische Bahnbetriebsgesellschaft aus ihren Bar¬
mitteln angekauft und in ihr Portefeuille gelegt werden, so daß de facto nur der
Ankauf von 51 000 Stück Aktien der Orientalischen Bahnbetriebsgesellschaft in
Frage stehe. Der Preis dürfte sich nach dem Eindrücke, der aus den präliminaren
Verhandlungen gewonnen wurde, um 900 K bewegen. Die genauen Erhebungen
über den Wert der Aktien aus den Büchern der Orient-Bahn-Gesellschaft haben
einen Wert von 1019 Kronen per Aktie ergeben. Hiebei ist auf der Aktivseite der
Wert der Konzession nach dem Ablösungsmodus berechnet, den Bulgarien bei
der letzten Verstaatlichung angewendet hat, nämlich die Kapitalisierung des
Durchschnittes der 5-jährigen Betriebsergebnisse auf Basis von 5 %. Die Materi¬
alien und der Fahrpark sind mit Abstrichen von 20 und 50 % eingestellt. Auf der
Passivseite sind reichliche Summen für Kriegsschäden, für Abfertigungen an Be¬
amte und für Umbauten eingestellt, Die Berechnung ist in der gewissenhaftesten
Weise gemacht worden.

   Bezüglich des mit dieser Transaktion verbundenen Kapitalexportes ist zu be¬
merken, 1. daß eine möglichst lange Stundung der Auszahlung vorgesehen ist, 2.
daß unter den Aktiven der Gesellschaft sich 16 Millionen Kassa- und 5 Millionen
gangbare Effekten befinden, zusammen also 21 Millionen. 3. daß die Rücklösung
der Bahnlinie Adrianopel-Konstantinopel und der Konstantinopelstadtbahn, wel¬
che zusammen zirka 15 Millionen Kronen Wert haben dürften, durch die Deut¬
sche Bank vorgesehen ist und dieser Betrag in irgend einer Weise mit dem An¬
kaufspreis der in Rede stehenden Aktien saldiert werden wird.

   Das Verhältnis der Regierung zu der Gruppe der Käufer:
   Der Ausgangspunkt hiebei ist der, daß die Transaktion in Ausführung des Wun¬
sches der Regierungen erfolgte und die mit dem Besitze der Aktien verbundenen
Rechte sowohl politisch wie wirtschaftspolitisch, vor allem auch tarifpolitisch
nach Wunsch und im Aufträge der Regierung ausgeübt werden. Aus beiden Mo¬
menten, namentlich aus letzterem folgt der nicht unberechtigte Wunsch der ankau-
fenden Bankgruppe, gegen Verluste an Kapital und Zinsen geschützt zu werden.
   Demgegenüber haben in den bis nun stattgefündenen Konversationen die be¬
teiligten Zentralstellen den Standpunkt eingenommen, daß der Wunsch, in beiden
Richtungen (Kapital und Zinsen) Sicherungen vor Verlusten zu erhalten, zwar
berechtigt, mit Rücksicht jedoch darauf, daß diese Transaktion Ansätze zu einem
grossangelegten Geschäfte biete, diese Zusicherungen auf ein beschränktes Maß
reduziert werden müssen.
<pb/>Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 4. 1913  571

   Infolgedessen wird die Anteilnahme der Regierungen an einem Kapitalsverlu¬
ste, der aus einer der kalkulierten gegenüber ungünstigeren Einlösung der Be¬
triebsrechte erfolgen konnte, im Falle der Einlösung des ganzen Netzes mit 5
Millionen Kronen limitiert; ferner wird der Zinsenzuschuß der Regierung für den
Fall des ständigen Fortbetriebes der gesamten Strecken oder eines betriebsfähi¬
gen Ensembles auf 2 % des darauf entfallenden Kapitals beschränkt, falls das
Rendement nicht 5 % ausmachen würde.

   Auf dieser Basis liegt ein Vertragsentwurf vor, der außer obigen Bestimmun¬
gen folgende Mittel voraussieht, um die Transaktion zu ermöglichen:

   1. Eine Bareinlage. Diese ist gedacht mit 5 Millionen unverzinslich oder 8
Millionen mit 2 % Verzinsung.

   2. Bis zu der Neuregelung der Angelegenheiten der Bahn mit den Balkanstaa¬
ten eine Garantie der Zinsen des ausgelegten Betrages mit 5 %.

   3. Falls diese Neuregelung bis Ende des Jahres 1917 nicht erfolgt, eine endgil-
tige Regelung des Verhältnisses zwischen der Regierung und der Bankgruppe
und zwar nach einer dreifachen Alternative in der Wahl der Regierungen:

   a) die Rücknahme der Aktien durch die Regierungen, b) die dauernde Zusiche-
mng einer 5 %igen Garantie für die Konzessionsdauer, c) eine weitere Prämie,
mit der sich die Regierungen von allen ihren Pflichten liberieren. Zu diesem gan¬
zen Finanzplane ist zu bemerken, daß das Einkommen der Orientbahn-Betriebs-
Gesellschaft im Jahre 1911 10 % des Aktienkapitals ergeben hat, wobei allerdings
eine geringere Dividende ausgeschüttet wurde, indem ein großer Betrag in Reser¬
ve gestellt worden ist.

        Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. April 1913

   RS. (und RK.)
   Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. v.
Lukäcs, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Ritter v. Bilinski (19. 5.), der k. u. k. Kriegsmini¬
ster FZM. Ritter v. Krobatin (20. 5.).
   Protokollführer: Generalkonsul Joannovics.
   Gegenstand: Ankaufder Mehrheit derAktien der bosnisch-herzegowinischen Waldabstockungs-
gesellschaft.

   KZ. 27 - GMKPZ. 505
   Protokoll des zu Wien am 21. April 1913 abgehaltenen Ministerrates für ge¬
meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses
und des Äußern Grafen Berchtold.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung um 10 &#39;A Uhr vormittags mit der
Mitteilung, daß seitens des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers ein Antrag we¬
gen Ankaufs der in Händen des Kommerzienrates Otto v. Steinbeis befindlichen
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