MRP-2-0-06-0-19130216-P-0039.xml

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Gemeinsamer Ministerrat, 1913-02-16; 1913-02-17

I. Programm für die Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zu den Balkanstaaten

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z39.pdf.

550 Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913

   Nachdem der Vorsitzende nochzur Erwägung gestellt hat, ob die jetzt
freien Stapel, wenn schon nicht zum Baue eigener, so doch zu dem anderer Schif¬
fe benützt werden sollten, um zu verhüten, daß sich unsere geschulten Arbeiter
nach Italien begeben, um auf den dortigen Werften Beschäftigung zu suchen,
wird die Sitzung um `A 3 Uhr nachmittags geschlossen.

                                                                                             Berchtold

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 21. Februar 1913. Franz Joseph.

  Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. Februar 1913

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident v.
Lukäcs, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Dr. Ritter v. Bilinski (19. 7.), der k. u. k. Knegsmi-
nister FZM. Ritter v. Krobatin (31. 7.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski, der k. k. Eisen¬
bahnminister Dr. Freiherr v. Förster, der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der kgl. ung. Han¬
delsminister Dr. v. Beöthy, der kgl. ung. Ackerbauminister Dr. Graf Szerenyi, der k. k.
Handelsminister Dr. Schuster Edler v. Bonnott, der k. k. Ackerbauminister Zenker, der k. u. k. Sek¬
tionschef im k. u. k. Ministerium des Äußern Dr. Graf v. Wickenburg.
     Schriftführer: k. u. k. Generalkonsul Simon Joannovics.
     Gegenstand: Programm für die Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zu den Balkanstaaten.

    KZ. 43 - GMKPZ. 503
    Protokoll des zu Wien am 16. und 17. Februar 1913 abgehaltenen Ministerra¬
tes für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k.
Hauses und des Äußern Grafen Berchtold.

    Den Beratungen liegt das sub 1) anverwahrte ,,Programm für die wirtschaftli¬
chen Vereinbarungen mit den Balkanstaaten" zu Grunde, in welchem das Ergeb¬
nis jener kommissionellen Verhandlungen zusammengefaßt ist, die im Aufträge
des k. u. k. Ministers des Äußern und der beiden Ministerpräsidenten im k. u. k.
Ministerium des Äußern unter Zuziehung von Vertretern der beiden Regierungen
stattgefunden haben, um die Maßnahmen zu erwägen und einvemehmlich festzu¬
 setzen, welche der Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Monarchie ange¬
 sichts der geänderten Verhältnisse auf der Balkanhalbinsel erheischen könnte.3,1

         Liegt als Beilage 1 dem Originalprotokoll bei.

         Ein Protokoll der Verhandlungen konnte nicht gefunden werden. Das Konzept zu Beilage 1
         dieses gemeinsamen Ministerrates mit den Vorläuferakten in HHStA., Admin. Reg., F 37,
         Karton 88, Der Balkankrieg und seine Handelspol. Folgen 1913/14, Fasz. Wirtschaftliches
         Programm.
<pb/>Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913  551

   I. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung am 16. Februar 1913 um 11
Uhr vormittags2 und erklärt einleitend, daß bezüglich einiger Punkte dieses Pro¬
grammes in den Referentenverhandlungen das Einvernehmen nicht erzielt wer¬
den konnte, weshalb sich die Notwendigkeit ergeben habe, die Entscheidung über
diese Punkte dem gemeinsamen Ministerrate vorzubehalten. Der Vorsitzende er¬
sucht, in die Beratung dieser noch unerledigt gebliebenen Punkte einzugehen und
bringt den ersten Punkt zur Sprache.

   Dieser betrifft die Regelung des Viehverkehres mit Montenegro im Falle des
Abschlusses einer Zollunion mit diesem Staate. Der Vorsitzende ersucht die bei¬
den Ackerbauminister, sich zu diesem Punkte zu äußern.

   Der kgl. ung. Ackerbauminister erklärt sich bereit, in die
Zollunion mit Montenegro einzuwilligen, vorausgesetzt, daß der Verkehr mit Tie¬
ren beschränkt bleibe. Er stellt daher folgenden Antrag: ,,Hinsichtlich der Zulas¬
sung lebender Rinder und Schafe aus Montenegro wird in einer diesbezüglichen
Vereinbarung eine entsprechende Garantie aufzunehmen sein, daß die Bestim¬
mungen des geltenden Handelsvertrages nicht überschritten werden.&quot;

   Der k. k. Ackerbauminister bemerkt hiezu, daß sich in wirt¬
schaftlicher Beziehung die Bedeutung der Vieheinfuhr aus Montenegro auch im
Falle des Abschlusses einer Zollunion gegenüber dem heutigen Zustande kaum
wesentlich ändern werde, weil Montenegro nicht genügend Vieh besitze, um
selbst das ihm im geltenden Handelsverträge gewährte Kontingent voll auszunüt¬
zen. Eine praktische Wirkung würde daher durch den Antrag des kgl. ung. Acker¬
bauministers kaum erzielt werden. Dagegen ergeben sich gegen diesen Antrag
insofeme prinzipielle Bedenken, als die Beschränkung der Einfuhr auf ein be¬
stimmtes Kontingent dem Wesen einer Zollunion widerspreche. Die Festsetzung
eines Einfuhrkontingentes verfolge lediglich den Zweck, jenes Quantum ziffer¬
mäßig zu bestimmen, welches zollfrei eingefuhrt werden könne. Es sei auch heute
nicht ausgeschlossen, unter Wahrung der veterinärpolizeilichen Gesichtspunkte
gegen Erlag des Zolles aus Montenegro lebendes Vieh über das im Handelsver¬
träge bestimmte Kontingent hinaus einzufuhren. Die Festsetzung eines Kontin¬
gentes sei daher, nachdem durch den Abschluß einer Zollunion die Entrichtung
des Einfuhrzolles entfallen würde, nicht mehr gerechtfertigt.

   Zur Frage der Zollunion selbst äußert sich der k. u. k. gemeinsame
Finanzminister dahin, daß eine so enge wirtschaftliche Verbindung mit
Montenegro allein keine nennenswerten Vorteile böte und politisch nur Anlaß zu
Verdächtigungen geben würde.

   Nachdem auch seitens der k. k. und der kgl. ung. Regierung der Abschluß einer
Zollunion mit Montenegro allein als wirtschaftspolitisch wenig relevant bezeich¬
net wird und die Durchführung dieser Idee hauptsächlich vom politischen Stand¬
punkte zu beurteilen ist, einigt sich der Ministerrat angesichts der erheblichen

Die Handelsbeziehungen zu den Balkanstaaten waren zuletzt zur Sprache gekom¬
men in GMR. v. 28. 2. 1910, GMCPZ. 479.
<pb/>552 Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913

Schwierigkeiten, welcher die Durchführung der Zollunion mit Montenegro unter
den gegenwärtigen Verhältnissen begegnen würde, auf Folgendes:

   Da vorläufig den wirtschaftlichen Interessen der Monarchie in Montenegro
durch den in Geltung stehenden Handelsvertrag in genügendem Maße Rechnung
getragen ist, wird die Frage des Abschlusses einer Zollunion mit diesem Staate
bis auf weiteres in suspenso gelassen und späteren Verhandlungen Vorbehalten,
für den Fall, als Gründe der auswärtigen Politik dies erheischen sollten.

   II. Die übrigen in den kommissionellen Verhandlungen unerledigt gebliebenen
Punkte betreffen in der Hauptsache die Regelung des wirtschaftlichen Verhältnis¬
ses zu Serbien, und zwar die Erhöhung der Kontingente für geschlachtete Tiere,
die Herstellung des Eisenbahnanschlusses von Uzice nach Vardiste und die Schaf¬
fung eines Einfuhrscheinverfahrens für Getreide und Mehl.

   Auf die mit der k. k. Regierung geführten internen Verhandlungen Bezug neh¬
mend, erklärt der kgl. ung. Ackerbauminister, daß die kgl. ung.
Regierung im Zusammenhänge mit der vereinbarten Regelung der Frage der Ka-
schau-Oderbergerbahn die Verpflichtung übernommen habe, die von Rumänien
nicht ausgenützten Kontingentreste im Wege des handelspolitischen Ermächti¬
gungsgesetzes auf einen anderen Staat (Serbien) zu übertragen. Die seither einge-
tretenen politischen Verhältnisse ließen es angezeigt erscheinen, diese Übertra¬
gung nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, auf autonomen Wege, sondern durch
einen mit Serbien zu vereinbarenden neuen Handelsvertrag gegen entsprechende
Zugeständnisse serbischerseits vorzunehmen. Ungarischerseits sei demgemäß
der Wiederherstellung des Handelsvertrages vom Jahre 1908 zugestimmt wor¬
den, welcher Serbien ein Kontingent von 35 000 Rindern und 70 000 Schweinen
gewähre und andererseits besonders der österreichischen Industrie erhebliche
Vorteile biete.

    Der Berechnung der voraussichtlichen Exportfahigkeit Rumäniens sei ungari¬
scherseits eine progressive Skala zu Grunde gelegt worden, wonach die Einfuhr
von Rindern aus Rumänien jährlich um 4000 Stück, jene von Schweinen um
20 000 Stück zunehmen dürfte. Dies vorausgesetzt, ergebe sich, wenn Serbien die
Kontingente aus dem Vertrage des Jahres 1908 erhielte, nach der sub 2) anver¬
wahrten Tabelleb3 für die letzten fünf Jahre der laufenden Vertragsperiode eine
Überschreitung des Rinderkontingentes um insgesamt 48 000 Stück (100 000
serbische Rinder statt 52 000 rumänischen), dagegen ein Gesamtdefizit von
190 000 Schweinen (100 000 serbischen Schweinen statt 290 000 rumänischen).
Mit Umrechnung der Überschreitung bei Rindern unter Zugrundelegung des
Schlüssels: 3 Schweine = 1 Rind, verbliebe noch ein Defizit von 46 000 Schwei¬
nen. Die kgl. ung. Regierung ersuche die k. k. Regierung angesichts der übrigen

         Liegt als Beilage 2 dem Originalprotokoll bei.

         Siehe hierzu auch eine ähnliche Berechnungstabelle in Fa., FM., allg., Z. 45289/1913.
<pb/>Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913  553

Vorteile, die ihr der Handelsvertrag vom Jahre 1908 bringe, auf dieses Quantum
zu verzichten und sich demnach mit der einfachen Wiederherstellung dieses Ver¬
trages zu begnügen, da es der kgl. ung. Regierung unmöglich wäre, sich noch
weiter von den im geheimen Zusatzverträge vom Jahre 1909 gezogenen Grenzen
zu entfernen.

   Der k. k. Ackerbauminister fuhrt dem gegenüber aus, daß der
geheime Zusatzvertrag vom Jahre 1909 durch die späteren Abmachungen mit der
kgl. ung. Regierung schon überholt sei; denn einerseits sei mit Serbien seither ein
Handelsvertrag unter Gewährung von Kontingenten abgeschlossen worden, ande¬
rerseits seien mit der kgl. ung. Regierung, ausgehend von dem Wunsche nach
Zulassung des argentinischen Fleisches und im Zusammenhänge mit den Eisen-
bahnffagen fixe Abmachungen bezüglich der Ausnützung der Kontingente getrof¬
fen worden, welche die kgl. ung. Regierung durch Einbringung des § 2 zum han¬
delspolitischen Ermächtigungsgesetze zu honorieren im Begriffe gewesen sei.

   Wenn nun der mit Serbien zu vereinbarende neue Handelsvertrag die Durch¬
führung des § 2 des ungarischen Ermächtigungsgesetzes zu ersetzen berufen sei,
so können die Zugeständnisse Ungarns im Rahmen dieses Vertrages auf keinen
Fall geringer sein, als diejenigen, welche Österreich erhalten hätte, wenn der § 2
durchgefuhrt würde. Die Wiedergewährung des Rinderkontingentes von 35 000
Stück an Serbien entspreche ungefähr dieser Anforderung, weshalb österreichi-
scherseits bei Rindern keine weiteren Ansprüche erhoben werden. Dagegen
könnte sich die k. k. Regierung keinesfalls mit einem Kontingente von 70 000
Schweinen begnügen, weil dieses weit hinter den ungarischerseits in den internen
Verhandlungen übernommenen Verpflichtungen zurückstehe. Die ungarische Be¬
rechnung der voraussichtlichen Exportfähigkeit Rumäniens sei viel zu optimi¬
stisch; aber selbst wenn man diese Berechnung annehmen wollte, ergebe sich für
Österreich für die restliche Vertragsperiode noch immer ein Anspruch auf insge¬
samt 346 000 Schweine oder auf 69 000 Schweine jährlich, wogegen Ungarn
bloß 20 000 einräume.

   Nach eingehenden Erörterungen des Umstandes, daß ein variables, von der
eventuellen größeren oder geringeren Exportfahigkeit Rumäniens abhängiges
Kontingent keine geeignete Grundlage für die Verhandlungen mit Serbien biete,
erklärt sich die k. k. Regierung bereit, statt des variablen ein fixes Kontingent zu
bestimmen, und zwar im Zusammenhänge mit den beiden anderen pendenten
Fragen (Anschluß Uzice-Vardiste, Einfuhrscheine) und in folgender Weise:

   1. Bestimmung von fixen Ziffern für die Serbien zu gewährenden Kontingente,
und zwar 35 000 Rinder und 90 000 Schweine jährlich, womit jene Ansprüche
erschöpft wären, welche die k. k. Regierung aus den Titel der internen Vereinba¬
rungen mit der kgl. ung. Regierung zu stellen hätte;

   2. Forderung der Herstellung des Eisenbahnanschlusses Uzice-Vardiste von
Serbien;

   3. Ausschaltung das Einfuhrscheinverfahrens für Getreide und Mehl aus den
Verhandlungen mit den Balkanstaaten.
<pb/>554 Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913

    Dieser Antrag der k. k. Regierung leitet die Diskussion auf die Frage des Ei¬
senbahnanschlusses Uzice-Vardiste hinüber.

    Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister bittet, diesen
Punkt jedenfalls in das Programm der Verhandlungen mit Serbien aufzunehmen.
Im bosnischen Eisenbahnprogramm sei für die Strecke Arzano-Bugojno entge¬
gen anderen Wünschen die Schmalspur ausdrücklich damit begründet worden,
daß hiedurch der direkte Transit aus Serbien ermöglicht werden soll. Wenn der
Anschluß Uzice-Vardiste unterbliebe, so sei dieser direkte Verkehr unmöglich
und der Wert der bosnischen Transversalbahn, sowie deren Rentabilität in Frage
gestellt, was auch Ungarn nicht gleichgiltig sein könne, da es ja an den bosni¬
schen Bahnen quotenmäßig beteiligt sei. Die bosnisch-herzegowinische Verwal¬
tung aber müsse größten Wert darauf legen, daß die Landesbahnen nicht passiv
bleiben.

   Der k. k. Ministerpräsident schließt sich dieser Auffassung an.
Die schmalspurige Transversallinie in Bosnien sei nur dann gerechtfertigt, wenn
sie vollkommen ausgebaut würde, mit den Anschlüssen an Serbien einer- und
nach den dalmatinischen Häfen andererseits. Die k. k. Regierung müßte daher
einen Vertrag mit Serbien als unvollkommen bezeichnen, welcher die Verbin¬
dung Uzice-Vardiste nicht sicherstellt.

   Ungarischerseits wird erklärt, daß man gegen die Herstellung dieses Anschlus¬
ses keine Einwendung erheben werde, falls er serbischerseits gewünscht würde,
daß man aber dem nicht zustimmen könne, daß dieser Anschluß von Serbien ge¬
fordert und um den Preis besonderer Zugeständnisse erkauft werde, weil hiemit
eine Konkurrenz für die ungarischen Bahnen geschaffen werde.

   Bezüglich des Einfuhrscheinverfahrens für Getreide und Mehl bemerkt der
Vorsitzende, daß diese Maßregel als Konzession für die Balkanstaaten
gedacht sei, um hiedurch deren wirtschaftliche Annäherung an die Monarchie zu
fördern. Die Balkanstaaten, deren Getreideproduktion infolge der sehr erhebli¬
chen Gebietserweiterungen steigen werde, dürften eine Maßregel, die ihren Ge¬
treideabsatz unter besseren Bedingungen ermöglicht als bisher, entsprechend zu
würdigen wissen. Es wäre ihnen hiemit die Möglichkeit gegeben, die höheren
Getreidepreise Österreich-Ungams auszunützen, was bisher nur ganz ausnahms¬
weise bei besonders schlechten Ernten in der Monarchie geschehen konnte. Wür¬
de das Getreide der Balkanländer nicht durch die Mühlen in Österreich-Ungarn
herangezogen werden können, so dürfte sich in den Balkanländem selbst eine
leistungsfähige Mühlenindustrie entwickeln, deren Prosperieren dank der we¬
sentlichen Vergrößerung des Getreideproduktionsgebietes und des Absatzgebie¬
tes für Mehl die günstigsten Vorbedingungen vorfinde. Die in dieser Hinsicht
vollständig identischen Interessen der einzelnen Balkanstaaten auf einem für sie
so wichtigen Gebiete der Volkswirtschaft, wie es die Produktion und der Absatz
von Getreide und Mehl sind, könnten mit der Zeit zu einer wirtschaftlichen An¬
näherung zwischen diesen Staaten selbst führen, die sich allmählich auch auf
andere Gebiet der wirtschaftlichen Betätigung erstrecken und schließlich zur
<pb/>Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913  555

Zollunion verdichten könnte. Dieser für die wirtschaftlichen Interessen der Mon¬
archie bisher immer als nachteilig erkannten Entwicklung rechtzeitig durch die
Anbahnung einer wirtschaftlichen Annäherung der Balkanstaaten an die Monar¬
chie vorzubeugen, sei der Zweck, welcher der Beantragung der Gewährung des
Einfuhrscheinverfahrens an die Balkanstaaten zu Grunde liege.

   Der k. k. Ackerbauminister verweist den vorstehenden Ausfuh-
rungen gegenüber auf den Umstand, daß die kgl. ung. Regierung trotz des we¬
sentlichen Interesses der ungarischen Mühlenindustrie nicht darauf dringe, daß
den Balkanstaaten das in Rede stehende Zugeständnis angeboten werde, weil sie
den Widerstand der ungarischen Agrarier fürchte. Es sei nicht anzunehmen, daß
die Balkanstaaten an diesem Zugeständnisse ein besonderes Interesse hätten, weil
es kraft der Meistbegünstigung anderen, ungleich mehr Getreide produzierenden
Ländern (Rumänien, Rußland) in weit höherem Maße zugute käme, wodurch ge¬
rade dem Getreideexport der Balkanländer eine Konkurrenz erwachsen würde.

   Da dieses Zugeständnis demnach nicht auf die Balkanstaaten allein beschränkt
bliebe, würde es auch seinen Zweck der wirtschaftlichen Annäherung nicht erfül¬
len. Es sei daher zu erwägen, ob es nicht viel zweckmäßiger wäre, sich das Zuge¬
ständnis des Einfuhrscheinsystems für künftige Vertragsverhandlungen mit sol¬
chen Staaten aufzubewahren, denen gegenüber diese Begünstigung eine viel
größere Kaufkraft hätte, als für die Balkanstaaten. Aber auch aus inneren wirt¬
schaftlichen und politischen Gründen erscheine der k. k. Regierung die Schaf¬
fung des Einfuhrscheinsystems für Getreide und Mehl bedenklich. Es müsse an
die seit Jahrzehnten bestehende Bewegung gegen die zunehmende Überflutung
des österreichischen Marktes mit ungarischem Mehl erinnert werden, wodurch
die österreichische Mühlenindustrie in eine immer schwierigere Lage gerate und
hiemit auch die inländische Nachfrage nach Mahlgetreide abgeschwächt worden
sei.

   Bis heute sei es nicht gelungen, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen. Die im
Jahre 1899 von beiden Regierungen verfügte und im Ausgleichsgesetze vom Jah¬
re 1907 sanktionierte Aufhebung des Mahlverkehres habe die gewünschte Reme-
dur nicht geschaffen, vielmehr wurden seitens der Mühlenindustrie und der land¬
wirtschaftlichen Kreise noch weitere Maßregeln gefordert, als: Regelung der
Eisenbahn- und Schiffahrtstarife für Mehl und Getreide, Beseitigung der langfri¬
stigen Mehlvorausverkäufe, Durchführung der im Ausgleiche vom Jahre 1907
ausbedungenen Reform des Geschäftsverkehres an der Budapester Börse. Auch
wurde in den weiteren diesfalls zwischen den beiden Regierungen geführten Ver¬
handlungen die Frage der Einführung des Einführscheinsystems für Getreide und
Mehl mit der Forderung nach Neugestaltung des gesamten, auch des industriellen
Veredlungsverkehres in Verbindung gebracht und es seien die diesbezüglichen
Verhandlungen noch nicht zum Abschlüsse gelangt. Es wäre der k. k. Regierung
daher unmöglich, das dem Mahlverkehr verwandte, wenn auch verbesserte Sy¬
stem der Einfuhrscheine für Getreide und Mehl, durch welches kraft der den un¬
garischen Müller hieraus erwachsenden Exportgewinne eine weitere Steigerung
<pb/>556 Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913

der Ausfuhr von Mehl aus Ungarn nach Österreich verursacht würde, einzufuh-
ren, ohne daß die eben erwähnten Abhilfe- beziehungsweise Milderungsmaßnah¬
men gleichzeitig zur Durchführung gelangen.

   Die k. k. Regierung sei demzufolge zwar bereit, die internen Verhandlungen
mit der kgl. ung. Regierung über diese Maßnahmen fortzusetzen, müsse sich aber
den befriedigenden Abschluß dieser Verhandlungen Vorbehalten, ehe den Balkan¬
staaten ein Anbot bezüglich des Zugeständnisses der Einfuhrscheine gemacht
würde.

   Ungarischerseits wird dem gegenüber erklärt, daß man in der Frage der Eisen¬
bahn- und Schiffahrtstarife zu einem Entgegenkommen bereit wäre; die Erweite¬
rung des Veredlungsverkehrs könnte man jedoch auf keinen Fall vor dem neuen
Ausgleiche in Erwägung ziehen, während andererseits die Durchführung der
Börsenreform dermalen den größten Schwierigkeiten begegne. Unter Vorausset¬
zung der Ausschaltung der beiden letzterwähnten Fragen hätte die kgl. ung. Re¬
gierung keine Einwendung dagegen, daß das Zugeständnis des Einfuhrscheinver-
kehrs für Getreide in den Verhandlungen mit den Balkanstaaten zur Sprache
gebracht werde, doch müsse sie das österreichischerseits aufgestellte Junktim ab¬
lehnen.

   Unter Feststellung der sich aus den Erklärungen der beiden Regierungen erge¬
benden Differenzen wurde die Sitzung am 16. Februar um 7 Vi Uhr abends ge¬
schlossen und die Fortsetzung der Beratungen für den 17. Februar 4 Uhr nachmit¬
tags anberaumt.

   Bei Wiederaufnahme der Beratungen am 17. Februar lenkt der Vorsit¬
zende die Aufmerksamkeit der beiden Regierungen auf den Umstand, daß die
politische Situation Serbien gegenüber für die Aufnahme der wirtschaftlichen
Verhandlungen gegenwärtig günstige Chancen biete, weil Serbien mit der Türkei
noch im Kriege stehe, mit seinen Verbündeten in äußerst schwierige Verhandlun¬
gen über die Teilung der eroberten Gebiete verwickelt und rücksichtlich der Er¬
füllung gewisser politischer Wünsche an das Entgegenkommen Österreich-Un¬
gams gewiesen sei. Es wäre daher, um diese Situation ausnützen zu können ein
rasches Einvernehmen zwischen den beiden Regierungen über die strittigen Fra¬
gen sehr erwünscht, damit die Gmndlagen für die Verhandlungen mit Serbien
endgiltig fixiert werden. Zu diesem Zwecke stellt der Vorsitzende einen Kompro¬
mißantrag zu den schwebenden drei Hauptfragen: Kontingente, Eisenbahnan¬
schluß Uzice-Vardiste und Einführscheine, dessen Details der Beilage 3 zu ent¬
nehmen sind.0

   Die Mitglieder der beiden Regierungen ziehen sich hierauf zur gesonderten
Beratung über diesen Kompromißantrag zurück.

   Nach Beendigung dieser internen Beratungen wird Nachstehendes erklärt:

        Liegt als Beilage 3 dem Originalprotokoll bei.
<pb/>Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913  557

   Ungarischerseits wird die Erhöhung des serbischen Kontingentes über die im
1908er Vertrage festgesetzte Einfuhrsmenge von 70 000 Schweinen aufjährlich
85 000 Schweine unter der Bedingung zugestanden, daß die über das Schweine¬
kontingent des 1908er Vertrages gehenden jährlich 15 000 Schweine nur in dem
Falle gewährt werden, wenn die für Ungarn vorteilhaften Tarifsätze des 1908er
Vertrages keine Verschlechterung erleiden. Außerdem muß gesichert werden, daß
die Einfuhr von bulgarischem und montenegrinischen Vieh die in den geltenden
Verträgen fixierte Stückzahl nicht übersteigen werde und daß rücksichtlich der
Vieheinfuhr aus Montenegro die Verwendungsmodalitäten und das Konsumge¬
biet keine Abänderung erfahren werden.

   Dem Vermittlungsvorschlage des Vorsitzenden betreffend die Herstellung des
Eisenbahnanschlusses zwischen Uzice und Vardiste stimmt die kgl. ung. Regie¬
rung mit dem Zusatze zu, daß, insofeme die Vereinbarung hierüber innerhalb der
durch den Ministerrat für die Zugeständnisse an Serbien zu bestimmenden Gren¬
zen nicht zustande käme, behufs Ermöglichung des Vertragsabschlusses mit Ser¬
bien vorerst die Forderung dieses Eisenbahnanschlusses aufzugeben wäre.

   Bezüglich des Mahlverkehres endlich verbleibt die kgl. ung. Regierung auf
ihrem bereits gekennzeichneten Standpunkte.

   Die k. k. Regierung erklärt sich bereit, den Vermittlungsvorschlag des Vorsit¬
zenden betreffend die Kontingente grundsätzlich in der nachstehenden Fassung
anzunehmen:

   ,,Das Serbien zu gewährende fixe Kontingent wird mit 35 000 Rindern und
80 000 Schweinen jährlich festgesetzt. Falls aber die Serbien und Rumänien ge¬
währten Kontingente in ihrer Gesamtheit trotz der eingetretenen Erhöhung des
serbischen Schweinekontingentes nicht voll ausgenützt werden sollten, so wird
die kgl. ung. Regierung, so wie es im § 2 des zwischen beiden Regierungen ver¬
einbarten Entwurfes des Ermächtigungsgesetzes vorgesehen ist, für die Jahre
1913 bis 1917 inklusive es ermöglichen, daß die volle Deckung des von Rumäni¬
en nicht ausgenützten Kontingentes durch die Einführ von Schweinen aus Serbi¬
en stattfinde. Sobald die kgl. ung. Regierung eine Erklärung obigen Inhaltes in
einem besonderen Protokolle abgegeben haben wird, wird der Ratifizierung des
Eisenbahnübereinkommens nichts mehr im Wege stehen.&quot;

   Im Zusammenhänge hiemit besteht jedoch die k. k. Regierung auf der Annah¬
me der Forderung betreffend den Eisenbahnanschluß Uzice-Vardiste in der ihrer¬
seits vorgeschlagenen Fassung, welche folgendermaßen lautet:

   ,,Bei den Verhandlungen mit Serbien ist die Herstellung des Eisenbahnan¬
schlusses zwischen Uzice und Vardiste zur Sprache zu bringen und dahin zu wir¬
ken, daß gegen Herstellung aller erforderlichen Vorkehrungen im Endhafen auf
österreichische Kosten serbischerseits für die Herstellung dieses Anschlusses
binnen einer bestimmten Frist (etwa drei Jahre) sowie für den Abschluß entspre¬
chender Tarifvereinbarungen sichere Garantien gegeben werden. Das serbischer¬
seits diesbezüglich zu übernehmende Engagement soll mit keinen besonderen
Zugeständnissen bezahlt werden.&quot;
<pb/>558 Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913

   Bezüglich des Zugeständnisses des Einfuhrscheinverfahrens für Getreide und
Mehl an die Balkanstaaten erklärt die k. k. Regierung, aus den bereits angegebe¬
nen Gründen auf ihren in der Sitzung vom 16. Februar formulierten Reserven zu
beharren. Sie sei bereit, die Verhandlungen hierüber mit der kgl. ung. Regierung
fortzusetzen und nehme zur Kenntnis, daß ungarischerseits zunächst ein Entge¬
genkommen in der Tarifffage möglich sei, daß aber die anderen Fragen längerer
Verhandlungen bedürfen und daß Ungarn speziell einem erweiterten Veredlungs¬
verkehre nicht vor dem neuen Ausgleiche werde zustimmen können. Bezüglich
der Börsenreform wäre der k. k. Regierung zum mindesten eine entgegenkom¬
mende Erklärung ungarischerseits erforderlich, wann die kgl ung. Regierung das
diesbezüglich im letzten Ausgleiche übernommene Obligo zu erfüllen beabsich¬
tige.

   Die Bemühungen des Ministerrates sind nun dahin gerichtet, einen Ausgleich
der nach den Erklärungen der beiden Regierungen noch erübrigenden Differen¬
zen herbeizuführen.

   Nachdem ungarischerseits der Besorgnis Ausdruck gegeben wurde, daß Serbi¬
en für die Verpflichtung zur Herstellung des Eisenbahnanschlusses Uzice-Vardiste
noch weitere Forderungen und zwar speziell hinsichtlich der Erhöhung der zuge¬
standenen Fleischkontingente stellen könnte, erklärt der Vorsitzende,
daß über das zu vereinbarende Kontingentmaximum nicht hinausgegangen wer¬
den wird.

   Diese Erklärung wird seitens der beiden Regierungen mit dem Bemerken zur
Kenntnis genommen, daß sie gleichfalls wegen Erhöhung der zu vereinbarenden
Kontingente in Verhandlungen nicht eintreten werden.

   Demzufolge erklärt die kgl. ung. Regierung, daß sie den ihrerseits beantragten
Zusatz betreffend den Eisenbahnanschluß Uzice-Vardiste fallen lasse und die
Formel der k. k. Regierung annehme.

   Im Zusammenhänge hiemit einigen sich die beiden Regierungen schließlich
auf ein fixes Schweinekontingent von 85 000 Stück jährlich für Serbien mit dem
ausdrücklichen Vorbehalte österreichlscherseits, daß, im Falle der Handelsver¬
trag mit Serbien nicht zustande käme, selbstverständlich die ungarischerseits im
Eisenbahnübereinkommen übernommene Verpflichtung zur Kontingentsübertra¬
gung vollinhaltlich aufrecht bleibe.

   Bezüglich der Einführscheine endlich wird vereinbart, daß für den Fall als
seitens der Balkanstaaten im Laufe der Verhandlungen eine diesbezügliche For¬
derung gestellt werden sollte, diese Forderung lediglich ad referendum zu neh¬
men sein werde, ohne daß die Unterhändler vorläufig ermächtigt wären, diesbe¬
züglich eine Erklärung abzugeben.

   In diesem Falle werden sich die Regierungen neuerdings mit dieser Frage zu
befassen haben.
<pb/>Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913  559

   III. Die k. k. Regierung hat zu dem sub 1) beiliegenden ,,Programm&quot; einige
Ergänzungs- beziehungsweise Abänderungsanträge gestellt, welche in (der sub 4)
anverwahrten Drucksache (rechte Kolonne) verzeichnet sindd. Der Ministerrat
tritt in die Erörterung dieser Anträge ein.

   Der Abänderungsantrag zu Abschnitt A, Punkt 2 a) (Vereinbarungen mit Ser¬
bien, Wiederherstellung des Handelsvertrages vom Jahre 1908) wird in der öster-
reichischerseits beantragten Fassung angenommen.

   Zu diesem Punkte beantragt der k. u. k. gemeinsame Finanz¬
minister, daß die zwischen Bosnien und der Herzegowina einer- und Serbi¬
en andererseits bereits bestehenden Erleichterungen im Grenzverkehre auch auf
die künftigen erweiterten Grenzen ausgedehnt werden mögen. Der Ministerrat
genehmigt diesen Antrag.

   Zu der Bemerkung der k. k. Regierung ad Punkt 2 b) a) auf Seite 3 betreffend
den Fall der Konstatierung einer Tierkrankheit bei einem durch die Monarchie
transitierenden Transporte von lebenden Tieren aus Serbien erklärt sich die kgl.
ung. Regierung bereit, die österreichischerseits verlangte Erklärung abzugeben,
so daß dieser Punkt durch den vorgesehenen Notenwechsel zwischen den beiden
Ackerbauministerien geregelt erscheint.

   Die österreichischen Abänderungsanträge der Beilage 1 zu diesem Punkte
(Regelung des Transits von lebenden Tieren aus Serbien, Seite 13 und 14) werden
angenommen.

   Die Fassung des Artikels II des Entwurfes der mit Serbien zu treffenden Ver-
einbamng über die Dauer der neuen Abkommen (Beilage 2 des ,,Programmes&quot;,
Seite 15), wonach die in Artikel I enthaltenen Bestimmungen über Verlangen
eines der vertragschließenden Teile in den neuen Vertrag übernommen werden
sollen, um die Fortdauer der von Serbien erhaltenen Zugeständnisse über das
Jahr 1917 hinaus zu ermöglichen, wird für bedenklich erachtet, weil Österreich-
Ungarn sich hiedurch auch rücksichtlich der Serbien gewährten Zugeständnisse
für die ganze nächste Vertragsperiode im vorhinein binde und daher der Möglich¬
keit beraubt werde, diese Zugeständnisse in den künftigen Verhandlungen mit
anderen Staaten, welche gleichfalls Interesse daran hätten, als Konzession zu ver¬
werten. Der Ministerrat beschließt daher, diesen Punkt zu reservieren.

   Ad Punkt 3 a) (Vereinbarungen mit Bulgarien) entscheidet sich der Ministerrat
für die Beibehaltung der alten Fassung (linke Kolonne) mit dem Bemerken, daß
die Bestimmung der perzentuellen Ermäßigung der bulgarischen Einfuhrzölle der
Zoll- und Handelskonferenz Vorbehalten bleibe.

   Der Abänderungsantrag zu Punkt 3 b) (gewerblicher Rechtsschutz) wird ange¬
nommen. Desgleichen die Anträge ad Punkt 4 (Vereinbarungen mit Griechen¬
land) und zum Abschnitt Bla) (Linienprogramm).

   Zu Punkt II (Betriebs- und tarifpolitische Maßregeln) wird seitens des k. u. k.
gemeinsamen Finanzministers auf den Umstand hingewiesen, daß es gegenüber

d Liegt als Beilage 4 dem Originalprotokoll bei.
<pb/>560 Nr. 39 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. und 17. 2. 1913

Serbien von Wichtigkeit wäre, den Artikel XI der Eisenbahnkonvention vom Jah¬
re 1880 für die neuen Linien zu erhalten. Der Ministerrat beschließt demgemäß,
den ersten Absatz dieses Punktes mit dem Zusatz zu ergänzen:

   ,,Gegenüber Serbien wäre auf eine Ausdehnung der Konvention vom Jahre
1880 auf die neuen Linien hinzuwirken.&quot;

   Der österreichische Abänderungsantrag ad II c), Seite 8, wird einvemehmlich
wie folgt redigiert:

   ,,Die Bahnverwaltungen der beteiligten Staaten werden sechs Monate nach
Perfektionierung des vorliegenden Übereinkommens wegen Revision der beste¬
henden direkten Tarife zwischen Österreich-Ungarn einerseits und den Balkan¬
staaten andererseits in Verhandlungen treten, wobei als leitender Grundsatz dieser
Verhandlungen die Ausgestaltung und Förderung des wechselseitigen Verkehres
zu gelten hat. Insbesondere wird daran festzuhalten sein, daß durch die Verschie¬
bung der territorialen Verhältnisse keine Erhöhung gegenüber den geltenden Ta¬
rifen eintreten soll.&quot;4

   Der Zusatzantrag zu III b) (Wahrung der Rechte der in der Türkei bestehenden
Privatbahnen) wird angenommen. Desgleichen jener zu Abschnitt D (Freihafen
Salonik).

   Zum Abschnitt F (Tabakeinkauf) bemerkt der k. u. k. gemeinsame Finanzmi¬
nister, daß es der bosnisch-herzegowinischen Tabakregie bisher nicht möglich
gemacht wurde, mazedonische Rohtabake direkt zu beziehen, weshalb seinerseits
Wert darauf gelegt werden müsse, die für die Regien der beiden Staaten der Mon¬
archie zu erwirkenden Vorteile auch auf die bosnisch-herzegowinische Tabakre¬
gie auszudehnen.

   Der k. k. Finanzminister erklärt hiezu, daß es sich um die Wah¬
rung der Vorrechte handle, welche die k. k. und die kgl. ung. Tabakregie in der
Türkei auf Grund der alten Verträge genießen, weshalb es nicht anginge, die bos¬
nisch-herzegowinische Tabakregie in den bevorstehenden Verhandlungen mit
den Balkanstaaten über diesen Gegenstand als selbständige Kompaziszentin auf-
treten zu lassen. Dagegen würde es keinen Schwierigkeiten begegnen, die Wün¬
sche des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers in der Weise zu erfüllen, daß der
bosnisch-herzegowinischen Tabakregie der Bezug von mazedonischem Tabak
durch die Vermittlung der k. k. und der kgl. ung. Tabakregie ermöglicht würde,
was durch eine Vereinbarung zwischen den beteiligten Regien geregelt werden
müßte.

   Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister nimmt die vor¬
stehende Erklärung zur Kenntnis und teilt dem Ministerrate hierauf die weiteren
Wünsche der bosnisch-herzegowinischen Verwaltung mit, auf deren Geltendma-

        Die Frage einer Eisenbahnkonvention speziell mit Serbien kam erneut zu Sprache in GMR.
        v. 24. 5. 1914, GMKPZ. 511.
<pb/>Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1913                     561

chung bei den bevorstehenden Verhandlungen mit Serbien und Montenegro Wert
gelegt werde.5 Diese betreffen:

   a) die Drina-[Grenz-]Regulierung,
   b) die Regulierung der Grenze gegen den Sandschak,
   c) die Entwaffnung der Grenzbevölkerung und die Organisation der Gendar¬
merie in den an Bosnien grenzenden Gebieten,

   d) die Herstellung eines Eisenbahnanschlusses zwischen Loznica und Janja als
dem Endpunkte einer bosnischerseits über Bjelina zu führenden Anschlußbahn
an die ungarischen Eisenbahnen.

   Der Ministerrat nimmt diese Anträge mit dem Beifügen zur Kenntnis, daß die
sub a) und b) erwähnten Angelegenheiten bereits den Gegenstand von Verhand¬
lungen mit der serbischen Regierung bilden.

   Schließlich werden die österreichischen Abänderungsanträge zur Beilage 5
des ,,Programmes&quot;, betreffend die rücksichtlich des Tabakankaufes zu stellenden
Altemativforderungen zur Kenntnis genommen.

   Somit ergibt sich als Beschluß des Ministerrates das sub 5 anverwahrte ,,Pro¬
gramm für die wirtschaftlichen Vereinbarungen mit den Balkanstaaten&quot;, auf
Grund welches der Minister des Äußern ermächtigt wird, die Verhandlungen mit
den Regierungen der Balkanstaaten im geeigneten Zeitpunkte einzuleiten.6&#39;6

   Hieraufwurde die Sitzung am 17. Februar 1913 um 8 `A Uhr abends geschlos¬
sen.

                                                                                            Berchtold

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Bad Ischl, am 29. Juli 1913. Franz Joseph.

       Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. Februar 1913

   RS. (und RK.)
   Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh (4.4.), der k. u. k. Kriegsminister FZM.
Ritter v. Krobatin (5. 4.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski, der k. k. Eisenbahnminister Dr.
Freiherr v. Förster (5. 5.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. Teleszky, der kgl. ung. Handelsminister

       Liegt als Beilage 5 dem Originalprotokoll bei.

      Siehe dazu Schreiben (Abschrift) Potioreks an Bilihski v. 5. 1. 1913 mitfünfBeilagen, Ka.,
       Nachlaß Potiorek B/1503, Karton 2, Nr. 13.
       Am 16. 6. sowie 11. und 12. 7. 1913fanden wegen einer Revision des Handelsvertrages mit
      Serbien Zoll- und Handelskonferenzen statt. Das Protokoll der Konferenz v. 11. und 12. 7.
       1913 in HHSxA., Admin. Reg., F 37, Karton 85, Fasz. Serbien 6, Z. 48701/9aNr. 1740/1913.
      In der Zoll- imd Handelskonferenz v. 22. 6. 1914 wurde die Revision des Handelsvertrages
       mit Serbien fallengelassen, HHStA., Admin. Reg., F 34, Konferenzen Österreich-Ungarn,
       Karton 79, Z. 38.
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