MRP-2-0-06-0-19120502-P-0029.xml

|
[Tagesordnungspunkte]

Gemeinsamer Ministerrat, 2. 5. 1912

448 Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912

          Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. Mai 1912

    RS. (und RK)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh (10. 5.), der kgl. ung. Ministerpräsident
v. Lukäcs, der k. u. k. Kriegsminister GdI. Ritter v. Auffenberg, der k. u. k. gemeinsame Finanzmi¬
nister Ritter v. Bilinski (24. 5.), der k. k. Handelsminister Ritter v. Roessler (8. 6.), der k. k. Eisen¬
bahnminister Freiherr v. Förster, der kgl. ung. Finanzminister Teleszky, der kgl. ung. Handelsmini¬
ster v. Beöthy, der Sektionschef des k. k. Finanzministeriums Freiherr v. Engel.
    Protokollführer: Legationssekretär Alexander Graf Hoyos.
    Gegenstand: Bosnische Bahnen.

   keine KZ. - GMKPZ. 493
   Protokoll des zu Wien am 2. Mai 1912 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und
des Äußern Grafen Berchtold.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit der Mitteilung, Se. k. u. k.
apost. Majestät hätten ihn zu beauftragen geruht, eine gemeinsame Ministerkon¬
ferenz zum Zwecke der endgiltigen Beschlußfassung über das bosnisch-herzego-
winische Eisenbahnprogramm einzuberufen.1

   Indem er die Anwesenden begrüße, möchte er sie einleitend auf den hohen
Wert aufmerksam machen, den Se. Majestät vom Standpunkte der landesfürstli¬
chen Fürsorge für die einverleibten Ländergebiete und auch als oberster Kriegs¬
herr im Interesse der militärischen Schlagfertigkeit auf das Zustandekommen des
Eisenbahnprogrammes in jenen Ländern lege und daß der Ah. Herr die zuver¬
sichtliche Erwartung hege, daß in dieser Konferenz eine Einigung über den Ge¬
genstand erfolgen werde.

   Aus den Unterredungen, die GrafBerchtold über das Eisenbahnprogramm mit
dem Herrn gemeinsamen Finanzminister sowie den beiden Herren Ministerpräsi¬
denten gehabt habe, habe er allerdings die Überzeugung gewinnen müssen, daß
noch eine nicht unbedeutende Divergenz in den einschlägigen Anschauungen der
maßgebenden Faktoren bestehe. Diese Divergenzen seien jedoch nicht solcher
Art, als daß sie nicht eine Überbrückung denken oder hoffen ließen, er möchte
namentlich auf den glücklichen Umstand verweisen, daß die Schwierigkeiten
jetzt nicht finanzieller Natur seien, sondern sich lediglich auf die Fixierung der
Trasse beschränken.

   In dieser Richtung bitte er Seine Exzellenz den Herrn gemeinsamen Finanzmi-
nister, ein Bild über den derzeitigen Stand der bisher gepflogenen Pourparlers
geben zu wollen.

       Die bosnische Eisenbahnfrage war zuletzt in GMR. v. 14. 4.1912, GMKPZ. 492, zur Sprache
        gekommen.
<pb/>Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912  449

   Der gemeinsame Finanzminister leitet seine Ausführungen
mit der Bemerkung ein, er wolle die Zeit der Anwesenden nicht durch eine einge¬
hende Wiedergabe aller der Wechselfälle, die die bosnische Bahnfrage schon
durchgemacht habe, in Anspruch nehmen. Als er das gemeinsame Finanzministe¬
rium übernahm, hätte als jüngste Phase dieser Angelegenheit, der Beschluß des
gemeinsamen Ministerrates vom 30. Oktober 1911 Vorgelegen,2 laut welchem
zwei normalspurige Hauptbahnen auf Kosten der Monarchie ausgebaut werden
sollten, wpgegen die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung den Ausbau
von drei Landesbahnen auf sich genommen hätte.

   Herr v. Bilihski habe sich sehr bald davon überzeugt, daß eine Durchführung
des Programmes in dieser Gestalt mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der par¬
lamentarischen Erledigung des hiezu erforderlichen Gesetzes im österreichischen
Reichsrate für absehbare Zeit nicht zu erwarten sei. Er sei deshalb an die beiden
Regierungen mit neuen Vorschlägen herangetreten, die kurz resümiert dahin gin¬
gen, man möge ihm die Ermächtigung erteilen, von den Delegationen für 60 Jah¬
re aus gemeinsamen Mitteln einen jährlichen Zuschuß von 12 Millionen Kronen
zum bosnischen Budget zu verlangen, um mit diesem Betrage die Verzinsung und
Amortisation eines bosnischen Eisenbahnanlehens für den Ausbau der beiden
Hauptlinien bestreiten zu können.3 Seine Vorschläge seien auf berechtigte staats¬
rechtliche Bedenken bei der kgl. ung. Regierung gestoßen, im Verlaufe der Ver¬
handlungen habe es sich aber gezeigt, daß die kgl. Regierung prinzipiell nichts
dagegen hätte, wenn den annektierten Ländern auf gemeinsame quotenmäßig
verteilte Kosten der Betrag von 4 858 086 Kronen jährlich durch 60 Jahre ausge¬
zahlt würde, und zwar als Ersatz für den bisher von der Landesregierung bestrit¬
tenen Dienst der Obligationen der rein strategischen Bahnen Sarajewo-Ostgrenze
und Gabela-Landesgrenze.

   Mit Rücksicht hierauf habe er das ursprüngliche Bauprogramm eingeschränkt
und für alle in den beiden Ländern projektierten Bahnbauten eine Investition von
rund 166 Millionen Kronen in Aussicht genommen. Zur Verzinsung und Amorti-
sierung eines in dieser Höhe geplanten bosnischen Eisenbahnanlehens beabsich¬
tige er in erster Linie den vorerwähnten, von beiden Regierungen zur Verfügung
gestellten Betrag von 4 858 086 Kronen zu verwenden. Der Restbetrag an Zinsen
und Amortisation per 5,2 Millionen Kronen werde aus Landesmitteln bestritten
werden. Mit dem 166 Millionenanlehen wolle er die nachfolgenden Strecken aus¬
bauen:

   Auf der Westseite:

   1. Neubau der Strecke Banjaluka-Jajce (normalspurig): 36 Millionen;
   2. Normalisierung der Strecke Jajce-Bugojno und Neubau Bugojno-Prozor:
30 Millionen;

Gemeint ist der GMR. v. 28. und 29. 10. 1911, GMKPZ. 488.
Zum Schreiben Bilihskis an beide Ministerpräsidenten v. 18. 3. 1912 siehe GMR. v. 14. 3.
1912, GMKPZ. 491, Anm. 9.
<pb/>450 Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912

   3. Schmalspuriger Ausbau der von der österreichischen Regierung und der
bosnischen und dalmatinischen Bevölkerung dringend gewünschten Bahn
Bugojno-Arzano: 34 Millionen.

   Die aufder Westseite noch geplante Bahn Novi-Bihac würde vorderhand nicht
gebaut werden.

   Auf der Ostseite würden zum Ausbau gelangen:
    1. Die Bahn Samac-Doboj, die einst mit der Bahn Bugojno-Arzano, dann
auch mit der Bahn Banjaluka-Jajce in ein Junktim gebracht worden sei. Bauko¬
sten: 20 Millionen.
   2. Die sogenannte Posavinabahn: 26 Millionen!
   3. Von der Linie Tuzla-Sarajewo die Teilstrecke Tuzla-Kladanj: 20 Millio¬
nen.4
   Seine finanziellen Vorschläge hätten bei den beiden Regierungen Anklang ge¬
funden, nicht so aber die Auswahl der zu bauenden Bahnen. Die ungarische Re¬
gierung bestehe darauf, daß er die Linien Bugojno-Arzano und Tuzla-Kladanj
nicht in das Programm einbeziehe, dafür aber Novi-Bihac baue, er könne aber
hierauf mit Rücksicht auf die Stimmung in Bosnien unmöglich eingehen. Auf
eine telegraphische Anfrage habe der bosnische Landeschef sich in der entschie¬
densten Weise dahin ausgesprochen, daß eine Eisenbahnvorlage, in welcher die
beiden Strecken Bugojno-Arzano und Tuzla-Kladanj nicht einbegriffen wären,
im Landtage gar keine Aussicht habe, zur Annahme zu gelangen. Wenn die unga¬
rische Regierung auf ihrem Standpunkte verharre, würde somit in Bosnien über¬
haupt keine Bahn gebaut werden. Er müsse seinerseits vor den Folgen einer sol¬
chen Politik warnen. Der bosnische Landtag und das durch die Einführung der
Verfassung gestärkte Selbstbewußtsein der Bevölkerung seien Faktoren, über die
er nicht hinweggehen könne. Die wesentlichsten Gravamina der politischen Krei¬
se Bosniens beruhten auf der Verzögerung des Eisenbahnbaues. Wenn man so
fortfahre, könne er für nichts gutstehen; man dürfte dann den schwersten politi¬
schen Verwicklungen begegnen.
    Der kgl. ung. Ministerpräsident betont, er wolle sich nicht
auf die Besprechung der Einzelfragen einlassen, sondern nur im allgemeinen zu
der in Verhandlung stehenden Frage Stellung nehmen. Die Besprechung der De¬
tails könnte dann durch die Herren Ressortminister erfolgen. Man dürfe die ganze
Angelegenheit nicht so behandeln, als wäre in derselben bisher noch gar nichts
geschehen. Nach langwierigen Beratungen und Überwindung sehr erheblicher
Schwierigkeiten sei in dem gemeinsamen Ministerrate vom 30. Oktober 1911
eine Einigung erzielt worden, die nach Ansicht aller Teilnehmer als durchaus
befriedigend angesehen wurde. Man sei damals überzeugt gewesen, ein gutes und
vollständiges Werk geschaffen zu haben. Warum werde jetzt alles wieder umge¬
stoßen? Der Herr gemeinsame Finanzminister habe gegen die Durchführung des
ursprünglichen Programmes von allem Anfänge an Schwierigkeiten geltend ge-

         Schreiben (Abschrift) Bilihskis an Stürgkh v. 19. 4. 1912, Fa., FM., allg., Z. 26536/1912.
<pb/>Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912  451

macht, er sei dann mit staatsrechtlich undurchführbaren Vorschlägen hinsichtlich
der Gewährung eines 12 Millionenzuschusses durch die Delegationen hervorge¬
treten und wollte mit dieser Subvention nicht nur die protokollarisch vereinbarten
Bahnlinien, sondern noch andere Bahnen bauen. Dann habe er seine Wünsche auf
einen Zuschuß von 4,8 Millionen Kronen reduziert, hiebei aber die von ihm ge¬
wünschten und im Oktoberprotokoll nicht enthaltenen neuen Bahnlinien beibe¬
halten. Der finanzielle Vorschlag Herrn v. Bilinskis sei in seiner jetzigen Gestalt
für die ungarische Regierung annehmbar, eine Erweiterung oder Änderung des
ursprünglichen Bauprogrammes könne sie aber nicht zugeben. Der Bau der Teil¬
strecke Tuzla-Kladanj würde für Ungarn ein Präjudiz schaffen, man wäre dann
genötigt, diese Linie bis Sarajewo auszubauen, wogegen der ungarischen Regie-
mng im Oktober 1911 die Wahl zwischen den Linien Samac-Doboj-Sarajewo
und Tuzla-Sarajewo offen gelassen wurde, ln prinzipieller Hinsicht stellt Herr v.
Lukäcs fest, daß die ungarische Regierung keine Verschiebung derjetzt bestehen¬
den wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse der beiden Staaten der Monarchie durch
den Ausbau der bosnischen Bahnen zugeben könne. Eine Beteiligung Ungarns an
dem Bau der Linie Bugojno-Arzano könne im ungarischen Reichstage unmög¬
lich begründet werden. Unter diesen Umständen bleibe für das gemeinsame Fi¬
nanzministerium nichts anderes übrig, als das ursprüngliche Oktoberprogramm
in beschränktem Umfange wieder herzustellen und aufjede Trassenänderung zu
verzichten. Wenn man in Bosnien mehr Bahnen brauche, müsse man sich eben zu
größeren Aufwendungen aus eigenen Mitteln entschließen. Übrigens sei es ohne¬
dies technisch nicht möglich, das ganze Programm sofort zur Ausführung zu
bringen, man sollte die Entscheidungen daher nicht so übereilen.

   Der k. k. Ministerpräsident will seinen Ausführungen auch
einige generelle Bemerkungen voraussenden, die insbesondere die vom kgl. ung.
Ministerpräsidenten berührte Frage, ob Modifikationen des Oktoberprogrammes
überhaupt nötig waren, betreffen sollen. Er habe gleich nach Einsichtnahme in
die von seinem Amtsvorgänger im Ministerrate vom 30. Oktober v. J. eingegan¬
genen Verpflichtungen die Überzeugung gewonnen, daß eine bosnische Bahnvor¬
lage in diesem Jahre im österreichischen Reichsrate nicht durchzubringen wäre.
Abgesehen hievon habe er es auch für sehr wichtig erachtet, daß die Wünsche der
Bevölkerung von Bosnien und der Herzegowina, die durch das Oktoberprogramm
keineswegs befriedigt waren, Berücksichtigung finden sollten. Aus diesen Grün¬
den habe sich naturgemäß die Notwendigkeit ergeben, das ursprüngliche Pro¬
gramm zu modifizieren und bei dieser Gelegenheit habe es sich gezeigt, daß die
Linie Bugojno- respektive Prozor-Arzano ein wesentliches bosnisches Interesse
bilde. Die modifizierten Vorschläge bildeten jetzt den Gegenstand der Diskussi¬
on, sie trügen den Wünschen der bosnischen Bevölkerung Rechnung und auch
über ihre finanzielle Fundierung sei man einig geworden. Er müsse übrigens be¬
merken, daß auch die kgl. ung. Regierung nicht mehr auf der Basis der im Okto¬
ber v. J. getroffenen Vereinbarungen stehe. Damals habe sie die Frage, ob die
Linie Tuzla-Sarajewo ausgebaut oder die Linie Doboj-Sarajewo normalisiert
<pb/>452 Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912

werden solle, noch offen gelassen, jetzt bestehe sie entgegen den Wünschen aller
Interessenten in den beiden annektierten Ländern auf der zweiten Alternative.
Die Normalisierung der Strecke Doboj-Sarajewo würde unverhältnismäßig viel
kosten, gegen dieselbe sprächen auch militärische Bedenken, da Sarajewo wäh¬
rend der Umbauzeit von der Monarchie abgeschnitten wäre.

   Im Oktoberprogramm habe die kgl. ung. Regierung ferner auch zugegeben,
daß die normalspurige bosnische Westbahn von Jajce aus den normalspurigen
Anschluß bis Sarajewo erhalten solle, sobald die den wirtschaftlichen Interessen
Ungarns dienende Linie von Samac bis nach Sarajewo normalspurig ausgebaut
wäre. Auch hievon sei die ungarische Regierung, soweit seine Informationen
reichten, jetzt abgekommen. Unter diesen Umständen sei es nicht möglich, auf
Basis des Oktoberprotokolls weiter zu verhandeln, es müsse eine neue Grundlage
gefunden werden, die den Interessen aller beteiligten Faktoren entspreche und
insbesondere den strategischen und wirtschaftlichen Anforderungen der beiden
Länder Rechnung trage.

   Wenn vom kgl. ung. Minister als Grundsatz aufgestellt worden sei, daß das
bestehende Kräfteverhältnis der beiden Staaten der Monarchie in Bosnien ge¬
wahrt bleiben müsse, so sehe er sich seinerseits genötigt, daraufhinzuweisen, daß
vorderhand Ungarn allein Vorteile aus dem bosnischen Bahnnetze ziehe und daß
die österreichische Regierung eine Petrifizierung dieses einseitigen Kräftever¬
hältnisses nicht zugeben könne.

   Die ungarische Regierung verlange jetzt, daß die einzige tatsächlich im öster¬
reichischen Interesse gelegene Linie Bugojno-Arzano aufKosten der k. k. Regie¬
rung gebaut werde. Dies widerspreche den Bestimmungen des Gesetzes vom 8.
Juni 1902,5 welches den Bau dieser Strecke auf gemeinsame Kosten im Junktim
mit der Strecke Samac-Doboj vorsehe. Die österreichische Regierung habe sich
allerdings im Paraphierungsprotokoll des Ausgleiches vom Jahre 1907 das Recht
Vorbehalten, diese Linie auch auf eigene Kosten zu bauen respektive als Privat¬
bahn ausbauen zu lassen.6 Hiedurch sei aber das gesetzlich begründete Junktim
mit der Linie Samac - Doboj und das Recht zum Ausbau auf gemeinsame Kosten
in keiner Weise tangiert worden. Das Fortbestehen des Junktims sei in der Mini¬
sterratssitzung vom 30. Oktober v. J. ausdrücklich von dem k. k. Ministerpräsi¬
denten Baron Gautsch betont worden.

   Der kgl. ung. Finanzminister entgegnet hierauf, daß nach An¬
sicht der kgl. ung. Regierung das durch das Gesetz vom Jahre 1902 festgesetzte
Junktim zwischen den beiden Linien Samac-Doboj und Bugojno-Arzano da-

        Für Cisleithanien Gesetz v. 8. 6. 1902, RGBl. Nr. 118/1902,Tur Ungarn GA. XIII/1902, in
         beiden Fällen § 3.
         Vermutlich Schlussprotokoll des Vertrages betreffend die Regelung der wechselseitigen Han¬
         dels- und Verkehrsbeziehungen zwischen den im Reichsrate vertretenen Königreichen und
         Ländern und den Ländern der ungarischen Krone zu Artikel VI, das in Cisleithanien als Ge¬
         setz v. 30. 12. 1907 in Kraft getreten war, publiziert als RGBl. Nr. 278/1907, in Ungarn GA.
         LFV/1907.
<pb/>Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912  453

durch aufgehoben worden sei, daß der Ministerrat vom Oktober 1911 an Stelle
des alten ein neues Junktim zwischen den Linien Samac-Doboj und Banjaluka-
Jajce aufstellte. Er müsse im allgemeinen betonen, daß die kgl. ung. Regierung
noch ganz auf dem Standpunkte des Ministerratsprotokolles vom 30. Oktober
1911 stehe. Damals habe man Ungarn die Entscheidung über die Wahl der östli¬
chen normalspurigen Bahn nach Sarajewo offen gelassen, jetzt wolle man diese
Wahl durch den Bau der Teilstrecke Tuzla-Kladanj präjudizieren.

   Was den Anschluß der westlichen Linie nach Sarajewo anbelange, so bestim¬
me das Ministerratsprotokoll vom Oktober v. J., daß die eventuelle Linie Jajce-
Sarajewo erst dann in Angriff genommen werden könne, wenn eine östliche Ver¬
bindung bereits hergestellt sei.

   Der kgl. ung. Ministarpräsident möchte nochmals auf die
Bemerkungen des Herrn gemeinsamen Finanzministers zurückkommen, wonach
das Oktoberprogramm am Widerstande der bosnisch-herzegowinischen Bevölke¬
rung und des Landeschefs gescheitert sei. Er müsse hiegegen einwenden, daß
FZM. Potiorek an dem Ministerrate vom 29. Oktober teilgenommen habe und
sich damals mit dessen Ergebnis ganz einverstanden erklärte. Übrigens müsse
man auch bedenken, daß die Beschlüsse dieses Ministerrates in Ungarn bekannt
worden seien und die öffentliche Meinung in beiden Staaten der Monarchie da¬
mals durch das von Baron Buriän veröffentlichte Preßcommunique für ein be¬
stimmtes Projekt vorbereitet wurde. Es würde jetzt schwer fallen, eine Änderung
desselben zu motivieren.

   Diesem Einwande gegenüber betont Herr v. Bilihski, daß FZM.
Potiorek sich erst nach seiner Rückkehr vom Ministerrate in Sarajewo davon
überzeugen konnte, daß die Durchführung des Oktoberprogramms in Bosnien
mit Rücksicht auf die Stimmung des Landtages unmöglich wäre und daß alle
dortigen Kreise auf dem Ausbaue der Linien Bugojno-Arzano und Tuzla-Saraje-
wo bestehen würden.

   Der k. k. Ministerpräsident kommt auf die Bemerkungen des
kgl. ung. Finanzministers hinsichtlich des Ausbaues des westlichen Bahnan¬
schlusses nach Sarajewo zurück und nimmt mit Befriedigung zur Kenntnis, daß
nach Ansicht der kgl. ung. Regierung im Sinne des Oktoberprotokolles nach Fer¬
tigstellung der östlichen normalspurigen Verbindung mit Sarajewo auch der nor-
malspurige Anschluß der westlichen Hauptlinie an die Landeshauptstadt ausge¬
baut werden solle.

   Der kgl. ung. Finanzminister berichtigt diese Feststellung da¬
hin, daß das Oktoberprotokoll nur den eventuellen Ausbau des westlichen An¬
schlusses von der Fertigstellung des östlichen abhängig gemacht, keineswegs
aber normiert habe, daß die Verbindung Jajce-Sarajewo auch sofort nach der
östlichen Trasse ausgebaut werden müsse.

   Es entspinnt sich nun noch eine längere Diskussion über die Frage, inwiefeme
das gesetzlich statuierte Junktim für den Bau der Linien Samac-Doboj und
<pb/>454 Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912

Bugojno-Arzano durch das im Oktoberprogramm vereinbarte Junktim ,,Samac-
Doboj&quot; und ,,Banjaluka-Jajce&quot; aufgehoben worden sei.

   Die Vertreter der kgl. ung. Regierung und auch der k. k. Eisenbahnminister
neigen zur Ansicht, daß das gesetzliche Junktim Bugojno-Arzano [und] Samac-
Doboj durch die Vereinbarungen des Oktoberprotokolles aufgehoben worden
wäre, sobald beide Legislativen dem Ministerratsbeschlusse Gesetzeskraft verlie¬
hen hätten, wogegen der gemeinsame Finanzminister und auch der k. k. Minister¬
präsident dies bestreiten und überdies hervorheben, daß die gesetzliche Verpflich¬
tung, die Linie Bugojno-Arzano auf Kosten der Monarchie auszubauen, selbst
dann fortbestehen würde, wenn das Junktim mit der Linie Samac-Doboj tatsäch¬
lich nicht mehr anerkannt würde.

   Der k. k. Ministerpräsident macht dieser Diskussion ein Ende,
indem er betont, daß man durch spitzfindige Interpretationen dieser Art nur Zeit
verliere, ohne zu einer Einigung zu gelangen. Er glaube daher vorschlagen zu
sollen, daß man bei Wahrung des Grundsatzes der Gleichberechtigung aller Teile
auf neuer Grundlage einen Ausgleich suchen möge.

   Man dürfe nicht vergessen, daß das Programm des Herrn gemeinsamen Fi¬
nanzministers in seiner letzigen Gestalt der ungarischen Volkswirtschaft drei
neue Einbruchstationen nach den annektierten Ländern sichere. Für Österreich
und auch für die militärischen Interessen der Monarchie habe die in Prozor en¬
dende normalspurige Bahn von Doberlin, solange sie nicht bis Mostar ausgebaut
werde, weder wirtschaftliche noch strategische Bedeutung. Gerade um in wirt¬
schaftlicher Beziehung diesen Nachteil, wenn auch nur zum kleinsten Grade, aus¬
zugleichen, müsse die k. k. Regierung auf dem Bau der Linie Bugojno-Arzano
bestehen. Ohne diese wäre es ganz unmöglich, im österreichischen Reichsrate
irgendjemanden zu überzeugen, daß finanzielle Opfer gebracht werden müßten.
Er wolle aber das tunlichste Entgegenkommen zeigen und sei auch, bei Wahrung
des Standpunktes, daß die Linie Bugojno-Arzano unbedingt gebaut werden müs¬
se, bereit, vorbehaltlich des Einverständnisses der militärischen Kreise, in ande¬
rer Richtung Konzessionen zu machen. So habe er die Möglichkeit ins Auge ge¬
faßt, vorerst auf den Ausbau der Linie Bugojno-Prozor zu verzichten.

   Der Vorsitzende glaubt diesem Vorschläge gegenüber betonen zu
müssen, daß dem raschen nomalspurigen Ausbau der westlichen Hauptlinie bis
Mostar als wichtigster Vormarschlinie vom militärischen Standpunkte aus die
größte Bedeutung beizumessen ist. Er wirft die Frage auf, ob es nicht möglich
wäre, sich dahin zu einigen, daß die in strategischer Hinsicht anscheinend weni¬
ger wichtige Strecke Bugojno-Arzano aufgegeben, die Hauptlinie aber über Pro¬
zor hinaus nach Rama ausgebaut würde, von wo dann die Truppen auf der schon
bestehenden schmalspurigen Bahn bis nach Mostar befördert werden könnten.

   Der k. u. k. Kriegsminister widerlegt die Annahme, als habe
die Strecke Bugojno-Arzano keine militärische Bedeutung.

    Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister möchte den
Wünschen der kgl. ung. Regierung seinerseits auch entgegenkommen und daher
<pb/>Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912  455

in Erwägung ziehen, ob man nicht an Stelle der Teilstrecke Tuza-Kladanj die
Linie Prozor-Rama ausbauen könnte. Er müsse zwar betonen, daß dies im bos-
nisch-herzegowinischen Landtage sehr unangenehm berühren würde, wäre aber
doch bereit, die Verantwortung hiefur auf sich zu nehmen.

   Auf Ansuchen des Vorsitzenden ergreift der k. u. k. Kriegsmini¬
ster das Wort, um sich über die strategischen Gesichtspunkte des Bauprogram¬
mes zu äußern.

   GdI. Ritter v. Auffenberg leitet seine Ausführungen mit der Bemerkung ein, es
könne im allgemeinen als Axiom gelten, daß in einem Lande, das, wie Bosnien,
erst der Kultur erschlossen werden müsse, jede in wirtschaftlicher Beziehung
wertvolle Bahn auch strategische Bedeutung besitze.

   Wenn man nun an der Hand der Karte die einzelnen projektierten Bahnen von
diesem Gesichtspunkte aus beurteile, müsse man, von Osten beginnend, feststel¬
len, daß bei der Posavinabahn, über deren große wirtschaftliche Bedeutung er kei¬
ne Worte zu verlieren brauche, die Strecke Raca-Bjelina-Tuzla die größte strate¬
gische Wichtigkeit habe und für einen Aufmarsch gegen Serbien in erster Linie in
Betracht komme. Die Parallellinie Brcka-Tuzla habe allerdings wenig militäri¬
schen, dafür aber umso größeren kommerziellen Wert. Die Verbindung Samac-
Doboj sei sowohl in wirtschaftlicher als auch in strategischer Hinsicht sehr wich¬
tig, letzteres insbesondere als kürzester Weg von Ungarn nach Sarajewo.

   Die Linie über Tuzla nach Sarajewo würde in militärischer Hinsicht diesen
Zweck in gleicher Weise erfüllen. Es sei von den großen Schwierigkeiten die
Rede gewesen, die dem Ausbaue dieser Bahn in technischer Hinsicht entgegen¬
stünden und man habe ungarischerseits auch darauf hingewiesen, daß die Bahn
sich niemals rentieren könne, weil sie durch arme Gegenden führe. Demgegen¬
über müsse er als genauer Kenner des Landes bemerken, daß gerade die zwischen
Tuzla und Sarajewo liegenden Gebiete wegen ihres Waldreichtums und der gro¬
ßen unberührten Erzlager eine sehr große wirtschaftliche Zukunft hätten, wenn
diese Bahn gebaut werden könnte. Auch könnten die technischen Schwierigkei¬
ten durch entsprechende Tunnelbauten überwunden werden. In militärischer Hin¬
sicht würde er aber auf der Wahl dieser Trasse nicht insistieren; die westlicher
gelegene Verbindung Samac-Doboj-Sarajewo habe den Vorteil für den Truppen¬
transport, daß sie weiter von der serbischen Grenze entfernt sei und daher weni¬
ger Bewachung erfordere. Was die Befürchtung anbelange, daß Sarajewo ganz
vom Weltverkehr abgeschnitten würde, wenn man die Normalisierung der
schmalspurigen Bahn Doboj-Sarajewo durchführe, bevor eine zweite Verbin¬
dung über Tuzla ausgebaut sei, so glaube er, daß auf der Strecke Doboj-Sarajewo
eine Unterbrechung des Verkehres während der Normalisierung vermieden wer¬
den könnte. Allerdings würde der Umbau dieser Bahn mit sehr hohen Kosten
verbunden sein, da man eigentlich die ganze Bahn neu hersteilen müsse. Unter 55
bis 60 Millionen Kronen wäre dies nicht ausführbar.

   Auf die westlichen Bahnprojekte übergehend, betont der Herr Kriegsminister,
daß für die strategischen Interessen der Monarchie der normalspurige Ausbau der
<pb/>456 Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912

Linie Doberlin-Banjaluka-Jajce bis Mostar weitaus die größte Wichtigkeit habe:
Er könne vor den Anwesenden ganz aufrichtig sprechen und müsse unumwunden
erklären, daß die österreichisch-ungarischen Streitkräfte in der Herzegowina im
Falle eines Krieges mit Montenegro in eine höchst unangenehme und gefährliche
Lage geraten könnten. Nach einwandfreien Berechnungen könnten die Monteneg¬
riner am 7. Tage nach dem Ausbruche des Krieges mit einem gut ausgerüsteten
Heere von 3CM0 000 Mann vor Mostar sein, wo nur 4-6000 k. u. k. Truppen zur
Verfügung ständen. Unsere ersten Verstärkungen würden im günstigsten Falle bei
tadellosem Funktionieren aller jetzt zur Verfügung stehenden Bahnverbindungen
am 14. Tage in Mostar eintreffen können. Die dortigen Befestigungen seien ganz
veraltet und würden einer Beschießung durch das moderne Artilleriematerial, das
Montenegro in den letzten Jahren von Rußland und Italien geschenkweise erhal¬
ten habe, nicht drei Stunden lang standhalten können. Unter diesen Umständen
müsse er es als eine Notwendigkeit erster Ordnung bezeichnen, daß die westliche
Hauptbahn schon jetzt bis Rama ausgebaut und dann die Normalisierung der
Strecke bis Mostar so bald als möglich zu Ende geführt werde.

   Auf die Strecke Bugojno-Arzano übergehend, betont der Herr Kriegsminister,
daß dieselbe in strategischer Hinsicht insbesondere für die Marine von großer
Bedeutung sei, da sie im Mobilisierungsfalle die Beförderung der Marinereservi¬
sten aus Kroatien und Ungarn an die Küste zu bewerkstelligen hätte. Im Jahre
1908 habe die Mobilisierung der Marine eine erhebliche Verzögerung erfahren,
weil zur Beförderung der Reservisten aus den Hinterländern Dalmatiens keine
direkte Bahnverbindung zur Verftigung stand. Die Bahn sei auch notwendig zur
Verteidigung Dalmatiens und führe überdies durch ein Gebiet, welches eine aus¬
gezeichnete Pferdezucht besitze und schon jetzt trotz der schlechten Verbindun¬
gen Pferde nach Italien exportiere.

    Seiner Ansicht nach könnten die von ihm genannten Linien, die sowohl in
strategischer als auch in wirtschaftlicher Beziehung als Bahnen erster Ordnung
zu betrachten seien, eine geeignete Grundlage für einen entsprechenden Aus¬
gleich aller Interessen bilden. Er erlaube sich daher, einen Appell an die Versam¬
melten zu richten, in diesem Sinne zur Angelegenheit Stellung zu nehmen.

   Es beginnt nun eine ziemlich lebhafte Debatte, die sich hauptsächlich um die
Frage dreht, ob der normalspurige Ausbau der westlichen Hauptlinie bis Mostar
mit Rücksicht auf die vom k. u. k. Kriegsminister geltend gemachten militäri¬
schen Argumente schon jetzt durchgeführt werden könnte.

   Der Herr gemeinsame Finanzminister bemerkt, daß dies
sein ursprüngliches Projekt in finanzieller Hinsicht um etwa 30-40 Millionen
Kronen verteuern würde und er mit Rücksicht hierauf eine Erhöhung des Zu¬
schusses der beiden Regierungen anzufordem genötigt wäre.

    Die beiden Herren Ministerpräsidenten bemerken, daß
durch Aufwerfen der Frage einer neuerlichen Erweiterung des Bauprogrammes
des gemeinsamen Finanzministeriums eine neue Situation geschaffen sei und daß
sie die diesbezügliche Anregung Herrn v. Bilinskis vorerst nur zur Kenntnis neh-
<pb/>Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912  457

men und sich deren genaue Überprüfung Vorbehalten müßten. Insbesondere der
kgl. ung. Ministerpräsident betont den Umstand, daß er nicht in
der Lage sei, zu der Frage der Erweiterung des Programmes Stellung zu nehmen,
bevor er dieselbe im ungarischen Ministerrate zur Sprache gebracht hätte.

   Der kgl. ung. Finanzminister macht die Anwesenden darauf
aufmerksam, daß das nunmehr erweiterte Projekt des Herrn gemeinsamen Finanz¬
ministers eine sehr erhebliche Verschiebung des Kräfteverhältnisses zum Nachtei¬
le Ungarns bedeute, da die westliche Hauptstrecke normalspurig bis Mostar aus¬
gebaut und über Arzano mit der Adria verbunden werden würde, wogegen die
normalspurige östliche Strecke nur von Samac nach Doboj gebaut werden solle,
die Normalisierung der Verbindung mit Sarajewo aber nicht vorgesehen sei.

   Der Herr [ungarische] Finanzminister erklärt, daß die ungarische Regierung
der Erweiterung des Programmes unmöglich zustimmen könne, wenn ihr nicht
darin der normalspurige Anschluß Doboj-Sarajewo zugesichert würde. Diese
Bemerkung wird von Herrn v. Bilihski aufgegriffen und er macht den
Vorschlag, man möge die Kosten seines Programmes noch weiter bis auf 250 Mil¬
lionen erhöhen, wodurch allen Wünschen Rechnung getragen werden könne. Eine
Anleihe von 250-260 Millionen Kronen würde einen jährlichen Aufwand von
rund 15 Millionen Kronen erfordern, wovon die bosnisch-herzegowinische Lan¬
desregierung 5 Millionen zahlen könnte und 10 Millionen ihr von den beiden Re¬
gierungen zur Verfügung gestellt werden müßten. Herr v. Bilihski betont, daß für
ihn dem bosnischen Landtage gegenüber noch immer die Schwierigkeit fortbeste¬
he, daß die Bahn Tuzla-Sarajewo, die von einflußreichen Politikern im Lande
gewünscht werde, jetzt nicht gebaut werden könne. Er möchte daher von den An¬
wesenden die Zusicherung erhalten, daß diese Bahn, ebenso wie die normalspuri¬
ge Verbindung der westlichen Hauptbahn mit Sarajewo gebaut werden würde,
sobald die Linie Samac-Doboj normalspurig bis nach Sarajewo ausgebaut sei.

   Der kgl. ung. Finanzminister hat hiegegen nichts einzuwen¬
den, möchte aber festgestellt haben, daß die beiden Linien Tuzla - Sarajewo und
Verbindung der Westbahn mit Sarajewo nicht auch auf Kosten der Monarchie zu
bauen sein werden und daß die beiden Regierungen keine diesbezügliche Ver¬
pflichtung übernehmen können.

   Der Herr gemeinsame Finanzminister gibt zu, daß derzeit
eine solche Verpflichtung nicht übernommen worden sei, behält sich aber vor, in
einigen Jahren, wenn die Frage des Baues dieser beiden Linien spruchreif gewor¬
den sein werde, neuerlich an die Regierungen heranzutreten, indem er zu verste¬
hen gibt, daß das Land die Kosten dieser Bahnbauten nicht werde aus eigenen
Mitteln bestreiten können.

   Nachdem man sich auf Vorschlag des Vorsitzenden dahin geeinigt, für die
Durchführung des erweiterten Programmes zwei Bauperioden festzusetzen und
Herr v. Biliftski sich auf Wunsch des kgl. ung. Finanzministers bereit erklärt hat,
die Normalisierung der Strecke Doboj-Sarajewo in der zweiten Bauperiode nach
<pb/>458 Nr. 29 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 5. 1912

Tunlichkeit zu beschleunigen, wird der nachstehende Beschluß von dem Herrn

gemeinsamen Finanzminister formuliert:

Die Regierungen nehmen zur Kenntnis und zur Grundlage des weiteren Studi¬

ums die Anregung, daß das vom gemeinsamen Finanzminister in der Note vom

19. April 1912, Z. 680/pr., aufgestellte Programm auf die Strecke Prozor-Mostar

und auf die Normalisierung der Strecke Doboj-Sarajewo ausgedehnt werde, da¬

gegen die Strecke Tuzla-Sarajewo dermalen entfallen soll.

Die normalspurige Verbindung der Linie Jajce--Prozor mit Sarajewo und eine

ebensolche Verbindung Tuzla-Sarajewo wird nach der Normalisierung der Strek-

ke Doboj-Sarajewo zum Baue gelangen.
   Zum Zwecke der Deckung des für das obige erweiterte Programm notwendi¬

gen Kapitals per rund 260 Millionen Kronen soll die Refundierung der auf die

Militärbahn (Ostbahn und Gabela-Landesgrenze) entfallenden Annuitäten per

rund 4 858 000 Kronen und eine weitere, auf gesetzlichem Wege sicherzustellen¬

de jährliche Beitragsleistung beider Staaten der Monarchie per 5,2 Millionen

durch 60 Jahre verwendet werden.
   Die Linie Novi-Bihac kann über Beschluß des bosnisch-herzegowinischen

Landtages auf Landeskosten gebaut werden.

Bezüglich der Zeitfolge herrscht Einverständnis, daß die Strecke Banjaluka-

Jajce einerseits und Samac-Doboj anderseits, und dann Bugojno-Arzano, die

Normalisierung der Strecke Doboj-Sarajewo, die Normalisierung der Strecke

Jajce-Mostar und der Bau der Posavinabahn zur Ausführung gelange. Auch wird

intern vereinbart, daß die Normalisierungen beschleunigt werden sollen.

Dem gemeinsamen Finanzministerium steht es frei, ohne Benachteilung der

durch diese Zeitfolge sichergestellten Bauführungen auch die später angesetzten

Bauten früher zur Ausführung bringen zu lassen.

Die Regierungen kommen darüber überein, daß die Verhandlungen bezüglich

der mit der Ausführung dieses Bauprogrammes zusammenhängenden tarifari¬

schen Fragen sofort eingeleitet und ehetunlichst zum Abschlüsse gebracht wer¬

den sollen.
   Auf Wunsch des Herrn gemeinsamen Finanzministers einigt man sich noch

dahin, daß eine Besprechung der Herren Ressortminister in dieser Angelegenheit

am 8. Mai im k. u. k. gemeinsamen Finanzministerium abgehalten werden soll.

Der Vorsitzende konstatiert, daß ein bedeutsamer Schritt zur Einigung

gemacht worden sei und daß nunmehr die Entscheidung der beiden Regierungen

abgewartet werden müßte, ehe zu einer definitiven Beschlußfassung geschritten

werden könne.7 Er erklärt somit den Ministerrat für aufgehoben.

                                                                   Berchtold

Ah. E. fehlt.

Fortsetzung des Gegenstandes in GMR. v. 16. 10. 1912, GMKPZ. 498.
<pb/>