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Gemeinsamer Ministerrat, 29. 10. 1911

I. Vorbesprechung über das gemeinsame Budget für das Jahr 1912

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z25.pdf.

Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 10. 1911  407

Der gemeinsame Finanzminister und der Landeschef
von Bosnien und der Herzegowina sprechen beiden Regie-
rungen ihren Dank für ihr im Interesse Bosniens und der Herzegowina hiemit
bekundetes wohlwollendes Entgegegenkommen aus.9

   Schließlich teilt der gemeinsame Finanzminister mit, daß am
1. Dezember laufenden Jahres mit der fakultativen Kmetenablösung begonnen
werden soll10 und daß er zu diesem Zwecke bei österreichischen und ungarischen
Bankinstituten für die Dauer beiläufig eines Jahres einen Kontokorrentvorschuß
von 5 Millionen Kronen aufzunehmen beabsichtige, wozu er sich die Ermächti¬
gung beider Regierungen erbitte. Nach näheren Ausführungen Baron Buriäns er¬
klärt der k. k. Finanzminister, daß er prinzipiell keine Einwendung
erhebe, vor definitiver Schlußfassung aber doch um aktenmäßige Mitteilung die¬
ser Angelegenheit ersuche, was Baron Buriän zusagt.

   Hierauf schließt der Vorsitzende die Sitzung.

                                                                                          Aehrenthal

Ah. E. fehlt.

       Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. Oktober 1911

   RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Dr. Freiherr v. Gautsch (7. 11.), der kgl. img. Mini¬
sterpräsident Graf Khuen-Hederväry, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän,
der k. u. k. Kriegsminister GdI. Ritter v. Auffenberg, der k. k. Finanzminister Dr. Meyer (10. 11.),
der kgl. ung. Finanzminister Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. Marinekommandant und Chef des Kriegsmi¬
nisteriums, Marinesektion, Admiral Graf Montecuccoli (13. 12.).
   Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Günther.
   Gegenstand: Vorbesprechung über das gemeinsame Budget für das Jahr 1912.

       Auf Vortrag Buriäns v. 31. 10. 1911 wurde der Gesetzentwurffür den bosnisch-herzegowini-
       schen Landtag über die Finanzierung der zu bauenden Landesbahnen Franz Joseph vorge¬
       legt, der mit Ah. E. v. 9. 11. 1911 resolviert wurde, HHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 3243/1911.
       Mit Vortrag v. 31. 10. 1911 erbat Buriän, den Gesetzentwurfüber den Bau der drei Landes¬
       bahnen im bosnisch-herzegowinischen Landtag einbringen zu dürfen. Diesem Vortrag wurde
       mitAh. E. v. 9.11.1911 entsprochen, ebd., KZ. 3244/1911. Da der bosnisch-herzegowinische
       Landtag nicht bereit war, diese Gesetzentwürfe zu akzeptieren, musste die Frage der bosni¬
       schen Bahnbauten erneut im gemeinsamen Ministerrat beraten werden; Fortsetzung in GMR.
       v. 14. 4. 1912, GMKPZ. 492.
10 Zur Kmetenablösung siehe GMR. v. 28. 2. 1910, GMCPZ. 478.
<pb/>408 Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 10. 1911

   KZ. 33 ex 1912 - GMKPZ. 489
   Protokoll des zu Wien am 29. Oktober 1911 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hau¬
ses und des Äußern Grafen Aehrenthal.

   Der Vorsitzende, welcher die Konferenz um Vt. 6 Uhr eröffnet, gibt
seiner Meinung dahin Ausdruck, daß man zunächst die militärischen Vorlagen in
Beratung ziehen und dem Kriegsminister, sodann dem Marinekommandanten
Gelegenheit geben sollte, sich zu diesen Vorlagen des näheren zu äußern.

   Nachdem die übrigen Konferenzteilnehmer dieser Anregung des Vorsitzenden
zustimmen, hält GdI. Ritter von Auffenberg folgendes Expose:

   Das den Mitgliedern der hohen Konferenz zugekommene ,,Summar über das
Gesamterfordemis des Heeres für das Jahr 1912 bei Vergleichung mit dem pro
1911 präliminierten Erfordernisse&quot; läßt entnehmen, daß im Normalbudget des
Heeres (Ordinarium, Extraordinarium und außerordentliches Erfordernis für
Bosnien und die Herzegowina eine Steigerung von 20,2 Millionen Kronen zu
verzeichnen ist.

   Mit Hinzurechnung der Erhöhung des Normalbudgets der Kriegsmarine per
1,5 Millionen Kronen ergibt sich eine Steigerung des normalen Voranschlages
pro 1912 um 21,7 Millionen Kronen.

   Als außerordentliches Erfordernis aus Anlaß der Ausgestaltung des k. u. k.
Heeres pro 1912 werden 19 Millionen Kronen erbeten. Bei Berücksichtigung des
von der Kriegsmarine direkt angesprochenen Kredites für die Herstellung des
Hafenschutzdammes in Pola per 1 Million Kronen resultiert in diesem Voran¬
schlagsteile ein Gesamtbetrag von 20 Millionen Kronen.

   Diese Ziffern entsprechen genau dem finanziellen Programme, welches auf
Grund der Vereinbarungen mit den Regierungen der beiden Staaten hinsichtlich
der Ausgestaltung des Heeres und der Kriegsmarine in der Zeit von 1911 bis ein¬
schließlich 1915 zustande gekommen ist.

    Als außerordentlicher Artilleriekredit werden - wie im Jahre 1911-4 Millio¬
nen Kronen beantragt.

    Von der angegebenen Steigerung des normalen Heeresbudgets per 20,2 Millio¬
nen Kronen betreffen: das Ordinarium 20 136 254 Kronen, das außerordentliche
Erfordernis für die Kommandos, Truppen und Anstalten in Bosnien und der Her¬
zegowina 63 746 Kronen. Zusammen 20 200 000 Kronen.

    Das Extraordinarium des Jahres 1912 weist gegenüber jenem pro 1911 in der
Endziffer keine Veränderung auf und beträgt daher 5 286 140 Kronen.

    Den breitesten Raum in den Anforderungen des Jahres 1912 nimmt naturge¬
mäß die Wehrreform ein. Auf sie entfallen im ganzen 16,6 Millionen Kronen, und
zwar an fortlaufenden Erfordernissen im Ordinarium und Extraordinarium für
Bosnien-Herzegowina 6,6 Millionen Kronen, an einmaligen Ausgaben im Ausge¬
staltungskredit 10 Millionen Kronen.
<pb/>Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 10. 1911  409

   Das Detail der bezüglichen Maßnahmen ist in der Beilage D des von mir un¬
terbreiteten Summars enthalten. Die einschlägigen Erfordernisse basieren auf der
Voraussetzung, daß die rechtzeitige parlamentarische Verabschiedung der Wehr¬
vorlagen die Einstellung des erhöhten Rekrutenbedarfes mit 1. Oktober 1912 zu¬
läßt.

   Für Budgetsanierungen sind pro 1912 insgesamt 11 035 903 Kronen zur Ein¬
stellung beantragt.

   Nach Berücksichtigung dieser Summe wird die Übereinstimmung des Voran¬
schlages mit den tatsächlichen Gebahrungsergebnissen soweit hergestellt sein,
daß Budgetüberschreitungen - von Elementarereignissen, abnormen Preissteige¬
rungen etc. abgesehen - ab 1912 nicht mehr Vorkommen dürften.

   Die Ergänzung der pro 1911 nur für einen Teil des Jahres bewilligten Erforder¬
nisse auf den zwölftnonatlichen Bedarf nimmt 988 159 Kronen in Anspruch. Den
Rücksichten auf eine reelle Budgetgebahrung entsprechend, wurden auch pro
1912 die an einen bestimmten Termin gebundenen Präliminaränderungen nur mit
den entfallenden Teilbeträgen veranschlagt, während die Ergänzung der letzteren
auf den vollen Jahresbedarf im Jahre 1913 platzgreifen wird.

   Auf sonstige Anforderungen fortlaufenden Charakters entfallen im Normal¬
budget - nach Ausscheidung der für die Durchführung der Wehrreform bestimm¬
ten Summen - bloß 1 575 938 Kronen.

   In diesem Betrage ist auch der Aufwand für längerdienende Unteroffiziere
(Dienstprämienvermehrung, Erhöhung der Zahl der Ehen 1. Klasse, Verbesse-
mng der Unterkunftskompetenz verheirateter Unteroffiziere) per 210 000 Kronen
berücksichtigt, so daß für die übrigen im Interesse der Fortentwicklung des Hee¬
res unbedingt notwendigen Maßnahmen der gewiß sehr bescheidene Betrag von
rund 1 366 000 Kronen verbleibt.

   Letzterer wird teils für sachliche Ausgaben - bessere Dotierung erfahrungsge¬
mäß unzulänglicher Präliminarpositionen, Instandhaltung von Vorräten, Materi¬
alien und Ausrüstungsgegenständen, Beschaffung von Schießübungsmunition,
Versuche, Übungserfordemisse etc. -, teils für personelle Bedürfnisse außerhalb
des Rahmens der Wehrvorlage benötigt.

   Die Regelung der Personalverhältnisse bildet auch ein wesentliches Moment
der Sanierung. Mit Rücksicht auf die erhöhten Anforderungen, welche die Ein¬
führung der zweijährigen Dienstzeit im Gefolge hat, sollen einerseits der Truppe
allmählich jene Offiziere ersetzt werden, die sie bisher notgedrungen zu Lasten
ihres Dienststandes für sonstige unentbehrliche, der kargen Geldmittel wegen
aber noch nicht systemisierte Stellen widmen mußte, anderseits jene Standesver¬
mehrungen durchgeführt werden, die erforderlich sind, um die vielen, im Kriegs¬
fälle zuwachsenden Posten wenigstens zum Teile mit entsprechend ausgebilde¬
ten, im Friedensdienste erprobten und mit der notwendigen Erfahrung
ausgestatteten Personen besetzen zu können.
<pb/>410 Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 10. 1911

   Die diesbezüglichen rechtzeitigen Vorsorgen sind umso wichtiger, als sich eine
etwaige Vernachlässigung des personellen Momentes selbst durch weitreichend¬
ste materielle Vorkehrungen nicht wettmachen ließe.

   Bei allen ihren Anträgen hat sich die Heeresverwaltung die größte Ökonomie
vor Augen gehalten.

   Viele Anforderungen, wie beispielsweise diejenige für fortifikatorische Ma߬
nahmen mußten weit unter das Maß des eigentlichen Bedarfes herabgedrückt
werden und nichts beweist die Knappheit der verfügbaren Mittel besser als die
Tatsache, daß von den mit der Wehrvorlage in unmittelbarem Zusammenhänge
stehenden einmaligen Erfordernissen, ein Teil - laut Beilage D, Seite 17 1 819 000
Kronen - auf das Jahr 1913 übertragen werden muß, um eine Überschreitung der
pro 1912 limitierten Budgetmittel zu vermeiden.

   Dieselbe Erscheinung wird auch in den Jahren 1913 und 1914 zutage treten,
doch wird der Ausgleich im Budget des Jahres 1915 vollzogen werden.

   Indem ich diesen Umstand besonders hervorhebe, bitte ich um die unveränder¬
te Genehmigung meiner Anträge.

   An dieses Expose knüpft der Kriegsminister die Mitteilung, daß ihm noch ein
Entwurfvon Forderungen vorliege, welche er nach bestem Wissen und Gewissen
als sehr dringlich und ganz besonders wichtig bezeichnen müsse. Es wäre von
ihm unverantwortlich, wenn er nicht daraufhinwiese. Er habe den ursprünglichen
Entwurf, der enorme Ansätze enthielt, so weit restringiert, als er gerade noch
verantworten könne, aber die Bewilligung des einschlägigen Kredites sei unaus¬
weichlich.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident ergreift hierauf das Wort
und führt in längerer Rede aus, daß die Angelegenheit insofeme nicht dringlicher
Natur sei, als in diesem Jahre die Delegationen vermutlich nur behufs Bewilli¬
gung einer Indemnität zusammentreten dürften, während die meritorischen Bera¬
tungen erst im nächsten Jahre zu einem vorläufig noch nicht bestimmbaren Zeit¬
punkte statthaben werden.

   Die beiden Regierungen werden das einhalten, was sie versprochen haben,
darüber hinauszugehen werde wohl kaum möglich sein.

   Der Vorsitzende stellt die Frage, ob betreffend das Kriegsbudget be¬
ziehungsweise die Details der angekündigten Mehrforderungen weiterkonferiert
oder die bezügliche Beratung abgebrochen und in einem späteren Zeitpunkte
wieder aufgenommen, jetzt aber eine allgemeine Besprechung des Marinebud¬
gets abgehalten werden soll.

   Es wird im letzteren Sinne entschieden und gelangt nun der Marine-
kommandant zu Worte. Dieser weist zunächst daraufhin, daß er schon bei
früheren Beratungen dargelegt habe, daß es ihm nicht möglich sei, mit einem
Mehraufwande von 1 14 Millionen auszukommen. Er benötige 4 14 Millionen.
Der frühere Kriegsminister habe ihm ursprünglich diesen Betrag zugesagt und
zwar pro 1911. Als dieser Betrag im vorigen Jahre restringiert wurde, habe er
sofort remonstriert und gesagt, daß er das Auslangen nicht finden könne und um
<pb/>Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 10. 1911  411

3 Millionen überschreiten müsse. Deshalb habe er auch pro 1912 die Summe von
4 Zi Millionen verlangt. Er bitte zu berücksichtigen, daß man große Schiffe baue,
große Vorräte an Kohle benötige und die Lebensmittelpreise enorm gestiegen
seien, was sich bei dem Aufwande für die Mannschaftskost ganz besonders fühl¬
bar mache. Er hielt bisher die Ansätze aufrecht, das sei aber weiterhin nicht mög¬
lich und müsse er eventuell einen Nachtragskredit in Anspruch nehmen.

   Graf Montecuccoli bespricht sodann an der Hand des Hauptsummars des Ma-
rineerfordemisses die Erhöhungen bei den einzelnen Budgettiteln und betont, daß
er die weitestgehenden Restringierungen vomahm. Außerdem spare er, wo er
könne. Die Eskader sei 14 Tage früher als sonst außer Dienst, einzelne Schiffe
mehrere Wochen später in Dienst gestellt worden, trotzdem betragen die Über¬
schreitungen pro 1911 voraussichtlich die Summe von drei Millionen.

   Was den außerordentlichen Kredit von 312,4 Millionen betreffe, so habe er
seinerzeit die Jahresraten so eingestellt, wie seine Verpflichtungen lauten. Nun
habe man diese Einteilung nicht genehmigt und hielt er es für seine Pflicht, da¬
mals gleich darauf aufmerksam zu machen, daß er mit den bewilligten Raten
seinen Verpflichtungen nicht nachkommen könne, weil er schon anfangs des Jah¬
res 1910 die ersten Schiffe auf Stapel hatte, während ihm die erste Zahlung im
Jahre 1911 zukam. Von der seinerzeitigen Ermächtigung des Ministerrates, Zin¬
sen zu verrechnen, mußte er Gebrauch machen und sei er bestrebt, so wenig als
möglich hiefür aufzuwenden.

   Die Kreditanstalt verlangte ursprünglich 1 Vi % über dem Bankzinsfuß, wäh¬
rend sich die Länderbank mit 1 % begnügte. aDie Baufirma3 verlangte bei dem
Baue der ersten beiden Schiffe Vi %, beim dritten 1 % über dem Bankzinsfüß, die
Skodawerke 1 Zi %, nur die Witkowitzer Werke verzichteten aufInterkalarzinsen.
Die Kreditanstalt ermäßigte ihr Anbot später auf % %&gt;, erhöhte es aber später auf
1 %. Er schulde jetzt der Länderbank 20 Vi Millionen, der Kreditanstalt 15 Mil¬
lionen, dem Stabilimento technico 24,6 Millionen; inklusive Zinsen im ganzen
zirka 62 V2 Millionen. Am 1. November benötige er für die Skodawerke eine Mil¬
lion. Als die Länderbank diesbezüglich angegangen wurde, erwiderte dieselbe,
sie könne keine neuen Vorschüsse geben und bitte um Refündierung der bisheri¬
gen. Wenn dies nicht möglich wäre, bitte sie um Ausstellung einer Schuldurkun¬
de, welche als pupillarsichere Unterlage für Bankpfandbriefe dienen könnte. In
diesem Falle würde sie noch einige Millionen zur Verfligung stellen. Er werde

Einfügung Montecuccolis aus Manche Firma. Zur Einfügung spezielle BdE. derAnwesenden
Mit Bezug auf die Bemerkung des k. u. k. Marinekommandanten Admiral Grafen Montecuc¬
coli auf der 1. Seite des 5. Bogens. Zur nochmaligen hohen Einsicht Ihrer Exzellenzen: des
P. T. Herrn k. k. Ministerpräsidenten Dr. Freiherm von Gautsch (10. 5. 1912), des P. T. Herrn
kgl. ung. Ministerpräsidenten Grafen Khuen-Hederväry, des P. T. Herrn k. u. k. gemeinsamen
Finanzministers Freiherm von Buriän, des P. T. Herrn k. u. k. Kriegsministers GdI. Ritter von
Auffenberg, des P. T. Herrn k. k. Finanzministers Dr. Meyer (22. 5. 12), des P. T. Herrn kgl.
ung. Finanzministers Dr. von Lukäcs.
<pb/>412 Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 10. 1911

übrigens 2 Vz Millionen, die er noch in diesem Jahre benötige, von der Kreditan¬
stalt erhalten.

   Im Jahre 1912 brauche er 86 Millionen. Er bekomme 67 Millionen aus dem
außerordentlichen Kredite, 17 Millionen aus seinem Budget für die Radetzky¬
klasse, zusammen 84 Millionen. Die Differenz von 2 Millionen und das, was er
jetzt schulde, bleibe vorläufig unbedeckt und könne er - wie er glaube - erst im
Jahre 1913 an den Beginn der Rückzahlung denken und im Laufe des Jahres 1915
das Gleichgewicht erzielen.

    Er wäre leider schon einmal in ähnlicher Lage gewesen, wo er 46 Millionen
Schulden hatte. Damals habe alles gewartet und sei die Bezahlung aus dem 120
Millionenkredite erfolgt.

   Indem er noch aufmerksam mache, daß wir trotz allem langsam bauen und
speziell Italien überaus rasch vorgehe, bitte er, seine Ausführungen zur Kenntnis
zu nehmen.

   Auf Befragen des Vorsitzenden, ob die Konferenz, nachdem sie das
Expose des Marinekommandanten gehört, zu demselben Stellung nehmen oder
den gleichen Vorgang wie bei jenem des Kriegsministers beobachten wolle, ant¬
wortet zunächst der k. k. Finanzminister, daß man letzteren Weg
nicht einschlagen könne, denn es läge ein Protest des Marinekommandanten ge¬
gen das vorjährige Übereinkommen und seine Erklärung, nicht auskommen zu
können, sowie die Mitteilung vor, daß er Schulden habe. Ohne vorgreifen zu
wollen, möchte er nur konstatieren, daß er offiziell von dieser letzteren Tatsache
erst jetzt höre, nicht offiziell habe er davon wohl erfahren. Es sei für die öster¬
reichische Regierung eine schwierige Sache, wenn derartige Operationen vorge-
nommen werden, ohne daß sie davon Kenntnis habe, wobei er jetzt nicht untersu¬
chen wolle, welche Bedenken dagegen vom gesetzlichen beziehungsweise
verfassungsmäßigen Standpunkte zu relevieren wären, keinesfalls dürfe aber der
Marinekommandant die erwähnte Schuldurkunde ausstellen. Er bitte, sich vor¬
läufig auf diese Erklärung beschränken zu dürfen. Der kg 1. un g . Fi¬
nanzminister will sich gleichfalls auf eine kurze Bemerkung beschrän¬
ken. Die beiden Regierungen haben im vorigen Jahre für fünfJahre 700 Millionen
zur Verfügung gestellt. Auf die Verteilung zwischen Heer und Marine sei bezüg¬
lich der Budgetsteigerung kein Einfluß genommen worden, weil verfassungsmä¬
ßig nur das Kriegsministerium als Einheit in Betracht komme. Auch jetzt könne
man nicht die Rolle des Schiedsrichters übernehmen. Die Verteilung sei eine in¬
terne Angelegenheit des Kriegsministeriums. Was den Modus betreffe, wie man
aus der Schuldenaffaire herauskomme, so müsse man die verfassungsmäßigen
Konsequenzen in Betracht ziehen und sich fragen, ob man für solche Vorkomm¬
nisse weiter die Verantwortung tragen könne. Er wenigstens werde sich diese
Frage stellen. Es liege die Tatsache vor, daß man viele Millionen ohne Zustim¬
mung verwendet, zu den Details könne man aber nur Stellung nehmen, wenn man
die Ziffern genau kenne. Er und wohl auch sein österreichischer Kollege werden
daher bitten, daß man ihnen eine einschlägige schriftliche Mitteilung zukommen
<pb/>Nr. 25 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 10. 1911  413

lasse. Die Sache sei äußerst schwierig. Man habe ein Programm auf fünf Jahre
vor den Delegationen und den Parlamenten abgeschlossen. Erst vor drei Tagen
hätte er im Finanzausschüsse diese Erklärung abgegeben, jetzt solle er sagen,
man habe 60 Millionen Schulden ohne Genehmigung gemacht. Er wisse nicht,
wie man da herauskommen könne.

   Der Vorsitzende konstatiert, daß Graf Montecuccoli seinerzeit auf die
Unmöglichkeit auszukommen, hingewiesen habe, wie dies aus den Protokollen
hervorgehe, die er nicht bei der Hand habe. Aus letzteren könne aber gefolgert
werden, daß beide Regierungen, mit Rücksicht auf die wiederholten einschlägi¬
gen Erklärungen des Marinekommandanten, mit der Wahrscheinlichkeit von
Überschreitungen und sogar mit der Tatsache des Entstehens von Verzugszinsen
bei der Gesamtheit der Marinekosten sich vertraut gemacht haben dürften. (Ein
Auszug aus den Protokollen vom 6. Oktober und 20. November 1910 liegt bei.)

   Der Marinekommandant kommt darauf zurück, daß man ihm ur¬
sprünglich mehr konzediert habe. Der frühere Kriegsminister hätte sich mit ihm
geeinigt, daß er 4 !4 Millionen erhalte, um ihm dann plötzlich nur 1 14 zu geben.
Vergebens habe er dagegen remonstriert und alles versucht, dagegen aufzutreten.
Er konnte nicht auskommen und kann es auch jetzt nicht. Was er beanspruche, sei
das allemotwendigste. Überall könne man Rückständigkeiten konstatieren, so
verweise er beispielsweise darauf, daß man keine Turbinenwerkstätte in Pola
habe, sich vielfach mit Flickwerken behelfe usw.

   Der kgl. ung. Finanzminister sagt, daß die beiden Regierun¬
gen um 45 Millionen mehr zugestanden, als früher fixiert war. Mit diesen 45
Millionen müßten auch die Ansprüche der Marine befriedigt werden können. Dr.
v. Lukäcs verliest hierauf die aus elf Punkten bestehenden Vereinbarungen des
Ministerrates vom 6. Jänner 1911, welche der damalige Kriegsminister vollstän¬
dig akzeptiert habe.1

   Der k. k. Finanzminister erklärt, daß er im Jänner dieses Jahres,
als er sein Portefeuille übernahm, von diesen Vereinbarungen Kenntnis erhielt,
sie auch in den Delegationen mitzuvertreten Gelegenheit hatte und ersucht gleich¬
falls um schriftliche Mitteilung der von dem Marinekommandanten geschilderten
Vorgänge, glaubt aber, schon jetzt nicht verhehlen zu sollen, daß das Urteil des
Parlamentes klar vorauszusehen sei.

   Der Marinekommandant betont, daß er keine Abänderung der Ver-
einbarung anstrebe, daß ihm aber, wenn man die Erhöhung von 45 Millionen in
Betracht ziehe, noch eine größere Quote zukomme als er verlange.

   Der Vorsitzende wünscht seinerseits festzustellen, daß niemand an
den fraglichen Vereinbarungen auch nur im mindesten rütteln wolle, es sei an
keine Abänderung gedacht. Der Marinekommandant wolle nur konstatieren, daß
er das nicht bekam, was ihm vom Kriegsminister Baron Schönaich zugesagt wor¬
den sei und worauf er gerechnet habe.

GMKPZ. 484.
<pb/>414 Nr. 26 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 12. 1911

   Nachdem noch der Marinekommandant die gewünschte schriftli¬
che Mitteilung in Aussicht stellt und das Communique über die Sitzung verein¬
bart wird, erfolgt der Schluß derselben um 7 Uhr abends.2

                                                                                           Aehrenthal

Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien am 1. Juni 1912. Franz Joseph.

    Nr. 25a Bemerkungen früherer Protokolle zum Marinebudget

   In der Sitzung vom 6. Oktober 1910 sagte Freiherr v. Bienerth, eine eventuelle
frühere Inangriffnahme, wie dies auch mit den Schlachtschiffen geschehen, sei ja
keinesfalls ausgeschlossen. Die effektiven Kosten werden ja ohnehin höher sein
als die präliminierten. Wenn es tatsächlich nötig sein wird, könne man mit dem
Baue früher beginnen, es handle sich hauptsächlich um die spätere Bezahlung.
Für die österreichische Regierung sei der springende Punkt die Verteilung der
Kredite auf mehrere Jahre. Und GrafAehrenthal war in derselben Sitzung in der
Lage, ohne aufWiderspruch zu stoßen, zu konstatieren, daß die Marine die Mög¬
lichkeit besitze, rascher zu bauen.

   In der Sitzung vom 20. November v. J. sagte Dr. v. Bilinski wörtlich: ,,Was die
vom Marinekommando zu zahlenden Verzugszinsen anbelangt, so stimmen beide
Regierungen zu, diese auf sich zu nehmen, wodurch keine Verkürzung der Mari¬
neforderung eintreten werde.&quot;

   Auch damals wiederholte Baron Bienerth, daß man sich mit der Bezahlung
von Verzugszinsen abgefunden habe, da, so bedauerlich dies vom staatsfinanziel¬
len Gesichtspunkte sei, es aber gerade wegen der Geldbeschaffung nicht anders
ginge und müßten sich die Bestellungen nicht mit den formellen Bewilligungen
decken. Denselben Standpunkt nahm auch der kgl. ung. Ministerpräsident ein.

       Nr. 26 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. Dezember 1911

     RS. (und RK.)
     Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf Stürgkh, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf
Khuen-Hederväry, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. Kriegsmi¬
nister GdI. Ritter v. Auffenberg, der k. k. Finanzminister Ritter v. Zaleski, der kgl. ung. Finanzmi¬
nister Dr. v. Lukäcs, der k. u. k. Marinekommandant und Chef des Kriegsministeriums, Marinesek¬
tion, Admiral Graf Montecuccoli. [Teilweise publiziert in: Österreich-Ungarns Aussenpolitik,
Band 3, Nr. 3057.]
     Protokollführer: Hof- und Ministerialrat v. Günther.
     Gegenstand: Das gemeinsame Budget für das Jahr 1912.

2 Fortsetzung über das BudgetfiÄr 1912 in GMR. v. 6. 12. 1911, GMKPZ. 490.
<pb/>