Gemeinsamer Ministerrat, 28. 2. 1910
I. Die Erlassung eines Ah. Handschreibens an den gemeinsamen Finanzminister Freiherrn v. Burián betreffend die Angelegenheit der Kmetenablösung
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290 Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 19101 möglichst bald erfolge, damit den auf diesem Gebiete versuchten Quertreibereien ein Ende gemacht werde. Die k. k. Regierung habe ursprünglich die Aufnahme eines bezüglichen Passus ins Statut gewünscht und habe dies nur unter der Bedin¬ gung fallen lassen, daß zur Beruhigung der interessierten politischen Kreise eine Ankündigung in solenner Form erfolge. Hiezu bemerkt der gemeinsame Finanzminister, daß die kgl. ung. Regierung den zwischen der feierlichen Ankündigung und der Einbringung des Kmetengesetzes im Landtage sich ergebenden Zeitraum dazu werde benützen können, um zu einem Einverständnis mit der bosnischen Agrarbank zu gelangen. Auf die Frage des Vorsitzenden, wann der Zusammentritt des bosnisch-herze- gowinischen Landtages zu gewärtigen sei, erwidert Baron Buriän, daß die Eröff¬ nung des Landtages in drei, kürzestens aber in zwei und einem halben Monate werde erfolgen können.4 Der Vorsitzende schlägt nunmehr die Abhaltung einer gemeinsamen Ministerkonferenz behufs Schlußfassung in betreff der Aktivierung des rumäni¬ schen Handelsvertrages sowie anderer handelspolitischer Fragen für Montag den 28. Februar 1910 vor. Bei dieser Gelegenheit körnte sodann, falls die Zeit es er¬ laubt, auch die Angelegenheit des Ausbaues des bosnisch-herzegowinischen Ei¬ senbahnnetzes erörtert werden.5 Dieser Antrag findet die Zustimmung der Konfe¬ renz, worauf der Vorsitzende die Beratung für geschlossen erklärt. Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 21. März 1910. Franz Joseph. Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. Februar 1910 I RS. (undRK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Bienerth, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Khuen-Hederväry, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. k. Finanz¬ minister Ritter v. Bilihski (13.3.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. v. Lukäcs. Der Vortrag Buriäns v. 15. 2. 7970 betreffend die Einführung von verfassungsmäßigen Ein- richtungen/wr Bosnien und die Herzegowina, bestehend aus dem Landesstatut, der Wahlord¬ nung, der Geschäftsordnung für den Landtag, dem Vereins- und dem Versammlungsgesetz sowie dem Gesetz über die Bezirksräte wurde mit Ah. E. v. 17. 2. 1910 resolviert, FIHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 507/1910; publiziert als Gesetz- und Verordnungsblatt für Bosnien und die Hercegovina Nr. 19/1910. Zur Geschichte der Entstehung dieses Statutes und zu den staatsrechtlichen Diskussionen über die Stellung Bosnien-Herzegowinas in der Monarchie siehe JuzbaSic, Das österreichisch-ungarische ,,gemeinsame Ministerium". In GMR. v. 28. 2. 19101, GMCPZ. 478, wurde die Angelegenheit der Kmetenablösung verhandelt. Die angesprochenen handelspolitischen Fragen und die bosnischen Einsenbahnfragen ka¬ men in GMR. v. 28. 2. 1910II, GMCPZ. 479, zur Sprache. <pb/>Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 19101 291 Schriftführer: Legationsrat Friedrich Graf Szapäry. Gegenstand: Die Erlassung eines Ah. Handschreibens an den gemeinsamen Finanzminister Freiherm v. Buriän betreffend die Angelegenheit der Kmetenablösung. KZ. 19-GMCPZ. 478 Protokoll des zu Wien am 28. Februar 1910 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hau¬ ses und des Äußern Grafen Aehrenthal. Der Vorsitzende eröffnet die Beratung mit der Bemerkung, daß sich das Bedürfnis ergeben habe, die kgl. ung. Regierung über die in Aussicht genom¬ mene Erlassung eines Ah. Handschreibens zu informieren, in welchem der k. u. k. gemeinsame Finanzminister aufgefordert wird, einen für den kommenden bos- nisch-herzegowinischen Landtag bestimmten Gesetzentwurfüber die Kmetenab- lösungen auszuarbeiten. Er ladet Freiherm v. Buriän ein, die bezüglichen Aufklä¬ rungen zu erteilen.1 Der gemeinsame Finanzminister rekapituliert die Verhand¬ lungen, welche nach den im Frühjahre des vorhergehenden Jahres im österreichi¬ schen Reichsrat stattgehabten Debatten2 zu dem Ergebnis geführt haben, daß die Erlassung eines Ah. Handschreibens ins Auge gefaßt wurde, in welchem der ge¬ meinsame Finanzminister den Auftrag erhält, für die Durchführung der Kmeten¬ ablösung unter Aufwand von Landesmitteln und Intervention der Landesbehör¬ den Sorge zu tragen. Es sei jedoch damals kein volles Einvernehmen der beteiligten Faktoren erzielt worden, und da sich seit dem Herbste des vorigen Jahres eine Unterbrechung der bezüglichen Verhandlungen ergeben habe, sei es nunmehr notwendig, der inzwischen eingetretenen Änderung der Sachlage durch einige Modifikationen des Entwurfes des Handschreibens Rechnung zu tragen. Im September v. J. habe der damalige kgl. ung. Ministerpräsident dem Erschei¬ nen eines solchen Handschreibens im Prinzipe zugestimmt, und er lege nunmehr einen entsprechend abgeänderten Entwurf für dasselbe vor.3 Die meisten Abweichungen des nunmehr in Vorschlag gebrachten Textes ge¬ genüber dem früheren seien stilistischer Natur. Wesentlich sei nur die neue Fas¬ sung des Alinea 2; in dem älteren Entwürfe sei die Eventualität der Einführung einer allgemeinen Ablösung erwähnt, er stelle aber die Bitte, daß in der geplanten Die Notwendigkeit, einen Gesetzentwurf über die Kmetenablösung bald nach der Einberu¬ fung des Landtages einzubringen, war schon in GMR. v. 12. 2. 1910, GMCPZ. 411, festge¬ halten worden. Gemeint ist der vom cisleithanischen Abgeordnetenhaus einstimmig angenommene Dring¬ lichkeitsantrag Sustersic und Genossen die Privilegierung der bosnischen Agrarbank zu ver¬ hindern. Stenographische Protokolle Ober die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichischen Reichsrathes, XIX Session, 11.3. 1909 43-60. Verschiedene Entwürfe des Handschreibens seit Mai 1909 liegen in HHStA., PA. I, CdM. VIII c 12/2, fol. 158r-192r. <pb/>292 Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 19101 Ah. Kundgebung von ,,allgemeiner Ablösung" nicht gesprochen werde. Bei den bosnisch-herzegowinischen Grundbesitzern mache sich ein gewisses Mißtrauen geltend, ob ihre Rechte, welche von Sr. Majestät wiederholt feierlich gewährlei¬ stet worden seien, gewahrt werden würden. Es könnte daher diesem Mißtrauen nur neue Nahrung Zufuhren, wenn aus dem Munde Sr. Majestät eine Erwähnung der allgemeinen Ablösung ergehen würde. Auch treffe die im Reichsrat verbreitet Auffassung, als handle es sich diesfalls um ein feudales Verhältnis zwischen Grundbesitzern und Kmeten, oder gar um ein von den Grundbesitzern wider¬ rechtlich erworbenes Eigentum, nicht zu. Er beantrage daher die folgende Formu¬ lierung für den zweiten Satz des Alinea 2 des Entwurfes: ,,Seither erblickt die bosnisch-herzegowinische Landesverwaltung ihre Aufgabe darin, die selbsttätig sich vollziehende Ausbreitung des freien Grundbesitzes durch Erleichterung der freiwilligen Kmetenablösungen zu fördern." Die von ihm im 1. Alinea des Entwurfes in Vorschlag gebrachten Änderungen betreffen nur Kleinigkeiten; so habe er den Ausdruck ,,Regelung" der Grundbe¬ sitzverhältnisse eliminiert, denn um eine ,,Regelung" handle es sich hier keines¬ wegs. Die Grundbesitzverhältnisse in Bosnien und der Herzegowina seien voll¬ kommen geregelt; auch würde eine solche Bezeichnung im Widerspruche mit dem Wortlaut des folgenden Alinea stehen, in welchem konstatiert wird, daß das gesetzliche Verhältnis zwischen Grundbesitzern und Kmeten in seiner traditio¬ nellen Form wieder hergestellt sei. Es gebe keine Agrarfrage in Bosnien und der Herzegowina so wie sie seinerzeit die Ursache der Revolution gewesen sei, wel¬ che zur Okkupation geführt hat. Es sei das Verdienst unserer Verwaltung, daß sie in dem ersten Jahrzehnt ihrer Tätigkeit die Grundbesitzverhältnisse wieder ge¬ ordnet habe. Was nunmehr angestrebt werde, bewege sich innerhalb der beste¬ henden, vollkommen gesetzmäßigen Verhältnisse, so daß von einer Regelung in keiner Weise gesprochen werden könne. Das vorletzte Alinea des Entwurfes beantrage er in zwei Alineas zu teilen, so daß mit den Worten ,,Um jedoch" ein neues Alinea beginnt. Auch habe er im nunmehrigen 4. Alinea den Ausdruck ,,Staatsmittel" den tatsächlichen Verhältnis¬ sen entsprechend durch ,,Landesmittel" ersetzt. Der Vorsitzende ladet nunmehr die beiden Ministerpräsidenten ein, zu dem neuen in Vorschlag gebrachten Texte des Handschreibens Stellung zu nehmen. Der k. k. Ministerpräsident bemerkt, daß in der Wendung ,,Ih¬ rer erprobten Umsicht anzuvertrauen" der Ausdruck ,,anzuvertrauen" besser durch ,,aufzutragen" ersetzt werden könnte. Nach längerer Debatte beschließt die Konferenz, dem bezüglichen Satz die folgende Fassung zu geben: ,,...Ihnen deren sorgfältige Behandlung im Vertrauen auf Ihre erprobte Umsicht zu dem Zwecke besonders aufzutragen...." Im 3. Alinea beantragt der k. k. Ministerpräsident in der Wendung ,,unter Ob¬ sorge und unter Garantie" das zweite ,,unter" zu streichen, und im 4. Alinea statt der Wendung ,,zur Durchführung gebracht werden" die Wendung ,,durchgeführt werde" zu gebrauchen. Diese Anträge finden die Zustimmung des Ministerrates. <pb/>Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 19101 293 Der k. k. Finanzminister schlägt die Weglassung des Wortes ,,daher" in der Einleitung des 3. Alinea vor, was von der Konferenz angenommen wird. Der k. k. Ministerpräsident erklärt, daß er von seinem Stand¬ punkte gegen die von Baron Buriän angeregten Änderungen nichts einzuwenden habe. Er müsse jedoch darauf aufmerksam machen, daß durch die Eliminierung des Schlußsatzes des Alinea 3 ein wirksamer Riegel gegenüber gewissen Bestre¬ bungen verloren gehe, dessen Beibehaltung sowohl im Interesse der Landesregie¬ rung als auch der bosnisch-herzegowinischen Grundbesitzer gelegen sei, da letz¬ tere, wenn nach Maßgabe des im erwähnten Schlußsätze bezeichneten Prinzipes vorgegangen werde, vor einer Majorisierung geschützt seien. Der gemeinsame Finanzminister bemerkt, daß er die von Freiherm v. Bienerth angeführten Argumente wohl würdige, daß es ihm jedoch noch viel wichtiger scheine, die infolge der Erwähnung der allgemeinen Ablö¬ sung zu gewärtigende Beunruhigung der Grundbesitzer zu vermeiden. Letztere sprächen jetzt schon von dem Verluste ihrer Hegemonie, und eine Enunziation solchen Inhalts hätte unbedingt den deplorabelsten Effekt. Der Vorsitzende ladet nunmehr den kgl. ung. Ministerpräsidenten ein, seiner Auffassung in betreff des Entwurfes Ausdruck zu geben. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, im Hinblick auf die Tatsache, daß die frühere ungarische Regierung der Erlassung eines gegenständ¬ lichen Ah. Handschreibens zugestimmt habe, sei es schwer, nunmehr nachträgli¬ che Einwendungen zu erheben. Hätte er vor Erteilung dieser prinzipiellen Zu¬ stimmung Gelegenheit gehabt, sich zu äußern, so hätte er nachdrücklichst hervorgehoben, wie bedenklich es ihm erscheine, daß durch ein Ah. Handschrei¬ ben Vorschriften für ein vom Landtage zu schaffendes Gesetz erlassen werden. Es sei sehr möglich, daß der Landtag ein Gesetz, welches den im Ah. Handschrei¬ ben vorgezeichneten Inhalt aufweise, nicht akzeptiert, was eine Schädigung der Autorität der Krone bedeuten würde. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister verweist dem¬ gegenüber darauf, daß das projektierte Handschreiben nur den Ausweg aus einer schwierigen Situation darstelle. Das österreichische Parlament habe sich durch seine Beschlüsse die Hände gebunden. Er selbst habe sich für diesen Ausweg entschließen können, da ja auf diese Weise keine Rechte verletzt werden. Der bosnischen Agrarbank gebühre eine Entschädigung im geschäftlichen Sinne nicht; es sei letzterer auch nur darum zu tun, eine Scharte auszuwetzen, da sie im Reichsrate wie eine Wucherbank dritten Ranges behandelt worden sei. Auch sei das durch den Entfall der Kmetenablösung der Bank entgehende Geschäft nicht zu überschätzen, da es sich ja nur darum handle, ob die Regiekosten des Ablö¬ sungsgeschäftes von den Kmeten oder dem Lande zu tragen seien. Wie sich je¬ doch die Dispositionsfreiheit des Landtages mit den im Ah. Handschreiben ent¬ haltenen Anweisungen vereinbaren lasse, sei eine andere Frage. Nach seinen Informationen habe übrigens ein Gesetzentwurf solchen Inhaltes Aussicht auf Annahme. <pb/>294 Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 19101 Der Vorsitzende macht darauf aufmerksam, daß sich die Krone jedes¬ mal bei Vorlage eines Gesetzentwurfes an die Vertretungskörper durch die Ertei¬ lung der Vorsanktion engagiere, wogegen der ungarische Minister¬ präsident hervorhebt, daß dies jedoch nicht in so feierlicher Weise vor sich gehe, wie es im vorliegenden Falle in Aussicht genommen sei. Was geschehen sei, sei nicht mehr zu ändern, doch habe er es für seine Pflicht gehalten, auf die Gefahr aufmerksam zu machen, daß sich der Landtag mit der im Handschreiben ausgesprochenen Ah. Willensmeinung in Gegensatz stellen könnte. Im Hinblick auf letztere Eventualität wäre es besser gewesen, die in Rede stehende Angele¬ genheit auf absolutistischem Wege zu ordnen, oder andernfalls den Dingen ihren Lauf zu lassen. Der Vorsitzende bemerkt, daß man unter den obwaltenden Umständen nichts anderes tun könne, als der Gefahr einer allfälligen gegensätzlichen Stel¬ lungnahme des bosnisch-herzegowinischen Landtages ins Auge zu blicken. Soll¬ te sich der Landtag den im Handschreiben enthaltenen Weisungen entgegenstel¬ len, so müsse die Ablösungsfrage eben offen bleiben. Der k. k. Finanzminister verweist auf den Entwicklungsgang dieser Angelegenheit. Anfangs habe man österreichischerseits die Zurückziehung der an die Bosnische Agrarbank erteilten Konzession verlangt. Demgegenüber sei beschlossen worden, die Entscheidung hierüber dem Landtage zu überlassen. Als dann in österreichischen parlamentarischen Kreisen der Ansicht Ausdruck verlie¬ hen wurde, die Landesregierung werde schon dafür Sorge tragen, daß der Land¬ tagsbeschluß im Sinne der Beibehaltung der Bankkonzession laute, habe man die nunmehr kontemplierte Form des Handschreibens in Aussicht genommen. Sollte der Landtag jedoch einen den Direktiven des Ah. Handschreibens angepaßten Ge¬ setzentwurf verwerfen, werde man eben daraus ersehen, daß die Bosnier selbst eine solche Lösung nicht wünschen und sich hiemit zufrieden geben. Der kgl. ung. Ministerpräsident wiederholt, daß er bloß auf den Widerspruch aufmerksam machen wollte, welcher sich daraus ergibt, daß dem bosnisch-herzegowinischen Landtag durch das Verfassungsstatut das Recht eingeräumt worden sei, über Angelegenheiten dieser Art zu beschließen, während in diesem Falle an die Regierung ein bestimmter Ah. Auftrag ergeht, wie das Ge¬ setz über die Kmetenablösung beschaffen zu sein habe. Der k. k. Ministerpräsident pflichtet zunächst den Ausführun¬ gen des Grafen Khuen-Hederväry bei und bemerkt, daß eben aus den von letzte¬ rem angeführten Gründen die österreichische Regierung die Aufnahme einer ent¬ sprechenden Verfügung ins Landesstatut gewünscht habe. Letzteres habe aber sowohl Freiherr v. Buriän wie die kgl. ung. Regierung abgelehnt, und deshalb sei man zur Adoptierung der nunmehr in Aussicht genommenen Lösung gelangt. Die mit dieser verbundenen Gefahren seien aber nicht so groß; das Ungewöhnliche des Vorganges liege nur in der feierlichen Form des Auftrages, man könne aber nicht behaupten, daß durch denselben neue Grundsätze aufgestellt werden. Es handle sich nur um die Art und Weise der Durchführung der Kmetenablösung, da <pb/>Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 19101 295 aber der Bevölkerung hieraus nur Vorteile wie die Überwälzung der Regiekosten von den Kmeten auf das Land erwachsen, dürfte sich in Bosnien wohl kein Wi¬ derspruch erheben. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, daß es ihm fern lie¬ ge, im gegenwärtigen Stadium der Angelegenheit Einwendungen erheben zu wollen, daß er jedoch Wert darauf lege, daß die Bedenken, welchen er Ausdruck gegeben habe, zu Protokoll genommen werden. Der Vorsitzende nimmt diesen Wunsch Graf Khuen-Hedervärys zur Kenntnis und richtet an Freiherm v. Buriän das Ersuchen, Sr. k. u. k. apost. Ma¬ jestät im Sinne der von der Konferenz gefaßten Beschlüsse eine Unterbreitung zu machen. Der k. k. Ministerpräsident ersucht den gemeinsamen Finanz¬ minister im Hinblick auf den Ablauf der seinerzeit für das Erscheinen des Ah. Handschreibens vereinbarten Frist und mit Rücksichtnahme auf die Lage der k. k. Regierung um möglichste Beschleunigung der bezüglichen Unterbreitung an Ah. Stelle, was von Freiherm v. Buriän zugesagt wird.3'4 Der Vorsitzende erklärt weiters, daß anläßlich des am selben Tage vormittags abgehaltenen Ministerrates über handelspolitische Angelegenheiten auch die Frage der Ausgestaltung des bosnischen Bahnnetzes des längeren erör¬ tert worden sei,5 wobei sich herausgestellt habe, daß die verschiedenen bei die¬ sem Gegenstand in Betracht kommenden Gesichtspunkte eine eingehende Vorbe¬ reitung seitens der beteiligten Ressorts erfordern. Er beantragt daher zu diesem Behufe die Inanspruchnahme des schriftlichen Weges oder Abhaltung einer Bera¬ tung der gemeinsamen Minister, deren Ergebnisse den beiden Regierungen mit¬ geteilt werden würden. Der gemeinsame Finanzminister stimmt diesem Anträge zu und bemerkt, daß die Behandlung der in Rede stehenden Frage bisher nur militä- rischerseits als dringlich bezeichnet wurde, während er in diesem Belange den Der Entwurf des Handschreibens liegt dem Originalprotokoll bei. Handschreiben v. 3. 3. 1910 an Buriän, HHSxA., Kab. Kanzlei, KBProt. B-5-c/1910. Über Vortrag Buriäns v. 24. 6. 1910 wurde mit Ah. E. v. 29. 6. 1910 der Gesetzentwurf über die Kmetenablösung im bosnisch-herzegowinischen Landtag eingebracht, ebd., KZ. 2055/1910. Nach der Annahme durch den Landtag am 5. 4. 1911 wurde über Vortrag Buriäns v. 3. 6. 1911 mit Ah. E. v. 13. 6. 1911 das Gesetz über die Erteilung von Darlehen zum Zwecke der freiwilligen Ablösung von Kmetenansässigkeiten in Bosnien und der Hercegovina sanktio¬ niert, ebd., KZ. 1883/1911; publiziert als Gesetz vom 13. Juni 1911, Gesetz- und Verord¬ nungsblatt für Bosnien und die Hercegovina Nr. 68/1911. Zur Geschichte der Kmetenablö¬ sung siehe Lanter, Die fakultative Kmetenablösung in Bosnien und der Hercegovina 1-10 sowie Grünberg, Die Agrarverfassung und das Grundentlastungsproblem in Bosnien und der Herzegowina. GMR. v. 28. 2. 1910II, GMCPZ. 479. Die Diskussion über die Eisenbahnfrage war anschei¬ nend nicht mitprotokolliert worden. <pb/>296 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 2. 1910II Zusammentritt des Landtages abwarten möchte. Die diesbezüglich in Betracht kommenden Interessen seien dreierlei: rein bosnisch-herzegowinische, dann han¬ delspolitische der Monarchie und endlich militärische. Angesichts dieser Man¬ nigfaltigkeit könne man über diesen Fragenkomplex erst beraten, wenn das ganze Bauprogramm festgestellt sei6. Weiters macht Baron Buriän auf die Dringlichkeit der Angelegenheit der Finanzierung der türkischen Entschädigung aufmerksam, welche derzeit durch die Aufnahme eines im kommenden April fälligen Vor¬ schusses geregelt sei, so daß eine weitere Vorsorge getroffen werden müßte. Der Vorsitzende schließt die Beratung, indem er die Einleitung der weiteren Verhandlungen im vorbesprochenen Sinne in Aussicht stellt. Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 28. April 1910. Franz Joseph. Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. Februar 1910II RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. österreichische Ministerpräsident Freiherr v. Bienerth, der kgl. ung. Ministerpräsident GrafKhuen-Hederväry, der k. k. österreichische Finanzminister Ritter v. Bilinski (24. 3.), der kgl. ung. Finanzminister Dr. v. Lukäcs, der k. k. österreichische Handelsminister Dr. Weiskirchner, der kgl. ung. Handelsminister v. Hieronymi, der kgl. ung. Ackerbauminister Graf Szerenyi, der Leiter des k. k. österreichischen Ackerbauministeriums Sektionschef v. Pop. Schriftführer: Generalkonsul Joannovics. Gegenstand: I. Die Aktivierung des Zusatzvertrages vom 23. April 1909 zur Handelskonvention mit Rumänien vom 21. Dezember 1893. U. Die Einleitung von Verhandlungen wegen Abschlusses von Handelsverträgen mit Serbien, Montenegro undArgentinien. III. Der Notenwechsel mit Schwe¬ den behufs Regelung der Stellung der österreichischen und ungarischen Handlungsreisenden. KZ. 42 - GMCPZ. 479 Protokoll des zu Wien am 28. Februar 1910 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hau¬ ses und des Äußern Grafen Aehrenthal. Der Vorsitzende wirft einleitend einen Rückblick auf die handelspoliti¬ sche Situation der österreichisch-ungarischen Monarchie. Unter der Einwirkung des neuen Kurses der Wirtschaftspohtik des Deutschen Reiches, welcher in dem ver¬ stärkten Schutze der landwirtschaftlichen Produktion zum Ausdrucke gekommen ist, sei man österreichisch-ungarischerseits genötigt gewesen, in einer Reihe von 6 Die bosnische Bahnfrage kam zur Sprache in GMR. 26. 2. 1911, GMKPZ. 485. <pb/>