Gemeinsamer Ministerrat, 1908-05-17; 1908-05-21
I. Fortsetzung der Beratungen betreffend den Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1909 beziehungsweise hinsichtlich des Termines der Einberufung der Delegationen
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z2.pdf.
160 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. Mai 1908 RS. (undRK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. Wekerle, der k. k. Ministerpräsident Dr. Frei¬ herr v. Beck, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Schönaich, der k. k. Finanzminister Dr. Ritter v. Korytowski, der k. u. k. Marinekommandant und Chef des gemeinsamen Kriegsministeriums, Marinesektion, Admiral Graf Montecuccoli (4. 8.), der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Dr. Popovics. Protokollführer: Sektionsrat Ritter v. Günther. Gegenstand: Fortsetzung der Beratungen betreffend den Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1909 beziehungsweise hinsichtlich des Termines der Einberufung der Delegationen. KZ. 52 - GMCPZ. 466 Protokoll des zu Wien am 17. bzw. 21. Mai 1908 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern Freiherm v. Aehrenthal. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit der Bemerkung, daß in der letzten Konferenz der gemeinsame Voranschlag in allen Einzelheiten durchbera¬ ten, im allgemeinen auch angenommen wurde und nur drei Fragen offen geblie¬ ben seien, nämlich 1. die Rückwirkung der Offiziersgagenregulierung, 2. die Mannschaftslöhnungen und 3. der Termin der Delegationen.1 Er bitte zunächst den kgl. ung. Ministerpräsidenten, sich über diese Punkte äußern zu wollen. Dr. Wekerle ergreift hierauf das Wort und führt aus, daß er vor allem auf die Erhöhung der Mannschaftslöhnungen reflektieren müsse. Diese Frage wurde eigentlich nicht von der Kriegsverwaltung angeregt, son¬ dern im Reichsrate und später in der österreichischen Delegation vorgebracht. Er erachte die Erhöhung der Löhnungen nicht als unumgänglich notwendig und dringend, zumal die Versorgung der Mannschaft infolge der Verteuerung so¬ wohl bei der Kost als der Bekleidung bereits berücksichtigt wurde, und sei er daher der Meinung, daß die projektierte Erhöhung auf das Jahr 1910 verschoben werden solle. Der k. k. Ministerpräsident weist daraufhin, daß im Sinne der Resolution der österreichischen Delegation die Mannschafslöhnungen um 5 Hel¬ ler per Tag und die Kost aufgebessert werden müßten. Er sei sich nicht ganz klar darüber, ob durch die bereits beschlossene Erhöhung der betreffenden Budget¬ post die Kost verbessert werde. Fortsetzung des GMR. v. 30. 4. 1908, GMCPZ. 465. <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 161 Der kgl. ung. Ministerpräsident erwidert, daß die Erhöhung nur wegen der Verteuerung der Lebensmittel, nicht aber zwecks Verbesserung der Kost vorgenommen wurde. Der Vorsitzende beruft sich auf die Erklärung der gemeinsamen Re¬ gierung, für die Erhöhung der Oftiziersgagen und der Mannschaftslöhnung ein¬ zustehen, und dafür habe sie sich auch eingesetzt. Übrigens habe die österreichi¬ sche Delegation in der bekannten Resolution nur von den Gagen und der Löhnung, nicht von der Kost gesprochen. Dr. Wekerle betont, daß es sich um eine Prinzipienfrage gehandelt habe. Es bestand eine Divergenz zwischen den Ansichten der beiden Delegatio¬ nen. Es sei nunmehr gelungen, die maßgebenden ungarischen Faktoren dazu zu bringen, daß sie das Prinzip anerkennen, man habe also ungarischerseits nachge¬ geben, nun dürfe man aber nicht auch auf einem ganz bestimmten Termine beste¬ hen, so gehe das im politischen Leben nicht. Es gehe nicht, daß man sage, die Erhöhung müsse von diesem Zeitpunkte an erfolgen. Das erwecke den Eindruck, daß man sich das zunutze mache, daß in Ungarn nicht volle Einigung herrsche und Ungarn demütigen wolle. Der k. k. Finanzminister möchte dem widersprechen. Er glaube nicht, daß man die Sache so darstellen dürfe. Eine Motion könne doch sowohl österreichischerseits als ungarischerseits gemacht werden. Ihm scheinen die Be¬ strebungen wegen Verbesserung der Löhnungen begründet, namentlich zu einer Zeit, wo man auf dem Gebiete der Zivilversorgung so viel getan habe. Auch Un¬ garn habe in letzterer Hinsicht vieles getan und werde das, was es noch nicht getan, nachholen müssen. Aber abgesehen von diesen sachlichen Momenten, seien für die k. k. Regie¬ rung auch politische Momente maßgebend und zwar die Stimmung im Parlamen¬ te. Deshalb sei sie gezwungen, die Bitte zu stellen, daß auf die Erhöhung einge¬ gangen werde. Nachdem dieselbe nur fünf Millionen betrage, so entfalle auf Ungarn bloß eine kleine Summe, dieselbe könne auch in Ungarn niemand stutzig machen. Er bitte mit aller Entschiedenheit, daß diese Erhöhung angenommen werde. Freiherr v. Beck konstatiert, daß er in der Erklärung Dr. Wekerles großes Entgegenkommen finde. Wenn er sich den ganzen Werdegang in der un¬ garischen Delegation und namentlich das heutige Resultat vor Augen halte, so müsse er rückhaltslos dankbar anerkennen, welchen großen Einfluß der ungari¬ sche Ministerpräsident genommen habe, um dieses Resultat zu erzielen. Dagegen müsse er aber Stellung nehmen, wenn man glaube, daß die österreichische Regie¬ rung die Situation ausnützen wolle. Daran denke sie nicht im entferntesten und daran denke man auch nicht in den politischen Parteien. Und wenn irgendwo unter dem Einflüsse gewisser Motive eine andere Denkungsart vorhanden sei, so richte sich diese weniger gegen Ungarn, sie sei vielmehr aus anderen Gründen veranlaßt. <pb/>162 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 In der österreichischen Delegation würde man großen Schwierigkeiten begeg¬ nen, die Bewegung ist noch nicht zum Stillstände gebracht und sowohl die öster¬ reichische als die gemeinsame Regierung müßten größte Vorsicht anwenden und selbst den Schein vermeiden, daß sie zurückgegangen seien. Beide Regierungen können also kaum einen anderen Standpunkt als den bisherigen einnehmen. Von der Mannschaftskostverbesserung wolle er eventuell absehen, da in der Resolution tatsächlich nur von Gagen und Löhnungen die Rede sei. Er lege aber den größten Wert darauf, daß bei diesen zwei Dingen Entgegenkommen gezeigt werde. Sonst habe er die größten Schwierigkeiten. Er müsse mit dem Einflüsse der Christlichsozialen und dem peremptorischen Drucke des Herrenhauses rech¬ nen. Es handle sich für Ungarn kaum um zwei Millionen. Der kgl. ung. Ministerpräsident stimmt der Erhöhung im Prinzipe zu, doch müsse auf eine entsprechende Verteilung der Lasten gedacht werden. Er habe die Quartiergelder in Ungarn jetzt etwas verbessert, aber bei weitem nicht so, wie dies bei den Offizieren beziehungsweise den k. k. Beamten der Fall sei. Die Bezüge ganzer Kategorien seien noch nicht reguliert. In Österreich bezie¬ hen die Aushilfsdiener 4 K, in Ungarn 2 K 50 h, in Österreich seien die Diurnisten halbe Beamte, in Ungarn sei für dieselben noch nichts geschehen. Man könnte ja sagen, im nächsten Jahre werde man auch die Löhnungen erhö¬ hen. Die Sache hänge doch von zwei Faktoren ab; wenn man schon im Prinzipe einig ist, so sei die Durchführung eine Frage zweiter Klasse. Auf ein paar Mona¬ te komme es nicht an, aber das Quartiergeld der ungarischen Beamten werde erst vom 1. Oktober angefangen, die Besoldung der Diurnisten vom gleichen Termine reguliert, auch die Statusverbesserungen sind auf zwei Jahre, 1909 und 1910, verteilt, da könne er keine weitere Verpflichtung übernehmen, als die Gagenregu¬ lierung vom 1. Oktober an, sowie die Löhnungen und die Kostaufbesserung ab 1910 eintreten zu lassen. Man sage in Ungarn, Österreich könne leicht großmütig sein, weil durch die Quotenerhöhung Ungarn das Ganze zahle. Bei der Durchführung so wichtiger Regierungsangelegenheiten dürfe man nicht kalendarisch Vorgehen, sondern nach Prinzipien. Es gehe nicht an, daß man einseitig befehle, vom 1. Jänner an müsse das geschehen. Freiherr v. Beck findet auch in dieser Erklärung ein großes Entge¬ genkommen, aber die österreichische Regierung, welche soeben eine Kraftprobe bezüglich der Zuerkennung der Dringlichkeit für die Rekrutenvorlage bezie¬ hungsweise durch das Erzielen der Zweidrittelmajorität abgelegt habe, habe noch das Meritum dieser Vorlage vor sich. Käme sie nun ohne Löhnungserhöhung, so gefährde sie auch die Rekrutenvorlage. Er müsse übrigens auch fragen, welche Stellung die gemeinsame Regierung einnehme. Dr. Wekerle äußert sich dahin, daß es sich um Fragen der Monarchie, nicht um solche der gemeinsamen Regierung handle, man dürfe diese also nicht vorschieben. <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 163 Wie könne er die Frage der Erhöhung des Rekrutenkontingentes auch nur vor¬ bereiten, wenn er in den vorliegenden Sachen über die übernommene Verpflich¬ tung zu gehen versuchen wollte? Alles sei aufden 1. Oktober verschoben worden, selbst die Regulierung der Aushilfsdienerentlohnungen, die zu regeln er eigent¬ lich für den 1. Mai versprochen hatte. Freiherr v. Aehrenthal sagt, der Standpunkt der gemeinsamen Regierung sei, daß sie entsprechend der Resolution und ihrer Erklärung die bei¬ den Posten - Gagen- und Löhnungserhöhung - in das Budget aufgenommen habe. Der Kriegsminister werde aber bestätigen, daß die Erhöhung der Löhnun¬ gen nicht so wichtig sei wie die Verbesserung der Kost. Er müsse allerdings be¬ kennen, daß es vom allgemeinen Standpunkte aus bedenklich erscheine, nur für den Offizier und nicht für den Mann zu sorgen. Übrigens habe der ungarische Ministerpräsident auch in dieser Hinsicht eine Regelung in Aussicht gestellt. Er bitte nun den Kriegsminister, sich zu äußern. FZM. Schönaich erklärt hierauf, daß sich seine Ansicht mit der des Vorsitzenden decke. Die Erhöhung der Löhnung sei durch den Antrag Steiner angeregt worden.2 Die Kriegsverwaltung habe sofort auf die Verbesserung der Kost hingewiesen, doch die Christlichsozialen und die Sozialdemokraten hätten ausdrücklich verlangt, daß der Mann die Erhöhung - fünfh täglich - auf die Hand bekommen [soll]. Es war also eine Art von Zwangslage geschaffen, gegen die seitens der Kriegsverwaltung schwer opponiert werden könne. Der kgl. ung. Ministerpräsident schlägt nun vor, die Kost in der Weise zu verbessern, daß hiefür täglich zwei h mehr bewilligt werden. Die Löhnungserhöhung würde aber erst ab 1910 eintreten. Redner erklärt eingehend die jetzige Verpflegung des Mannes, bezeichnet die Kost als gut und entspre¬ chend, was in erster Linie darauf zurückzuführen sei, daß die Ärzte jetzt einen gewissen Einfluß auf die Art der Zubereitung nehmen und durch Visitierung sich die Überzeugung von der Einhaltung der Vorschriften verschaffen. Nur das Nachtmahl lasse etwas zu wünschen übrig, weil zu wenig Geld dafür übrig blei¬ be. Er schlage daher vor, daß - so wie seinerzeit gefordert, aber nicht bewillig wurde - zwei h mehr eingestellt werden, was ungefähr zwei Millionen im Jahre ausmache. Vom Jahre 1910 an würden dann auch die Löhnungen erhöht. Der gemeinsame Kriegsminister macht darauf aufmerksam, daß man in der österreichischen Delegation auf der Erhöhung der Löhnung schon für 1909 bestehen werde, und daß der Effekt der Kostverbesserung ausbleiben dürfte. Der Mann müsse jetzt von der Löhnung die Wäschereinigung und die Proprietätenemeuerung zahlen. Wenn man diese zwei Sachen ab aerario zahlen ließe, so wäre damit implicite eine Erhöhung der Löhnung verbunden. Der kgl. ung. Ministerpräsident findet diese Anregung sehr beachtenswert und würde vorschlagen, daß - wie er schon vorhin gesagt - zwei Vermutlich der Antrag Steiners v. 3. 1. 1907 zur Verbesserung der Lage der k. u. k. Arsenal¬ meister, HHStA., Präsidialaktenfür die Delegationen, 41. Session, 204 RD. aus 1906/07. <pb/>164 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 Millionen für die Verbesserung der Mannschafitskost eingestellt werden, sodann aber auch ausdrücklich versprochen werde, daß man eine materielle Aufbesse¬ rung des Mannes studiere und bis zu dem von der österreichischen Delegation in Aussicht genommenen Maße, fünf h pro 1910 budgetieren wolle. Die Frage, wie man das einstellen werde, bliebe offen. Der österreichische Ministerpräsident nimmt diesen Vorschlag zur Kenntnis, nachdem über Befragen des Vorsitzenden Dr. Wekerle auch für die Kostverbesserung den 1. Oktober 1908 als Anfallstermin zuzugeben sich bereit erklärte. Der gemeinsame Kriegsminister bezeichnet den Vorschlag als vom militärischen Standpunkte ganz annehmbar. Über den politischen Stand¬ punkt sich zu äußern, betrachte er nicht als seine Aufgabe. Der k. k. Finanzminister möchte nur einwenden, daß man in der österreichischen Delegation fünf h verlangt habe, während man jetzt nur zwei h gebe. Der kgl. ung. Ministerpräsident erwidert hierauf, daß in der Delegation ein Antrag bald gestellt sei, aber gerade im vorliegenden Falle sehe man, daß er nicht einmal von der maßgebenden Stelle, der militärischen, als prak¬ tisch bezeichnet werde. Er müsse speziell auf die Anregung wegen der Wäsche¬ reinigung verweisen. Früher wusch sich der Mann die Wäsche selbst, dann ließ er dies durch Wäscherinnen besorgen, jetzt sind eigene Unternehmungen vorhan¬ den. Von dieser Anregung aber abgesehen, stehe doch fest, daß durch die Verbes¬ serung der Kost eine Verbesserung der Existenzbedingungen des Mannes vorge¬ nommen werde. Der kgl. ung. Staatssekretär Dr. Popovics wendet ge¬ gen die Rückwirkung der Kostverbesserung auf den 1. Oktober 1908 ein, daß manja das Einbringen von Nachtragskrediten vermeiden wolle, und es doch nicht gut angehe, für die großen Summen keinen Nachtragskredit, dagegen für einen verhältnismäßig geringen Betrag, etwa 500 000 Kronen, einen solchen einzubrin¬ gen. Der kgl. ung. Ministerpräsident weist diesbezüglich darauf hin, daß man für die Offiziersgagen ohnehin einen Nachtragskredit erbitten müs¬ se. Was übrigens die anderen Beträge betreffe, so sei es ganz richtig, daß diesel¬ ben im Wege der Schlußrechnung beziehungsweise durch Überschreitungen zur Behandlung kämen, nachdem es sich um solche Posten handle, für deren Budge¬ tierung das Übereinkommen maßgebend sei, das zwischen den beiderseitigen Ackerbauministem und der Kriegsverwaltung - nach dem Durchschnitte der Preise der letzten zehn Jahre mit Ausscheidung der zwei schlechtesten und der zwei besten - getroffen worden sei. Man sei also geradezu gezwungen, nach die¬ sem Abkommen zu budgetieren und infolge der Teuerung beziehungsweise der faktischen Preise zu überschreiten. Es werde demnächst eine neue Vereinbarung zustande kommen, dann werde man andere Ansätze einstellen. <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 165 Der Vorsitzende erbittet sich nunmehr, nachdem der erste Punkt der Tagesordnung wohl himeichend besprochen worden sei und nur die definitive Zustimmung der k. k. Regierung fehle, die Ermächtigung der Konferenz, zum zweiten Punkte, der Rückwirkung der Offiziersgagenregulierung, überzugehen. Nachdem die Konferenz diese Ermächtigung erteilt, führt der Vorsitzende aus, daß zum zweiten Punkte der Tagesordnung drei Anträge vorliegen, und zwar je¬ ner der k. k. Regierung mit dem Termine vom 1. Jänner 1908, der Antrag der Kriegsverwaltung, 1. Mai, welcher auf der in der österreichischen Delegation pro 1908 verlangten Summe basiere und dem sich Redner anschließe, endlich der Antrag, den der kgl. ung. Ministerpräsident als seinen persönlichen bezeichnet hatte, d. i. die Fixierung des 1. Oktober. Seitens des gemeinsamen Finanzmini¬ sters liege kein förmlicher Antrag aber wohl eine Anregung vor, den 1. Juli als Zeitpunkt der Rückwirkung festzusetzen. Der k. k. Ministerpräsident modifiziert seinen Standpunkt da¬ hin, daß sein Antrag sachlich ganz mit dem der Kriegsverwaltung, u. zw. aus denselben Gründen, übereinstimme, worauf der Vorsitzende konstatiert, daß nunmehr nur zwei formelle Anträge, 1. Mai und 1. Oktober, vorlägen. Der kgl. ung. Ministerpräsident betont, daß er nicht mehr von einem persönlichen Engagement, sondern im Namen der kgl. ung. Regierung spreche,3 daß er aber nicht weiter gehen könne, als bis zu einer Rückwirkung von drei Monaten. Schon jetzt müsse er aber bitten, daß - falls eine Einigung zustan¬ de käme - von einer ämtlichen Veröffentlichung vor Ablauf der Woche abgese¬ hen werde, da er noch mit einigen Parteihäuptem konferieren und im ungarischen Parlamente einen gleichlautenden Antrag für die Landwehr einbringen wolle, wobei er über Anordnung Sr. Majestät die Beschränkung vorzunehmen habe, daß die Wirkung bei den Honveds erst dann einträte, bis dieselben Bestimmungen bezüglich der gemeinsamen Armee in Kraft sein werden. In der Einstellung der Post für die Landwehr liege auch die Verpflichtung für die Armee und, wenn sich eine ungarische Delegation fände, die dieser Verpflich¬ tung nicht gerecht würde, dann ließe er es bestimmt auf eine gemeinsame Sitzung der beiden Delegationen ankommen. Der Vorsitzende will auch seinerseits dem Entgegenkommen des un¬ garischen Ministerpräsidenten volle Würdigung angedeihen lassen, er kann aber nicht verschweigen, daß die gemeinsame Regierung gegenüber der österreichi¬ schen Delegation nicht freie Hände habe. Für die gemeinsame Regierung handle es sich auch darum, daß die Delegationen ihre Beratungen im Juni aufiiehmen, schon um zu zeigen, daß es ihr Emst sei, die Angelegenheiten, deren Durchfüh¬ rung sie anstrebe, eine befriedigende Lösung finden zu lassen und dieselben nicht auf die lange Bank zu schieben. 3 Am 15. 5. 1908 beriet der ungarische Ministerrat über den gemeinsamen Voranschlag und die Gagenerhöhungfür Offiziere, HHSxA., Kab. Kanzlei, Übersetzung der ungarischen Mi¬ nisterratsprotokolle, Karton 28, ung. MR. v. 15. 5. 1908/1, KZ. XII/1908. <pb/>166 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 Bei Festsetzung der Delegationstagung müsse Redner sich mit voller Überein¬ stimmung mit der österreichischen Regierung befinden. Er bitte demnach den k. k. Ministerpräsidenten, sich diesbezüglich zu äußern. Freiherr v. Beck anerkennt voll und rückhaltlos einerseits das Wir¬ ken, andererseits die schwierige Situation des ung. Ministerpräsidenten in diesen Angelegenheiten. Man dürfe aber auch vor jenen Schwierigkeiten die Augen nicht verschließen, die dem Redner in der österreichischen Delegation entstehen könnten. Der gemeinsame Finanzminister bittet die Konferenz, sie möge gestatten, daß er auf seine formlose Anregung zurückkomme. Zwischen der österreichischen und der gemeinsamen Regierung einerseits und der ungarischen Regierung andererseits bestünde eine Divergenz, die wenigstens teilweise eine prinzipielle sei. Vielleicht könnte beiderseits der prinzipielle Standpunkt hono¬ riert werden. Wenn die ungarische Regierung den 1. Oktober akzeptiere, so zeige sie ein Entgegenkommen für das Prinzip der Rückwirkung. Die österreichische beziehungsweise die gemeinsame Regierung, welche für den 1. Mai eingetreten seien, könnten dafür den ungarischen Standpunkt honorieren, daß Ungarn kei¬ nem Diktate zu folgen habe, indem sie einen späteren Termin annehmen. Hierin liege die Brücke zu einer Verständigung, und von dieser Voraussetzung ausge¬ hend beziehungsweise um die Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, gebe er zur Erwägung, ob nicht der 1. Juli als Anfallstermin in Aussicht genommen wer¬ den könnte. Er setze dabei voraus, daß die österreichische Delegation nicht auf einem weiteren Zurückgehen beharren dürfte, weil doch ihr prinzipieller Stand¬ punkt gewürdigt worden wäre. Der kgl. ung. Ministerpräsident beruft sich auf seine in der letzten Konferenz abgegebene Erklärung, wonach es ihm ganz unmöglich sei, weiter zu gehen. Die Koalition habe den Standpunkt eingenommen, die Kosten für die Armee während der Übergangszeit nicht zu erhöhen. Wenn er sie so weit gebracht habe, alles das zu konzedieren, was er durchzuführen erklärt habe, so müsse er nunmehr sagen, weiter könne er absolut nicht gehen. Wenn er auch nur einen Tag mehr zugeben würde, wäre das Ganze gefährdet, denn man würde das freudig benützen, um aus den übernommenen Verpflichtungen herauszusprin¬ gen. Freiherr v. Beck ist der Meinung, daß vielleicht der allerempfind¬ lichste Punkt die Fixierung des Delegationstermines sei, worauf der Vorsit¬ zende seiner Ansicht Ausdruck verleiht, daß die Einberufung für eine Junises¬ sion in Österreich den vortrefflichsten Eindruck hervorrufen dürfte, und er dieselbe daher mit Freude begrüßen würde. Doch könne er auf eine eventuelle Vertagung im Juni auf den Herbst nicht eingehen. Über zwei Monate hätte die letzte Session gedauert, alle Fragen seien eingehend behandelt worden, eine neue Behandlung sei nicht erforderlich. Würde aber die Möglichkeit geboten, die Dis¬ kussion über den ganzen Sommer zu führen, so wäre das sehr gefährlich, und er könne sich nicht entschieden genug dagegen aussprechen. <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 167 Dem Vorsitzenden schließt sich der gemeinsame Kriegsmini¬ ster an, der noch hinzufugt, daß die Delegationssession eine sehr kurze sein könne, woraus gegen niemand ein Vorwurf erhoben werden dürfe, da ja vor we¬ nigen Wochen alle Wünsche und Gravamina eingehend durchgesprochen wur¬ den. Der kgl. ung. Ministerpräsident bemerkt hierauf, daß er noch kein Budget habe beziehungsweise mitten in den Beratungen stehe. Wenn Delegation und Parlament zusammen arbeiten, sei dies gefährlich. Im September werde der ungarische Reichstag vertagt und eine ganz ruhige Beratung der Dele¬ gation möglich sein. Nachdem Freiherr v. Beck eingewendet, daß man im September die Delegierten nicht zusammenbringe und Dr. Wekerle hierauf erwider¬ te, daß die Delegationen von Ende September bis Mitte Oktober tagen könnten, führt ersterer aus, daß bis dahin ein großer Zeitraum liege, wo manches geschehen könne, so daß die Session nicht so rasch vorübergehen werde. Den ganzen Monat Oktober zu verlieren, sei er aber nicht in der Lage, weil er bedeu¬ tende Vorlagen sozialpolitischen Inhaltes im Parlamente einbringen müsse und auch die Landtage dann zusammentreten werden. Er habe, bemerkt Redner, auf einen Einwurf des Vorsitzenden für die Landtage ursprünglich den Juni als Ter¬ min in Aussicht gehabt. Jetzt sei es aber hiefür zu spät. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt sich außer Stande, für einen ruhigen Verlauf der Delegation einzustehen, wenn diese gleichzeitig mit dem Reichstage versammelt sei. Was heute in ersterer Körperschaft verhandelt werde, würde tags darauf im Parlamente zur Diskussion gebracht und eventuell wäre dann die ganze Mühe und Überredungskunst umsonst gewesen. Auch glau¬ be er, die Hauptsache sei die Vereinbarung. Ist diese zustande gekommen, so sei es doch gleichgiltig, ob die Delegationen im Juni oder im September tagen. Staatssekretär Dr. Popovics macht darauf aufmerksam, daß auch im ungarischen Parlamente dringende Vorlagen ihrer Erledigung harren. Im übrigen zähle der Juni so viele Feiertage, daß nur wenig Zeit zur Beratung blei¬ be. Der Vorsitzende hält einen Mittelweg für den besten. Wenn die Rück¬ wirkung mit 1. Juli einträte, könnte die Session im September stattfinden. Lege man aber österreichischerseits mehr Wert auf eine Junisession, könnte vielleicht die Rückwirkung später eintreten. Die Offiziere haben jedenfalls mehr davon, wenn die Rückwirkung eine größere sei. Auch er lege mehr Wert darauf, weil bei der Armeeffeundlichkeit der österreichischen Delegation das Hauptgewicht auf die Rückwirkung zu legen ist. Der gemeinsame Kriegsminister setzt auseinander, daß er ei¬ nen Unterschied bei den Bewilligungen für den Mann und jenen für den Offizier machen müsse. Was die ersteren betreffe, könne er sich eher mit prinzipiellen Zusicherungen zufrieden geben. Anders verhalte es sich mit den letzteren. Im Offizierskorps herrsche große Erbitterung. Nicht wegen des Geldes, sondern we- <pb/>168 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 gen der Art und Weise der Behandlung dieser Angelegenheit und der nun einein¬ halbjährigen Verzögerung. Der Vorsitzende apostrophiert den kgl. ung. Ministerpräsidenten, der die Sache so treffend vom Standpunkte der Monarchie beurteile, und bittet ihn um weiteres Entgegenkommen. Er weist auf die Behandlung der Armeeffagen in Italien hin, auf den Ausbau des dortigen Eisenbahnnetzes, der direkt gegen uns gerichtet sei, ferner aufdie Aufbesserung der Offiziersgehälter, die auf eine direk¬ te Aufforderung der Kammer noch vor den Sommerferien erfolgen müsse. Wel¬ chen Eindruck werde es in der Armee hervorrufen, wenn es heißen wird, die ita¬ lienischen Offiziere haben schon die Regulierung, wir bekommen sie noch immer nicht. Der gemeinsame Kriegsminister fugt hinzu, daß auch in Rußland und in Deutschland Aufbesserungen erfolgen. Der kgl. ung. Ministerpräsident erwidert zunächst, daß die italienischen Offiziere sehr schlecht bezahlt sind und das neue Gehaltsausmaß das unsere nicht überschreite. Auch die Avancementsverhältnisse seien in Italien schlechter als bei uns. Dann müsse er aber fragen, in welcher Weise eine Verzö¬ gerung von eineinhalb Jahren berechnet werde, nachdem zwischen 1. Jänner und 1. Oktober doch nur neun Monate liegen. Wenn der Kriegsminister sage, daß die Diskussion, nicht die Aufstellung der Forderung, eineinhalb Jahre dauere, so müsse er trotzdem dabei verharren, daß es sich nur um neun Monate handle. Von diesen allein könne man als Verzögerung sprechen. Der k. k. Finanzminister erinnert an die Erklärung, die er in der Konferenz vom 27. Oktober v. Js. namens der k. k. Regierung abgegeben habe.4 Die österreichische Regierung war damals nur unter dem ausdrücklichen Vorbe¬ halte, daß die Rückwirkung mit dem 1. Jänner 1908 eintreten werde, damit ein¬ verstanden, daß die Ausscheidung der Gagenregulierung aus dem Budget pro 1908 vorgenommen werde, u. zw. nur wegen der politischen Schwierigkeiten, vor denen die ungarische Regierung stand. Wenn die k. k. Regierung diesen Schwierigkeiten damals Rechnung getragen habe, so glaube er, daß deren heutige Bitte, etwas weiter zu gehen, als ungari- scherseits geboten wurde, nicht unbegründet sei. Vielleicht könne man schon jetzt die Wäschereinigungskosten der Mannschaft abnehmen, was er zur Diskussion stelle. Der kgl. ung. Ministerpräsident sagt, daß er damals die Er¬ ledigung der militärischen Fragen vor Augen hatte. Während der Delegationsbe¬ ratung habe Se. Majestät erklärt, dieselben dürfen nicht mit der Gageregulierung in Verbindung gebracht werden. Auf einen Einwurf des Kriegsministers reagierend, betont Dr. Wekerle, daß vor der Delegationssession noch die Regelung der militärischen Fragen vor der Gageregulierung beabsichtigt war. Sobald Se. Majestät den Befehl erteilt habe, 4 GMR. v. 27. 10. 1907, Gur. V, Nr. 75. <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 169 daß dies nicht geschehe, hätte er eben eine andere Marschroute gehabt. Was die gegenwärtige Situation betreffe, so seien seine Ministerkollegen der Ansicht, wenn die Sache friedlich beizulegen sei, wäre es gut, wenn aber die weitgehen¬ den ungarischen Vorschläge nicht akzeptiert werden, dann solle man die Sache fallen lassen. Der Vorsitzende regt an, daß die von Ungarn für die Mannschaft kon¬ zedierte Summe noch etwas erhöht werde, damit in der österreichischen Delega¬ tion gesagt werden könne, daß in der allgemeinen Verbesserung der Lage des Mannes ein Fortschritt wahrzunehmen ist. Diese Anregung aufhehmend, proponiert der k. k. Ministerpräsi¬ dent, ab 1909 für das Wäschereinigen 1,5 Millionen einzustellen und ab 1910 weitere 3,5 Millionen für die Mannschaft zu präliminieren. Um den Wortlaut der Widmung handle es sich vorläufig nicht, wenn man nur sagen könne, zwei Mil¬ lionen für die Kost, fünf Millionen, verteilt auf 1909 und 1910, für die Verbesse¬ rung der Existenzbedingungen des Mannes. Der kgl. ung. Ministerpräsident warnt nur davor, daß die Sache aufgebauscht werde. Er habe das größte Interesse, daß die Angelegenheit stillschweigend erledigt würde. Er werde sagen es sei nur recht und billig, daß die Mehrforderung für die Abendkost, die seinerzeit abgelehnt wurde, nunmehr be¬ willigt werde. Die übrigen Fragen sind noch nicht genügend vorbereitet, die stu¬ diere man noch und werde man die erforderlichen Summen in das nächste Budget einstellen. Man dürfe nicht vergessen, daß Ungarn statt fünfjetzt sieben Millionen kon¬ zediere. Staatssekretär Dr. Popovics spricht die Befürchtung aus, daß man noch mit der Erhöhung der Löhnung kommen werde, und wünscht die Fest¬ stellung, daß - nachdem die Löhnung ab 1910 unbelastet ist - von einer Erhö¬ hung derselben keine Rede sein dürfe. Der k. k. Ministerpräsident und der k. k. Finanzmi¬ nister stimmen Dr. Popovics zu, Dr. Ritter v. Korytowski macht jedoch auf¬ merksam, daß man doch nicht mit zwei Millionen statt der ursprünglichen zehn kommen könne. Der Vorsitzende erklärt, daß er seine Person nicht gerne in den Vor¬ dergrund stelle, doch müsse er hervorheben, daß er persönlich engagiert sei. Jetzt, wo ein großer Teil des Jahres 1908 von der Rückwirkung ausgeschaltet werden soll, sei er gezwungen, daraufhinzuweisen, daß auch seine und des Kriegsmini¬ sters Person in Frage kommen. Der kgl. ung. Ministerpräsident will dem gegenüber konsta¬ tieren, daß gerade für das Entgegenkommen Ungarns die Person des Vorsitzen¬ den beziehungsweise jene des Kriegsministers rein ausschlaggebend waren. Der k. k. Ministerpräsident möchte einen persönlichen Gene¬ ralvorschlag machen, den er aber noch mit den Parteiführern besprechen müßte. Derselbe lautet: <pb/> 170 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 1. Erhöhung der Offiziersgagen vom 1. August 1908 an, 2. Erhöhung der Mannschaftskost vom gleichen Termine, 3. ab 1. Jänner 1909 1,5 Millionen für die Verbesserung der Existenz des Mannes, welche Summe ab 1. Jänner 1910 auf volle fünf Millionen zu ergänzen ist, 4. Delegationssession im Juni. Der kgl. ung. Ministerpräsident erwidert hierauf, er wisse nicht, was eventuell Se. Majestät verlangen werde, aber er sei in acht Tagen fer¬ tig, wenn er auf diesen Vorschlag eingehe. Freiherr v. Beck erwähnt, daß ihn seine Kollegen beschworen, vom 1. Mai nicht abzugehen, deshalb habe er den Vorbehalt gemacht, sich noch kon¬ sultieren zu dürfen. Dr. Wekerle glaubt darauf hinweisen zu können, daß er niemals klein¬ lich gewesen, er hätte seinerzeit die Anregung Baron Buriäns akzeptiert, aber er konnte nicht, und wenn er heute einen anderen Termin als den 1. Oktober anneh¬ me, so springen ihm die anderen aus. Seine Propositionen sind endgiltige, für die stehe er im Namen der ungarischen Regierung ein und die werde er durchzuset¬ zen wissen. Der Vorsitzende gibt zu bedenken, daß weder die k. k. noch die ge¬ meinsame Regierung die ungarischen Propositionen annehmen können. Viel¬ leicht könne sich Dr. Wekerle die Sache noch überlegen, eventuell dieselbe vor einen Kronrat bringen und dabei in anderer Weise zum österreichischen Vorschlä¬ ge Stellung nehmen. Der kgl. ung. Ministerpräsident entgegnet, daß er absolut nicht weiter gehen könne; es wäre geradezu indezent, wegen der paar Monate zu feilschen, aber man müsse nur bedenken, daß niemand zu hoffen gewagt hätte, was alles durchgebracht wurde. Nunmehr hätten seine Kollegen die Verpflich¬ tung in dem bekannten Maße übernommen, ein Mehr sei nicht möglich. Der Vorsitzende richtet an den kgl. ung. Ministerpräsidenten die Bitte, seinen Kollegen die beiden Eventualitäten vorzutragen, ob es zu einem Kronrate kommen solle oder ob nicht vielleicht doch noch mehr entgegengekommen wer¬ den könnte. Mit dem Termine vom 1. Oktober dürfe sich die gemeinsame Regie¬ rung nicht zufrieden geben, weil es ganz aussichtslos wäre, damit vor die öster¬ reichische Delegation zu treten. Zunächst sei übrigens eine Übereinstimmung zwischen der k. k. und der kgl. ung. Regierung nötig, dann werde die gemeinsame Regierung erwägen, ob sie von ihrem Standpunkte etwas abweichen könne. Der k. k. Ministerpräsident zieht, weil Dr. Wekerle seinen Vorschlag für undiskutierbar halte, denselben zurück, um sich an die Vorlagen der Knegsverwaltung zu halten. Er richte nochmals einen dringenden Appell an die ungarische Regierung. Ungarn habe ohnehin erreicht, daß man vom 1. Jänner auf den 1. Mai, dann auf den 1. Juli gegangen sei, ihm also drei Schritte entgegenge¬ gangen ist, während es zwei zurückmache. <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 171 Der kgl. ung. Ministerpräsident hält dem entgegen, daß man den originären Standpunkt in Betracht ziehen müsse bei der Beurteilung der Lage, nämlich, daß Ungarn ursprünglich überhaupt nicht wollte. Nachdem Freiherr v. Beck nochmals auf die ihm bevorstehenden Schwierigkeiten, auf sein Entgegenkommen und darauf hingewiesen, daß man diese Regulierung im August zu Kaisers Geburtstag vollzogen haben sollte, meint Dr. Wekerle, er dürfe einen Abänderungsantrag gar nicht verbringen, da er sonst die ganze Sache gefährde. Der Vorsitzende fragt, ob es zu einem Kromate kommen solle oder ob Dr. Wekerle doch noch einen Versuch bei seinen Kollegen machen werde. Dr. Wekerle erklärt auf sein Ehrenwort jeden Versuch als aussichtslos und unmöglich. Freiherr von Beck sagt, daß er durch seinen Antrag die Situation für die ungarische Regierung erleichtern wollte, er selbst böte dadurch seinen Geg¬ nern, namentlich den außerhalb des Parlamentes stehenden Angreifern eine Breit¬ seite dar; trotzdem müsse er aufrichtig bekennen, daß er den Antrag nicht bloß gestellt habe, um Dr. Wekerle die Stellungnahme zu erleichtern, sondern um Sr. Majestät so bald als möglich die Beruhigung geben zu können, daß die Frage gelöst sei. Er müsse ferner offen sagen, daß es ihm unmöglich sei, den ungari¬ schen Antrag zu vertreten. Es würde zu einer Katastrophe kommen, von der kein Mensch etwas haben werde. Dr. Wekerle kann nur wiederholen, daß es lächerlich erscheinen würde, wegen zweier Monate zu streiten. Der Fehler, der gemacht wurde, liege darin, daß ein einseitiger Beschluß gefaßt worden sei, dem der andere Teil nun unwei¬ gerlich nachkommen solle. Er habe es doch so weit gebracht, daß alles im Prinzi- pe angenommen, nun könne er keinen weiteren Versuch machen, den müßte ein anderer unternehmen, dem er gerne die Bürde seiner Stellung überließe. Der Vorsitzende gibt seiner Meinung Ausdruck, daß, wenn keine Ei¬ nigung zustande komme, einer Platz machen müsse. Der österreichische Ministerpräsident greift auf die Ent¬ stehungsgeschichte der Resolution zurück. Um die von Ungarn perhorreszierte gemeinsame Abstimmung zu vermeiden, sei nichts anderes übrig geblieben als die Resolution; diese sei aber eine bloße Aufforderung, von einem Unterwerfen Ungarns unter einen Beschluß der österreichischen Delegation sei doch keine Rede. Eher könne man in Österreich sagen, daß man sich dem ungarischen Stand¬ punkte unterwerfe. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, seinerseits darauf zurückkommen zu müssen, daß ursprünglich daran gedacht wurde, die militäri¬ schen Forderungen zuerst auszutragen. Jetzt seien diese ausgeschaltet, man sei auf einen außerordentlichen Kredit gefaßt, habe die Rekrutenkontingentsfrage vor sich; das alles müsse berücksichtigt werden. <pb/> 172 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 Der k. k. Finanzminister anerkennt die Schwierigkeiten jenseits der Leitha, doch auch diesseits seien große vorhanden. Er verweise abermals auf den 18. August, vielleicht sei die Durchführung ab 1. August doch möglich. In den Ausgleichsverhandlungen, sagt hierauf Dr. Wekerle, habe er gezeigt, daß er nicht stützig sei, daß er getan habe, was menschenmöglich. Nun, da im Prinzipe zugesagt worden, halte er selbst die Ausscheidung von zwei Mo¬ naten für kleinlich, aber ein anderer Termin als der 1. Oktober sei unmöglich. Er wolle gerne einem anderen behilflich sein, wenn es vielleicht dem gelänge, er selber könne aber nichts mehr weiter tun. Dagegen übernehme er sofort die Ver¬ pflichtung bezüglich des Punktes 3 der Beckschen Anträge. Der Vorsitzende bittet, wie er dies schon schriftlich und mündlich getan, nochmals, daß die Rückwirkung für die Landwehr nicht früher vor das Parlament komme, bevor nicht eine Einigung zwischen den drei Regierungen zustande gekommen. Freiherr von Beck will anerkennen, daß die Situation erleichtert werde, wenn die Rückwirkung gleichzeitig wie für die Honveds auch für die k. k. Landwehr eingebracht würde. Er werde sich mit seinen Kollegen und den Partei¬ führern beraten und sehen, wie weit er sie bringe. Auf die Bemerkung Dr. Wekerles, daß die Sache ausgetragen wer¬ den könnte, ohne Se. Majestät zu belästigen, erwidert Freiherr v. Beck, daß eine Klärung nur insofeme gefunden werden dürfte, als Se. Majestät Sich bestimmt finden sollte, im Kronrate Sich namens der Armee zufrieden zu erklä¬ ren. Der k. k. Finanzminister schlägt vor, die Konferenz Donnerstag fortzusetzen, worauf der Vorsitzende zur Kenntnis der Konferenzteil¬ nehmer bringt, daß er Sr. Majestät über den unveränderten Standpunkt der unga¬ rischen Regierung bezüglich der Rückwirkung sowie darüber berichten werde, daß sie ab 1909 an Kostverbesserung zwei Millionen, für Wäschereinigung 1,5 Millionen zu bewilligen und pro 1910 die endgiltige Regulierung der Mann- schaftsffage durchzuführen sich verpflichtet habe. Nachdem noch der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt hatte, daß er sich behufs Fixierung der Mannschaftssache interpellieren zu lassen ge¬ denke, und festgesetzt worden war, daß in dem über die heutige Sitzung zu ver¬ öffentlichenden Kommunique nur zu bemerken sei, die Beratungen wären noch nicht abgeschlossen und würden am 21. Mai fortgesetzt, wird die Konferenz un¬ terbrochen und tritt dieselbe Donnerstag, dem 21. Mai 1908, wieder zusammen. 21. Mai 1908. Am 21. Mai eröffnet der Vorsitzende die Konferenz mit der Einla¬ dung an die beiden Ministerpräsidenten, über das Ergebnis ihrer Beratungen eine Mitteilung zu machen. Der kgl. ung. Ministerpräsident wiederholt, daß seine Mini¬ sterkollegen und die Parteiführer übereinstimmend sich so geäußert hätten, wie er <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 173 vorausgesagt, daß sich also die Lage nicht geändert habe. Nehme man seine Vor¬ schläge an, so könne er die Verpflichtung eingehen, daß sie durchgebracht wer¬ den, andernfalls sei es ihm unmöglich, eine Garantie zu übernehmen. Wenn man berücksichtige, daß ungarischerseits nicht nur das Prinzipielle an¬ erkannt, sondern auch die Rückwirkung auf den 1. Oktober angenommen worden sei, daß man die Mannschaftskostverbesserung bewilligt habe, die man in der Resolution gar nicht verlangte, so daß man sogar einem einfachen österreichi- scherseits ausgesprochenen Wunsche nachgekommen sei, so müsse sich das doch politisch verwerten lassen und könne man nicht noch weiter auf einem bestim¬ men Termine insistieren, was ja der reine Justamentsstandpunkt wäre. Der k. k. Ministerpräsident wolle vorläufig die zeitlichen Mo¬ mente noch außer Acht lassen und nur rekapitulieren, was ungarischerseits kon¬ zediert worden sei, d. h. 1. die Offiziersgagenerhöhung in dem von der Kriegsver¬ waltung verlangten Ausmaße, 2. die Mannschaftskostverbesserung mit zwei Millionen, und 3.1,5 Millionen zu Löhnungszwecken und zwar in der Weise, daß die sub 2 und 3 erwähnten Beträge im Jahre 1910 auf sieben Millionen ergänzt werden. Was die zeitlichen Momente anbelange, so bestehe eine Divergenz, indem Un¬ garn als Anfallstermin den 1. Oktober vorschlage. Er habe nun das große Entge¬ genkommen Ungarns, namentlich in bezug auf die Kostverbesserung bei seinen Sondierungsversuchen möglichst zu verwerten gesucht, jedoch eine Umstim¬ mung nicht zu erreichen vermocht. Hieraus mache er sich aber weniger. Wenn die Heeresverwaltung einverstanden ist und eine diesbezügliche Meldung an Se. Ma¬ jestät erstattet und wenn der Ah. Herr, der die Angelegenheit als eine sehr persön¬ liche Sache betrachtet, nichts dagegen einzuwenden finden wird, so werde er es auf sich nehmen, die Leute eines besseren zu belehren. Er müsse betonen, daß ein großer Widerstand vorhanden sei, aber er glaube, diesen brechen zu können. Weniger angenehm sei fiir ihn die zweite Seite der zeitlichen Frage. Abgese¬ hen von der in der Delegation abgegebenen Erklärung würde eine Herbstsession eine schwere Störung des parlamentarischen Kalendariums bedeuten. Er habe gehofft, zu Pfingsten im Parlamente abschließen zu können, dann durch drei Wochen die Landtage gleichzeitig mit den Delegationen beraten und erstere dann wieder im Herbste auf drei bis vier Wochen einberufen zu lassen. Es zeige sich nun aber, daß die Verhandlungen im Parlamente nicht so rasch vor sich gehen, als er geglaubt. Die Landtagssessionen müssen daher ganz im Herbst stattfinden, und da könne man nicht verlangen, daß außerdem dann auch der Reichsrat" und die Delegationen gleichzeitig tagen. Er glaube, die nächste Delegationssession könnte rasch beendet werden. Man müsse den Delegierten wegen der Wählerschaften entgegenkommen. Die Herren, welche er konsultierte, ließen durchblicken, daß sie Konsequenzen zie¬ hen müßten, wenn keine Frühjahrssession stattfände. Die Herren sagen, bis Sep¬ tember könne sich wieder etwas ändern, sie wollen den Voranschlag sehen. Korrektur aus Reichstag. <pb/> 174 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 Die Delegierten wollen bleiben und keine Neuwahlen haben. Diesbezüglich herrsche noch eine Unklarheit. Nach dem Gesetze muß die Delegation alljährlich erneuert werden. Die Delegierten wurden im Dezember gewählt. Sie haben noch im vorigen Jahre das Provisorium und heuer ihre ganze Aufgabe erledigt. Aber sie wollen bleiben, und da zeige sich die Oberleitung der Christlichsozialen und namentlich der Präsident Dr. v. Fuchs ganz ungebärdig. Redner möchte nochmals zusammenfassen, daß im Meritum Einvernehmen zwischen den drei Regierungen erzielt worden sei. Was den Anfallstermin 1. Ok¬ tober betreffe, wolle er weiter keine Schwierigkeiten erheben, was aber den Ter¬ min der Session anbelange, so bitte er um ein Entgegenkommen der ungarischen Regierung, um die Situation zu entlasten. Nach Zeitungsnachrichten würde ja der ungarische Reichstag zu Pfingsten geschlossen werden. Der kgl. ung. Ministerpräsident nimmt die Erklärung der k. k. Regierung dankend zur Kenntnis, durch welche Erklärung eine Einigung zustande komme. Zwei Momente machen es ihm aber unmöglich, auf die Einbe¬ rufung der Delegationen im Juni einzugehen. Erstens könne er dann die verläßlichen Delegationsmitglieder, namentlich die aus dem Oberhause, nicht Zusammenhalten, sie blieben ihm nicht. Zweitens kenne er wohl die Absicht, zu Pfingsten den Reichstag zu schließen, das werde aber nicht möglich sein, weil noch wichtige Gesetzesvorlagen einzubringen seien. Er könnte also keine Garantie übernehmen, dagegen übernehme er die Verantwortung bei einer Herbsttagung. In Ungarn müsse eine neue Delegation gewählt werden. Er würde vor der Einberufung der Delegationen den Reichstag sich versam¬ meln lassen, die Wahlreformvorlage, das Budget und die Steuervorlagen einbrin- gen, Sachen, die in Kommissionen beraten werden müssen. Es werden nur die Kommissionen arbeiten, so daß man keine Gelegenheit habe, die Delegationen zu beeinflußen. Jetzt brächte er das Übereinkommen nicht durch. Er habe mit maßgebenden Parteimitgliedern, ganz ruhigen Menschen, gespro¬ chen, die erklärt hätten, die Gagenregulierung sei keine ausschließlich soziale Frage; einige von ihnen konnte er nur dazu bringen, sich zu absentieren, nicht aber, dafür zu stimmen. Man dürfe nicht vergessen, daß man auch noch vorhabe, die Marineffagen anzumelden. Er glaube, daß, wenn das Vereinbarte veröffent¬ licht würde, jedermann überzeugt sein werde, daß die Dinge sich nicht mehr ver¬ ändern können. Wenn eine Regierung etwas zugestanden habe, so sei dies gege¬ benen Falles auch für eine neue Regierung verpflichtend. Er bitte übrigens, daß nicht der Ausdruck ,,Lohnerhöhung", sondern ,,Freima¬ chung der Löhnung" gebraucht werde. Was menschenmöglich, habe er getan, es bestehe aber ein gewisser Konnex zwischen dem Sachlichen und dem Sessionstermine; wenn dieser für jetzt anbe¬ raumt würde, könne er die Vereinbarung nicht durchführen, im Herbste stehe er dafür ein. Der k. k. Ministerpräsident weist nochmals darauf hin, daß man die Erklärung der gemeinsamen Regierung sehr ernst genommen habe. Er <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 175 wolle nicht mit verdeckten Karten spielen, sondern offen erklären, daß er sich mit der Leitung des christlich-sozialen Klubs ins Einvernehmen gesetzt habe, von der ja alles abhänge. Sie sei aber entschieden entgegen, namentlich der Delegierte v. Fuchs. Redner habe versucht, die Sache als eine Formalffage darzustellen, nun man im Meritum vollen Erfolg hätte. Er habe das Entgegenkommen Ungarns, die Garantie durch das Einbringen des Nachtragskredites für die Landwehren hervor¬ gehoben und alles angewendet, um sie von dem vollen Ernste zu überzeugen. Sie ließen sich nicht abbringen, sie wollen die Zusage erfüllt sehen. Noch gestern sei¬ en Dr. Lueger und Prinz Liechtenstein zu ihm gekommen und, obwohl er gesehen habe, daß ersterer eventuell mit sich hätte reden lassen, so sei doch auch dieser gezwungen worden und sie haben dezidiert erklärt, daß sie bei ihrer Forderung bleiben müßten. Sehr bezeichnend sei es, daß der Abgeordnete Schraffl ihm gesagt habe, über den Anfallstermin komme man hinweg, aber um Gottes Willen nur die Session müsse im Juni sein. Er möchte, so führ Baron Beck fort, an die äußerste Grenze gehen und Vor¬ schlägen, daß man die Delegationen für Ende Juni einberufe, sie ein paar Tage arbeiten lasse und dann vertage. Was den Einwand betreffe, daß die Vorlagen zu lange in den Händen der Delegierten blieben, so hätte sich ja auch die letzte Ta¬ gung sehr lange hinausgezogen; von den Delegierten lese übrigens nur ein sehr geringer Teil die Vorlagen. ,,Dafür aber die Redaktionen" wirft Baron Buriän ein, ,,und im Som¬ mer haben die kein anderes Material", ergänzt Dr. Wekerle. Aufdiese Einwendungen entgegnet der k. k. Ministerpräsident, daß man sich nur mit den militärischen Vorlagen beschäftigen würde und das täte man auch, sobald die Nachtagskredite für die Landwehren eingebracht würden. Die Nachteile für die gemeinsamen Regierung seien also nicht so bedeutend, und er bitte, die kgl. ung. Regierung möge den Junitermin oder, wenn dies nicht tun¬ lich, sein Auskunftsmittel akzeptieren, womach die Delegationen Ende Juni ein- bemfen und dann nach ein paar Tagen, eventuell nach einer Sitzung des Heeres¬ ausschusses, wieder vertagt werden würden. Der Vorsitzende hält nunmehr die Zeit gekommen, um im Namen des Kriegsministers und im eigenen den von ihnen eingenommenen Standpunkt zu präzisieren. Mit Freude konstatiere er die Übereinstimmung der beiden Regierungen be¬ züglich der Offiziers- und Mannschaftsfiragen. Der k. k. Ministerpräsident sei nur konsequent geblieben, weil er bereits im Oktober v. J. erklärt habe, daß er es schon für einen großen und gerechtfertigten Erfolg halte, wenn es ermöglicht würde, für einen Teil des Jahres 1908 - etwa für ein Halbjahr, ja sogar nur für ein Vierteljahr - die Offiziersgagen zu erhöhen. Der kgl. ung. Ministerpräsident habe seinerseits mit nichts zu wünschen las¬ sender Deutlichkeit im eigenen und im Namen aller seiner Kollegen erklärt, die <pb/>176 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 volle Garantie zu übernehmen, daß die Vorlagen der k. u. k. Regierung in einer Septemberdelegation durchgebracht werden. Die Differenz bestehe nur in der Frage des Delegationszusammentrittes. Frei¬ herr v. Beck habe mit dankenswerter Offenheit und Klarheit die Gründe dargelegt, weshalb er in Übereinstimmung mit der k. u. k. Regierung für den Junitermin eim treten müsse. Auf den Vermittlungsantrag könne diese nicht eingehen. Der Kriegs¬ minister und er bitten, daß der Junitermin festgesetzt werde. Sie könnten aufdiesen nur dann verzichten, wenn der 1. Juli als Anfallstermin fixiert werde. Gegen die Zweiteilung spreche sich der Kriegsminister ebenso entschieden aus wie er. Für ihn und FZM. Schönaich sei übrigens die Situation nunmehr genügend geklärt. Der kgl. ung. Ministerpräsident sagt, daß die äußerste Linke die Majorität verlange, die sie jetzt nicht besitze, da sie nur 21 Mitglieder stark sei, während die übrigen Delegierten aus der Volks- beziehungsweise aus der Verfassungspartei entnommen seien, letzterer gehörten auch überwiegend die Oberhausmitglieder an. Hiezu kämen noch vier Kroaten. Die Unabhängigkeits¬ partei würde fordern, daß dieses Zahlenverhältnis abgeändert werde, und dann erlitte er Schiffbruch. Man würde nur solche Leute wählen, die gegen die Vorla¬ gen stimmen. Auch sei zu berücksichtigen, daß das ungarische Gesetz nicht be¬ stimme, wie viele Delegierte dem Oberhause zu entnehmen seien. Diese Frage würde wie im Jahre 1906 aufgeworfen werden, während es im Herbste, bis wohin er Zeit genug habe, die Sache vorzubereiten, ganz glatt gehen werde. Seine Kollegen und er könnten die Vorschläge auch nur unter der Bedingung einer Herbstsession aufrechthalten. Der kgl. ung. Ministerpräsident führt weiter aus, daß ursprünglich ausgemacht worden sei, der Kriegsminister werde bei der Delegationseröffhung im Winter 1907 von der Gageregulierung sprechen, was er auch getan habe. Dann kam der Antrag Okolicsänyi, welcher im Plenum nicht durchführbar war.5 Dort habe man gesagt, die Sache müsse in Verbindung mit den militärischen Fragen gelöst werden. Und nun sei das Prinzip anerkannt und die ungarische Regierung stehe dafür ein, obwohl er seinerzeit gesagt habe, daß die Gagenregulierung nur gegen mili¬ tärische Konzessionen durchgeführt werden könne. Er und seine Kollegen seien aber davon abgegangen und zwar ohne jede Bedingung, nur auf den Wunsch Sr. Majestät. Sei nun die kgl. ung. Regierung auch nicht auf ihrem Standpunkte verblieben, so mögen auch die beiden anderen Regierungen etwas von dem ihrigen abge¬ hen. Die gemeinsame Regierung kann sagen, sie habe alles getan, um ihren Stand¬ punkt zur Geltung zu bringen, aber die politische Lage wäre stärker gewesen. Und soviel Glaubwürdigkeit können die Regierungen doch in Anspruch nehmen, Antrag Okolicsdnyis v. 3. 3. 1908, HHStA., Präsidialakten für die Delegationen, Nr. 84, Plenar-Sitzungen der ung. Delegation, 42.^18. Session 1907-1913, Sitzung v. 3. 3. 1908. <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 177 daß an ihren übereinstimmenden Erklärungen über den Inhalt der Vorlagen nicht gezweifelt werde. Der k. k. Ministerpräsident meint, daß sich die drei Regierun¬ gen vor Augen halten müssen, den Herzenswunsch Sr. Majestät zu realisieren und daß daher ihr Bestreben darauf zu richten sei, alle Schwierigkeiten zu vermeiden. Er wende sich nochmals mit einem dringenden Appell an die ungarische Regie¬ rung. Sie werde keine so großen Schwierigkeiten haben als er, dem man entge¬ genhalten wird, daß er beziehungsweise das Parlament in keiner Richtung einen ganzen Erfolg erzielte. Im Meritum müsse er das austragen, während die gemeinsame Regierung nur das formale Moment zu berücksichtigen habe. Der kgl. ung. Ministerpräsident will hervorheben, daß er sich das Gefühlsmoment bezüglich Sr. Majestät vor Augen halte, wie jeder andere. Aber niemand, auch seine Kollegen nicht, hätte geglaubt, daß er imstande sein werde, das alles zu erreichen, und zwar ohne Konzessionen. Wenn es heute zu Delegationswahlen komme, so - man möge ihm dies glauben - sei die ganze Sache gefährdet. Die Hauptaufgabe sei, daß das ganze nicht von den Wiener Blät¬ tern aufgebauscht werde, um den Widerhall in Ungarn zu vermeiden. Er habe alle Mühe, die ungarischen Blätter zurückzuhalten. Er beurteile die Situation richtig, umso mehr als er selbst sogar jeden einzelnen Kossuthianer bearbeiten müsse. Der k. k. Ministerpräsident verliest über einen Einwurf des k. k. Finanzministers, der sich darauf beruft, daß der Antrag Latour-Schraffl wei¬ tergehende Forderungen aufgestellt habe, den bezüglichen Teil des Kommissi- onsberichtes, beziehungsweise der Resolution, und konstatiert, daß die Regierun¬ gen formell über den Beschluß der Delegationen hinausgegangen seien, es sei daher faktisch ein Entgegenkommen Ungarns vorhanden. Er bitte nur um die Bezeichnung: ,,Verbesserung der Mannschaftslöhnung"; damit präjudiziere man gar nicht und behalte sich die Verwendung vor, doch brauche er diese Benennung aus parlamentarischen Gründen. Der kgl. ung. Ministerpräsident spricht sich dagegen aus. Das müsse man im parlamentarischen Leben entschieden zurückweisen, daß sei¬ tens einer Körperschaft wie die Delegationen eine ziffernmäßige Erhöhung ein¬ gebracht werde. Die Regierung könne wohl zu einer Einbringung angewiesen werden, aber ihr eine bestimmte Ziffer vorschreiben, das gehe nicht an. In rein militärischen Dingen könne doch ein Schraffl nicht darein reden, das sei schon aus prinzipiellen Gründen nicht zulässig. Es solle heißen: ,,Verbesse- rung der Lage der Mannschaft". Der k. k. Ministerpräsident möchte sich dagegen verwahren, daß er seinen Antrag gemacht habe, weil dies Schraffl wünsche. Nicht deshalb sei sein Antrag erfolgt, sondern weil ein Beschluß der österreichischen Delegation vorliege. <pb/> 178 Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 Der kgl. ung. Ministerpräsident will nur noch darauf ver¬ weisen, daß es aus militärischen Interessen heißen müsse: ,,Zur Verbesserung der Lage der Mannschaft". Diese Auffassung teile auch der kgl. ung. Landesverteidi¬ gungsminister. Staatssekretär Dr. Popovics macht den k. k. Ministerpräsi¬ denten aufmerksam, daß dieser selbst den Ausdruck: ,,zur Aufbesserung der ma¬ teriellen Situation der Mannschaft" vorgeschlagen hatte. Freiherr v. Beck erwidert, daß sowohl die österreichische Delegati¬ on als auch die gemeinsame Regierung von Löhnungserhöhung gesprochen hät¬ ten. Es sei ja mit der Art der Durchführung ganz einverstanden, nur nicht mit der Bezeichnung. Dr. Wekerle sagt, er habe dem zugestimmt, daß die Kost verbessert und die Löhnung debarrassiert werde. Redner setzt in ausführlicher Weise auf Grund von Beispielen auseinander, daß es sich herausstellen werde, wieviel man erspa¬ ren könne, wenn die Putzsachen etc. im Großen von den Regimentern angeschafft würden. Man müsse die Verwendung aus praktischen Gründen der Kriegsverwal¬ tung überlassen und aus prinzipiellen Motiven gegen jeden Eingriff in die Admi¬ nistration Stellung nehmen. Nachdem der Kriegsminister seinen Standpunkt dahin präzisiert, daß er keine bindende Erklärung abgegeben, daß er es aber für ganz gut möglich halte, daß die Verwaltung den Mann durch eine entsprechende Verwendung der bewilligten Mittel entlaste, gibt der k. k. Ministerpräsident zu bedenken, daß der Antrag Latour-Schraffl ein Kompromiß bedeute. Die Gagenre¬ gulierung sei nur einem Teile des Parlamentes sympathisch, der andere wolle sehen, daß der Mann mehr Geld auf die Hand bekäme. Auch für die gemeinsame Regierung sei es günstiger, daß man nicht sagen könne, auch in diesem Punkte habe sie nicht Wort gehalten. Er kenne die Psychologie des Parlamentes, wo man dem Formalen häufig größeres Gewicht beilege als dem Materiellen. Nach einer längeren Diskussion zwischen den beiden Ministerpräsidenten wird über einen Vermittlungsantrag des Vorsitzenden beschlossen, daß die betref¬ fende Post zu lauten habe: ,,Verbesserung der materiellen Lage der Mannschaft (Verbesserung der Kost, Löhnungserhöhung u. dgl.) 3,5 Millionen". Für diesen Zweck sind im ganzen sieben Millionen Kronen in Aussicht genommen, wovon die Hälfte pro 1909, die Totalsumme ab 1910 eingestellt wird. Außerdem wird ein Nachtragskredit von 500 000 Kronen zur Aufbesserung der Mannschaftskost für drei Monate des Jahres 1908 verlangt werden. Der kgl. ung. Ministerpräsident bittet nur noch, daß im Pro¬ tokolle festgelegt werde, daß zwar diese Summen verlangt werden, daß der Ver¬ brauch jedoch der Kriegsverwaltung überlassen bleibe.6 6 Vortrag Schönaichs v. 25. 10. 1908, in dem die Gagenerhöhungflir Offiziere ab 1. 10. 1908, eine Kostverbesserung der Mannschaften in Höhe von 4,5 Heller vom 11. 10. 1908 bis Jah¬ resende und ab 1909 um weitere 0,5 Heller sowie statt einer Erhöhung der Mannschaftslöh¬ nung ein Beitrag zur Auffrischung der Proprietäten in Höhe von 25 Heller monatlich ab 1909 <pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. und 21. 5. 1908 179 Hinsichtlich des Delegationstermines äußert der Kriegsminister noch sein Bedenken, daß, wenn zum Auskunftsmittel des Freiherm v. Beck ge¬ griffen würde, des Sommers über hinsichtlich der Lieferungen etc. debattiert würde, was sehr unangenehm sein könne. In seinem Budget gäbe es nichts Ver¬ stecktes, aber das Kapitel Lieferungen sei immer bedenklich. Was die meritorischen Vorschläge betreffe, glaube er, veranlaßt durch das Ent¬ gegenkommen Ungarns, dieselben akzeptieren und diesbezüglich Sr. Majestät Vortrag erstatten zu können. Nach einer einschlägigen Bemerkung Baron Buriäns resümiert der Vorsitzende, daß bezüglich des Meritums in allen Einzelheiten und auch bezüglich der Rückwirkung ein allseitiges Einvernehmen erzielt worden sei. Die gemeinsame Regierung müsse jedoch, da ein früherer Anfallstermin nicht zu er¬ reichen war, hinsichtlich des Termines der Delegation beim Juni verbleiben und diesbezüglich Sr. Majestät berichten. In Absicht auf die Veröffentlichung eines Kommuniques kommt die Konfe¬ renz überein, daß Freiherr v. Beck dasselbe ausarbeiten lassen und Dr. Wekerle beziehungsweise Freiherm v. Aehrenthal übermitteln werde. Wenn diese beiden mit der Fassung einverstanden, werde der Vorsitzende den Text Sr. Majestät un¬ terbreiten und sobald derselbe Allerhöchstenortes zur Kenntnis genommen wor¬ den sei, die Veröffentlichung verfügen. Inzwischen werde nur soviel bekanntge¬ geben werden, daß in bezug auf das Sachliche eine Einigung erzielt worden sei, während hinsichtlich des Einberufungstermines noch eine Differenz bestehe.7 Sohin schließt der Vorsitzende die Sitzung. Aehrenthal. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 25. September 1909. Franz Joseph. in Antrag gebracht wurde. Mit Ah. E. v. 12. 11. 1908 wurde der Vortrag resolviert. Die Be¬ stimmungen wurden publiziert in Verordnungsblatt für das k. u. k. Heer, Normalverord¬ nungen, Zirkularverordnung vom 15. November 1908 Nr. 203/1908 sowie in Beiblatt zum Verordnungsblatt für das k. u. k. Heer, Erlaß vom 15. November 1908 Nr. 431/1908. Uber Vortrag Aehrenthals v. 18. 9.1908 wurden mit den Ah. Handschreiben v. 19. 9.1908 an Aehrenthal, Wekerle und Beck die Delegationenfiir den 8. 10. 1908 nach Budapest einberu¬ fen, HHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 2845/1908. Der Voranschlag pro 1909 in Ka., MKSM., Karton 969, Fasz. Voranschlag pro 1909. Der Vortrag des gemeinsamen Ministeriums v. 19. 9. 1908 wegen Einbringung des gemeinsamen Budgets in die Delegationen wurde mit Ah. E. v. 29. 9.1908 resolviert, HHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 2970/1908. Nach Annahme des Budgets durch die Delegationen wurde über Vortrag Aehrenthals v. 8. 11. 1908 mit Ah. E. v. 10. 11. 1908 das gemeinsame Budget sanktioniert, ebd., KZ. 3407/1908. <pb/>