Gemeinsamer Ministerrat, 30. 4. 1908
I. Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1909 sowie Bestimmung des Termines der Einberufung der Delegationen
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_z1.pdf.
DOKUMENTE <pb/><pb/> PROTOKOLLE UND BEILAGEN Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. April 1908 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Dr. Wekerle, der k. k. Ministerpräsident Dr. Frei¬ herr v. Beck, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Schönaich, der k. k. Finanzminister Dr. Ritter v. Korytowski, der k. u. k. Marinekommandant und Chef des gemeinsamen Kriegsministeriums, Marinesektion, Admiral Graf Montecuccoli, der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popovics (10. 5.). Protokollführer: Sektionsrat Ritter v. Günther. Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der öster¬ reichisch-ungarischen Monarchie pro 1909 sowie Bestimmung des Termines der Einberufung der Delegationen. KZ. 20 - GMCPZ. 465 Protokoll des zu Wien am 30. April 1908 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Mini¬ sters des Äußern Freiherm v. Aehrenthal. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit der Bemerkung, daß er einen Überblick über die auswärtigen Beziehungen geben wolle, bevor in die Beratung der einzelnen Voranschläge eingegangen werde. Er könne sich kurz fassen, nach¬ dem in den letzten Monaten in den Delegationen die auswärtige Politik einge¬ hend erörtert worden ist.1 Er könne neuerdings feststellen, daß wir die besten Beziehungen mit allen Mächten unterhalten. Nur im Verhältnisse zu Rußland ist bis zu einem gewissen Grade eine Änderung eingetreten. Wie Redner schon im Vorjahre angedeutet, seien die Dinge im nahen Oriente recht problematisch. Eine Aktion Rußlands im Oriente sei wahrscheinlich, die treibenden Elemente in dem uns interessierenden Gebiete sind England und Rußland.2 Er fasse die Sache so auf, daß zwar der Status quo aufrecht zu erhalten sei, daß wir aber dabei unsere Interessen nicht vergessen dürfen. Diesbezüglich waren Siehe dazu das Expose Aehrenthals v. 27. 1. 1908 über die auswärtige Lage Österreich-Un¬ garns, gehalten in der Sitzung des Ausschussesfür auswärtige Angelegenheiten der ungari¬ schen Delegation, Stenographische Sitzungs-Protokolle der Delegation des Reichsrathes, XLII. Session 1907/08 1-6. Gemeint ist eine von Großbritannien undRußlandgeplante Verwaltungsreform in Mazedoni¬ en, Einleitung 115. <pb/>150 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt. Ein Irade betreffend die durch eine österreichisch-ungarisch-türkische Kommission vorzunehmende Bahntrassie¬ rung ist erflossen, die Arbeiten haben begonnen und dürften im Sommer beendet sein.3 Es ist zu hoffen, daß auch die Frage der Garantie im günstigen Sinne gelöst werde. Wir stehen allen Balkanvölkem sympathisch gegenüber und unterstützen de¬ ren Wünsche. Wohl wäre uns die Donau-Adria-Bahn wenig förderlich, doch dürf¬ te dieselbe kaum Zustandekommen. Wir haben unseren Anspruch angemeldet und einen Vorsprung erzielt, wir werden daran festzuhalten wissen. Unser Interesse wird sich auch weiterhin der Reformaktion zuwenden. ``Hier¬ bei rechne Redner auf die bereits in der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 10. Juli 1907b in Aussicht genommene Mitwirkung der beiden Regierungen." Die in diesem Winter fortgesetzten Bemühungen, die Justizreform in die Wege zu leiten, hätten leider keinen Erfolg gehabt. Die Mächte konnten sich nicht über die Redaktion einer bezüglichen Note an die Pforte beziehungsweise über die Modalitäten der Übergabe einigen. Herr Iswolskij habe, indem er erklärte, durch unseren Erfolg in der Sandschak- bahn sei eine neue Situation geschaffen worden, die Gelegenheit wahrgenom¬ men, um aus dem bisherigen Ententeverhältnisse auszuspringen. Die neuen rus¬ sischen Vorschläge bewegen sich aber ganz im Rahmen des bisherigen Programmes, die leitenden Gesichtspunkte sind dieselben, weshalb Redner kei¬ nen Grund gehabt habe, dieselben nicht zu akzeptieren. Für uns liege der Vorteil der Sache darin, daß wir nun ein Minus von Verantwortung haben. Wir seien nunmehr nicht allein mit Rußland genötigt, Zwangsmaßregeln vorzuschlagen oder durchzusetzen, wir wollen die Reformaktion loyal unterstützen, wenn sie aber scheitern sollte - und damit müsse man rechnen - so läge kein Grund zu Besorgnissen vor, daß die Monarchie gleich zu Beginn der Orientkrise vor schwerwiegende Entschlüsse gestellt werde. An der türkisch-persisch-kaukasischen Grenze zeigen sich Wolken, die wohl zu einem Gewitter führen könnten, doch glaube er nicht, daß Rußland Lust und a-a Dieser Satz war in der Reinschrift vergessen worden, wie aus einem dem Protokoll ange¬ hängten Beilageblatt hervorgeht. Im Protokolle zur Gemeinsamen Ministerkonferenz vom 30. April 1908 fehlt auf Seite 8 nach der vierten Zeile folgender Satz: Hierbei rechne Redner auf die bereits in der gemeinsamen Ministerkonferenz vom 10. Juli 1907b in Aussicht genom¬ mene Mitwirkung der beiden Regierungen. Auf Befehl des Herrn Ministers wird eine weite¬ re Berichtigung nicht veranlaßt und dient die vorstehende Richtigstellung lediglich als pro domo Aktenvermerk. Günther 15. 5. b Randbemerkung Unter dieser ,,Ministerkonferenz" ist eine Besprechung der Minister zu ver¬ stehen, über welche ein ,,Ministerkonferenzprotokoll" nicht verfaßt wurde. 1. 9. 1909. 3 Zur Diskussion um das Sandzakbahnprojekt siehe Pantenburg, Im Schatten des Zweibundes 411-428. <pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 151 die Mittel habe, es dort zu kriegerischen Ereignissen kommen zu lassen; immer¬ hin müsse man aber die Augen offen behalten. Was die südslawische Bewegung betrifft, so habe er die Bedeutung derselben schon im Vorjahre hervorgehoben. Die großserbische Bewegung in Kroatien, in Bosnien-Herzegowina, ja in Ungarn selbst sei nichts Neues. Hierbei komme als äußeres Moment in Betracht, daß in Serbien eine nationale Dynastie bestehe, die gezwungen sei, sich auf unsaubere Elemente zu stützen und eine aktive nationale auswärtige Politik zu fördern. Als innere Momente seien vornehmlich der sich in den letzten Monaten zugespitzte Konflikt Ungarns mit Kroatien und die Zustände in Bosnien und der Herzegowina zu bezeichnen. Von seinem Ressortstandpunkte aus müsse er daher einen neuerlichen dringenden Appell an die hohen Regierun¬ gen beziehungsweise an die bosnische Verwaltung richten, diese Frage von dem¬ selben Gesichtspunkte zu betrachten, und lenke er die Aufmerksamkeit auf das kroatische Element, auf das man sich mehr verlassen könne als auf die Serben. Man könne letztere nicht mundtot machen, das wäre unklug und unpolitisch, auch unmöglich, weil sie numerisch zu stark seien, aber stützen dürfe man sich nicht auf sie; man könne sie nicht zur Basis der Regierungspolitik machen, weil sie naturgemäß ihre Fäden nach Belgrad spinnen, wo ein geschickter skrupelloser Politiker waltet, Pasic, der vieles initiiert und materielle Mittel im Auslande auf¬ wendet. Wo sich hochverräterische Umtriebe zeigen, müsse mit aller Strenge vorge¬ gangen werden. Das Vorgehen in Banjaluka war sicherlich ein sehr gutes, man könne nur mit Einschüchterung Erfolg erzielen. Gegen Belgrad, so fuhr der Vorsitzende fort, beobachte er scharf, nehme aber eine ruhige Haltung ein, was schon durch das Gefühl unserer Kraft geboten sei und wodurch auf das zwar lebhafte, aber doch tiefe serbische Nationaltempera¬ ment sicher der wirkungsvollste Eindruck hervorgerufen werden wird. Von dieser Linie wolle er vorderhand nicht abweichen, weil sonst eine Verschiebung in un¬ seren Beziehungen zu den Mächten eintreten könnte, die uns in eine unbequeme Lage brächte. Dies könnte nur Italien angenehm sein. Letzteres unterhalte übri¬ gens gute Beziehrmgen zu uns, was nicht nur von der Regierung gelte, auch die Kundgebungen der Irredenta seien - von einigen Auswüchsen z. B. der jüngsten Zeit abgesehen - geringer. Dies ist darauf zurückzufiihren, daß man auftnerksam unsere militärische Bereitschaft verfolgt. Wir haben Italien das Gefühl unserer militärischen Überlegenheit beigebracht. Wir müssen es, indem wir bei dieser Politik bleiben, in diesem Gefühle erhalten, und deshalb kann Redner nur die uneingeschränkte Annahme der Budgets des Heeres und der Marine empfehlen. Auf den Verhandlungsgegenstand übergehend proponiert der Vorsitzende, der bisher stets befolgten Vörgangsweise entsprechend mit der Beratung des Voran¬ schlages seines Ressorts zu beginnen, sodann die Budgets des Finanzministeri¬ ums und des Obersten Rechnungshofes zu erledigen und am Schlüsse die militä¬ rischen Voranschläge zu behandeln. <pb/>152 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 Die Konferenz beschließt, den bisherigen Vorgang beizubehalten, worauf der Vorsitzende um die Annahme der von ihm geforderten Summe bittet, daraufhin¬ weisend, daß bei Berücksichtigung beziehungsweise Abrechnung der Ergänzun¬ gen auf die Jahressummen der schon im Vorjahre bewilligten Tangenten sich nur eine Mehranforderung von 391 000 Kronen ergibt. Der kgl. ung. Ministerpräsident möchte zunächst im allge¬ meinen erwähnen - nicht in bezug auf das Ministerium des Äußern -, daß für das gemeinsame Budget nicht übermäßige Forderungen gestellt werden sollen. Während man 1895 eine jährliche Erhöhung von acht Millionen im Auge hat¬ te, 1900 ein Plus von 14 Vt. Millionen bewilligte, seien im Jahre 1907 19, im Jahre 1908 18,7 Millionen konzediert worden, und jetzt fordere man, von den Nachtragskrediten abgesehen, 45 Millionen. So könne dies nicht weiter gehen. Der k. k. Finanzminister weist an der Hand einer Tabelle nach, daß das Ministerium des Äußern nach dem Durchschnitte der letzten acht Jahre circa 350 000 Kronen jährlich mehr bewilligt erhalten habe, und schlägt auch pro 1909 ein Pauschale in dieser Höhe vor. Er anerkenne, daß die auswärtigen Agen¬ den, namentlich die konsularischen, eine größere Ausdehnung erfahren müssen, aber er glaube doch, daß mit der fraglichen Summe das Auslangen werde gefun¬ den werden können. Er bitte ferner, die ad personam und extra statum Ernennun¬ gen, die in berücksichtigungswürdigen Fällen in allen Ressorts erfolgen, nicht mit den Interkalarien in Verbindung zu bringen, sondern beide Positionen ge¬ trennt zu behandeln. Der Vorsitzende erklärt, letzterem Wunsche entsprechen zu wollen, dagegen bedürfe er, um den drängenden Wünschen der Delegierten wenigstens teilweise nachkommen zu können, mindestens 400 000 Kronen, wobei er noch¬ mals betone, daß hievon ja 186 000 Kronen nur die Konsequenzen voijähriger Bewilligungen seien. Nachdem noch der kgl. ung. Ministerpräsident den Wunsch geäußert, die Post ,,Subvention für Schulen" anders motiviert zu sehen, und hie¬ bei speziell auf das philanthropische Gebiet hinwies, wird ein Pauschale von 400 000 Kronen für das Ministerium des Äußern angenommen. Dessen Voran¬ schlag beträgt demnach im Ordinarium und Extraordinarium - nach Hinzurech¬ nung einer zum Ausgleiche erforderlichen Summe von 37 Kronen - zusammen 13 666 584 Kronen. Desgleichen wird der für den Umbau des Agenziegebäudes in Sofia benötigte Nachtragskredit per 300 000 Kronen angenommen. Der Vorsitzende bringt sodann zur Kenntnis der Konferenz, daß der vor Konstantinopel befindliche Stationär ,,Taurus" seinem Zwecke nicht mehr entspreche und unbedingt ersetzt werden müsse. Es biete sich jetzt eine Gelegen¬ heit, eine amerikanische Yacht um einen verhältnismäßig niedrigen Preis anzu- schaffen, und wolle er dies daher zur Diskussion bringen. Die Konferenz beschließt, von einem solchen Kaufe dermals abzusehen, er¬ klärt sich aber damit einverstanden, daß im vorliegenden Protokolle die unbe- <pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 153 dingte Notwendigkeit der Erwerbung eines entsprechenden Schiffes im nächsten Jahre beziehungsweise der Einstellung des benötigten Betrages niedergelegt wer¬ de, nachdem die Marineverwaltung ohne einen speziellen Kredit nicht in der Lage wäre, ein Schiff zur Verfügung zu stellen. Der Voranschlag des gemeinsamen Finanzministeriums (Nettomehrerforder- nis 36 551 Kronen) und jener des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes (Net- tomehrerfordemis 7785 Kronen) werden ohne Debatte angenommen, wogegen der Zollgefallsvoranschlag von nun an nicht mehr einen Gegenstand der gemein¬ samen Beratung bilden wird.4 Die Konferenz schreitet zur Beratung des Heeresbudgets, zu deren Beginn der gemeinsame Kriegsminister das Wort ergreift. Er müsse sich, sagte FZM. Schönaich, vor allem hinsichtlich der Gagenregulierung und der Löhnungserhöhung äußern, weil diese Frage sowohl mit Rücksicht auf die finan¬ zielle Tragweite als auch in Anbetracht der besonderen Wichtigkeit des Gegen¬ standes das allgemeine Interesse in erster Reihe in Anspruch nehmen dürfte. Es könne den Konferenzteilnehmern nicht unbekannt geblieben sein, welche tiefe Verstimmung, ja Erbitterung die Vorgänge, die sich an diese vollberechtigte Anforderung der Kriegsverwaltung geknüpft haben, in der bewaffneten Macht hervorgerufen haben. Er halte es nicht nur für seine, sondern für die Pflicht aller für die Macht und das Ansehen der Monarchie verantwortlichen Faktoren, alles aufzubieten, damit diese Frage ehestens und in vollkommen befriedigender Wei¬ se gelöst werde. Er müsse nebstdem darauf aufmerksam machen, daß die hoffent¬ lich baldige Lösung der militärischen Fragen nicht geringe Budgetsteigerungen zur Folge haben werde, denen - im Interesse der Schlagfertigkeit - Fragen der Personalgebühren nicht im Wege stehen dürfen. Er bitte, das vorgeschlagene Ga¬ genschema ohne Änderung zu genehmigen, weil die Ansätze desselben in allen Einzelheiten auf Grund gewissenhaftester Erwägungen ermittelt worden seien und er einer eventuell beabsichtigten Reduktion seine Zustimmung unbedingt versagen müsse. Die Erhöhung der Mannschaftslöhnungen sei mit Rücksicht auf die notorische Unzulänglichkeit der gegenwärtigen Löhnungssätze ebenfalls dringend geboten. Die Rückwirkung sollte auf den 1. Jänner 1908 zurückgreifen, was auch mit den Äußerungen der k. k. Regierung im Ministerrate vom 27. Oktober 1907 im Einklänge stünde.5 Nur weil die österreichische Delegation in ihrer bezüglichen Resolution die Anforderung mit 63 Millionen bezifferte, was dem Bedarfe für zwei Drittel des Jahres entspräche, habe sich die Forderung der Kriegsverwaltung auf das Datum 1. Mai 1908 eingeschränkt. Eine weitere Beschränkung halte er jedoch nicht für zulässig, im Gegenteile sollte, um die Frage in der für die Stär- Zum Voranschlag des gemeinsamen Finanzministeriums siehe Fa., GFM., Präs. 69 und 87 beide ex 1908. Zum Voranschlag des gemeinsamen obersten Rechnungshofes siehe ebd., Präs. 104/1908. 5 Stellungnahme Korytowski in GMR. v. 27. 10. 1907, Gmr. V, Nr. 75 575 f. <pb/>154 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 kung des Geistes im Offizierskorps dringend notwendigen gerechten Weise zu lösen und die neue Enttäuschung, welche im Datum des 1. Mai liege, zu paraly¬ sieren, bei der ersten Erhöhung der Gebühren auf die Einhebung der Dienstesta¬ xen verzichtet werden, wofür Präzedenzfälle vorlägen. Von der Inanspruchnahme eines Mehrerfordemisses zur Sanierung des Voran¬ schlages rücksichtlich jener Positionen, bei welchen die bisher bewilligten Beträ¬ ge geringer sind als die tatsächlich unabwendbaren Aufwandsziffem, sei für das Jahr 1909 Umgang genommen worden, um eine allzu große Erhöhung der Anfor¬ derung zu vermeiden. Die Präliminierung der zur Sanierung erforderlichen Sum¬ me, 11,4 Millionen, werde in den nächsten Jahren angestrebt werden, damit künf¬ tig Überschreitungen aufsolche Fälle beschränkt bleiben, in welchen die Ursachen -- wie bei Preissteigerungen -- sich der Ingerenz der Heeresverwaltung entzie¬ hen.6 Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, er wolle gegen die Einstellung der Beträge der Gagen- und Löhnungsregulierung - was seine Person betreffe - keine Einwendung erheben, namens der ungarischen Regierung könne er eine solche Erklärung aber noch nicht abgeben. Auch gegen die Ansätze erhebe er keinen Einwand, obgleich er betonen müsse, daß in Ungarn die Beamten nicht so günstig gestellt seien. Der k. k. Finanzminister verweist auf seine im Protokolle vom 27. Oktober 1907 enthaltene, im Namen der k. k. Regierung abgegebenen Erklä¬ rung. Die österreichische Regierung halte demnach auch jetzt bezüglich der Rückwirkung an dem Datum des 1. Jänner 1908 fest. Dagegen könne von der Einhebung der Diensttaxen nicht abgesehen werden. Der kgl. ung. Ministerpräsident betont nochmals, daß er keine Verpflichtung übernehmen könne, jedoch bezüglich der Rückwirkung den Termin vom 1. Oktober vorschlagen möchte. Der k. k. Ministerpräsident führt aus, daß bei dem Umstande, als der ungarische Ministerpräsident nur seinen persönlichen Standpunkt gekenn¬ zeichnet habe, die Stellungnahme der ungarischen Regierung noch nicht bekannt sei, vielleicht werde diese einen früheren Termin akzeptieren. Die k. k. Regierang müsse den Standpunkt der Resolution Latour-Schraffl einnehmen,7 der auch in der Erklärung der gemeinsamen Regierung und im Renuntium der österreichi¬ schen Delegation zum Ausdrucke käme. Sie träte also für die Rückwirkung auf den 1. Jänner 1908 ein. Der Vorsitzende erklärt, welche zwingenden Gründe seinerzeit für die k. und k. Regierung Vorlagen, Stellung zu nehmen. Österreichischerseits hätte man eine gemeinsame Sitzung in Aussicht genommen, was wieder ungarischer- Zum Voranschlag des gemeinsamen Kriegsministeriums siehe Fa., GFM., Präs. 121/1908. Antrag Latour-Schraffl wegen gleichzeitiger Anhebung von Mannschaftslöhnung und Offi¬ ziersgagen siehe Stenographische Sitzungs-Protokolle der Delegation des Reichsrates, XLII. Session 1907/08 604-6\3, Annahme des Antrages ebd. 698. <pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 155 seits perhorresziert worden sei. Um nun die Verhinderung der Budgetbewilligung hintanzuhalten, und da auch auf ungarischer Seite prinzipielle Bedenken nicht bestanden, indem nur darauf hingewiesen wurde, daß zur Zeit die Regulierung nicht erfolgen könne, habe die gemeinsame Regierung die bekannte Erklärung abgegeben, an der sie auch heute festhalte. Der kgl. ung. Ministerpräsident sagt, daß sich diese Erklä¬ rung darauf bezogen habe, daß 1. die Gagenregulierung im Jahre 1909 unbedingt erfolgen, 2. eine Rückwirkung eintreten und 3. die Sache nicht mit Heereskon¬ zessionen in Verbindung gebracht werden werde. Die Punkte 1 und 3 würden erfüllt, bezüglich des zweiten besteht eine Diffe¬ renz im Zeitpunkte, nicht im Prinzipe, und da müsse er denn doch die Frage aufwerfen, ob sich die ungarische Regierung und die ungarische Delegation vor einem Beschlüsse der österreichischen Delegation beugen müsse. Hier sei also wohl der Platz für ein Kompromiß. Er müsse weiters darauf aufmerksam machen, daß auch in Ungarn die Gagen¬ regulierung noch nicht ganz durchgeführt sei. Die Diurnisten und Aushilfsdiener seien noch nicht in die Regulierung einbezogen, auch die Quartiergelder müssen erhöht werden. In Ungarn weise man auch darauf hin, daß Österreich leicht zu¬ stimmen könne, nachdem durch die Erhöhung der ungarischen Quote die Regu- lierung Österreich keine Kosten verursache.8 Der k. k. Ministerpräsident bemerkt, daß, wenn die gemeinsa¬ me Regierung einem Kompromiß zustimmen sollte, er nicht weiter gehen könne als diese. Dann sei die Situation eben eine andere. Beide Ministerpräsidenten stimmen darin überein, daß die Verantwortung im Kompromißfalle eine gleichmäßige sein müsse und nicht auf die k. und k. Regierung gewälzt werden könne. Der kgl. ung. Ministerpräsident wiederholt, daß er einem anderen Termine nicht zustimmen könne. Was die gemeinsamen Mehrauslagen betreffe, sei man ohnehin auf das Doppelte des in Aussicht Genommenen gegan¬ gen. Wo so bedeutende prinzipielle Schwierigkeiten - namentlich auch wegen der Mannschaftslöhnungen - bestünden, könne es sich nicht um die paar Monate handeln, er dürfe aber nicht einmal den Versuch machen, eine weitere Konzessi¬ on zu verlangen. Der gemeinsame Finanzminister möchte, ohne einen formel¬ len Antrag zu stellen, den Termin vom 1. Juli anregen, doch spricht sich Dr. We- kerle dagegen aus. Der Vorsitzende, dem sich FZM. Schönaich anschließt, glaubt darauf aufmerksam machen zu sollen, daß man in einer Juni-Session schwer den 1. Ok- Erhöhung des ungarischen Anteiles zur Deckung der gemeinsamen Ausgaben - der Quote - im Wirtschaftsausgleich von 1907 von 34,4 % auf36,4 % und entsprechend damit Senkung des cisleithanischen Quotenanteiles von 65,6 % auf63,6 %. <pb/>156 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 tober als Termin angeben könne. Tagen die Delegationen aber im September und sei der gleiche Termin festgelegt, dann würde die gemeinsame Regierung in der österreichischen Delegation sofort ein Mißtrauensvotum erhalten. Die gegenwär¬ tige gemeinsame Regierung könnte weder das eine noch das andere vertreten und wäre in beiden Fällen nicht in der Lage, vor einer Delegation zu erscheinen. Der kgl. ung. Ministerpräsident kommt darauf zurück, daß nicht nur politische Gründe für ihn vorliegen, sondern auch der Umstand, daß die Gageregulierungen in Ungarn noch nicht gänzlich durchgeführt sind und auch nicht in so ausgedehntem Maße durchgeführt werden können. Auf einen Einwurf des Vorsitzenden erklärt Dr. Wekerle, schon jetzt im Fi¬ nanzausschüsse Regulierungen für ungarische Angestellte ankündigen und auch die Einstellung der Gagenregulierung für die Honvedofifiziere in das Budget be¬ antragen zu wollen. Der Vorsitzende proponiert nunmehr den 1. Mai als Anfallstermin, welchem Vorschläge sich nun auch Baron Beck anschließt. Mitte Mai möge man nochmals Zusammenkommen und diesbezüglich sowie wegen des Zeitpunktes der Einberufüng der Delegationen beraten. Dr. Wekerle sagt, er könne für eine so weitgehende Fixierung auch persönlich nicht eintreten. Wenn aber, wie er hoffe, ein Kompromiß zustande komme, so müsse einer für den anderen einstehen. Dem stimmt Baron Beck als selbstverständlich zu. Bei der nun folgenden Detailbesprechung des Heeresbudgets werden im Ordi- narium folgende Abminderungen vorgenommen: Post des Antrages 5: . 4 805 K 8 : 12 953 K 12: 200 000 K 14: 250 000 K 15 : 280 000 K 16: 110 000 K 18 : 90 000 K 19: 50 000 K 23 : 200 000 K Zusammen 1 197 758 Kronen <pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 157 und dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß die Anforderung für das Heeresmu¬ seum in anderer Form erscheine. Im Extraordinarium werden nach einer längeren Debatte, in welcher der Vor¬ sitzende wiederholt eingreift, die nachfolgenden Abstriche vorgenommen, und zwar Titel 1, Post 1 150 000 ,,1 125 000 ,,2 ,,3 32 000 200 000 ,, 6 Post 2 50 000 7 ,, 9 Post 1 50 000 9 Post 2 50 000 ,, 10 Post 1 und 2 je 200 000 zusammen 400 000 13 Post 1 60 000 ,, 13 Post 2 50 000 ,, 26 270 000 Zusammen 1 437 000 Beim Okkupationskredite werden 40 000 K für den Neubau des Marodenhau- ses in Travnik in Abstrich gebracht. Der außerordentliche Artilleriekredit per 15 Millionen wird angenommen. Bezüglich der Nachtragskredite regt der kgl. ung. Ministerprä¬ sident an, dieselben überhaupt nicht einzubringen, weil man nicht in der Lage sei festzustellen, auf welcher Basis man dies tue. Er weist auf die Preisstei¬ gerungen und auf das zwischen den beiden Ackerbauministerien bestehende Übereinkommen hin. Nachdem sich der k. k. Finanzminister sowohl aus diesen Grün¬ den als aus politischen Motiven beziehungsweise, weil man erst vor wenigen <pb/>158 Nr 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 Wochen das Budget pro 1908 bewilligt habe, den Ausführungen des ungarischen Ministerpräsidenten angeschlossen, wurde folgender Passus in das Protokoll auf- genommen: ,,Es wird zur Kenntnis genommen, daß Überschreitungen vorhanden sind und daß über Wunsch der beiden Regierungen diese Mehrforderungen nicht als Nachtragskredite angesprochen, sondern als Überschreitungen in der Schlu߬ rechnung ausgewiesen werden." Der Kriegsminister erbittet sich ferner die Genehmigung, daß von den noch unbedeckten Gesamtkosten für den Bau des Kriegsministeriums per 2,6 Millionen sowie von dem Gesamterfordemisse für den Bau des Korpskomman¬ dogebäudes in Pozsony per circa zwei Millionen Teilbeträge von je 50 000 K als erste Raten in das Extraordinarium pro 1909 Aufnahme finden, wogegen die un¬ ter Post 17 eingestellte sechste Baurate für das Gamisonspital in Innsbruck per 160 000 K auf60 000 K restringiert würde. Hinsichtlich des Neubaues des Kriegs¬ ministeriums bemerkte er, daß der Betrag von 2,6 Millionen den Kapitalswert der Mietzinse repräsentiert, welche teils schon jetzt gezahlt werden beziehungsweise in der nächsten Zeit für noch erforderliche Kanzleiräume zu bestreiten sind. Die¬ se Mietzinse von zusammen 140 000 K sollen kapitalisiert und das Kapital in 50 Jahren amortisiert werden. Der kgl. ung. Ministerpräsident weist auf die Notwendig¬ keit eines Ersatzobjektes für das Kriegsministerium in Ungarn und der Einstel¬ lung von Regiepauschalien statt der Annuitäten hin. FZM. Schönaich sagt diesbezüglich zu, eine Aufklärung in der näch¬ sten Ministerkonferenz geben zu wollen. Nunmehr erläutert der Marinekommandant sein Budget und be¬ tont, daß er von den Delegationen angewiesen sei, den Bau der Schiffe zu be¬ schleunigen.9 Im August 1911 werde er mit dem Bau fertig sein. Während aber andere Staaten zu einem solchen Werke zwei Jahre brauchen, hätte er 54 Monate in Anspruch nehmen müssen. Wären ihm früher größere Beträge zur Verfügung gestellt worden, so wäre er nicht genötigt, jetzt so hohe Summen einzustellen. Hätten wir eine Division mehr und eine am Stapel, so würde man in Italien nicht so schreien, wobei er auf D'Anmmzio-Venedig und daraufhinweisen müsse, daß italienische Offiziere seit dem Regierungsantritte des jetzigen Königs den irre- dentistischen Klubs beitreten. Der Staatssekretär Dr. Popovics bespricht nunmehr einge¬ hend die einzelnen Positionen des Marinebudgets, und der kgl. ung. Mi¬ nisterpräsident erklärt, für den Bau der Schiffe einen Betrag von 20 Millionen aber auch nicht mehr votieren zu können. Er selbst habe ja seinerzeit die Einstellung von zehn Millionen und im Vöijahre von 20 Millionen beantragt. Nachdem der Marinekommandant nicht die ganze Summe im Voijahre für diese Antrag des Heeresausschusses der cisleithanischen Delegation, angenommen in der Sitzung v. 27. 2. 1908, Stenographische Sitzungs-Protokolle der Delegation des Reichsrates, XLII. Session 1907/08 966. <pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1908 159 Post verwenden konnte, solle man sie jetzt mit 20 Millionen einstellen, obwohl er enorme Schwierigkeiten haben werde, um diese Bewilligung durchzusetzen. Nachdem der Vorsitzende in längerer Rede die Forderungen der Ma¬ rine vom politischen und wirtschaftlichen Standpunkte aus unterstützt hat, stellt er folgenden Antrag: ,,Der Bau der neuen Schiffe muß 1911 vollendet sein, und hat der Marinekommandant die entsprechende Vorsorge getroffen. Was nun die Beschaffung der Geldmittel betrifft, so darf ich darauf hinweisen, daß der öster¬ reichische Ministerpräsident in der Konferenz vom 27. Oktober v. J. angeregt hat, diese Mittel im Wege einer Kreditoperation zu beschaffen.10 Da auch seitens der ungarischen Regierung gegen eine solche Modalität eine Einwendung nicht erho¬ ben wird, so möchte ich dieselbe hiemit praktisch in die Wege leiten. Für den Bau der neuen Schiffe ist ein Betrag von 130 Millionen erforderlich. Hierauf wurden bisher 27,2 Millionen bewilligt. In den Jahren 1909-1912 (die Dotation pro 1912 kann ja Ende 1911 angesprochen werden) würden viermal 20 Millionen, somit 80 Millionen beziehungsweise in Summa 107,2 Millionen zur Verfügung stehen, so daß nur ein unbedecktes Erfordernis von 22,8 Millionen verbliebe, welches entweder im Jahre 1913 oder durch Einbeziehung in einen größeren außerordentlichen Militärkredit zur Tilgung käme. Jetzt müsse man aber feststellen, daß die schon früher benötigten Gelder durch Vorschüsse der beiden Regierungen rechtzeitig flüssig gemacht werden, was ich hiemit beantra¬ ge." Es wird nunmehr konstatiert, daß beide Regierungen bereit sind, die erfor¬ derlichen Vorschüsse aufVerlangen der Marineverwaltung zu geben, und soll der Marinekommandant in den Delegationen auf Befragen erklären, daß er alles ge¬ tan habe, um die Schiffe so schnell als möglich zu bauen, und versichern, daß sie rechtzeitig fertig sein werden. Hierauf wird das Ordinarium der Marine nach Streichung von 307 000 K im Titel VI und von 18 050 000 K im Titel VII angenommen. Im Extraordinarium werden folgende Abstriche akzeptiert: bei Titel VI 1 000 000 K bei Titel IX 300 000 K.11 Schließlich kommt die Konferenz überein, Mitte Mai wegen der Frage der Rückwirkung der Gagenerhöhung, wegen der Mannschaftslöhnungen bezie¬ hungsweise der Einberufung der Delegationen wieder zusammenzutreten, wor¬ auf der Vorsitzende die Sitzung schließt.12 Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 25. Mai 1908. Franz Joseph. 10 GMR. v. 27. 10. 1907, Gmr. V, Nr. 75 576. 11 Marinebudget mit Korrekturen der hier gemachten Streichungen in Ka., KM., Präs. 37-2/15/1908. 12 Fortsetzung der Budgetberatungen in GMR. v. 17. und 21. 5. 1908, GMCPZ. 466. <pb/>