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Anhang Gemeinsamer Ministerrat, 1. 12. 1907

I. Aufzeichnung über eine Besprechung der gemeinsamen Minister, die am 1. Dezember 1907 bei dem Herrn Minister des Äußern Freiherrn v. Aehrenthal über die gegenwärtige Situation in Bosnien stattfand

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_VI/pdf/oe_hu_mrp_VI_zusatz1.pdf.

          ERGÄNZENDE PROTOKOLLE ANDERER

                      PROVENIENZ NR. I-VIII

       (1. DEZEMBER 1907 BIS 24. DEZEMBER 1912)

           Nr. I Gemeinsame Beratung, Wien, 1. Dezember 1907

     Geheim; Kaisereinlauf, (sodann Erzherzog Franz Ferdinand), Baron Buridn, FZM. Schönaich
 (mit Einbegleitung).

     4 Exemplare: 1. Kaisereinlauf, 2. Baron Buriän, 3. FZM. Schönaich, 4. Minister.

    Aufzeichnung über eine Besprechung der gemeinsamen Minister, die am 1.
Dezember 1907 bei dem Herrn Minister des Äußern Freiherm v. Aehrenthal über
die gegenwärtige Situation in Bosnien und der Herzegowina stattfand.

    HHStA., PA. XL, Karton 306, fol. 214r-v, 225r-v, 215r-224r.

    Am 1. Dezember 1907 fand im Ministerium des Äußern eine Besprechung der
gemeinsamen Minister statt, an der auch die beiderseitigen Ministerpräsidenten
teilnahmen. Diese Besprechung war veranstaltet worden, um dem Herrn gemein¬
samen Finanzminister Baron Buriän über seine Anregung Gelegenheit zu geben,
sich über die gegenwärtige Situation in Bosnien zu äußern. Die bekannten Vor¬
gänge in der Hauptstadt des Okkupationsgebietes - die Tagung einer Art von
Skupstina serbischer Vertrauensmänner aus dem ganzen Lande - hatte neuestens
die Aufmerksamkeit der maßgebenden Faktoren auf die Verhältnisse in den re¬
zensierten Provinzen gelenkt.

   In ausführlicher Weise entwickelte zunächst Freiherr v. Buriän
seine Ansichten über den bisherigen politischen Vorgang des Banus1 und legte in
überzeugender Weise dar, wie sich die heutige, einer neuen Orientierung bedür¬
fende politische Situation der Okkupationsländer aus der falschen politischen
Richtung erklären lasse, die man dort bis vor nicht langer Zeit beobachtet hatte.
Im Anschlüsse hieran erörterte Freiherr v. Buriän die Prinzipien und Grundsätze,
von denen er sich selbst bei der Verwaltung der ihm unterstehenden Gebiete lei¬
ten lassen, und fand für seine bezüglichen Ausführungen - deren Inhalt hier als
bekannt vorausgesetzt werden kann - einhellige Zustimmung

   Zwei Momente in den Darlegungen Freiherm v. Buriäns schienen von beson¬
derem Interesse.

        Zur Situation in Kroatien-Slawonien Ende 1907siehe Gross, Erzherzog Franz Ferdinand 281
        ff.
<pb/>652 Nr. I Gemeinsame Beratung, Wien, 1. 12. 1907

   Erstens jenes, in welchem er in freimütiger Weise das vollständige Versagen
der Källay&#39;schen Politik konstatierte.2

   Bekanntlich sollte sich im Sinne dieser Politik die Autorität der Okkupation
mehr auf das mohammedanische Element im Lande stützen. Dieses Element er¬
wies sich aber - wie eine 30jährige Erfahrung bezeugte - in den führenden Krei¬
sen als entwicklungsunfahig und ungeeignet, der Träger moderner und fortschritt¬
licher Ideen zu sein. Da ihm auch jedes Assimilierungstalent abging, schien es
notwendig, bei dem für die Zukunft aufzustellenden politischen Kalkül auf einen
andern der das Land bewohnenden Volksstämme Rücksicht zu nehmen. Da die
Katholiken vermöge ihrer Minderzahl hier nicht allein in Betracht kommen konn¬
ten, mußte die Regierung notwendigerweise versuchen, auch mit den lange ver¬
nachlässigten und nur mit Mißtrauen beobachteten orthodoxen Serben bessere
Beziehung anzuknüpfen.

   Bei diesem, dem politisch regsamsten Elemente des Landes hatte sich schon
seit langem der Wunsch und das Streben nach politischer Betätigung geregt und
war dieses Streben in dem Verlangen einer politischen Autonomie, die sich von
unten nach aufwärts entwickeln sollte, zum Ausdruck gelangt. Die eingangs er¬
wähnte Versammlung serbischer Vertrauensmänner in Sarajewo war die deutlich¬
ste Manifestation, die diese Tendenz bisher nach außen hin gefunden.

   Es ist nur bemerkenswert und dies ist das zweite Moment aus den Darlegungen
des Herrn gemeinsamen Finanzministers, das hier hervorgehoben werden soll,
daß sich die erwähnten serbischen Autonomiebestrebungen bisher ausschließlich
im Rahmen des Okkupationsgedanken bewegen und die Tendenz nach einer Ver¬
wirklichung außerhalb derselben einst konstantiert werden könnte.

   Der Herr gemeinsamen Finanzminister war daher auch in der Lage, feststellen
zu können, daß wenn auch das serbische Element in den okkupierten Ländern
infolge seiner jahrzehnte langen Außerachtlassung heute noch als ein mißver¬
gnügtes bezeichnet werden müsse, da von der Gefahr einer revolutionären Bewe¬
gung, die aus derselben hervorgehen könnte, derzeit nicht die Rede sei.

   Baron Buriän vermeint deshalb auch, daß es politisch unbedenklich sei, den
orthodoxen Serben nunmehr in dem Maße entgegen zu kommen, als es für die
neue Orientierung seiner Verwaltung in Bosnien notwendig erscheint.

    Dieses Entgegenkommen würde derart gedacht sein, daß in Zukunft womög¬
lich eine gleichmäßige Förderung aller drei die Okkupationsprovinzen bewoh¬
nenden Volksstämme, der Katholiken, Mohammedaner und Serben, erfolge, wo¬
bei natürlich zu bemerken sei, daß die Serben gegenwärtig am meisten aufzuholen
hätten.

    Mit der erfolgten Schaffung der Gemeindeautonomie sei der erste Schritt auf
diesem neuen Wege geschehen.

         Zu Källays Politik und zu seiner Stellung gegenüber den Serben, Kroaten und Mohammeda¬
         nern in Bosnien-Herzegowina siehe Redzic, Källays bosnische Politik 371 f.
<pb/>Nr. I Gemeinsame Beratung, Wien, 1. 12. 1907  653

    Die nächste Frage würde dann die Einrichtung von Bezirksvertretungen bil¬
den. Diesen würde man Zeit lassen müssen, sich einzuleben und die weitere Ent¬
wicklung bis zur Schaffung einer Kreis- und schließlich einer Bezirksvertretung
zwar vorbereiten, aber in absehbarer Zeit diese verwirklichen. Baron Buriän hob
hier besonders hervor, daß er bei der weiteren Ausgestaltung der bosnischen In¬
stitutionen sein Hauptaugenmerk darauf richten werde, daß weder die innere Po¬
litik der beiden Staaten der Monarchie, noch die Erfordernisse unserer auswärti¬
gen Politik präjudiziert werden.

    Die anwesenden gemeinsamen Minister und die beiden Ministerpräsidenten
nahmen die Ausführungen des Herrn gemeinsamen Finanzministers zustimmend
zur Kenntnis und erklärten sich ebenso mit der von nun an den Serben gegenüber
zu befolgenden Politik des Entgegenkommens, wie mit der sukzessiven Entwick¬
lung des autonomen Gedankens einverstanden.

    In letzter Beziehung hob der Minister des Äußern Freiherr
v. Aehrenthal hervor, daß die Schaffung einer autonomen Landesselbst¬
verwaltung durch die Einberufung eines bosnisch-herzegowinischen Landtags
auf das engste mit der Frage der Annexion der Okkupationsprovinzen Zusam¬
menhänge. Bevor diese nicht durchgeführt sei, könne jener nicht aktiviert wer¬
den, Man müsse nämlich unter allen Umständen vermeiden, daß die Frage der
Annexion usw. auf dem Landtage selbst diskutiert werde; anzustreben sei viel¬
mehr, daß der nach erfolgter Annexion zusammentretende Landtag diese guthei¬
ße und solchermaßen durch ein feierliches Votum sanktioniere.

   Zu einer speziellen Bemerkung sah sich auch der Herr Kriegsmini¬
ster veranlaßt. FZM. Schönaich stellt nämlich an der Hand von Situationsbe¬
richten des k. u. k. 15. Korpskommandos dar, daß so richtig auch der Gedanke
sei, von nun an in der Verwaltung der okkupierten Länder eine gleichmäßige An¬
lehnung an alle drei Volksgruppen zu suchen, es mit Rücksicht auf die großserbi¬
schen Einwirkungen, denen die bosnischen Intelligenz ausgesetzt sei, geboten
erscheine, gewisse Vorsichtsmaßregeln nicht außer Acht zu lassen und als solche
eine Vermehrung der Polizei und Gendarmerie, eventuell auch eine Standeserhö¬
hung der in Bosnien dislozierten k. u. k. Truppen ins Auge zu fassen.

   In der Konferenz kam die Auffassung zum Durchbruch, daß den Anregungen
des Herrn Kriegsministers große Aufmerksamkeit zuzuwenden sei.

   Aus den Ausführungen des Herrn gemeinsamen Finanzministers gehe aller¬
dings mit aller Deutlichkeit hervor, daß die Organisationsbestrebungen der serbi¬
schen Partei derzeit keine revolutionären Tendenzen aufwiesen. Bei der bekann¬
ten Neigung des Orientalen aber, jede Nachgiebigkeit als Schwäche auszulegen,
sei die Möglichkeit einzelner, lokaler etwaiger Putschversuche jedenfalls nicht
ausgeschlossen, und sei es daher angezeigt, keine der möglichen Vorbeugungs¬
maßregeln zu vernachlässigen.

   Der Herr gemeinsame Finanzminister wies darauf hin,
daß speziell in Sarajewo und Mostar eine neue Organisation und Vermehrung der
Polizei bereits durchgeführt worden wäre, und sagte des weiteren zu, sich mit der
<pb/>654 Nr. I Gemeinsame Beralung, Wien, 1. 12. 1907

Frage einer Ausgestaltung [der] Gendarmerie beschäftigen zu wollen. Bezüglich
der eventuellen Standeserhöhung der k. u. k. Truppen behielt sich der Herr
Kriegsminister vor, nach Maßgabe der Berichte des Landeskommandie¬
renden General Winzor seinerzeit an die gemeinsame Ministerkonferenz heran¬
zutreten.

   Im Anschlüsse an die Darlegungen Freiherm v. Buriäns über die Lage der Din¬
ge in den okkupierten Provinzen hob der Herr ung. Ministerpräsi¬
dent mit besonderer Betonung hervor, daß es seiner Ansicht nach geraten wäre,
in den äußeren Verwaltungshandlungen, die sich in Bosnien und der Herzegowi¬
na abspielten, die Souveränität des Kaisers und Königs allmählich mehr und mehr
hervorzuheben, während es gleichzeitig angezeigt erscheine, den Charakter der
Souveränität des Sultans als eines ruhenden deutlich erkennen zu lassen.

   Zu dieser Äußerung Dr. Wekerles bemerkte der Herr gemeinsame
Finanzminister, daß Se. k. u. k. apost. Majestät die Rechte der Souverä¬
nität in den okkupierten Provinzen ohnehin schon voll ausübe. So leisteten die
bosnischen Rekruten den Fahneneid auf den Namen des Kaisers und Königs und
ebenso würde im Namen des Kaisers und Königs Recht gesprochen.

   Um diese Tatsachen hüben und drüben aller Welt deutlich zum Bewußtsein zu
bringen, gab die Konferenz es dem Herrn gemeinsamen Finanzminister anheim,
eventuell gelegentlich der nächsten Delegationsverhandlungen über den bosni¬
schen Etat bei einem passenden Anlasse ausdrücklich zu betonen, daß eine Anne¬
xion Bosniens und der Herzegowina zwar nicht beabsichtigt sei, daß aber schon
bei dem gegenwärtig bestehenden Zustand die Souveränität des Sultans ruhe und
die volle Ausübung dieses Souverätitätsrechtes Sr. k. u. k. apost. Majestät zukom¬
me.

   Die Annexionsfrage anlangend, nahm der Herr Minister des Äu¬
ßern Freiherr v. Aehrenthal den Anlaß wahr, um darauf auf¬
merksam zu machen, daß die Annexion Bosniens und der Herzegowinajedenfalls
nur in einem Moment wird durchgeführt werden können, wo auch andere Modi¬
fikationen des Berliner Vertrages erfolgen würden. Diese Anschauung fand allsei¬
tige Zustimmung. Des weitem führten Baron Aehrenthal aus, daß augenblicklich
zwar nichts solche Ereignisse voraussehen lassen, daß sie aber unerwarteter Wei¬
se jeden Augenblick eintreten könnten und daß es daher notwendig erscheine, auf
alle Eventualitäten vorbereitet zu sein. Er halte es daher auch für seine Pflicht, an
den Bestand des mit der Türkei gezeichneten geheimen Protokolles vom 13. Juli
1878 zu erinnern, in welchem der Pforte gegenüber der provisorische Charakter
der Okkupation ausdrücklich anerkannt wird. Allerdings könne uns dieses Proto¬
koll - dessen Inhalt, wie Baron Buriän bemerkte, auch in Bosnien bekannt sei -
nicht daran hindern, im geeigneten Momente an die Annexion zu schreiten, da
unser Rechtstitel auf Bosnien nicht nur in der betreffenden Bestimmung des Ber¬
liner Vertrages, sondern, (wie es Ministerpräsident Dr. Wekerle im ungarischen
Reichstage bereits angedeutet hat) auch selbständig in der historischen Kontinui¬
tät und in der Eroberung durch Waffengewalt beruhe.
<pb/>Nr. I Gemeinsame Beratung, Wien, 1. 12. 1907     655

    Den Einwendungen der Pforte könnte man eventuell entgegenhalten, daß
 durch die Annexion der okkupierten Provinzen eine neue Rechtslage geschaffen
 worden sei, aufdie sich die Bestimmungen des geheimen Protokolles nicht hätten
 beziehen können; bis zu dem Momente der Annexion habe aber Österreich-Un¬
 garn entsprechend den eingegangnen Verpflichtungen seiner Verwaltung der ok¬
 kupierten Länder den provisorischen Charakter strenge gewahrt.

    Während alle Teilnehmer an der Konferenz vom 1. Dezember unterschiedslos
 sich damit einverstanden erklärten, daß die Annexion Bosniens und der Herzego¬
wina dann zu erfolgen haben würde, wenn die Verhältnisse sie erheischten oder
zum mindesten gestatteten, betonte andererseits der Herr kgl. ung.
Ministerpräsident, dem der Herr k. k. Ministerpräsident vollinhaltlich
zustimmte, daß die seinerzeitige Annexion des okkupierten Gebietes keinesfalls
eine Änderung in der staatsrechtlichen Struktur der Monarchie zur Folge haben
dürfe. Dr. Wekerle wies bei diesem Anlaß auf die besondre Gefährlichkeit der
sogenannten ,,Fiumaner Resolution&quot; hin und auf die Bestrebungen des Südsla¬
wentums, mit Hilfe von Dalmatien im Innern der Monarchie einen kompakten
slawischen Block zusammenzufugen.3

    Der Minister des Äußern Freiherr v. Aehrenthal
bemerkte zu der von Dr. Wekerle formulierten Reserve, daß bekanntlich bezüg¬
lich der zukünftigen Stellung der okkupierten Provinzen zu der Gesamtmonar¬
chie bereits der Beschluß eines gemeinsamen Ministerrates vorliege, der unter
dem Vorsitze Sr. k. u. k. apost. Majestät stattgefunden habe und an dem auch die
damaligen beiderseitigen Ministerpräsidenten teilgenommen hätten.

   In diesem gemeinsamen Ministerrate vom 30. August 18964 seien in neun
Punkten alle Bedingungen und legislativen Vorkehrungen vereinbart worden, un¬
ter denen seinerzeit die Annexion der okkupierten Provinzen sich zu vollziehen
hätte. Es wurde damals bestimmt, daß nach erfolgter Annexion die okkupierten
Provinzen als ein gemeinsames Gebiet der beiden Reichshälften, also gewisser¬
maßen als corpus separatum, auch gemeinsam zu verwalten sein würde. Wir be¬
säßen also in dem genannten Ministerratsbeschluß bereits die notwendige Basis
für die Beantwortung der Frage, wie sich nach erfolgter Annexion die politische
Situation der okkupierten Provinzen zunächst gestalten würde.

   Obwohl die anwesenden Herren gemeinsame Minister sich wohl bewußt wa¬
ren, daß die Kreierung Bosniens und der Herzegowina als eine Art Reichsland
und als die erste Etappe zur Lösung des bosnischen Problems selbst betrachtet
werden könne, vermieden sie es, diese Anschauung in der Konferenz zur Diskus¬
sion zu bringen.

   In diesem Gedankenzusammenhange verdient eine offenbar unter dem Ein-
drucke der kroatischen Schwierigkeiten gemachte Bemerkung des Herrn
kgl. ung. Ministerpräsidenten verzeichnet zu werden, die da-

Gross, Erzherzog Franz Ferdinand 277 ff.
GMR. v. 30. 8. 1896/1, Gmr. V, Nr. 5.

                                              /
<pb/>656 Nr. la Zum Protokoll über die Besprechung der gemeinsamen Minister, 1. 12. 1907

hin ging, daß man in Ungarn ganz gerne bereit wäre, gegen eine Abtretung der
sogenannten ,,ungarischen Komitate&quot; Kroatiens das übrige Gebiet des dreieini¬
gen Königreiches an Österreich zu zedieren. Dr. Wekerle ging auch weiter auf die
Frage ein, ob unter dem ,,übrigen Kroatien&quot; auch die Stadt Fiume zu verstehen
sei?

   Vor dem Abschlüsse der Konferenzberatungen erwähnte der Herr k . k.
Ministerpräsident auch die ihm sehr am Herzen liegende Regelung
unseres wirtschaftspolitischen Verhältnisses zu Montenegro und warf den Gedan¬
ken auf, ob es nicht praktisch wäre, unseren handelspolitischen Beziehungen zu
dem Fürstentume die Form einer Zollunion zu geben.

   Der Herr Minister des Äußern war in der Lage zu erwidern,
daß ein wirtschaftliches Entgegenkommen Montenegro gegenüber sich vollkom¬
men in sein System einer freundschaftlichen Annäherung an die Balkanstaaten
einfüge und dieser Gedanken ihn daher sehr sympathisch berühre. Die Handels¬
vertragsverhandlungen mit dem Fürstentume würden unmittelbar nach dem Ab¬
schlüsse der Verträge mit Serbien, Bulgarien und Rumänien beginnen. Früher sei
dies nicht möglich, da es in dem Vertrage mit Montenegro darauf ankommen
werde, für die Einfuhr montenegrinischen Viehs nach dem Süden Dalmatien in
irgend einer Form Erleichterung eintreten zu lassen, die wir dem Viehexporte der
übrigen Balkanstaaten nicht gewähren können.

    Baron Aehrenthal fügte hinzu, daß er diese Frage im Auge behalten und sich
im Laufe des Winters mit ihr beschäftigen wolle. Die guten Dispositionen, die
wir Montenegro entgegenbrächten, würden derzeit von dem Fürstentume revi¬
diert; dieses suche - vielleicht mehr der Not gehorchend als dem eignen Triebe -
Anlehnung an die Politik der Monarchie. Ob allerdings die Verhältnisse so weit
gediehen seien, daß es sich empfehle, den Abschluß einer Zollunion mit Monte¬
negro schon heute ins Auge zu fassen, möchte Baron Aehrenthal nicht entschei¬
den und dieser Anregung vielleicht erst in einem späteren Momente näher tre¬
ten.

     Nr. la Zum Protokoll über die Besprechung der gemeinsamen

                           Minister, 1. Dezember 1907

     Anwesend: Freiherr v. Aehrenthal, Freiherr v. Burain, FZM. Schönaich, k. k. Ministerpräsident
Freiherr v. Beck, ungarischer Ministerpräsident Dr. Wekerle.

    Besprechung der gemeinsamen Minister am 1. Dezember 1907 über die Ver¬
hältnisse von Bosnien-Herzegowina.
<pb/>Nr. II Konferenz der gemeinsamem Minister, Wien, 9. 4. 1908  657

   HHStA., PA. XL, Karton 306, fol. 208r-209v.

   Über die Grundsätze und Detailentscheidungen bezüglich der Verwaltung
Bosnien-Herzegowinas handeln zahlreiche Protokolle vom Juli 1878 bis 1881.

   Diese Provinzen wurden nämlich in der ersten Zeit sozusagen gremial verwal¬
tet, und bildete die von den drei gemeinsamen Ministerien delegierte sogenannte
,,Bosnische Kommission&quot; die erste Zentralinstanz, der aber durch periodische
Ministerberatungen Instruktionen erteilt wurden (siehe die allerdings [ein Wort
unleserlich] Protokolle der ,,Bosnischen Kommission&quot; September 1878-Mai
1879 in der Liasse ,,Interna IX a&quot;). Erst seitdem der gemeinsame Finanzminister
das Mandat des ,,gemeinsamen Ministeriums&quot; zur Verwaltung der Provinzen
übernommen hatte, bilden die bosnischen Angelegenheiten einen selteneren Ge¬
genstand der Ministerkonferenzen (die Akten über diese Mandatserteilung sind
im Archive nicht erfindlich, sie müssen im gemeinsamen Finanzministerium er¬
liegen!).

   Seither handeln von der Organisation Bosniens:

   GMCPZ. 309 vom 23. 10. 1882undGMCPZ. 310 vom24. 10.1882;GMCPZ.
392 vom 26. 8. 1896, GMCPZ. 394 vom 30. 8. 1896, GMCPZ. 399 vom 30. 1.
1897, GMCPZ. 402 vom 31. 1. 1897 über die ,,Modalitäten der Angliederung
Bosnien-Herzegowinas in die Monarchie&quot; (siehe auch 67/CdM. ex 1897 bei
CdM. V/5).

   Spätere Ministerkonferenzen über die Modalitäten der Annexion:
   467 vom 19. 8. 1908 und 468 vom 10. 9. 1908.

   So die Protokolle: 224 vom 17. 1. 1879, 225 vom 17. 1. 1879, 226 vom 18. 1.
1879, 228 vom 19. 2. 1879 und 229 vom 24. 2. 1879 (betreffend den Wirkungs¬
kreis der ,,bosnischen Kommission&quot;), 230 vom 1. 3. 1879, 234 vom 23. 4. 1879,
235 vom 24. 4. 1879 (mit Gesetzentwurf über die Verwaltungsverfugungen), 236
vom 25. 4. 1879, 237 vom 1. 5. 1879, 242 vom 13. 10. 1879, 243 vom 16. 11.
1879, 244 vom 26. 11. 1879 (betreffend Einflußnahmen der beiden Regierungen
auf die Administration von Bosnien-Herzegowina), 247 vom 11. 12. 1879 (mit
dem ersten Administrationsberichte des gemeinsamen Finanzministers Freiherm
v. Hofmannn und dem ersten bosnischen Budget von 1880).

  Nr. II Konferenz der gemeinsamem Minister, Wien, 9. April 1908

    Gegenwärtige: der gemeinsame Minister Freiherr v. Aehrenthal, Baron Buriän, FZM. Schö¬
naich; Marinekommandant Admiral GrafMontecuccoli.

    Protokollführer: Günther.
    Gegenstand: Vorbesprechung in Angelegenheit des gemeinsamen Budgets (Ministerkonferen¬
zen Nr. 465 und 466).
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