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Gemeinsamer Ministerrat, 27. 10. 1907

I. Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1908 sowie Bestimmung des Termins der Einberufung der Delegationen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z75.pdf.

Nr. 75 GemeinsamerMinisterrat, men, 27.10.1907     567

die letztere noch vor deren Unterzeichnung von den drei interessierten Faktoren einer
nochmaligen Prüfung unterzogen werden wird.

   Nachdem der V ersitzende konstatiert, daß hiemit die einschlägigen Beratun¬
gen zu einem befriedigenden Abschlüsse gediehen sind, schließt er die Sitzung.2

                                                   Aehrenthal

[Ah. E. fehlt]

                Nr. 75 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. Oktober 1907

    RS. (und RK.).
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle, der k. k. Ministerpräsident Freiherrv. Beck, der
k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM.
Schönaich, derk. k. FinanzministerRitterv. Koiytowski, derk. u. k. Mannekommandant GrafMontecuccoli
(23.4.), der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popovics.
    Protokollführer Sektionsrat Ritter v. Günther.
    Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben uhd Einnahmen der österreichisch-un¬
garischen Monarchie pro 1908 sowie Bestimmung des Termins der Einberufung der Delegationen.

KZ. 18/1908 - GMCZ. 464

Protokoll des zu Wien am 27. Oktober 1907 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬

same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des

Äußern Freiherr v. Aehrenthal.                  ,

   Der V ersitzende eröffnet die Sitzung mit der Bemerkung,,daß er vor dem
Eingehen in die Beratung der verschiedenen Voranschläge eine kurze Darstellung der
politischen Lage abgeben wolle.

   Was zunächst die Situation in Europa betreffe, so sei es erfreulich, konstatieren zu
können, daß die Monarchie mit allen maßgebenden Faktoren in guten Beziehungen
stehe, die bewährten freundschaftlichen Relationen erhalten und weiter gepflegt habe.

   Was das Verhältnis zu zwei Staaten anbelange, das bei seinem Amtsantritte manches
zu wünschen übrigließ - Redner meine Italien und Serbien - so könne er mitteüen, 4a R,
was ersteres betrifft, seine Unterredungen mit dem Könige von Italien und Herrn
Tittoni den Charakter freundschaftlichen Gedankenaustausches getragen habe.1 Er
habe die Überzeugung, daß der Wunsch bestehe, gute Beziehungen mit uns zu erhalten,
und daß dieser Wunsch umso aufrichtiger sei, als Italien vermeiden müsse, ohne

2 Protokollarische Vereinbarung v. 31.1.1908. Siehe GMRProt. v. 9.10.1907, GMCZ. 462, Anm. 3.

1 Aufzeichnung über eine zwischen Freiherrn v. Aehrenthal und dem italienischen Minister des Äußern
    Herrn Tittoni am 15. 7. 1907 in Desio stattgehabte Unterredung. Aufzeichnung über eine zwischen
    Freiherm v. Aehrenthal und Sr. Majestät König Viktor Emmanuel III. am 16. 7. 1907 zu Racconigi
    stattgehabte Unterredung, HHStA., PA. I, Karton 481, Liasse XXXV.AehrenthalsBesuch erwidert Tittoni
    am 22. bis 25. & 1907. Erführt Verhandlungen mitseinem österreichischenAmtskollegen undstelltsich dem
    Kaiser in Ischl vor, ebd., Karton 610, II/d-4.
<pb/>568  Nr. 75 Gemeinsamer Ministenat, Wien, 27.10.1907

zwingenden Grund gegen uns aufzutreten. Italien habe korrekte, befriedigende Erklä¬
rungen abgegeben, sowohl hinsichtlich der Unterstützung der Reformaktion am
Balkan,2 als auch betreffs Albaniens. In letzterer Hinsicht erneuerte Herr Tittoni in
politischer Weise die früheren italienischen Erklärungen dahingehend, daß das Adria-
tische Meer kein italienisches Meer sein könne, ebenso wenig wie ein österreichisch¬
ungarisches. Begrenzt von Österreich-Ungarn und Italien sei auf diesem Meere ein
einseitiges Festsetzen Italiens nicht möglich, gleichwie der umgekehrte Fall nicht
eintreten dürfte. Herr Tittoni wollte wissen, was Österreich-Ungarn tun werde, wenn
sich die Integrität der Türkei nicht erhalten lasse. Redner habe sich hierauf nicht
eingelassen und sich darauf beschränkt, den bisher eingenommenen Standpunkt der
Aufrechterhaltung des Status quo zu betonen. Er glaube, es sei nicht der Zeitpunkt zu
sagen, was wir in einem solchen Falle tun werden.

   Falls die Reformaktion scheitere, falls sich kriegerische Ereignisse abspielen sollten,
so haben wir freie Hand behalten, unsere Interessen zu schützen. Denselben Stand¬
punkt der freien Aktionsfähigkeit habe Herr Tittoni eingenommen und dieser sei
sicherlich aufrichtig, ob dies aber auch dessen eventuelle Nachfolger sein werden,
müsse dahingestellt bleiben. Die italienischen Regierungen seien gegenüber dem
Drucke der öffentlichen Meinung schwächer als die anderer Länder. Italien sei finan¬
ziell und wirtschaftlich stärker geworden und beschäftige sich in wirtschaftlicher und
kultureller Betätigung lebhaft mit dem Balkan, so in Albanien und in Montenegro, und
müsse leider auf unsere Unterlassungssünden in diesem Belange hingewiesen werden.

   Der Redner führt mm aus, wie er sich denke, diesbezüglich eine Korrektur eintreten
zu lassen und das bedrohte Terrain für uns durch wirtschaftliche und verkehrspolitische
Maßnahmen, durch eine penetration pacifique zu sichern beziehungsweise wieder zu
erobern. Seine einschlägigen Anregungen habe er beiden Regierungen mitgeteüt3 und
er wolle nur nochmals seinen Wunsch betonen, daß wir uns rühren und konsequent
Vorgehen sollten gegenüber der Tätigkeit Italiens. Hinsichtlich Serbiens beziehungswei¬
se des mit diesem Staate in Verhandlung stehenden Handelsvertrages hoffe er, daß bei
beiderseitigem Entgegenkommen ein Abschluß erzielt werden wird. Unsere Politik,
welche darauf basierte, daß Serbien politisch und wirtschaftlich von uns abhängig sei
und daher als quantite negligeable betrachtet werden könne, habe Schiffbruch gelitten.
Freüich werde Serbien darunter leiden, wenn es nicht zum Vertragsabschlüsse komme,
doch finde es Unterstützung bei Frankreich, Italien und England. Für dieses ist es von
größtem Interesse, die agrarischen Produkte Serbiens möglichst direkt nach dem
Westen zu bringen. Diese Staaten stellten Serbien wie schon bisher Kapitalkräfte zur
Disposition, und ähnlich verhalte es sich in politischer Beziehung. Von einem Konflikte
würden nur andere Staaten profitieren. Vom rein politischen Standpunkte müsse
Redner dringend bitten, daß die Angelegenheiten Kroatiens, Dalmatiens, Bosniens so

2 Über die Reformaktion am Balkan siehe GMR. v. 19.11.1903, GMCZ. 439, des weiteren K. u. k. Ministe¬

      rium DES ÄUSSERN, REFORMAKTION IN MAZEDONIEN.

3 Aehrenthal an die beiden Ministerpräsidenten v. 7.9.1907, HHSrA., AR-, F. 37, Karton 64, Serbien 6, Nr.
    258. -
<pb/>Nr. 75 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27.10.1907  569

geführt werden, daß das Gravitationszentrum für das serbisch-kroatische Volk inner-
halb der Monarchie liege.

    In der letzten Zoll- und Handelskonferenz sei österreichischerseits der Gedanke
näherer wirtschaftlicher Beziehungen zu Montenegro zur Sprache gebracht und von
einer Zollunion geredet worden. Die Sache sei ihm sehr sympathisch, nur scheine sie
ihm noch verfrüht, wir müßten zunächst unsere Beziehungen durch Abmachungen
regeln und unsere Politik des Abschließens aufgeben. Wenn unser Verhältnis ein
engeres wird, werde Montenegro von selbst an uns herantreten. Jedenfalls sei die Idee
sehr beachtenswert.4

   Die Beziehungen der großen Staaten untereinander können erfreulicherweise als
gute bezeichnet werden. Es herrscht anscheinend die Tendenz des Zusammenschlie-
ßens, der Konsolidierung, mit einem Worte der Verständigung, was wir an den
zahlreichen Entrevuen der Monarchen und der leitenden Staatsmänner sowie an
den Spezialakkords sehen. Es besteht der gute Wille, die Gegensätze auszugleichen
oder wenigstens die Austragung zu vertagen. Und diese Tendenz dürfte noch einige
Zeit anhalten.

   Eine Macht - England - hat ganz spezielle Interessen, vornehmlich jenes, seine
dominierende Stellung zu erhalten. Wenn man die Situation ganz genau betrachtet, so
müsse man zu dem Schlüsse kommen, daß, so erfreulich im ganzen das Bild der
politischen Lage sei, dennoch die Gegensätze fortbestehen. Und da meine Redner
zunächst das Verhältnis Deutschland-England. Noch auf der jüngst abgeschlossenen
Haager Konferenz trat dieser Gegensatz grell zutage.5 Jede Frage sei von Deutschland
und England von diesem Gesichtspunkte aus behandelt worden, sei es auf völkerrecht¬
lichem, sei es auf maritimem Gebiete, stets im Hinblick auf einen eventuellen Krieg
zwischen diesen beiden Staaten. Und mit dieser Eventualität befassen sich auch die in
Betracht kommenden kleineren Staaten, die skandinavischen Länder sowie Holland
und Belgien. Weiters sei in Marokko ein großer Konfliktstoff vorhanden, aus dem sich
unbefehlbare Verwicklungen ergeben können.

   In Ostasien herrscht Ruhe, Japan brauche dieselbe und habe auch dermalen kein
Geld. Zu fürchten sei aber das Jahr 1911, in welchem der Panamakanal beendet und
der amerikanischen Flotte die leichte Möglichkeit gegeben sein wird, vom Atlantischen
in den Pazifischen Ozean zu fahren. Ein japanisch-amerikanischer Konflikt könne von
den weitestgehenden Folgen begleitet sein und seine Wirkung auch auf die Monarchie
ausüben.

   Im Nahen Orient seien die Verhältnisse recht problematisch zu nennen. Die Reform¬
aktion werde fortgesetzt und Rußland sowie Österreich-Ungarn seien daran, der Pforte

4 Protokoll der anläßlich der Wiederaufnahme der Handelsvertragsverhandlungen zwischen Österreich-
    Ungarn und Serbien am 24. 10. 1907 abgehaltenen gemeinsamen Sitzung der Vertragsdelegierten,
    HHSrA, AR., F. 37, Karton 65, Serbien 6, Nr. 307. Auf die Förderung der Handelsbeziehungen zu
    Montenegro drängtAehrenthal auch in seiner inAnm. 3 zitierten Note vom 7.9.1907.

5 Aehrenthal an die beiden Ministerpräsidenten v. 13.11.1907über die Friedenskonferenz, KA., KM., Präs.
    70-28/89/1907 (Abschrift). Die Friedenskonferenz fand vom 18. Juni bis zum 19. Oktober 1907 statt, die
    Delegation der Monarchie stand unter Lötung von ku.k. Botschafter Mirey. Verosta, Theorie und
    Realität von Bündnissen 17-28.
<pb/>570  Nr. 75 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27.10.1907

eine Justizrefonn zu empfehlen. England bilde ein treibendes Element und wolle viel
weiter gehen als die Ententemächte.6 Es könne nicht geleugnet werden, daß immerhin
auch hier Grund zu einiger Besorgnis vorhanden. Rußland zeige wieder großes Inter¬
esse im Nahen Orient, es habe sich rasch vom letzten Kriege erholt und dank seiner
Armee, die treu zu ihrem Kaiser gehalten, die Revolution im Inneren unterdrückt. Wohl
herrschen noch kritische Zustände in Rußland, aber die Aktionsmöglichkeit dieses
Reiches sei gegeben, also auch die im Nahen Orient. Es habe mit England und Japan
Abmachungen getroffen, es arbeite an seiner inneren Konsolidierung, und so liege eine
Aktion im Nahen Orient im Bereiche der Möglichkeit. Dies müsse nicht in der aller¬
nächsten Zukunft vor sich gehen, aber die erwähnten Symptome müssen beachtet
werden.

   Die Reformaktion habe Redner nie als Selbstzweck aufgefaßt, wohl aber als Mittel
zum Zweck, um zu temporisieren und unser Verhältnis zu Rußland zu regeln. Öster¬
reich-Ungarn hätte ja kein Interesse, daß die Balkanfragen in Fluß kommen Er habe
aber auch die volle Überzeugung, daß unser gutes Verhältnis zu Rußland, daß diese
Entente gute Früchte tragen werde.

   Es herrscht auf der Weltbühne ein geschäftiges Treiben. Die Kulissen sind aufge¬
stellt, die Akteure bereit, und vielleicht fehlten nur noch die Kostüme, auf daß das
Drama beginne.&#39;

   Im zweiten Dezennium des 20. Jahrhunderts könnten sehr ernste Ereignisse vor sich
gehen, vielleicht auch früher bei dem - wie geschüdert - angesammelten Zündstoffe.
Die Monarchie werde trachten, daß Konflikte vermieden werden, Redner könne aber
keine Garantie dafür bieten, daß die Vermittlungsaktion wirklich Erfolg habe. Die
Monarchie sei diplomatisch gut vorbereitet, die Relationen zu allen Mächten sind gute,
auch die innere Lage sei - durch den dank den Bemühungen der beiden Regierungen
nun perfekten Ausgleich - besser.7 Dennoch müsse die dringende Bitte gestellt werden,
der Armee und der Flotte zu geben, was sie benötigen, im Interesse unserer Sicherheit,
in Absicht darauf, im Notfälle unseren Willen auch durchsetzen zu können; daß man
letzteres imstande ist, das sei politisch einzig und allein entscheidend.

   Von diesem Standpunkte aus erlaube sich Redner, die Budgets der Kriegs- und
Marineverwaltung auf das wärmste zu empfehlen.

   Der Vorsitzende fragt nun, ob wie bisher die Budgets des Ministeriums des Äußern,
des gemeinsamen Finanzministeriums und des gemeinsamen Obersten Rechnungsho¬
fes zu erledigen und am Schlüsse in die Beratung der militärischen Voranschläge
einzugehen sei, oder ob eine andere Reihenfolge gewünscht werde. Die Konferenz
beschließt, den bisherigen Vorgang beizubehalten, worauf der Vorsitzende an der
Hand der Vorlagen das Budget des Ministeriums des Äußern zur Besprechung bringt.

6 SieheAnm. 2. Ententemächte: Rußland und die Habsburgermonarchie. Entente bedeutet die Vereinbarung
    der beiden Länder im Jahre 1897. Siehe GMRProt. v. 19.11.1903, GMCZ. 439, Anm. 2.

7 Siehe GMRProt. v. 9. 10. 1907, GMCZ. 462, Anm. l. Ferner Sutter, Die Ausgleichsverhandlungen
    zwischen Österreich und Ungarn 1867-1918 99-103; Hanäk, Magyarorszäg törtdnete, 1890-1918 Bd. 1
    658-664.
<pb/>Nr. 75 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27.10.1907  571

    Bei dem ersten Punkte ,,Kosten der Gehaltsregulierung&quot; erklärt der k g 1. u n g.
 Ministerpräsident W ekerle, daß die ungarische Regierung dieser Rege¬
 lung zugestimmt habe und die bezügliche Note am Wege sei. Da die Zustimmung der
 k. k. Regierung bereits vorliegt, erscheint diese Post angenommen.8

    Zur zweiten Post ,,Einreihung des Ersten Sektionschefs ad personam in die zweite
 Rangklasse&quot; schlägt der Ick. Finanzminister Ritter v. Korytowski
 vor, daß in Analogie mit dem Vorgänge in den österreichischen Budgets die EinstpUnng

der bisherigen ÜI. Rangldasse aufrecht bleibe und die Differenz auf das Gehalt der n.

 Rangklasse in einer neuen Post ,,Mehraufwand für die ad personam oder extra statum
 in einer höheren Rang- beziehungsweise Gehaltsklasse stehenden Bediensteten&quot; ge¬
 sondert zum Ausdrucke gebracht werde.

    Der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popo-
v i c s schließt sich dieser Anregung an.

    Der V ersitzende bemerkt, daß die Sache im Wesen wohl die gleiche sei Der
gegenwärtige Erste Sektionschef im Ministerium des Äußern habe mehrere Jahre als
k. k. Minister gewirkt und mußte selbstredend in der U. Rangklasse belassen bleiben.
In welcher Form dies geschehe, darauf wolle er keinen Einfluß nehmen und akkomo-
diere er sich bereitwilligst den vorgebrachten Wünschen.

    Der Ick. Finanzminister macht auf die bedeutende Steigerung des Erfor¬
dernisses im Verhältnisse zu früheren Jahren aufmerksam, wobei berücksichtigt werden
müsse, daß im Budget des Ministeriums des Äußern ja auch eine Erhöhung der eigenen
Einnahmen vorgesehen sei, so daß die Ausgabensumme eigentlich keine höhere sei. Er
anerkenne gerne, daß bezüglich der amerikanischen Konsulate in beiden Parlamenten
und in den Delegationen wiederholt Wünsche ausgesprochen wurden, denen entspro¬
chen werden müsse. Dennoch möchte er beantragen, daß der Minister des Äußern zu
einem Abstriche von 300 000 Kr. seine Einwilligung gebe.

    Der k. k. österreichische Ministerpräsident Freiherr v.
Beck will bezüglich der Schaffung eines Übersetzungsbureaus keine Einwendung
erheben, würde aber aus taktischen Gründen vorziehen, daß statt dieser Bezeichnung
die Kreierung eines neuen Departements in dem Voranschläge aufgenommen werde.
Es könnten sonst auch die Böhmen, die Polen usw. mit diesbezüglichen Wünschen
kommen.

   Der Ick. Finanzminister meint, die Kosten schienen ihm beträchtliche,
nachdem im Finanzministerium in einem solchen Falle gewöhnlich nur 30 000 Kr.
beansprucht werden. Auch frage er, ob ein Hofrat an der Spitze dieses Departements
stehen müsse.

   Derkgl. ung. Ministerpräsident ergreift das Wort zu der Bemerkung,
daß zwar die Kreierung dieses Übersetzungsbureaus auf im voraus gepflogenen Abma¬
chungen beruhe, daß er aber nichts dagegen habe, wenn die österreichischerseits
gewünschte Form gewählt werde. Was aber die Organisation dieses Bureaus betreffe,
so mache er auf die große Verantwortung aufmerksam, die dem Chef desselben zufalle.

s DieNote der beiden Ministerpräsidenten anAehrenthal über die Gehaltsregulierung war nicht auffindbar.
    Zur Gehaltsregulierung stehe Aixmayer-Beck, Ministerpräsident Baron Beck 217-219.
<pb/>572  Nr. 75 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27.10.1907

Seinerseits wolle er noch proponieren, daß die weitere Post ,,Kreierung von zwei Hof-

und Ministerialkonzipisten n. Klasse&quot; mit der in Rede stehenden vereinigt werde. Im

übrigen fallen die Systemalmaßnahmen und die Durchführung derselben in das Ressort
des Ministers des Äußern, und möchte er daher auf die Details dieser organisatorischen
Maßnahme nicht weiter eingehen.

    Der k.k. Finanzminister anerkennt vollkommen diesen Standpunkt und
ersucht den Vorsitzenden, sich zu der Reduktion äußern zu wollen.

    Der Vorsitzende erklärt, daß er bei ZusammensteUung des Budgets auf das
Mindesterfordemis sich beschränkt habe. Um jedoch den Rücksichten auf die Staats¬
finanzen möglichst Rechnung zu tragen, erlaube er sich folgenden Vorschlag zu stellen:
Das ausgewiesene Mehrerfordemis betrage 878 023 Kr., wovon die Ergänzungen per
 121 825 Kr. der im Vorjahre nur mit Halbjahrtangenten eingestellten Summen als reine
Konsequenz der bereits erfolgten Bewilligung in Abzug zu bringen seien, so daß ein
Nettomehrerfordemis von 756 198 Kr. erübrige. Falls er mm bei einigen Posten kurze
Anfallstermine einsteUe, so könnte er mit 634 426 Kr. das Auslangen finden. Er bitte
daher um die Zustimmung, daß er per 1908 diesen letztbezifferten Betrag präliminieren
könne.

    Der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popo-
v i c s gibt zu, daß man von den Konsequenzen der vorjährigen Bewilligungen absehen
müsse. Er glaube jedoch, daß der Minister des Äußern mit dem ihm konzedierten
Pauschale von 578 023 Kr., über das ihm vollkommen freie Verfügung zustehe, umso
leichter auskommen werde, als die Schlußrechnungen des Ministeriums des Äußern
jetzt günstige, ja sogar sehr günstige Resultate ergeben.

    Nachdem der Vorsitzende der Reduktion zustimmt, wird das Budget des
Ministeriums des Äußern im Ordinarium und im Extraordinarium zusammen mit
13266 547 Kr. angenommen.

   Bei der Votierung der beiden Nachtragskredite des Ministeriums des Äußern
bemerkt der Vorsitzende, daß die lange Dauer der Haager Konferenz die Kosten
der österreichisch-ungarischen Delegation höher gestellt habe, als bei Verfassung
des Präliminares angenommen wurde, und sonach der bezügliche Nachtragskredit
um 25 000 Kr., somit von 80 000 Kr. auf 105 000 Kr. erhöht werden mußte. Die
Konferenz nimmt dies zur Kenntnis.

   Der Voranschlag des gemeinsamen Finanzministeriums, welcher infolge der Verta¬
gung der Pensionsregulierung und somit der Ausscheidung der betreffenden erhöhten
Pensionsbeiträge nunmehr ein Nettomehrerfordemis von 162 598 Kr. aufweist, und das
Budget des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes (+ 7627 Kr.) sowie der Zollge-
fällsvoranschlag (+ 7 479 200 Kr.) werden ohne Debatte angenommen.

   Über Anregung des gemeinsamen Finanzministers wird festgesetzt,
daß im Entwürfe der von den Delegationen zu fassenden Beschlüsse der die Zollein¬
künfte betreffende Passus in derselben Form lauten solle, wie in den letzten Jahren, die
Quotisierungsklausel dagegen wie folgt: ,,Der unbedeckt bleibende Teü der gemeinsa¬
men Auslagen ist zwischen den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern
und den Ländern der ungarischen Krone nach dem im Sinne der gesetzlichen Bestim¬
mungen festzustellenden Beitragsverhältnisse aufzuteüen.&quot;
<pb/>Nr. 75 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27.10.1907  573

    Es wird nun zur Beratung des Kriegsbudgets geschritten.
    Der gemeinsame Kriegsminister FZM. Schönaich betont,daß
der von ihm vorgelegte Voranschlag nach gewissenhaften Erwägungen verfaßt worden
ist. Er sei der Konferenz ein Bild schuldig über die wahren Verhältnisse und er habe
daher reinen Wein eingeschenkt Das ausgewiesene Mehrerfordemis bestehe aus
Sanierungsposten, aus der Gagenerhöhung und aus einigen anderen Anforderungen.
Der Knegsminister bitte die Konferenz, sich zunächst über die geplante Gagenerhö¬
hung zu äußern.9

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle ist prinzipiell mit der
Erhöhung der Bezüge der Offiziere einverstanden, zumal nicht nur Billigkeitsrücksich¬
ten für eine Erhöhung sprechen, sondern auch bei dem Umstande, daß sozusagen
sämtliche Angestellten des Staates einer Verbesserung der Bezüge teilhaftig wurden,
die Gerechtigkeit ein gleichmäßiges Behandeln der Angestellten des Heeres erfordert.
Diese seine Ansicht werde auch von den Mitgliedern der ungarischen Regierung geteüt.
Zu seinem Bedauern sei er jedoch genötigt, den Standpunkt einzunehmen, daß die
Gagenerhöhung der Offiziere in das Budget nicht aufgenommen werde. Die heute die
Mehrheit des ungarischen Reichstages bildenden koalierten Parteien vertreten den
Standpunkt, daß sie sich nur zur Votierung der normalen Heeresauslagen verpflichtet
haben, und in eine weitergehende Verpflichtung nur nach Regelung der das Heereswe¬
sen betreffenden schwebenden Fragen eingehen könnten.10 Als eine weitergehende
Verpflichtung wird auch die Gagenerhöhung betrachtet. Abgesehen von diesem Stand¬
punkte der koalierten Parteien glaube aber Redner auch aus politischen Rücksichten
die Frage der Gagenerhöhung jetzt nicht zur Austragung bringen zu können. Die
parlamentarische Durchführung des Ausgleiches und der Quotenerhöhung sowie der
Lösung der Bankfrage seien an und für sich schon mit großen Schwierigkeiten verbun¬
dene Aufgaben. Und es könnte voraussichtlich die Durchführung dieser für die Mon¬
archie in erster Reihe wichtigen Fragen gefährdet werden, wenn auch mit den
Gagenerhöhungen hervorgetreten würde. Redner sei sich zwar bewußt, daß diese Frage
als eine eminent wichtige betrachtet werden müsse und daß die Position des Kriegsmi¬
nisters dem Heere gegenüber eine sehr schwierige und verantwortungsvoUe sei, glaubt
aber, daß die Position des Kriegsministers erleichtert würde, wenn er gelegentlich der
Einbringung des Budgets oder - falls ein Provisorium in Verhandlung stehen sollte -
auch erst während der Beratung der Indemnitätsvorlage sich dahin äußern würde, daß
er sich Vorbehalten müsse, in betreff der Gagenerhöhungen nach Beendigung der
diesbezüglich eingeleiteten Verhandlungen an die Delegationen heranzutreten. Diese

 9 Aehrenthal unterstützte den gemeinsamen Kriegsminister in der Frage der Gehaltsregulierung und drohte
    mit seinem Rücktritt, falls sie vom Ministerrat abgelehnt werden sollte. Immediatvortrag v. Aehrenthal v. 25.
    10.1907, HHStA., PA. I, Karton 624,644/CdM. DerMonarch übteDruckaufdie beiden Ministerpräsiden¬
    ten aus: Ich bitte nachdrücklich um die Förderung der Angelegenheit. Ah. Handschreiben an die beiden
    Ministerpräsidenten v. 25.10.1907, KA., MKSM. 43-2/4/1907.

10 Zum Faktum zwischen derKoalition und dem Herrschervom 6.4.1906undden BedingungenzurErnennung
    Wekerles zum Ministerpräsidenten siehe Hanak, Magyarorszdg törtdnete 1890-1918, Bd. 1 605-606. Das
    Faktum berührte nicht die militärischen Fragen. Den Originaltext siehe in OL., Sektion 1-35, Nachlaß
    Daruvdiy, Karton 1, veröffentlicht in Länyi, A Fejdrvdiy-kormdny 190 f.
<pb/>574  Nr. 75 Gemeinsamer.Ministerrat, Wien, 27.10.1907

Erklärung werde von den Delegierten günstig aufgenommen werden, und zwar von
einem Teüe uneingeschränkt, von einem anderen unter gewissen Vorbehalten. Ohne
imstande zu sein, gegenwärtig eine Verpflichtung zu übernehmen, sei Redner der
Meinung, daß nach Austragung der mit dem Ausgleiche im Zusammenhänge stehenden
Angelegenheiten die Frage der Gagenerhöhung derart vorbereitet werden könnte, daß
eventuell noch während der nächsten Delegationsberatungen oder aber gelegentlich
der Beratung des gemeinsamen Budgets pro 1909 - was Ende Mai 1908 erfolgen dürfte
- auch die die Gagenerhöhung betreffenden Vorlagen unterbreitet werden könnten.

   Dr. Wekerle lenkt bei dieser Gelegenheit die Aufmerksamkeit der Konferenz darauf,
daß die Zeitungen Nachrichten über die konfidentiellen Beratungen bringen und sich
in ganz erstaunlicher Weise informiert zeigen.11 So bringe die ,,Neue Freie Presse&quot; einen
Artikel über seine Unterredung mit dem Kriegsminister, die fast wortgetreu wiederge¬
geben sei. Er möchte daher bitten, daß alle Vorsichten und Vorkehrungen getroffen
werden, damit das Geheimnis besser gewahrt werde und Indiskretionen durch unter¬
geordnete Organe nicht Vorkommen.

   Der k.k. Ministerpräsident v. Beck erklärt, sich grundsätzlich für die
Erhöhung der Offiziersgagen aussprechen zu müssen, da für die österreichische Regie¬
rung nicht derartige politische Schwierigkeiten bestehen wie für die ungarische. Er halte
die Erhöhung der Offiziersgagen prinzipiell für gerechtfertigt, andererseits sei er
objektiv genug, die großen Schwierigkeiten anzuerkennen, vor welchen die ungarische
Regierung stehe, und da seitens der österreichischen Regierung nicht einseitig vorge¬
gangen werden könne, so erübrige wohl nichts, als diesen Schwierigkeiten Rechnung
zu tragen und einen Ausweg zu suchen, der die Durchführung der Gagenerhöhung
raschestens ermögliche. Jedenfalls sei in dieser Frage im Interesse der Sache selbst ein
vorsichtiger Vorgang geboten, weü - wie erinnerlich - seinerzeit durch die voreüige
Aufrollung der großen Müitärfragen eine ganze Kette von politischen Krisen ausgelöst
worden ist. Im Interesse der Realisierung der Gagenerhöhung begrüße er die Anre¬
gung, mit welcher der ungarische Ministerpräsident hervorgetreten sei, womach sich
der Kriegsminister bei Einbringung der Vorlagen in dem von Dr. Wekerle angedeuteten
Sinne äußern solle.

   Auch hinsichtlich des weiteren Vorgehens in dieser Angelegenheit teüe er den
Standpunkt des ungarischen Ministerpräsidenten und proponiere, daß - falls eine
günstigere Lösung nicht möglich sei - unter den im nächsten Jahre einzubringenden
einschlägigen Vorlagen auch eine solche über einen Nachtragskredit zum Zwecke der
Durchführung der Offiziersgagenerhöhung im Jahre 1908 sich befinden solle. Redner
würde es schon für einen großen und gerechtfertigten Erfolg halten, wenn es hiedurch
wenigstens ermöglicht würde, für einen Teü des kommenden Jahres - etwa für ein
Halbjahr, ja sogar für ein Vierteljahr - die Offiziersgagen zu erhöhen, damit um den
Preis eines verhältnismäßig nicht großen Opfers die Sache selbst für die Zukunft
gesichert sei.

   Der Vorsitzende gibt seinem Danke und seiner Befriedigung Ausdruck, daß
beide Regierungen prinzipieü bereit sind, die Gagenerhöhungen zu konzedieren. Er

11 Voraussichtliche Vertagung der Offiziersgagenerhöhung, Neue Freie Presse v. 27.10.1907 (M.).
<pb/>Nr. 75 Gemeinsamer Ministerrat, men, 27.10.1907  575

 begreife den Standpunkt der ungarischen Regierung und schließt sich der wirklich sehr
 dankenswerten Anregung des kgl. ung. Ministerpräsidenten an.

    Der k.k. Finanzminister Ritter v. Korytowski, welchernnnmp.hr
 das Wort ergreift, erklärt zunächst einige Bemerkungen gewissermaßen pro domo sua
 machen zu müssen. Bereits seit längerer Zeit werden in verschiedenen Kreisen Gerüch¬
 te verbreitet, die anscheinend aus militärischen Sphären stammen und dahin lauten,
 daß Redner ein Gegner der Regelung der Offiziersbezüge sei. Wie unrichtig diese
 Behauptungen sind, dafür könne er sich auf das Zeugnis des Kriegsministers berufen.
 Allerdings habe die österreichische Finanzverwaltung in Beantwortung einer diesfälli-
 gen im Wege des Ministerpräsidenten an sie gelangten Note des Kriegsministeriums
 die Vorschläge der Heeresverwaltung in bezug auf die Erhöhung der Militärgagen zum
 Zwecke einer entsprechenden Konformierung derselben mit den gesetzlichen Bestim¬
mungen über die Bezüge der Staatsbeamten einer Kritik unterzogen und in dieser und
jener Richtung Abänderungen der Vorschläge beantragt. Damit habe sie nur ihre
Pflicht erfüllt. Der vom Redner in dieser Frage im engsten Einvernehmen mit dem
Ministerpräsidenten eingenommene Standpunkt war aber von Anfang an grundsätzlich
ein in jeder Hinsicht wohlwollender und dieAktion fördernder, was dem Kriegsminister
auch vom Ministerpräsidenten genau mitgeteüt worden sei. Trotzdem wollen die
vorerwähnten Gerüchte nicht verstummen, und noch gestern sei er beim Betreten des
Parlaments von einer Schar von Journalisten mit Fragen bestürmt worden, ob es richtig
sei, daß er wegen der Regulierung der Offiziersgagen mit dem Kriegsminister in
Konflikt geraten wäre.

    Dies vorausgeschickt, wiederhole Redner mit aller Entschiedenheit, daß er es als
eine Unbilligkeit betrachten würde, wenn man - nachdem die Bezüge der Zivilstaats¬
bediensteten kürzlich erhöht worden sind - den Offizieren eine den Zeitverhältnissen
entsprechende Erhöhung ihrer Bezüge verweigern wollte. Er nehme vom Standpunkte
der österreichischen Finanzverwaltung keinen Anstand, einer solchen recht baldigen
Erhöhung zuzustimmen, und habe auch durch Schaffung von versteckten Reserven im
Präliminare per 1908 für diesen Aufwand bereits vorgesorgt. Wenn nun gegenwärtig
die ungarische Regierung laut Erklärung des ungarischen Ministerpräsidenten aus
politischen Gründen vor der Erledigung der Ausgleichsvorlagen und vor der Regelung
der Bankfrage nicht in der Lage sei, mit der fraglichen Forderung vor die Delegationen
zu treten, so hoffe Redner doch, daß es möglich sein werde, schon in der unmittelbaren
Folge, d. h. nach Erledigung der eben erwähnten Angelegenheiten - etwa im Februar
oder März - die Bewilligung hiezu, und zwar mit der Rückwirkung vom 1. Jänner 1908
von den Delegationen zu erlangen, und diese Bewilligung für die Armee mit dem
Jubüäumsjahre Sr. Majestät zu verknüpfen. Redner könne ebenso, wie es der ungari¬
sche Ministerpräsident bereits getan habe, sein Bedauern darüber nictyt unterdrücken,
daß die Armeeverwaltung nicht in der Lage ist, es zu verhindern, daß alle diese
Maßnahmen vor Abschluß, ja manchmal sogar vor der Einleitung der Verhandlung mit
den Regierungen der beiden Staaten durch Verbreitung von Gerüchten und im Wege
der Presse in die Öffentlichkeit gelangen. Der Inhalt der die Gagenerhöhung betreffen¬
den Note des Kriegsministers sei gleichzeitig mit dem Absenden der Note an den k. k.
Ministerpräsidenten in den Zeitungen nahezu wortgetreu, jener betreffend die Erhö-
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hung der Marineoffiziersgagen aber, noch bevor die Note in den Händen der k. k.
Regierung sich befand, im ,,Fremdenblatt&quot; - gleichfalls nahezu wörtlich - wiedergege¬
ben worden.12 Und dasjenige, was die ,,Neue Freie Presse&quot; von heute über die Verhand¬
lungen der Kriegsverwaltung mit den beiderseitigen Regierungen mitteilt, sei eine fast
getreue Wiedergabe jener Äußerungen, die der ungarische Ministerpräsident gestern
ihm, dem Redner gemacht, und die Dr. Wekerle, nach seiner Mitteilung, vormittags
dem Kriegsminister gegenüber zum Ausdruck gebracht habe.13 Der Redner begreife es
wohl, daß die Mitteüungen der Presse über diese Angelegenheiten die bestgemeinten
Absichten der kgl. ung. Regierung zu erschweren geeignet sind, und er sei auch der
Meinung, daß ein derartiges Vorgehen sicherlich nicht dazu beitragen könne, das
gegenseitige Einvernehmen zu fördern. Er möchte auf gewisse Vorfälle aus früherer
Zeit, die den interessierten Kreisen wohlbekannt sind, im gegenwärtigen Momente
nicht zurückkommen, glaube aber darauf aufmerksam machen zu soUen, daß in Mili¬
tärkreisen irgendwelche Indiskretionen verkommen, deren Abstellung seitens des
Kriegsministers beziehungsweise des Herrn Marinekommandanten im Interesse der
Sache sich dringend empfehlen würde.

   Der k.k. Ministerpräsident erklärt, sich den Ausführungen des ungari¬
schen Ministerpräsidenten beziehungsweise des k. k. Finanzministers bezüglich der
Publikationen in der Presse vollständig anschließen zu müssen. Er führt dann aus, daß
vor der nationalen Verständigung in Österreich die Wahlen in die Delegationen nicht
durchführbar wären, denn es bestände die Gefahr, daß aus Böhmen, Mähren, eventuell
auch aus Schlesien kein Deutscher in die Delegation käme, was sehr bedenklich sein
würde.14

   Nach einer kurzen Debatte wird in Aussicht genommen, an Ah. Stelle als Zeitpunkt
für die Einberufung der Delegationen den 20. Dezember in Vorschlag zu bringen.
Dieselben hätten bis zum Jahresschlüsse nur eine Indemnität für drei Monate zu
beschließen und ihre Beratungen erst im Laufe des I. Quartals 1908 wieder aufzuneh¬
men.

   Der Vorsitzende bittet den Kriegsminister, sich zur Anregung bezüglich der
Offiziersgagen zu äußern. Er selbst pflichte den Argumenten für die rasche Durchfüh¬
rung dieser Angelegenheit bei, sehe aber ein, daß man sich den ungarischerseits
vorgebrachten politischen Gründen nicht verschließen könne.

   Der gemeinsame Kriegsminister ist für die allseitige wohlwollende
Stellungnahme sehr dankbar. Er habe aber schon seinerzeit als Minister für Landesver¬
teidigung erklärt15 und müsse diese Erklärung heute wiederholen, daß sich die Armee

12 Die morgige gemeinsame Ministerkonferenz, Neue Freie Presse v. 27.10.1907 (M.).

13 Eine zusammenfassende Darstellung über die Gagenerhöhung der Offiziere und der einschlägigen Presse¬

mitteilungen brachte die Neue Freie Presse v. 30.10.1907 (M.).

14 Die Regierung Beck unternahm ernste Bemühungen um die Schaffung eines tschechisch-deutschen Aus¬

gleichs in den böhmischen Ländern, die jedoch nur in Mähren von Erfolg gekrönt waren, wo die meisten

Mandate zwischen den Tschechen und den Deutschen aufgeteilt wurden. Hugelmann, Das Nationalitä-

tejirecht des alten Österreich 253; Allmayer-Beck, Ministerpräsident Baron Beck 230 ff.; Bosl,

Handbuch der Geschichte der böhmischen Länder, Bd. 3189.                            ,

15 Franz Schönaich, 11.3.1905 -24.10.1906k. k. Landesverteidigungsminister.
<pb/>Nr. 75 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27.10.1907  577

 vernachlässigt fühle und alle Ursache zu tiefgehender Unzufriedenheit hätte. Das
 Offizierskorps sei nach den früheren unangenehmen Erfahrungen nun neuerlich einer
 Belastungsprobe ausgesetzt, was umso mehr hervorgehoben werden müsse, ads dasselbe
 begreiflicher und löblicher Weise kein Verständnis für politische Schwierigkeiten zeige.
 Er wolle nicht, daß es heiße, er klammere sich an sein Portefeuille, man würde ihm das
 aber vorwerfen, wenn er jetzt wieder nichts erreiche und am 1. Jänner ohne Gageregu¬
 lierung dastehe. Er bitte um die Ansicht der Konferenzteilnehmer, denn seine Stellung
 erscheine ihm unhaltbar. Was die Vorwürfe bezüglich der Presse betreffe, so müsse er
 zunächst konstatieren, daß er niemandem eine Mitteüung über seine Unterredung mit
 Dr. Wekerle gemacht habe, ferner daß Indiskretionen auch anderswo vorkämen. Das
 Kriegsministerium sei wie ein Vogelhaus gebaut, und mit seinen drei Stiegen und den
vielen Gängen schwer überwachbar, außerdem sind die Abteüungen des Kriegsmini¬
steriums in sieben verschiedenen Häusern zerstreut. Er werde aber - wie er bisher schon
das Entsprechende getan - alles anwenden, damit auch in dieser Beziehung Ordnung
geschaffen werde.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident wiederholt, daß eine Gagenerhöhung
in Ungarn jetzt nicht durchgebracht werden könne, umso weniger, als die Regulierung
der Bezüge der ungarischen Beamten noch nicht ganz durchgeführt sei. Er glaube
jedoch, daß durch die bei Einbringung der Indemnitätsvorlage abgegebene Erklärung
des Kriegsministers, daß er sich Vorbehalten müsse, in dem fraglichen Belange mit
besonderen Vorlagen hervorzutreten, das Offizierskorps beruhigt sein werde. Wenn
die Erhöhung erst in der zweitnächsten Session zur Einbringung gelange, würde pro
 1908 ein Nachtragskredit verlangt werden. Unter diesen Umständen könne der Kriegs¬
minister der weiteren Entwicklung ruhig entgegensehen.

    Der k.k. Finanzminister gibt der Erwartung Ausdruck, daß es möglich sein
werde, auch im Falle der Vertagung der Frage bis zur zweitnächsten Session, die bald
nach der nächsten abgehalten werden dürfte, die Regulierung vom 1. Jänner 1908 an in
Wirksamkeit treten zu lassen.

    Der Kriegsminister istmitder Proposition des kgl. img.Mmisterpräsidenten
insofeme einverstanden, als er die Durchführung der Gagenerhöhung in der kommen¬
den Session ab 1. Jänner 1908 anstrebt.

   Es wird nun zur Beratung des Kriegsbudgets geschritten.
   Der k.k.Finanzminister gibt zunächst eine Darstellung der Mehranforde¬
rungen der Kriegsverwaltung seit dem Jahre 1899.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident erinnert daran, daß er schon im Jahre
1892 einen Vorschlag gemacht habe, einen Plan für eine längere Reihe von Jahren
bezüglich der normalen Erhöhung des Kriegs- und des Marinebudgets festzulegen,
auch im Vorjahre sei auf seine Anregung das Budget für Schiffsemeuerungen um 10
Millionen erhöht worden; er habe dies durchgesetzt, weü er die Notwendigkeit erkannt
und begründet hätte.

   Staatssekretär Popovics referiert über die gestern unter seinem Vorsit¬
ze abgehaltene interministerieUe Konferenz, welche bis auf einige Punkte zu einem
Resultate gelangt sei Über diese letzteren gibt der Kriegsminister Auskünfte.
Es entspinnt sich eine Debatte, in deren Verlaufe der ung. Ministerpräsident
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 darauf hinweist, daß aus dem Umstande, daß Ungarn die meisten Remonten liefere,
 nicht ein Vorteil für Ungarn deduziert werden könne, nachdem die Zucht kaltblütiger
Pferde viel rentabler sei und die ungarische Regierung nur im Interesse der Armee auf
 die Beibehaltung der Zucht warmblütiger Pferde Einfluß nehme. Gegen diese Auffas¬
sung nimmt der Ick. Finanzminister SteUung, Dr. Wekerle beharrt aber bei
seiner Auffassung.

    Der Vorsitzende lenkt die Aufmerksamkeit darauf, daß, wenn man mit den
Fortifikationen etc. zu spät komme, dies unwirtschaftlich sei, weü die ganzen bisherigen
Auslagen umsonst gemacht worden wären.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident kommt darauf zurück, daß für die
Heeresauslagen ein Rahmen geschaffen werden müsse. Er schlägt für die Erhöhungen
des Ordmariums, Extraordinariums und des Okkupationskredites pro 1908 ein Pau¬
schale von 7,1 Millionen vor.

    Der gemeinsame Kriegsminister akzeptiert nach einigen Einwendun¬
gen diese Summe unter dem ihm zugestandenen Vorbehalte, innerhalb des Budgets die
ihm nötig erscheinenden Verschiebungen vornehmen zu dürfen. Der außerordentliche
Artilleriekredit und die Nachtragskredite werden angenommen.

    Es gelangt nunmehr das Marinebudget zur Verhandlung und entwickelt sich hier¬
über eine sehr langwierige Diskussion, in deren Verlaufe der Vorsitzende
bemüht ist, die beiden Regierungen zu bestünmen, den Wünschen des Marinekomman¬
danten Rechnung zu tragen, und betont, daß niemand die Verantwortung übernehmen
könne, wenn die neuen Schiffe erst nach 1911 fertig würden.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident macht aufmerksam, daß, wenn die
Fahnenfrage in der Marine nicht geregelt sein werde, die ungarische Delegation das
Marinebudget nicht votieren dürfte.16 Es wird nun bezüglich der Kriegsflagge konsta¬
tiert, daß selbe ein Famüienwappen enthält.

   Der Marinekommandant Graf Montecuccoli sagt, daß er für
Schiffsbauten folgende kontraktliche Verpflichtungen zu erfüllen habe: 1908: 22 Mil¬
lionen, 1909:30 Millionen, 1910:38 Millionen, 1911:26 MiUionen. Was spezieU das Jahr
1908 betreffe, so müsse er eben diese 22 MUlionen bekommen, sonst könne er die
eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllen.

   Der Vorsitzende glaubt die Situation am besten mit den Worten bezeichnen
zu können: Die Marine dürfe nicht in der Luft schweben. Es wird von allen Konferenz¬
teilnehmern anerkannt, daß eine Hinausschiebung der Schiffsbauten nicht möglich sei,
der ung. Ministerpräsident hebt aber speziell hervor, daß ungarischerseits
nur ein Mehraufwand von 20 Millionen für die gemeinsamen Auslagen in Aussicht
genommen werden konnte. Schlage man hievon 6,8 Millionen für die Offiziersgagen
und 7,1 Millionen für das Kriegsbudget ab, so verblieben 6,1 MUlionen.

16 Die ungarische Delegation drängte bereits 1906 darauf, daß die Flaggenfrage in der Marine geregelt wird.
    Zusammenfassende Darstellung der Geschichte dieser Frage: KA., KM., Präs. 37-4/6-5/1907. Die MKSM.
    mahnte am 6. 6.1907zur Vorsicht, damit die Flaggen- und Wappenfrage in der Kriegsmarine das gesamte
    staatsrechtliche Problem nicht erneut ins Rollen bringt, KA., MKSM. 33-4/8/1907.
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    Der k. k. Finanzminister meint, er schließe sich den Worten des Vorsitzen¬
den an, die Hauptsache sei jedoch, für 1908 einen Ausweg zu finden, und da glaube er,
man könnte vielleicht die Zahlungstermine verschieben.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident sagt, für die weitere Zukunft könne er
eine Verpflichtung nicht übernehmen, wobei er das Wort Verpflichtung betont wissen
möchte. Er wolle übrigens 10 Millionen für Schiffsbauten und 1,6 Millionen für alles
andere konzedieren.

    Der Marinekommandant weist auf die Steigerung der Kohlenpreise hin,
dann auf das hohe italienische Marinebudget und auf den Umstand, daß das Marine¬
budget 1904 viel höher gewesen sei als jetzt.

   Der gemeinsame Kriegsminister bemerkt auf eine Frage des kgl. ung.
Ministerpräsidenten, daß er von dem Rüstungskredite statt 20 Millionen pro 1908 nur
15 Millionen in Anspruch nehmen wolle.

   Der Ick. Ministerpräsident gibt seiner Ansicht dahin Ausdruck, daß die
Schiffsbauzeit keineswegs zu verkürzen, eventuell sogar zu beschleunigen sei. Was die
Zahlung betreffe, so sei dies Sache einer Operation.

   Es wird sonach für die Marine eine Erhöhung im Pauschale von 11,6 Millionen,
wovon 10 Millionen für Schiffsbauten, angenommen und dem Marinp.knmmanHantpn
zugesichert, daß bezüglich der Zahlungen im Wege einer Operation Vorsorge getroffen
werden wird. Schließlich vereinbaren die Teünehmer, daß der Termin der Delegatio¬
nen noch nicht bekanntgegeben und über die heutige Konferenz folgendes Kommuni¬
que ausgegeben werde:

   ,,Bei den Verhandlungen über das gemeinsame Budget wurde ein vollständiges
Einvernehmen erzielt. Was die Frage der Regelung der Offiziersgagen betrifft, hat sich
die Notwendigkeit ergeben, weitere Verhandlungen zu pflegen, von deren Ergebnis die
endgütige Entscheidung abhängen wird.&quot;

   Sohin schließt der Vorsitzende unter Konstatierung, daß die Tagesordnung
erledigt erscheint, die Sitzung.

                                                               Aehrenthal

Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 4. Mai 1908. Franz Joseph.
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