Gemeinsamer Ministerrat, 9. 10. 1907
I. Die mit dem Ausgleiche im Zusammenhange stehenden staatsrechtlichen Fragen sowie die beim Abschlusse internationaler Vereinbarungen zu beobachtenden staatsrechtlichen Formmodalitäten
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z73.pdf.
556 Nr. 73 GemeinsamerMinisterrat, Wien, 9.10.1907 Der Vorsitzende emmziert sohin, daß die Kommission noch am heutigen Tage ihre Arbeit in Angriff nehmen werde,7 und behält sich vor, je nach dem Ergebnisse der kommissioneilen Beratungen eventuell eine neuerliche gemeinsame Ministerkonferenz einzuberufen.8 Aehrenthal Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 25. Mai 1908. Franz Joseph. Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. Oktober 1907 Maschinenschrift Gegenwärtige am Vormittag; der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle, der k. k. Ministerpräsident fFreiherr v. Beck, der kgl. ung. Minister des Inneren Graf Andrässy, der Erste Sektionschef des k. u. k. emeinsamen Ministeriums des Äußern Freiherrv. Call, derStaatssekretär im kgl. ung. Handelsministerium zterdnyi, der Sektionschef im k. k. Ministerratspräsidium Sieghart, der Hof- und Ministerialrat im k. u. k. gemeinsamen Ministerium des Äußern Ritter v. Weil; am Nachmittage: die obgenannten Herren mit Ausnahme des kgl. ung. Minister des Inneren Grafen Andrässy. Protokollführer der k. u. k. Generalkonsul Peter. Gegenstand: Die mit dem Ausgleiche im Zusammenhänge stehenden staatsrechtlichen Fragen sowie die beim Abschlüsse internationaler Vereinbarungen zu beobachtenden staatsrechtlichen Formmodalitäten. KZ. [fehlt] - GMCZ. 462 Protokoll über die am 9. Oktober 1907 zu Wien unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Freiherm v. Aehrenthal stattgehabte gemeinsame Ministerberatung. Die vormittägige Besprechung bewegt sich wesentlich um jene Bestimmungen des zwischen der k. k. und der kgl. ung. Regierung vereinbarten Ausgleichsoperates, welche vornehmlich unter dem staatsrechtlichen Gesichtspunkte den Kompetenzkreis des Ministeriums des Äußern berühren.1 Bei der hierüber gepflogenen Erörterung ergibt sich, daß zwischen dem Ministerium des Äußern einerseits und den beiden Regierun¬ gen andererseits wesentliche Meinungsdifferenzen in folgenden Punkten bestehen: 1. Nach der zwischen der k. k. und der kgl. ung. Regierung getroffenen Abrede sollen die bisher gebrauchten Ausdrücke ,,österreichisch-ungarisches Zollgebiet" und ,,österrei¬ chisch-ungarischer Zolltarif" ersetzt werden durch die Benennungen ,,vereinigtes Zoll¬ gebiet Österreichs und Ungarns" und ,,vereinter Zolltarif Österreichs und Ungarns". 7 SieheDenkschrift desErsten Sektionschefs Call betreffend dieForm desAbschlusses internationaler Verträge v. 6.10.1907, HHStA., PA. I, Karton 636, Vni/c-6. 8 GMR. v. 9.10.1907, GMCZ. 462. 1 Zur Geschichte des Ausgleichs siehe Sieghart, Die letzten Jahizehnte einer Großmacht 120-127; Der österreichisch-ungarischeAusgleich 157-165; Pallavicini, ZurAusgleichsfrage 242-246; Bernat- zue, Die österreichischen Verfassungsgesetze 579-621. <pb/>Nr. 73 GemeinsamerMinisterrat, Wien, 9.10.1907 551 Außerdem soll nach den Propositionen der beiden Regierungen die Wendung ge¬ braucht werden können: ,,die von einer einheitlichen Zollgrenze umgebenen Gebiete Österreichs und Ungarns". Demgegenüber steht der Vorsitzende auf dem Standpunkte, daß im Verkehr mit dem Auslande die Bezeichmmgen: ,,österreichisch-ungarisches Vertragszollgebiet" beziehungsweise ,,österreichisch-ungarischer Vertragszolltarif" oder ,,österreichisch- ungarisches Auslandszollgebiet" beziehungsweise ,,österreichisch-ungarischer Aus¬ landszolltarif" anzuwenden seien. 2. Eine wenn auch ihrer Natur nach nur bedingte Meinungsverschiedenheit tritt hinsichtlich der im Schlußprotokoll zu Artikel in vorgesehenen Bestimmung zutage, wonach die wirtschaftlichen Verträge durch einen Vertreter des gemeinsamen Mini¬ steriums des Äußern und durch je einen Vertreter der beiden Regierungen unterfertigt zu werden haben.2 Von Seite des Vorsitzenden wird gegen diese Anordnung zwar prinzipiell ein Bedenken nicht erhoben, die Zustimmung zu diesem Unterfertigungs¬ modus aber davon abhängig gemacht, daß eine vollständige Bereinigung der obwalten¬ den Kontroversen über die beim Abschlüsse internationaler Vereinbarungen sowie in sonstigen internationalen Akten zu gebrauchenden staatsrechtlichen Bezeichnungsfor¬ men im ganzen Umfange zustande komme. Gegen die im Ausgleichsoperate vorkommenden Benennungen ,,gemeinsamer Mi¬ nister des Äußern" beziehungsweise ,,gemeinsames Ministerium des Äußern" wird seitens des Vorsitzenden im Hinblicke darauf, daß das Beiwort ,,gemeinsam" sich in österreichischen wie in ungarischen Gesetzen vorfindet, dieser Beisatz daher gesetzlich begründet erscheint, eine Einsprache nicht erhoben, doch behält sich der Vorsitzende selbstverständlich vor, sich weiterhin, auch in internationalen Akten, so zu nennen, wie er von Sr. Majestät ernannt wurde, das ist .Minister des kaiserlichen und königlichen Hauses und des Äußern". In betreff der im Artikel IX, 5. Absatz, des Ausgleiches enthaltenen Bestimmung über die Entsendung von Fachberichterstattem wird beschlossen, den Passus: ,,ohne den kaiserlichen und königlichen Missionen oder Konsulaten zugeteilt zu sein" zu streichen, so daß die betreffende Stelle zu lauten hätte: ,,... Fachberichterstatter ins Ausland zu entsenden, welche den Schutz und die Unterstützung der k. u. k. Missionen oder Konsulate genießen und durch ..." Weiters wurde vereinbart, daß hinsichtlich der Art und Weise der Entsendung und Zuteilung der Fachberichterstatter, ferner der ihnen zustehenden Rechte und oblie¬ genden Pflichten reglementarische Bestimmungen getroffen werden, deren Ausarbei¬ tung im Einvernehmen mit dem Ministerium des Äußern zu geschehen haben wird. Bei der Fortsetzung der Verhandlung am Nachmittage wird das von den beiden Regierungen ausgearbeitete Projekt einer zwischen dem Minister des Äußern und den 2 Schlußprotokoll, zu Artikel III: Die Verträge des Artikels III werden durch den gemeinsamen Minister des Äußern oder durch einen gemeinsamen Vertreter und durch je einen Vertreter der beiden Regie¬ rungen unterfertigt werden. In diesem oft äderten und umstrittenen Artikel is't Ungarn zum ersten Male ausdrücklich als Subjekt internationaler Verträge und daher des internationalen Verkehrs anerkannt, siehe Bernatzik, Die österreichischen Verfassungsgesetze 614 und 647. <pb/>558 Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9.10.1907 beiden Regierungen zu treffenden protokollarischen Vereinbarung, in welcher die Grundsätze über den beim Abschlüsse internationaler Verträge einzuhaltenden Vorgang niedergelegt sind, der Lesung unterzogen.3 Zu A, I, Punkt 2: Es wird konstatiert, daß vor dem Passus ,,als vertragschließender Teil" das versehentlich weggebliebene Wort ,,nicht" einzufügen sei. Zu A, Überschrift, und A, I, letzter Absatz: Im Hinblicke auf die Inkongruenz, welche darin besteht, daß es einmal ,,gemeinsame Angelegenheiten" schlechthin, das andere Mal ,,pragmatisch gemeinsame Angelegenheiten" heißt, erklärt der Vorsit¬ zende, daß er auf die Beibehaltung des Wortes ,,pragmatisch" im letzten Absätze beziehungsweise auf dessen Einfügung in der Überschrift Wert legen müsse, weü eben das Wort ,,pragmatisch" zum Ausdrucke bringen soll, daß die Gemeinsamkeit dieser Angelegenheiten aus der Pragmatischen Sanktion fließe. Dem wird von Seite des k. k. Ministerpräsidenten Freiherrn v. Beck und des kgl. ung. Ministerpräsidenten Wekerle entgegenge¬ halten, daß die Gesetze selbst nur von ,,gemeinsamen Angelegenheiten" sprechen und die Bezeichnungen ,,pragmatisch gemeinsame Angelegenheiten" ebenso wie ,,paktiert gemeinsame Angelegenheiten" lediglich zur Vereinfachung der Ausdrucksweise im internen Verkehre geschaffen wurden.4 Trotz dieser Aufklärungen würde der Vorsit¬ zende die Beihaltung des Wortes ,,pragmatisch" vorziehen. Zu B, I, Punkt 2: Auch hier ist das Wort ,,nicht" einzuschalten. Zu B, I, letzter Absatz: Der Beistrich nach dem Worte ,,Monarchie" in der drittletz¬ ten Zeile ist durch einen Strichpunkt zu ersetzen. Zu B, n, Punkt 7, betreffend die jedesmalige Vertragsunterfertigung durch je einen Vertreter der gemeinsamen, der österreichischen und der ungarischen Regierung, wiederholt der Vorsitzende den Vorbehalt, den er zu der analogen Bestimmung im Schlußprotokoll zum Ausgleiche (zu Artikel HI) gemacht hat. Zu B, n, Punkt 8, betreffend die Art der Anführung der Bevollmächtigten in der Ah. Vollmacht. Der Vorsitzende konstatiert zunächst, daß auch zu der hier vorgesehenen Bestimmung dieselbe allgemeine Reserve gelten müsse, die er zu dem vorhergehenden Punkte vorgebracht habe. Abgesehen davon, erachte er es keineswegs für notwendig, daß bei Nennung der österreichischen und ungarischen Delegierten in der Vollmacht ihre Delegierteneigenschaft als ,,delegue du Gouvernement d'Autriche" und ,,delegue du Gouvernement de Hongrie" ausdrücklich hervorgehoben werde. Es bedeute bereits ein weitgehendes Zugeständnis und sei ein völliges Novum gegenüber der Vergangen¬ heit, wenn fortan bei Vertragsabschlüssen über paktiert gemeinsame Angelegenheiten österreichische und ungarische Vertreter mitzuunterzeichnen berufen würden. Durch die Anführung ihres Amtscharakters, beispielsweise ,,Sektionschef im k. k. österreichi¬ schen Handelsministerium", ,,Staatssekretär im kgl. ung. Handelsministerium" komme die Eigenschaft der Delegierten als Vertreter der österreichischen und der ungarischen Regierung und damit die souveräne Stellung beider Staaten unzweifelhaft zum Aus¬ drucke. 3 Siehe Beilage zum GMRProt. v. 13.10.1907, GMCZ. 463, HHSrA, PA. XL, Karton 306. 4 Siehe GMRProt. v. 11. 9.1907, GMCZ. 461, Anm. 2, 3 und 4. <pb/>Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9.10.1907 559 Es entspinnt sich hierüber eine längere Debatte, bei welcher der klc Minister¬ präsident Freiherr v. Beck auf das die Ansicht des Vorsitzenden allerdings unterstützende Moment hinweist, daß es in der Tat eine gewisse Anomalie wäre, würden die von Sr. Majestät Bevollmächtigten gleichzeitig als Delegierte der österreichischen beziehungsweise der ungarischen Regierung genannt werden. Übrigens sei die im Punkte 8 mit den Worten ,,mit der Anführung ihres Amtscharakters beziehungsweise ihrer Delegierteneigenschaft" formulierte Anordnung als eine Alternative aufzufassen, so daß nicht notwendig Amtscharakter und Delegierteneigenschaft jedesmal gleichzei¬ tig angeführt werden müßten. Nachdem der kgl. ung. MinisterpräsidentWekerle erklärt, seiner¬ seits nicht dareinwilligen zu können, daß die Anführung der Delegierteneigenschaft in den hier kontemplierten Fällen absolut in Wegfall komme, proponiert der Staats¬ sekretär des kgl. ung. Handelsministeriums Szterenyi, es könnte protokollarisch festgestellt werden, daß im vorliegenden Zusammenhänge dem Worte ,,beziehungsweise" eine alternative Bedeutung zukomme. Um dies noch deutli¬ cher zum Ausdrucke zu bringen, sollen im Punkte 8 statt der Worte ,,Conseiller etc." die Bezeichnungen ,,Delegue du Gouvernement d'Autriche" und ,,Delegue du Gouver¬ nement de Hongrie" in Klammern gestellt werden. Der Vorsitzende behält sich seine endgütige SteUungnahme zu dieser Propo¬ sition vor. Zu B, n, Punkt 9, zweiter Absatz: Die Präposition ,,zu" wird durch ,,unter" ersetzt. Zu B, HI, Punkt 10: Es wird eine redaktionelle Umstellung beschlossen, wonach der Schlußpassus: ,,Für den Fall... unterfertigen" nach dem Worte ,,oder" auf Seite 5 eingefügt zu werden hat. Auchin dem hierauf folgenden Absatz könnte eine Umstellung der Klammem wie sub B, n, Punkt 8, erfolgen. Der Vorsitzende behält sich auch zu diesem Punkte seine definitive Entschei¬ dung vor. Zu C, I, Punkt 1, zweiter Absatz, macht der Erste Sektionschef des Ministeriums des Äußern Freiherr v. Call daraufaufmerk¬ sam, daß die Wendung .Tür beide Staaten oder bloß für den einen und im letzteren Fall für welchen" nicht klar ausdrückt, ob das Wort ,,für" hier gleichbedeutend sei mit ,,im Namen" oder ,,mit Wirksamkeit für". Diese letztere Bedeutung allein sei aber nach Auffassung des Ministeriums des Äußern die zutreffende. Nachdem hierauf der Staatssekretär im kgl. ung. H andelsmini- sterium Szterenyi erwidert, daß ungarischerseits von der projektierten Fassung nicht abgegangen werden könne, soll über dessen Antrag protokollarisch fixiert werden, daß in jedem einzelnen konkreten Falle vom Ministerium des Äußern im Einvernehmen mit den beiden Regierangen die Form festgesteüt zu werden habe, in welcher die Einleitung des Staatsvertrages abzufassen sei, damit den Anforderungen dieses Punktes Rechnung getragen werde. C, I, Punkt 2, betreffend die Bezeichnung der parties contractantes in Vereinbarun¬ gen über autonome Angelegenheiten, wenn in denselben nicht Se. Majestät als vertrag¬ schließender Teil genannt ist, bildet den Gegenstand einer längeren Auseinanderset¬ zung. . <pb/>560 Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9.10.1907 Zunächst erinnert der Vorsitzende an die von der völkerrechtlichen Doktrin aufgestellte Maxime, derzufolge, ,,falls zwei oder mehrere Staaten sich zu einer Union vereinigen, diese nach außen hin, in welcher Beziehung immer, lediglich als ein einziges völkerrechtliches Rechtssubjekt aufzufassen kommen". Der von ihm eingenommene Standpunkt, an welchem er auch weiterhin festhalten müsse, sei der, daß es auch in Verträgen über autonome Angelegenheiten - gleichgiltig ob dieselben für beide Staaten der Monarchie oder nur für einen von ihnen Geltung haben sollen - für den Fall, daß nicht die Staatsoberhäupter als parties contractantes figurieren, auf unserer Seite immer Autriche-Hongrie als vertragschließender Teü genannt zu werden hat. Dieser Standpunkt finde seine unerschütterliche Stütze darin, daß die beiden Staaten der Monarchie, durch die Pragmatische Sanktion miteinander verbunden, nach außen hin nur als eine Einheit unter der zusammenfassenden Bezeichnung .Autriche-Hongrie" erscheinen können. Um aber schon in der Einleitung der hier in Betracht kommenden Verträge das Geltungsgebiet derselben zum Ausdrucke zu bringen, sei der Vorschlag des Ministeriums des Äußern dahin gegangen, jedesmal im Entete zu sagen, ob der Vertrag mit der Wirksamkeit für Österreich und Ungarn, oder mit der Wirksamkeit für Österreich allein, oder für Ungarn allein abgeschlossen werden solle. Redner wolle gerne zugeben, daß vom Standpunkte des ungarischen Staatsrechtes die vor dem Jahre 1867 erfolgten Abschlüsse der internationalen Vereinbarungen namens ,,Österreichs" zu bemängeln waren. Durch die in dem genannten Jahre erfolgte Neugestaltung der staatsrechtlichen Verhältnisse sei aber eben diesem Gravamen Ungarns völlig Rech¬ nung getragen worden, indem dem Worte ,,Österreich" das Wort ,,Ungarn" angefügt wurde. Den Ausdruck ,,österreichisch-ungarische Monarchie" hätte schon Graf An- drässy seinerzeit als staatsrechtlich durchaus korrekten Namen für die unter dem Szepter Sr. Majestät vereinigten beiden Staaten im Verkehre mit dem Auslande be¬ zeichnet.5 Sollte tatsächlich auch nach außen hin die Bezeichnung ,,Österreich-Ungarn" aufgegeben und durch die Ausdrucksweise ,,Österreich; Ungarn" ersetzt werden, würde höchst bedenklichen Zweifeln ein weites Feld geöffnet werden. Alles zu vermei¬ den und hintanzuhalten, was im Auslande zu Zweifeln über den unveränderten Fortbe¬ stand der Monarchie Anlaß geben könnte, sei aber speziell eine der wichtigsten Aufgaben des Ministers des Äußern. Aus diesen Erwägungen könne der Vorsitzende, er wiederhole dies nochmals, dem nicht zustimmen, daß bei Vertragsabschlüssen über autonome Angelegenheiten als partie contractante gegebenenfalls Österreich respek¬ tive Ungarn figuriere. Diesen Ausführungen des Vorsitzenden gegenüber geben sowohl der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle als auch der kgl. ung. Staatssekre¬ tär Szterenyi zu bedenken, daß die gegenwärtige kgl. ung. Regierung sich dem Standpunkte des Ministeriums des Äußern in vielfachen Beziehungen genähert habe s Promemoria des kgl. ung. Ministerpräsidenten Grafen Andrässy v. 10. 7.1868, HHStA., PA. I, Karton 630, V/CdM. <pb/>Nr. 73 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9.10.1907 561 und daß sie bei ihren staatsrechtlichen Forderungen selbst hinter jenen zurückbleibe, welche die früheren ungarischen Kabinette unter Fejerväry und Tisza aufsteüten.6 Der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Beck, welcher hierauf das Wort ergreift, weist darauf hin, wie sehr es im Interesse der Monarchie gelegen sei, diese strittigen Fragen, die sich schon oftmals dem Zustandekommen internationaler Verein¬ barungen hindernd in den Weg gestellt haben, endgütig aus der Welt zu schaffen und freie Bahn für vertragsrechtliche Aktionen zu eröffnen. Auch er könne nicht umhin anzuerkennen, daß die ungarische Regierung tatsächlich von ihrem Standpunkte aus nicht unwesentliche Zugeständnisse in staatsrechtlicher Beziehung gemacht habe. Doch dürfe man auch, seiner Meinung nach, nicht außer acht lassen, daß man sich gerade auf dem Terrain der autonomen Angelegenheiten in einer Zwangslage befinde, wie denn auch von einer von einem emheitlichen Gedanken getragenen vertragsrecht¬ lichen Praxis in dieser Materie - ein Blick in die Vergangenheit genüge - füglich nicht gesprochen werden könne. Zu C,I, Punkt 3, erklärt der kg 1. ung. Staatssekretär Szterenyi, daß zwischen den Vertretern der beiden Regierungen Übereinstimmung darin bestehe, daß die beiden Staaten, wenn nur immer möglich, gleichzeitig zum Abschlüsse autonomer Verträge schreiten werden. Es wird Sache des jedesmaligen Einvernehmens sein, ob für den gleichzeitigen Abschluß die Voraussetzungen gegeben erscheinen. In diesem Zusammenhänge erinnert Redner daran, daß schon in den Kommissionsberatungen Einverständnis darüber herrschte, daß das Ministerium des Äußern Österreich von jedem Ungarn betreffenden und Ungarn von jedem Österreich betreffenden Vertrags¬ abschlüsse rechtzeitig in Kenntnis zu setzen hätte, um eventuell die Partizipation des anderen Staates zu ermöglichen. Zu C, ü, Punkt 4, betreffend den unmittelbaren Abschluß von internationalen Vereinbarungen durch Ressortverwaltungen. Der Vorsitzende erklärt, gegen die Fassung dieses Punktes eine grundsätzliche Einsprache nicht zu erheben. Hinsicht¬ lich des Abschlusses internationaler Abmachungen durch die Ressortverwaltungen hätten dem Ministerium des Äußern bisher allerdings nur gewisse Vereinbarungen auf dem Gebiete des Post- und Telegraphenwesens vorgeschwebt. Nachdem der kg 1. ung. Ministerpräsident Wekerle sowie der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Beck sich dahin äußern, daß die projek¬ tierte Bestimmung keineswegs eine Erweiterung des bisherigen Kreises derartiger Ressortabmachungen bezwecke, nimmt der Vorsitzende hievon Akt und bittet nur, um einen Überblick über den Umfang, in welchem sich die einschlägige Praxis bisher bewegte, zu gewinnen und hienach seine Entschließung fassen zu können, um die Mitteflung einer solchen orientierenden Liste, was ihm von Seite der beiden Ministerpräsidenten bereitwilligst zugesagt wird. Zu C.H, Punkt 8, beantragt Hofrat v. Weil, ebensowie dies in denAbschnitten A und B der Vereinbarung der Fall ist, der Gleichförmigkeit halber die Aufnahme eines 6 Siehe GMR. v. 22 & 1905, GMCZ. 450; GMR. v. 16.10.1905, GMCZ. 451; GMR. v. 12.11.1905, GMCZ 452. <pb/>562 Nr. 74 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13.10.1907 ergänzenden Passus des Inhaltes, daß die Form der Ah. Vollmachten die der Simult¬ anvollmacht sei. Diesem Vorschläge wird von keiner Seite entgegengetreten. Zu C, II, Punkt 10, findet das zu C, I, Punkt 1, zweiter Absatz, Gesagte sinngemäße Anwendung. Zu C, V, Punkt 14, drittes Alinea, wird festgestellt, daß die Entscheidung darüber, ob gegebenenfalls die Bezeichnung: ,,N. N. Ambassadeur d'Autriche-Hongrie" oder alternativ die Formel: ,JSI. N. Ambassadeur de Sa Majeste Imperiale et Royale Aposto- lique" gebraucht werde, dem Minister des Äußern zustehe. Der letzte mit D bezeichnete Abschnitt, betreffend die internationalen Konferenzen, wird in der Sitzung selbst nicht mehr punktweise besprochen. Indem der Vorsitzende noch bemerkt, daß er sich in allen Punkten seihe definitive Stellungnahme reservieren müsse, beraumt er im Einverständnisse mit dem kgl. ung. Ministerpräsidenten Wekerle und dem k. k. Ministerpräsidenten Freiherm v. Beck behufs Fortsetzung der Beratung die nächste Zusammentretung für Sonntag, den 13. Oktober, 10 Uhr vormittags an.7 Aehrenthal [Ah. E. fehlt.] Nr. 74 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. Oktober 1907 Anwesende: der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle, der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Beck, der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Zichy, der Erste Sektionschef des Ministeriums des k. u. k. Hauses und des Äußern Freiherr v. Call, der Staatssekretär im kgl. ung. Handelsministerium Szterdnyi, der Sektionschef im k. k. Ministerratspräsidium Sieghart, der Sektionschef im k. k. Handelsministerium Ritter v. Roessler, der Hof- und Ministerialrat im Ministerium des k. u. k. Hauses und des Äußern Ritter v. Weil. Protokollführer der k. u. k. Generalkonsul Peter. Gegenstand: Fortsetzung der Beratung vom 9. Oktober 1907 über die mit dem Ausgleiche im Zusam¬ menhänge stehenden staatsrechtlichen Fragen sowie die beim Abschlüsse internationaler Vereinbarungen zu beobachtenden staatsrechtlichen Formmodalitäten. KZ. [fehlt]-GMCZ. 463 Protokoll über die am 13. Oktober 1907 zu Wien unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Freiherm v. Aehrenthal stattgehabte Ministerbe¬ ratung. Der Vorsitzende konstatiert einleitend, daß bezüglich folgender, in der letzten Sitzung offengebliebenen grundsätzlichen Punkte, und zwar der künftigen Be¬ zeichnungen des Zolltarifs und des Zollgebietes, ferner der jedesmaligen Beiziehung österreichischer und ungarischer Vertreter zur Unterzeichnung wirtschaftlicher Ver- 7 GMR. v. 13.10.1907, GMCZ. 463. <pb/>