Gemeinsamer Ministerrat, 25. 11. 1905
I. Der gemeinsame Voranschlag für das Jahr 1906; die Frage der Flüssigmachung von Vorschüssen a conto der von den Delegationen für die Jahre 1904 und 1905 bewilligten Teilbeträge des Rüstungskredites von 450 Millionen; die Quotenfrage sowie die Frage der Einberufung der Delegationen
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Nr. 65 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 25.11.1905 - Protokoll II 493 Samac-Doboj und Bugojno-Livno-Sinj zu folgen hätten. Da jedoch die militärischen Interessen aus den mehrfach erwähnten Gründen in erster Linie den Anschluß Ogulin- Knin mit der weiteren Strecke Knin-Gabela erfordern, wobei die nationalökonomi¬ schen und kulturellen Interessen zum mindesten dieselbe, vielfach aber eine weit rationellere Förderung erfahren, so wären die getroffenen Vereinbarungen ebenso zum Wohle der Gesamtmonarchie wie ihrer einzelnen Teüe in der angegebenen Weise abzuändem. Schließlich sei noch des Übelstandes gedacht, daß der Fahrpark der Bahnen mit bosnischer Spurweite leider ein noch ganz imzureichender ist, woraus sich - ganz abgesehen von dem Baue weiterer wichtiger Strecken mit dieser Spur - die unabweis¬ bare Forderung nach ausgiebiger Komplettierung dieses rollenden Materials ergibt. Nr. 65 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 25. November 1905 - Protokoll II RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch (1.12.), der kgl. ung. Ministerpräsident FZM. Freiherr v. Fej£rväiy, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Ritter v. Pitreich (2.12.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän, der k. k. Finanzminister Kosel, der Chef der Mari¬ nesektion Admiral Graf Montecuccoli (10.12.), der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popovics. Protokollführer Legationsrat Freiherr v. Gagem. Gegenstand: Der gemeinsame Voranschlag für das Jahr 1906; die Frage der Flüssigmachung von Vorschüssen a conto der von den Delegationen für die Jahre 1904 und 1905 bewilligten Teilbeträge des Rüstungskredites von 450 Millionen; die Quotenfrage sowie die Frage der Einberufung der Delegationen. KZ.63-GMCZ. 454 Protokoll des zu Wien am 25. November 1905 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern Grafen Gotuchowski. Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung über den gemeinsamen Voran¬ schlag für das Jahr 1906 mit der Bemerkung, daß sich mit Rücksicht auf die politische Situation in Ungarn1 für die gemeinsamen Ministerien die Notwendigkeit ergeben habe, für ihre Ressorts zwei verschiedene Voranschläge vorzubereiten, nämlich einen für den Fall, daß keine Delegationen gewählt werden sollten, und einen anderen für den Fall, daß es zur Wahl von Delegationen kommen sollte. Was die ersteren Voranschläge betreffe, so hielten sich dieselben so ziemlich innerhalb des Rahmens des von den Delegationen für das laufende Jahr bewilligten Budgets und seien gewissermaßen nur eine automatische Ausgestaltung dieses letzteren. Die eventuell für die Einbringung in den Delegationen bestimmten Voranschläge enthielten dagegen größere Mehranfor¬ derungen, über welche die genannten Vertretungskörper zu beschließen haben würden. Redner schlägt vor, der bisher stets befolgten Vorgangsweise entsprechend, mit der Beratung des Voranschlages seines Ressorts zu beginnen, sodann zur Erledigung der 1 Siehe GMR. v. 22 8.1905, GMCZ. 450; GMR v. 16.10.1905, GMCZ. 451. <pb/>494 Nr. 65 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 25.11.1905 - Protokoll II kleineren Budgets überzugehen und erst dann in die Beratung der müitärischen Vor¬ anschläge einzutreten. Nachdem die Konferenz diesem Vorschläge zugestimmt hat, bringt Redner zunächst den restringierten Voranschlag des Ministeriums des Äußern, das heißt jene Vorlage zur Sprache, welche für den Fall, als es zu keiner Tagung der Delegationen kommen sollte, vorbereitet wurde. Redner bemerkt, daß dieser Voranschlag eine Steigerung von insgesamt 45 000 Kr. aufweise, welche lediglich daraufzurückzuführen sei, daß gewisse, von den Delegationen nur für das zweite Semester des Jahres 1905 bewüligte Posten in dem Voranschläge für das nächste Jahr auf die Jahressumme ergänzt erscheinen. Nachdem gegen diesen Voranschlag von keiner Seite eine Einwendung erhoben wird und derselbe somit angenonunen erscheint, begründet der Vorsitzende folgende sechs Nachtragskredite seines Ressorts pro 1905 im ,Gesamtbeträge von 199627 Kr.: 1. Wohnungszulage des k. u. k. Botschafters in Madrid 10 000 Kr.; Z für die Spezialmis¬ sion nach Abessinien 60000 Kr.; 3. für die Teilnahme des Admirals der Reserve Freiherm v. Spaun an der internationalen Kommission zur Schlichtung des Hüller Zwischenfalles 23 412 Kr.;2 4. für die Renovierung des Botschaftspalais in Paris 60 000 Kr.; 5. für die Müitärubikationen in Tien-Tsin 38 400 Kr.; 6. für die Entsendung von k. u. k. Offizieren nach Mazedonien 7 815 Kr.3 Die Konferenz stimmt diesen Nachtragskrediten zu, worauf der Vorsitzende an der Hand der einschlägigen Vorlagen die einzelnen Posten des für die eventuelle Einbrin¬ gung in den Delegationen bestimmten Voranschlages seines Ressorts erörtert, welcher im Vergleiche zu dem für das laufende Jahr bewüligten Budget ein Gesamtmehrerfor- demis von 591 662 Kr. aufweist Der k. k. F i n a n z m i n i s t e r K o s e 1 anerkennt, daß der Voranschlag des gemeinsamen Ministeriums des Äußern sich im allgemeinen in mäßigen Grenzen bewege und tatsächlich eine Reihe von Sanierungsposten enthalte, gegen welche seinerseits unter anderen Verhältnissen gewiß keine Einwendung erhoben worden wäre. Die Lage der österreichischen Finanzverwaltung sei jedoch zur Zeit so be¬ schaffen, daß dieselbe sich notgedrungen eine gewisse Reserve auferlegen und wünschen müsse, daß verschiedene Neusystemisierungen, deren Notwendigkeit Redner übrigens keineswegs in Abrede steüen wolle, nur mit halbjährigen Tan¬ genten in das Budget eingestellt werden. Redner weist darauf hin, daß das Mehr- erfordemis des Ministeriums des Äußern in den letzten Jahren durchschnittlich 300000 Kr. betragen habe. Das Mehrerfordemis pro 1906 sei somit das höchste seit drei Jahren, und Redner könne angesichts dieses Umstandes die Bemerkung nicht unterdrücken, daß die Steigerung der Ausgaben beim Konsularwesen sich 2 Am 22. 10. 1904 beschossen russische Kriegsschiffe im englischen Hafen Hüll versehentlich englische Fischkutter. Die Affäre löste selbstverständlich einen Konflikt zwischen den beiden Großmächten aus: Zur Klärung derFrage wurde eineßnfMitgliederzählende internationale Untersuchungskommission eingesetzt, in der Österreich durch denAdmiral im Ruhestand Freiherm v. Spaun vertreten war. Die Kommission nahm ihre Tätigkeit im Januar 1905 auf. Goluchowski an Se. Majestät v. 23.12.1904, HHStA., PA, XL, Karton 160. Bericht des Admirals Freiherm v. Spaun über die Sitzungen der internationalen Untersuchungs- kommission in Paris 1905 Januar-Februar, ebd., Karton 215, Liasse XXXIX. 3 Zur mazedonischen Frage siehe GMR v. 15.4.1904, GMCZ. 441. <pb/>Nr. 65 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 25.11.1905 - Protokoll II 495 doch in einem etwas sprunghaften Tempo bewege. Redner bezeichnet hierauf mehrere Posten, bei welchen seiner Ansicht nach in der angedeuteten Weise Ab¬ striche im Gesamtbeträge von 170000 Kr. vorgenommen werden könnten, in welchem Falle die Steigerung 420000 Kr. ausmachen und daher noch immer die Mehrerfordemisse der letzten Jahre um ein beträchtliches übersteigen würde. Der Vorsitzende bemerkt demgegenüber, daß der Voranschlag seines Ressorts sich in den engsten Grenzen bewege, und er sich bei Aufstellung des¬ selben von dem Bestreben, endlich zu einem reellen Budget zu gelangen, habe leiten lassen, um einem wiederholt geäußerten Wunsche der Delegationen nach¬ zukommen und in Hinkunft Überschreitungen zu vermeiden. Wenn Redner nun, dem Wunsche des k. k. Finanzministers Folge gebend, bei gewissen Posten halb¬ jährige Tangenten einstellen wollte, so würden diese Abstriche, nachdem sie an Sanierungsposten vorgenommen würden, als Überschreitungen bei der Schlußrech¬ nung wieder zum Vorschein kommen. Was die Bemerkung des Vorredners an¬ langt, daß das Tempo bei den Neusystemisierungen im Konsularwesen ein etwas sprunghaftes sei, so möchte Redner darauf hinweisen, daß häufig dringende Auf¬ forderungen zur Errichtung von Konsularämtem seitens der beiden Regierungen an ihn ergehen, welche er aus budgetären Rücksichten nicht immer zu berück¬ sichtigen in der Lage sei. Redner erklärt sich außerstande, an seinem Voranschlä¬ ge Abstriche in der yon dem k. k. Finanzminister beantragten Höhe vorzunehmen, wäre dagegen - obwohl sich für sein Ressort auch hiedurch schon eine schwierige Lage ergeben würde - bereit, das gesamte Mehrerfordemis auf 500000 Kr. zu reduzieren, wobei er jedoch die Bitte stellen müsse, daß ihm die Wahl, an welchen Posten die infolge dieser Reduktion erforderlichen Abstriche vorzuneh¬ men sein würden, anheimgegeben werde. Die Konferenz stimmt diesem Vorschläge zu, und erscheint somit der Voranschlag des gemeinsamen Ministeriums des Äußern mit einem Gesamterfordemis im Ordina- rium und Extraordinarium von 500 000 Kr. angenommen. Desgleichen wird nach den einschlägigen Bemerkungen des k. u. k. gemein¬ samen Finanzministers Freiherrn v. Buriän der gegen das Vorjahr ein Mehrerfordemis von 50 477 Kr. aufweisende Voranschlag des gemeinsa¬ men Finanzministeriums, weiters das gegen das Jahr 1905 ein Mehrerfordemis von 1136 Kr. involvierende Präliminare des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes ange¬ nommen. Weiters stimmt die Konferenz einem Nachtragskredite des gemeinsamen Finanzministeriums pro 1904 anläßlich der Adaptierung und Renovierung der Natural- wohnung des gemeinsamen Finanzministers im Betrage von 73 587 Kr. zu. Anschließend hieran beantragt der k.u.k. gemeinsame Finanzminister Freiherr v. Buriän den Voranschlag des gemeinsamen Zollgefälles aufgrund der von den beiden Regierungen präliminierten Beträge gegenüber dem Vorjahre um 1730 000 Kr. höher einzustellen. Bevor die Konferenz in die Beratung der beiden militärischen Voranschläge eintritt, äußert der k.u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Ritter v. P i t r e i c h den Wunsch, daß vorerst die Frage der Flüssigmachung der von den Delegationen bewilligten Teübeträge des Rüstungskredites von 450 Millionen Kronen <pb/>496 Nr. 65 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 25.11.1905 - Protokoll II zur Diskussion gestellt werden möge.4 Redner richtet weiters an die Konferenz das Ersuchen, es möge ihm sowie dem Chef der Marinesektion gestattet werden, die Erörterung dieses Gegenstandes mit einem Expose über die müitärische Lage der Monarchie einzuleiten. Redner legt hierauf an der Hand eines Memoires, welches auf seinen Wunsch dem gegenwärtigen Protokolle angeschlossen wird, in eingehender Weise die Genesis sowie den dermaligen Stand der Rüstungskreditfrage dar und erörtert im Anschlüsse hieran einerseits Italiens Vorbereitungen zum Kriege mit Österreich-Ungarn, andererseits die Mängel der Kriegsausrüstung für müitärische Aktionen im Süden der Monarchie, um zu dem Schlüsse zu gelangen, daß den in müitärischen Maßnahmen sich äußernden agressiven Tendenzen Italiens auf seiten der Monarchie ein vollständiger Stillstand nicht nur in den entsprechenden Vorbereitungen, sondern auch in betreff der unent¬ behrlichen Kriegsausrüstung gegenüberstehe.5 Der Chef der k.u.k. Marinesektion Admiral Graf Monte- c u c c o 1 i gibt hierauf ebenfalls an der Hand eines auf seinen Wunsch dem gegenwär¬ tigen ProtokoUe beigeschlossenen Memoires ein Expose über die Lage der maritimen Reichsverteidigung, in welchem er unter Hinweis auf die Möglichkeit des Ausbruches eines Krieges mit Italien die gefährdete Lage der heimischen Küstenverteidigung darlegt und die zur Beseitigung dieses gefahrvollen Zustandes erforderlichen Maßnah¬ men anführt.6 Der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Ritter v. P i t r e i c h führt hierauf aus, daß seitens der Delegationen im Jahre 1904 von dem erwähnten Rüstungskredite bewüligt worden seien: pro 1904 für das Heer 10 000 000 Kr., für die Marine 12 500 000 Kr.; pro 1905 für das Heer 78 000 000 Kr., für die Marine 62 675 000 Kr.; zusammen also für das Heer 88 000 000Kr., für die Marine 75 176 000 Kr., für beide müitärische Ressorts demnach 163 176 000 Kr. Von den der Marine seitens der Delegationen für 1904 und 1905 bewüligten Teilbe¬ trägen habe dieselbe ungefähr den ihr für das Jahr 1904 bewüligten Betrag, nämlich 12,2 Mülionen Kronen, erhalten, während die Kriegsverwaltung bisher aües in aüem erst die Flüssigmachung von 1,7 Mülionen Kronen habe erreichen können. Nachdem nun sowohl die Heeres- als auch die Marineverwaltung seither genötigt gewesen seien, für Anschaffungen sowie für die Durchführung einzelner unaufschiebbarer Maßnahmen Summen zu verausgaben und die Marineleitung auch schon bei Industrieüen sub spe rati Besteüungen gemacht hätte, sei die Flüssigmachung weiterer Teübeträge der von den Delegationen für außerordentliche Rüstungszwecke bewüligten Summen eine brennende geworden. 4 Vom Frühjahr1904an beriet dergemeinsame Ministerrat über den außerordentlichen Militärkredit in Höhe von 450Millionen im Zusammenhang mit dergeplanten Erhöhung des Rekrutenkonangents, sieheGMR. v. 15.4.1904, GMCZ 441; GMR v. 16. 4.1904, GMCZ. 442; GMR. v. 23. 4.1904, GMCZ. 443; GMR v. 23. 4.1904, GMCZ 444/a. 5 Pitreichs Denkschrift v. 25.11.1905 über den Rüstungskredit, HHStA., PA. XL, Karton 304, fol. 430-446. 6 MontecuccolisMemoire v. 25.11.1905, Darlegungen des Marinekommandanten hinsichtlich der Lage der maritimen Reichsverteidigung, ebd., 447-455. I <pb/>Nr. 65 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 25.11.1905 - Protokoll II 497 Mit Rücksicht auf letztere Bemerkung des Vorredners betont der V orsitzen- d e, daß es sich vor allem darum hemdein werde klarzustellen, wieviel von den der Kriegs- sowie der Marineverwaltung seitens der Delegationen für 1904 und 1905 bewilligten Rüstungskreditraten diese beiden militärischen Ressorts im Jahre 1906 effektiv benötigen würden, und stellt sowohl an den Vorredner als auch an den Chef der Marinesektion das Ansuchen, sich hierüber zu äußern. Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Ritter v. Pit¬ reich erwidert hierauf, daß er pro 1906 für Artilleriezwecke 15 Millionen Kronen und für andere Ausrüstungsgegenstände 25 Millionen Kronen, zusammen also rund 40 Millionen Kronen benötigen werde. Von dieser Summe werde er im Januar und Februar 5 Millionen in Anspruch nehmen müssen, wogegen er im Juni, Juli und August stärkere Raten benötigen werde. Der k.u.k. Chef der Marinesektion Admiral Graf Monte- c u c c o 1 i bemerkt, daß er noch im Dezember 1. J. 16,3 Millionen Kronen und im Jahre 1906 13 Millionen Kronen, zusammen also 29,3 Mülionen Kronen benötigen werde. "Außer diesen 29,3 Mülionen, welche in das Verrechnungsjahr 1905 fielen, wurden für das Verrechnungsjahr 1906 weitere 26,2 Mülionen angesprochen (55,5).a Der Vorsitzende konstatiert hierauf, daß die beiden müitärischen Ressorts im Jahre 1906 a conto der ihnen pro 1904 und 1905 von den Delegationen bewüligten Summen die Flüssigmachung von 69 Mülionen zu benötigen erklären. Der kgl. ung. Ministerpräsident FZM. Freiherr v. Fejervä- r y erklärt, zu seinem Bedauern den Standpunkt der kgl. ung. Regierung gegenüber diesem Verlangen der beiden müitärischen Ressorts dahin präzisieren zu müssen, daß dieselbe keine Zahlungen a conto des außerordentlichen Rüstungskredites zu leisten imstande sei, insolange für diesen letzteren keine Anleihe bewüligt sei. Der k. k. Finanzminister Kosel bemerkt demgegenüber, daß die öster¬ reichische Finanzverwaltung selbstverständlich ebenfalls nicht in der Lage wäre, ihren quotenmäßigen Beitrag zu der gesamten, von den Delegationen den beiden müitäri¬ schen Ressorts für außerordentliche Rüstungszwecke pro 1904 und 1905 bewüligten Summe von 122 Millionen (163 176 000 Kr. abzüglich der für Heer und Marine bereits flüssig gemachten 13 900 000 Kr. und der Refundierungspost von 27 Mülionen) ohne Aufnahme einer Anleihe zu leisten. Dagegen wäre Redner dank dem Umstande, daß das Parlament dem gegenwärtigen Ministerpräsidenten eine Kassenanleihe bewüligt habe, in der Lage - selbstverständlich unter der Voraussetzung eines reziproken Vorgehens der kgl. ung. Regierung - bund zwar in Hinblick auf die im gemeinsamen Budget pro 1906 vorgesehene Abfuhr der Refundierungspost von rund 27 MUlionen Kronen an die beiden Finanzverwaltungenb den auf Österreich quotenmäßig entfaüen- den Betrag der von der Kriegs- sowie von der Marineverwaltung für das Jahr 1906 benötigten Summe von 29 Millionen Kronen im nächsten Jahre aus den Kassenbestän¬ den flüssig zu machen. ,_a EinfigungMontecuccolis. b_b Einfiigung Kosels. <pb/>498 Nr. 65 Gemeinsamer Ministenat, Wien, 25.11.1905 - Protokoll II Der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popo- v i c s führt aus, daß die ungarische Finanzverwaltung sich heute in einer analogen Lage befinde, wie die österreichische Finanzverwaltung im vorigen Jahre. Damals seien in Österreich die Kassenbestände erschöpft gewesen, heute sei dasselbe - nur in noch erhöhtem Maße - in Ungarn der Fall. Redner weist darauf hin, daß die Steuerausfälle heute in Ungarn bereits die Höhe von C117c Millionen Kronen erreicht haben, und daß es mit Rücksicht darauf der ungarischen Finanzverwaltung schon große Sorge bereite, für die laufenden Bedürfnisse des nächsten halben Jahres aufzukommen.d Redner ventüiert im weiteren Verlaufe seiner Ausführungen auch den Gedanken der Aufnah¬ me einer schwebenden Schuld zum Zwecke der Aufbringung der von den beiden militärischen Ressorts benötigten Summen, doch würde dieses finanzielle Auskunfts¬ mittel seiner Ansicht nach eine Gesetzwidrigkeit involvieren, da die Belastung des Staates in die Kompetenz der Legislative gehöre. Dazu komme außerdem noch der Umstand, daß Ungarn, ähnlich wie Österreich in seinen Salinenscheinen, eine noch nicht konsolidierte Schuld in Gestalt von Tresorscheinen besitze, deren zulässiges Maximum überdies auch schon erschöpft sei. Davon abgesehen halte Redner es aber auch für ganz ausgeschlossen, bei der heutigen Lage der Dinge in Ungarn eine Anleihe aufnehmen zu können, und sieht daher keine Möglichkeit, Zahlungen zu leisten, welche über das normale Bedürfnis des Heeres und der Marine hinausgehen. Der Vorsitzende möchte dem Vorredner zu erwägen gehen, oh Hit» Aufnahme einer schwebenden Schuld sub spe rati nicht doch einen gangbaren Ausweg bieten würde, um über die Schwierigkeiten der Situation hinwegzukommen. Redner denke hiebei gerade an die Steuerrückstände von e117e Millionen Kronen, von welchen allerdings ein Teil uneinbringlich seih werde, deren einbringlicher Teü aber als Garan¬ tie für die Aufnahme einer schwebenden Schuld angeboten werden könnte. Nachdem der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popovics sich diesen Gedanken nicht aneignen zu können und nach wie vor auf dem Standpunkte verharren zu müssen erklärt, daß die überaus schwierige Lage der ungarischen Finanzverwaltung derselben nicht gestatte, die die laufenden Bedürfnisse von Heer und Marine übersteigenden Zahlungen für außerordentliche Rüstungszwek- ke zu leisten, konstatiert der V o r s i t z e n d e, daß die österreichische Regierung unter der Voraussetzung eines reziproken Vorgehens zwar bereit gewesen wäre, den auf Österreich quotenmäßig entfallenden Beitrag zu den von den beiden militärischen Ressorts im Jahre 1906 a conto der bewilligten Rüstungskreditraten beanspruchten Summen flüssig zu machen, daß die kgl. ung. Regierung sich jedoch außerstande erklärt habe, eine derartige Zusicherung zu geben, daß es somit unmöglich erscheine, über diese Frage in der heutigen Konferehz einen Beschluß zu fassen. Der ku.k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Ritter v. Pit¬ reich nimmt diese Konstatierung mit dem Ausdrucke des Bedauerns sowie mit der c-c KorrekturPopovics' aus 170. d RandbemerkungPopovics': DerAusfall bis Ende Oktober 1904 beträgt nicht 170, sondern 117 Millionen Kronen, und zwar 99 Millionen bei den direkten Steuern und 18 Millionen bei den Gebühren. e-e Korrektur Popovics'aus V70. <pb/>Nr. 65 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 25.11.1905 - Protokoll II 499 Bemerkung zur Kenntnis, daß er sich angesichts dieser Sachlage, für deren Folgen er die Verantwortung nicht übernehmen könne, seine weiteren Entschließungen Vorbe¬ halten müsse. Die Konferenz geht hierauf zur Prüfung des im Ordinarium und Extraordinarium ein Mehrerfordemis von 5 678 435 Kr. aufweisenden Voranschlages des gemeinsamen Kriegsministeriums, und zwar des eventuell zur Einbringung in den Delegationen bestimmten Voranschlages über, welche seitens desk.k.FinanzministersKo- s e 1 mit der Bemerkung eingeleitet wird, daß diese Prüfung auf zweierlei Weise erfolgen könne. Man könne nämlich entweder die einzelnen Posten des Voranschlages durchsprechen und bei denselben die nötig erscheinenden Abstriche beantragen oder aber nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der beiden Staaten der Monarchie, speziell in Österreich nach Maßgabe des im Parlamente bereits vorgelegten Budgets, und um dasselbe nicht zu einem passiven zu machen, eine Pauschalsumme als Maximalgrenze bezeichnen, bis zu welcher eine Steigerung des gemeinsamen Voranschlages zulässig erschiene. Redner hält letzteren Vorgang für praktischer und rascher zum Ziele führend und wäre aufgrund einer vorgängig mit dem kgl. ung. Ministerpräsidenten und dem Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium gepflogenen Rücksprache in der Lage, eine Steigerung des gemeinsamen Voranschlages pro 1906 um 4,6 Millionen Kronen einschließlich der 1,7 Millionen betragenden Zollüberschüsse zu konzedieren, so daß das von den beiden Regierungen quotenmäßig aufzubringende Mehrerfordemis sich auf rund 3 Millionen belaufen würde. Diese Steigerung wäre gegenüber jener vom Jahre 1904 auf das Jahr 1905, welche nur 1,2 Millionen betragen habe und fast gänzlich durch die Steigerung des Zollgefälles konsumiert worden sei, eine immerhin ziemlich beträchtliche. Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Ritter v. Pit¬ reich stimmt fin Anbetracht des Umstandes, daß diese Angelegenheitgegenüber der Wichtigkeit des Rüstungskredites geringe Bedeutung habe/namens der beiden müitä- rischenRessorts diesem Anträge zu, worauf der Staatssekretär im kgl. ung. FinanzministeriumPopovics für die Repartierung der beantragten Reduktion auf die einzelnen Posten des Kriegs- sowie des Marinebudgets den prinzi¬ piellen Grundsatz aufstellt, daß Sanierungsposten belassen, Neusystemisierungen dagegen tunlichst vermieden werden sollen. Redner bezeichnet hierauf im Einverneh¬ men mit dem k. k. Finanzminister im Voranschläge des gemeinsamen Kriegsministe- riums folgenden Posten, bei welchen jedenfalls Reduktionen vorgenommen werden sollen:Im Ordinarium diePosten 1,10,11,13,15,16,19b,20und24,imExtraordinarium Titel 3 d, Titel 11, Post 2 und 3. Die Konferenz stimmt sodann noch den Nachtragskrediten der Kriegs- sowie der Marineverwaltung zu, wobei der Staatssekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popo- vics die 3 Millionen Kronen betragende Überschreitung bei Titel XXII ,,Naturalver¬ pflegung" releviert und den Wunsch äußert, daß so bedeutende Überschreitungen in Hinkunft den Finanzverwaltungen beider Staaten stets rechtzeitig im voraus angekün¬ digt werden mögen. Redner äußert weiters den Wunsch, daß beim Okkupationskredite t~t Einfügung Pitreichs. <pb/>500 Nr. 65 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 25.11.1905 - Protokoll II die Neubauten sich im Rahmen der infolge Fertigstellung in Wegfall kommenden Bauten halten mögen. Nachdem der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Ritter v. P i t r e i c h es noch als selbstverständlich bezeichnet, daß er für den Fall, als er die pro 1906 angeforderte Rüstungskreditrate von 49 Millionen nicht erhalten sollte, auch nicht verpflichtet sei, die sonst seinem Ressort obliegende Refundierung von 5 Millio¬ nen Kronen zu leisten, sondern berechtigt sein solle, diesen Betrag im Extraordinarium seines Voranschlages einzustellen, beschließt die Konferenz die Annahme des gemein¬ samen Voranschlages mit einer Gesamtsteigerung von 4,6 Millionen, wobei bemerkt wird, daß in dieser Steigerung das Mehrerfordemis des Ministeriums des Äußern per 500 000 Kr. inbegriffen sei. Es bleibt hiebei der Heeres- sowie der Marineverwaltung überlassen, untereinander das Einvernehmen zu pflegen, wie die hienach auf diese beiden Ressorts entfallende Steigerungssumme von rund 4,1 Millionen unter denselben aufgeteüt werden soll. Schließlich richten der k. k. Finanzminister Kosel sowie der Staats¬ sekretär im kgl. ung. Finanzministerium Popovics an den ge¬ meinsamen Kriegsminister das Ersuchen, an den Beilagen D und F seines Voranschla¬ ges verschiedene Änderungen formaler Natur vorzunehmen. Der Vorsitzende bringt sodann die Frage der Wahl der Quotendeputationen zur Sprache. Der k.k. Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch bemerkt dies¬ falls, daß im Sinne des Gesetzes die Wahl der Quotendeputation vorgeschrieben sei und er daher Wert darauf legen müsse, in die Lage versetzt zu werden zu erklären, daß der kgl. ung. Ministerpräsident die Absicht habe, das ungarische Parlament zur Wahl der Quotendeputation aufzufordem. Nachdem der kgl. ung. Ministerpräsident FZM. Freiherr v. Fe- j e r v ä r y hinsichtlich der Möglichkeit, mit einer solchen Aufforderung an das unga¬ rische Parlament heranzutreten, Zweifel äußert, erbittet sich7 der k. k. Minister¬ präsident Freiherr v. Gautsch die Ermächtigung, gegebenenfalls erklä¬ ren zu können, daß der kgl. ung. Ministerpräsident die Absicht habe, sobald sich die Möglichkeit hiezu ergibt, das Parlament zur Wahl der Quotendeputation aufzufordern. Der kgl. ung. Ministerpräsident FZM. Freiherr v. Fejerväry stimmt der Abgabe einer solchen Erklärung seitens des k. k. Ministerpräsidenten zu, worauf der V ersitzende die Frage der Einberufung der Delegationen anregt. Der k.k. MinisterpräsidentFreiherrv. Gautsch betont diesfalls, daß nach dem Gesetze die Einberufung der Delegationen zwar erfolgen müsse, daß das österreichische Parlament sich jedoch gewiß nicht zur Wahl der Delegationen verstehen werde, bevor das ungarische Parlament nicht seinerseits diese Wahl vorgenommen haben werde. Immerhin müsse mit der, wenn auch noch so entfernten Möglichkeit gerechnet werden, daß die Delegationen bis zum 31. Dezember 1. J. zusammentreten können. 7 SieheAnm. 1. <pb/>Nr. 66 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10.1.1906 501 Die Konferenz beschließt daraufhin, daß seitens der Regierungen jedenfalls alle Vorbereitungen für die Einberufung der Delegationen getroffen werden müssen, und daß denselben, nachdem sie keinesfalls vor dem 27. Dezember würden zusammentreten können, eventueU eine Indemnität zu unterbreiten sein werde, zu deren Erledigung bis zum 31. Dezember genug Zeit zur Verfügung stehen werde.8 Nachdem hiemit die Tagesordnung der heutigen Konferenz erledigt erscheint, schließt der Vorsitzende die Sitzung. Goluchowski Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wallsee, am 23. Dezember 1905. Franz Joseph. Nr. 66 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. Jänner 1906 RS. (undRK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Freiherr v. Gautsch (15.1.), der kgl. ung. Ministerpräsident FZM. Freiherr v. Fejdrväty, der k. k. Minister des Inneren Graf Bylandt-Rheidt, der k. k. Ackerbauminister Graf Buquoy, der k. k. Finanzminister Kosel, der kgl. ung. Handelsminister v. Vörös, der kgl. ung. Acker¬ bauminister Freiherr v. Feilitzsch, der Leiter des k. k. Handelsministeriums Graf Auersperg, der Staatsse¬ kretär im kgl. ung. Finanzministerium Popovics, der Hof- und Ministerialrat v. Mihalovich. Protokollführer Legationsrat Freiherr v. Gagem. Gegenstand: I. Die Frage der Ratifikation des Handelsvertrages mit dem Deutschen Reiche. II. Die Frage der provisorischen Regelung der handelspolitischen Beziehungen zu Bulgarien bis zum Zustandekommen eines Vertrages. III. Stellungnahme zu der durch die sogenannte serbisch-bulgarische Zollunion geschaffe¬ nen Lage. i KZ. 6 - GMCZ. 455 Protokoll des zu Wien am 10. Jänner 1906 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬ same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des gemeinsamen Ministers des Äußern Grafen Goluchowski. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit der Bemerkung, daß er sich erlaubt habe, die Anwesenden zu einer Konferenz einzuladen, um einige aktuelle Fragen handelspolitischer Natur zu besprechen und über dieselben Beschluß zu fassen. Die erste dieser Fragen sei die Ratifikation des Handelsvertrages mit dem Deutschen Reiche,1 auf deren baldige Vornahme die deutsche Reichsregierung großen Wert lege Das nächste Mal traten die beiden Delegationen am 9. 6.1906in Wien zusammen. Zum Handelsvertrag mit Deutschland siehe GMR v. 12. 1. 1905, GMCZ. 449. Das Gesetz über den Handelsvertragv. 25.1.1905, RGBl. Nr. 24/1905. Wegen derinnenpolitischen Krise wurde der Gesetzentwurf dem ungarischen Reichstag nicht einmal vorgelegt. Erst Ende desJahres ersucht der Handelsminister um die ' Unterbreitung des Entwurfes: Vortrag des kgl. ung. Handelsministers v. 13.12.1905 über die Unterbreitung des Gesetzentwurfes zur Jnartikulierung des Handelsvertrages im Reichstag HHStA., Kab. Kanzlei, KZ. 3627/1905, Ah. E. v. 17. 12. 1905, ebd. Der Handelsvertrag wird von der Regierung Fejervdry auf dem Verordnungsweg am 1.3.1906 in Kraft gesetzt, Länyi, A Fejdrvaty kormäny 181 f. <pb/>