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Gemeinsamer Ministerrat, 16. 4. 1904

I. Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1905; außerordentlicher Rüstungskredit für das Heer und die Marine

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z53.pdf.

350 Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904

für Zwecke des Heeres und von 51 MUlionen Kronen für den Küstenausbau wird sodann
jenach derDringlichkeit,Notwendigkeit undDurchführungsmöglichkeit der in Betracht
kommenden Maßnahmen zur Anforderung gelangen.

   Ich bitte Euer Exzellenz ergebenst, meine notgedrungenen Forderungen - einge¬
denk der die Gesamtregierung treffenden Verantwortlichkeit - einer geneigten Wür¬
digung zu unterziehen, damit durch die bezüglichen weiteren Verfügungen den
Interessen der Ah. Dynastie und der beiden Staaten der Monarchie in entsprechender
Weise Rechnung getragen werden könne.

   Euer Exzellenz würden mich durch die ehebaldigste Mitteüung, ob ich die Einleitung
zu den vorbesprochenen Beschaffungen bis zur Höhe von 37 Millionen Kronen für das
Heer veranlassen beziehungsweise der Marineleitung die Ermächtigung zur analogen
Einleitung bis zur Höhe von 9Millionen Kronen erteüen kann, sehr zu Danke verpflich¬
ten.

   Eine gleichlautende Zuschrift richte ich unter einem an den Herrn kgl. ung. Mini¬
sterpräsidenten und verständige hievon gleichzeitig Se. Exzellenz den Herrn Minister
des k. u. k. Hauses und des Äußern.

   Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.

   [Unterschrift fehlt.]

               Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. April 1904

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident v. Koerber (24.4.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza
(30.4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FML. Ritter v. Pitreich (25.4.), der k. u. k. gemeinsame
Finanzminister Freiherr v. Buriän (8.5.), der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs (30.4.), der k. k. Finanzmi¬
nister Ritter Böhm [v. Bawerk] (26.4.), der k. u. k. Chef derMarinesektion Admiral Freiherrv. Spaun (26.4.).
    Protokollführer Legationsrat Freiherr v. Gagem.
    Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-un¬
garischen Monarchie für das Jahr 1905; außerordentlicher Rüstungskredit für das Heer und die Marine.

   KZ. 19 - GMCZ 442
   Protokoll des zu Budapest am 16. April 1904 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des
Äußern Grafen Gohichowski.

   Der V orsitzende eröffnet die Sitzung, indem er dem k. u. k. gemeinsa¬
men Kriegsminister FML. Ritter v. Pitreich das Wort erteflt,
welcher hierauf die an seinem Voranschläge in der vorangegangenen Sitzung vorge¬
nommenen Abstriche rekapituliert1 und die Mitteüung macht, daß aufgrund des Geba¬
rungsausweises pro 1903 die eigenen Einnahmen des Kriegsministeriums mit Sicherheit
um eine Million höher eingestellt werden können, so daß das zu bedeckende Mehrer-

    GMR. v. 15.4.1904, GMCZ. 441.
<pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904  351

fordernis der Kriegsverwaltung in runder Summe nur mehr 1,7 Millionen Kronen
betrage.

   Der k.k. FinanzministerRitterv. Böhm bemerkt demgegenüber, daß
die von dem Kriegsminister angebotene Budgetverbesserung eigentlich nur 753 000 Kr.
betrage, da die Hinübemahme der einen Mülion aus dem Extraordinarium bei Titel 1,
Post 1, in den Spezialkredit keinen Verzicht der Kriegsverwaltung bedeute, während
die Herabminderung des Mehrerfordemisses um eine weitere MUlion auf eine Erhö¬
hung der eigenen Einnahmen um denselben Betrag zurückzuführen sei. Redner hält es
dieser Haltung des gemeinsamen Kriegsministers gegenüber für aussichtslos, mit einer
Gegenproposition hervorzutreten.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister FML. Ritter v. Pit-
reich erwidert hierauf, daß er in bezug auf Reduktionen bis an die äußerste Grenze
des Möglichen gegangen sei.

   Der Ick. Finanzminister Ritter v. Böhm erklärt, diesem non possu-
mus der Kriegsverwaltung das non possumus seines Ressorts entgegensetzen zu
müssen. Redner bringt hierauf einige prinzipieüe Einwendungen zur Sprache, welche
er gegen die Art der Budgetierung des gemeinsamen Kriegsministeriums zu erheben
hat, und kommt diesfalls auf die von der Infanterie an die Marine sowie an Spezialan¬
stalten abgegebenen 750 beziehungsweise 150 Mann zurück, indem er bemerkt, daß es
vom Standpunkte einer einwandfreien Präliminierung nicht angehe, daß man eine Post
bewußt zu hoch präliminiere, um im Wege des Virements stillschweigend eine andere
Post zu erhöhen.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister FML. Ritter v. Pit¬
reich macht demgegenüber geltend, daß die von dem Vorredner gewünschte Präli¬
minierung beim Voranschläge seines Ressorts aus technischen Gründen nicht durch¬
führbar sei.

   Der Ick. Finanzminister Ritter v. Böhm nimmt diese Aufklärung zur
Kenntnis, ohne jedoch vom Standpunkte seines Ressorts eine formell nicht ganz kor¬
rekte Art der Präliminierung billigen zu können. Redner richtet deshalb an den Kriegs¬
minister die Bitte, daß, falls aus überwiegend opportunistischen Gründen eine
Präliminierung vorgenommen werden sollte, welche von den sonst diesfalls üblichen
Grundsätzen abweicht, die beteüigten Fachminister hievon vorher in Kenntnis gesetzt
werden mögen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza sieht sich durch die
Bemerkungen des Vorredners veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß er im Sinne der
ungarischen Gesetzgebung auch für das gemeinsame Budget die Verantwortung trage2
und bezüglich der von dem k. k. Finanzminister diffikultierten Art der Präliminierung
des Voranschlages der Kriegsverwaltung auch zu tragen bereit wäre. Man dürfe nämlich

2 So läßt sich § 8 (der gemeinsame Außenminister darf nur im Einvernehmen und mit Billigung der
    Ministerien beider Seiten Vorgehen) sowie § 43 des Gesetzes v. 28. 7. 1867, GA XII/1867, auslegen. In
    deutscher Sprache: Bernatzik, Die österreichischen Verfassungsgesetze 343. In den österreichischen
    Gesetzen v. 1867 gibt es keine Entsprechung. Vgl Zolger, Der staatsrechtliche Ausgleich zwischen

    Österreiph und Ungarn 313.
<pb/>352  Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904

die schwierige Lage der Kriegsverwaltung nicht übersehen, welche, da ein erhöhtes
Rekrutenkontingent nicht bewilligt sei, genötigt gewesen sei, die für Neuformationen
erforderliche Mannschaft der Infanterie zu entziehen, welch letztere die hiedurch sich
ergebenden Abgänge durch atumusweisea Einberufung von Reservisten und Ersatzre¬
servisten bzu Waffenübungenb decken müsse; cunter solchen Verhältnissen scheint es
gewiß zweckmäßiger zu sein, die Infanterie mit dem normalen Stand im Budget zu
behalten, ohne diese Fluktuationen immer genau im Budget zum Ausdrucke gelangen
zu lassend Diese Tatsache sei übrigens der ungarischen Delegation bekannt und in
derselben schon öfter erörtert worden, ohne daß die Delegation dagegen Einspruch
erhoben hätte. Es handle sich hiebei nur um einen vorübergehenden Zustand, welcher
mit dem Augenblicke der Bewilligung eines erhöhten Rekrutenkontingentes aufhören
werde.

   Der Ick. Finanzminister Ritter v. Böhm bringt hierauf den Titel 15,
Post 2, betreffend die als Fortsetzungskredit angesprochene Anforderung für die
Beschaffung von Truppenübungsplätzen zur Sprache und bemängelt auch hiebei die
seiner Ansicht nach nicht richtige Art der Präliminierung, da die Kriegsverwaltung
korrekterweise Beträge nicht in den Voranschlag einstellen sollte, von welchen sie
wisse, daß sie im Erfordemisjahr nicht zur Verausgabung gelangen. Es habe dies unter
anderem auch eine Thesaurierung zur Folge, welche zwar für die Kriegsverwaltung bei
größeren Beträgen einen bedeutenden Gewinn an Zinsen, für die Finanzverwaltung
aber einen ebensogroßen Zinsenentgang bedeute. Redner beanständet ferner auch die
seit einer Reihe von Jahren vorkommenden Überschreitungen, welche bei der letzten
Schlußrechnung nahezu 7 Millionen betragen hätten. Redner könne im Hinblicke
hierauf die Reflexion nicht unterdrücken, daß, wenn solche Überschreitungen Vorkom¬
men, die Beratung des Heeresvoranschlages im Schoße der Konferenz überflüssig
werde und zu einer bloßen Formalität herabsinke.

   Redner fragt schließlich, ob es nicht möglich wäre, die für die Anschaffung eines
Truppenübungsplatzes in Benatek bestimmten Mittel einer anderen Verwendung zu¬
zuführen, wodurch eine wesentliche Entlastung des Budgets erreicht werden würde.3

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister FML. Ritter v. Pit-
reich erwidert hierauf, daß es sein ernstes Bestreben sein werde, Überschreitungen
bei seinem Voranschläge hintanzuhalten; dieselben gänzlich auszuschließen sei jedoch
nahezu unmöglich, da nicht alle Posten sich im voraus genau bestimmen lassen. Auf die
für den Truppenübungsplatz in Benatek eingestellte Million könne Redner nicht ver¬
zichten, da die bezüglichen Verhandlungen schon zu weit vorgeschritten seien, als daß
er noch zurücktreten könnte.

a&#39;* Einfügung Tiszas.
b-b Einßgung Tiszas.
c-c Korrektur Tiszas aus ohne daß diese Fluktuationen immer genau im Budget zum Ausdrucke gelangen

      können.

3 Benatek - Truppenübungsplatz in Böhmen, unweit desFlusses Iser (Jizera). Vgl. KA., MKSM. 29-3/3/1907
    (Karten).
<pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904  353

   Um einen weiteren Abstrich an dem Voranschläge des gemeinsamen Kriegsministe¬
riums zu ermöglichen, schlägt der Vorsitzende vor, bei Titel 1, Post 1,`des
Extraordinariums (Erfordernis für Beschaffung von Handfeuerwaffen) außer der
bereits gestrichenen Million noch eine zweite Million auf den der Kriegsverwaltung zu
gewährenden Spezialkredit zu übertragen, welcher Anregung der k. u. k. gemein-
sameKriegsminister FML. Ritter v. Pitreich unter der Voraus¬
setzung zustimmt, daß er auf die Gewährung dieses Kredites rechnen könne.

   Der k.k. Ministerpräsident v. Koerber weist darauf hin, daß die
österreichische Regierung ihre Bereitwilligkeit erklärt habe, für die Durchführung der
Heeresreorganisation die seinerzeit festgestellten Summen zur Verfügung zu stellen.
Der Voranschlag des Kriegsministeriums für 1904 sei voriges Jahr im Rahmen des
bestehenden Budgets festgestellt worden, und Redner, welcher der Ansicht gewesen
sei, daß auch das Präliminare für 1905 sich in demselben Rahmen bewegen werde, habe
nicht annehmen können, daß die Kriegsverwaltung unter Hinweis auf veränderte
Verhältnisse mit so bedeutenden Mehransprüchen hervortreten werde. Redner sei der
Ansicht, daß die von der Kriegsverwaltung als unaufschiebbar bezeichneten Anforde¬
rungen aus dem Spezialkredite gezahlt werden, dagegen das Budget pro 1905 keine
neuen Anforderungen enthalten solle.

   Der Ick. Finanzminister Ritter v. Böhm macht hierauf noch eine
Reihe von Posten, teils des Ordinariums, teüs des Extraordinariums namhaft, an
welchen Abstriche vorgenommen werden könnten.

   Nach längerer Diskussion einigt sich schließlich die Konferenz dahin, daß bei den
Posten 2 und 15d des Ordinariums sowie bei Titel 1, Post 1, und bei Titel 15, Post 2,
Abstriche im Gesamtbeträge von noch 1 564 072 Kr. vorgenommen werden, wodurch
das Mehrerfordemis der Kriegsverwaltung für 1905 auf rund 140 000 Kr. herabgemin¬
dert erscheint.

   Außerdem empfiehlt der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm auch
noch eine Restringierung des Titels 25, Post 2, des Extraordinariums um 100000 Kr.,
welcher Anregung der ku. k. gemeinsame Kriegsminister FML. Rit¬
ter v. Pitreich, wenn irgend tunlich, nachzukommen verspricht

   Der Voranschlag des gemeinsamenKriegsministeriums erscheint sonach mit obigem
Mehrerfordemisse und vorbehaltlich einer weiteren, der letzten Anregung des k. k.
Finanzministers entsprechenden Reduktion im Ordinarium, Extraordinarium und Ok¬
kupationskredite angenommen.

   Es gelangt hierauf die in der letzten Konferenz offengelassene Frage der Erhöhung
der Bezüge der Müitärpensionisten nochmals zur Verhandlung, und weist der k. u. k.
gemeinsame Kriegsminister FML. Ritter v. Pitreich daraufhin,
daß jene Militärpersonen, welche noch zur Zeit des Inkraftseins des alten Pensionssta¬
tuts, das ist vor dem Jahre 1875, in den Ruhestand getreten sind, seither eine entspre¬
chende Aufbesserung ihrer Bezüge aus dem Taxfonds erhalten hätten, während jene
Personen, welche nach der Einführung des neuen Pensionsstatutes, wenn auch vor der
Durchführung der Gageregulierung, in Pension gegangen seien, dauf Kosten der

d&#39;d KorrekturPitreichs aus momentan wenigstens.
<pb/>354             Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904

Schlagfertigkeit des Heeresd nicht berücksichtigt werden könnten. Dagegen verdiene
die Frage der Erhöhung der Bezüge der Witwen und Waisen nach Militärpersonen in
wohlwollende Berücksichtigung gezogen zu werden.

   Die Konferenz beschließt, die beantragte Erhöhung der Ruhegenüsse der vor dem
November 1900 in den Ruhestand getretenen Müitärpersonen faüenzulassen.

   Mit Rücksicht auf diesen Beschluß der Konferenz wünscht der k. k. Finanzmi¬
nister Ritter v. Böhm zu konstatieren, daß die k. k. Regierung, welche ihren
Zivüpensionisten eine Erhöhung ihrer Bezüge gewährt habe, einer analogen Vorsorge
für die vor dem letzterwähnten Datum in den Ruhestand getretenen MUitärpersonen
grundsätzlich nicht opponieren könne. Die k. k. Regierung habe dieser Post zugestimmt
in der Voraussetzung, daß die hiefür erforderlichen Beträge im Rahmen des bisherigen
Budgets untergebracht werden könnten.

   Die Konferenz geht hierauf zur Beratung des Voranschlages der Kriegsmarine über,
und erteilt der Vorsitzende das Wort dem k. u. k. Chef der Marinesektion
Admiral Freiherrn v. Spaun, welcher die Erklärung abgibt, daß er ange¬
sichts der in der vorangegangenen Sitzung zum Ausdrucke gelangten Ansichten, betref-
fend die von seinem Ressort im Falle des Zustandekommens des der Marine zu
gewährenden Spezialkredites zu refundierenden Summen, es vorziehen müsse, auf die
geplante Anleihe zu verzichten.4 Es sei in der vorangegangenen Konferenz die Ansicht
geäußert worden, daß die Marineverwaltung, im Falle ihr der 60-Mülionen-Spezialkre-
dit gewährt werde, jährlich 25 Millionen zu refundieren haben werde, was seiner
Ansicht nach darauf hinauslaufe, daß die Marine für ein Anlehen von 60 Millionen in
20 Jahren 500 Millionen zurückzahlen solle. Auf eine solche Transaktion einzugehen,
verbiete ihm seine Ehre, und würde Redner, wenn er es täte, seine 54jährigen treuen
Dienste mit dem Makel eines Treubruches gegen seinen Ag. Obersten Kriegsherrn
abschließen. Redner sei daher bereit, noch heute Se. Majestät telegrafisch um seine
Enthebung von seinem gegenwärtigen Posten sowie um die Ernennung eines Nachfol¬
gers zu bitten.

    Der Vorsitzende weist diesen Ausführungen des Vorredners gegenüber
darauf hin, daß die in der vorangegangenen Sitzung über die Anleihefrage geführte
Diskussion eigentlich nur einen akademischen Charakter getragen habe, daß übrigens
jetzt nicht die Anleihe, sondern das Marinebudget pro 1905 zur Verhandlung stehe,
welche beiden Fragen womöglich nicht verquickt werden sollten.

    Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm gibt der Ansicht Ausdruck,
daß die Marine seit einer Reihe von Jahren in voller Ausgestaltung begriffen sei, für
welche die beiden Regierungen übereingekommen seien, derselben eine jährliche
Steigerung von 1 Million zu bewilligen. Hiemit müsse die Marine das Auslangen finden,
und bittet Redner den Chef der Marinesektion, den diese Steigerungsmillion über¬
schreitenden Betrag von 261 420 Kr. zu streichen, wobei Redner jedoch Wert darauf
legen muß, daß diese Streichungen nicht durch Verringerung von Tangenten bewirkt
werden mögen. Im übrigen stellt Redner dem Chef der Marinesektion anheim, bei
welchen Posten er die Abstriche in obiger Höhe vornehmen will.

4 SieheAnm. 1.
<pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904  355

    Die Konferenz nimmt hierauf den Voranschlag der Marineverwaltung mit dem auf
 eine Million herabgesetzten Mehrerfordemisse an.

    Nach Erledigung des Marinevoranschlages kommt die Konferenz auf die Frage der

 für Heer und Marine aufzunehmenden Rüstungsanleihe zurück, und fragt der kgl.
 ung. Ministerpräsident Graf Tisza, ob der von dem gemeinsamen
 Kriegsminister als unaufschiebbar bezeichnete Teü des 60-Millionen-Kredites für das
 Heer im Betrage von 37 Millionen schon im Jahre 1904 in seiner Gänze zur Auszahlung
 gelangen müsse. Redner glaubt, daß man hier zwischen sofort und erst später benötigten
 Summen unterscheiden müsse.

    Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister FML. Ritter v. Pit-
 reich bemerkt demgegenüber, daß es für üm hauptsächlich darauf ankomme, auf
 dieses Geld rechnen zu können. In den erwähnten 37 Millionen seien alle Posten
 enthalten, bezüglich welcher wohl schon sogleich ziemlich namhafte Bestellungen
gemacht werden müssen, die jedoch erst später gezahlt zu werden brauchen. Dies sei
zum Beispiel der Fall bezüglich der Munitionsbestellungen, welche allein einen Betrag
von 25 Millionen ausmachen. Andere Maßnahmen, wie zum Beispiel die Anlage
fortifikatorischer Hindernisse, müßten dagegen gleich in Angriff genommen werden
und erheischten auch eine sofortige Bezahlung. Redner gibt an, daß er von den 37
Millionen im Jahre 1904 10 Mülionen, im Jahre 1905 21 Mülionen und im Jahre 1906
6 Millionen benötigen werde.

    Der k.u.k. Chef der Marinesektion Admiral Freiherr v.
S p a u n führt aus, daß er von den für sein Ressort als unaufschiebbar bezeichneten
9 Millionen Kronen im Jahre 1904 7 Mülionen, wovon 1 Million für Kohlen, benötigen
werde, die erübrigenden 2 Mülionen Kronen würde er im Jahre 1905 anzusprechen in
die Lage kommen.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza kommt auf die von
dem Chef der Marinesektion zu Beginn der Beratung des Marinevoranschlages geäu¬
ßerten Bedenken bezüglich der von der Marineverwaltung im Falle des Zustandekom¬
mens der Anleihe zu übernehmenden Rückzahlungsverpflichtungen zurück und will
den Versuch machen, diese bei dem Chef der Marinesektion wohl infolge einer mi߬
verständlichen Auffassung der diesfalls gefallenen Äußerungen entstandenen Beden¬
ken zu zerstreuen. Redner führt zu diesem Zwecke aus, daß es sich darum handle, für
die Bedürfnisse der Marine, für welche bisher im Ordinarium und Extraordinarium des
Marinevoranschlages starke Raten eingestellt waren, durch Aufnahme einer größeren
Anleihe auf einmal vorzusorgen. Diese Anleihe, welche sich auch auf die Bedeckung
der Bedürfnisse des Heeres erstrecken werde, werde mehrere Hundert Millionen
betragen und könne nur dadurch beschafft werden, daß aus dem Jahresbudget der
beiden militärischen Ressorts die früher für dieselben Zwecke dort eingestellten Raten
eliminiert und die hiedurch in Ersparung gebrachten Beträge zur Verzinsung eund
Fügung® der aufzunehmenden Anleihe herangezogen werden. Der Voranschlag der
Marine würde im Falle der Bewüligung der Anleihe um jene Beträge entlastet werden
können, welche als Jahresraten in derselben eingestellt werden müßten, wenn es zu

e-e Einßgung Tiszas.
<pb/>356  Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904

keiner Anleihe käme. Nach Aufnahme der Anleihe würde sich die Sache folgenderma¬
ßen gestalten: Entweder es kämen in den nächsten Jahren keine weitgehenden Ände-
rungen in der Technik, in welchem Falle die aus dem Anleihebetrage gebauten Schiffe
ausreichen würden, oder es könne der Fall eintreten, daß die Technik in den nächsten
Jahren solche Fortschritte macht, daß die vorhandenen Schiffe ihren Gefechtswert
vollkommen einbüßen. In diesem Falle würde natürlich für den Ersatz der veralteten
Schiffe durch solche, welche den modernen Anforderungen entsprechen, vorgesorgt
werden müssen. Es müsse aber in jedem Falle an dem Standpunkte festgehalten werden,
daß an eine extensive Entwicklung der Marine nicht gedacht werden könne. Im übrigen
liege es dem Redner ferne, dem Chef der Marinesektion zuzumuten, für Jahre hinaus
auf fdie, zur Erhaltung der vollen Kriegstüchtigkeit der Marine etwa notwendig gewor¬
denen Neuanschaffungen zu verzichten.

   Der k.k. Ministerpräsident v. Koerber schließt sich den aufklären¬
den Ausführungen des Vorredners an und bemerkt, daß es sich bei der Anleihe für
Marinezwecke lediglich um eine Bedeckungsfrage handle, durch welche der Voran¬
schlag der Marineverwaltung in keiner Weise alteriert werde, denn es bleibe sich gleich,
ob die Marineverwaltung die Mittel für ihre Zwecke aus dem Budget oder aus einer
Anleihe erhalte.

   Der k. u. k. Chef der Marinesektion Admiral Freiherr v.
S p a u n nimmt diese Aufklärungen zwar mit Dank zur Kenntnis, will sich jedoch
bezüglich der Anleihefrage nicht binden, ohne vorher Sr. Majestät über die Angelegen¬
heit Meldung erstattet zu haben.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident GrafTisza spricht sich im Hin¬
blicke auf letztere Äußerung des Chefs der Marinesektion dahin aus, daß es überhaupt
nicht möglich sein werde, die Anleihefrage in der heutigen Konferenz zur Entscheidung
zu bringen, da vorerst nach zwei Richtungen hin vollständige Klarheit geschaffen
werden müsse. Es sei nämlich erstens notwendig, daß die Kriegs- sowie die Marinever¬
waltung genaue Ausweise über die von ihnen benötigten Summen und über deren
Verteüung auf das laufende Jahr sowie auf 1905 und 1906 vorlegen. Ferner müsse auch
die Frage ins reine gebracht werden, in welcher Weise die beiden Finanzminister die
Forderungen der Kriegs- und Marineverwaltung zu bedecken in der Lage sein werden.
In letzterer Beziehung müßten die beiden Regierungen untereinander ein Einverneh¬
men darüber pflegen, wie die Bedeckungsfrage gelöst zu werden hätte.

   Es entspinnt sich hierauf eine längere Debatte über die Frage, in welcher Weise
gegebenenfalls die für die beiden militärischen Ressorts erforderlichen Spezialkredite
von den Delegationen angesprochen werden sollen, sowie darüber, ob und in welcher
Weise den Delegationen über die Frage der Bedeckung eine Mitteüung zu machen
wäre.

   Der Vorsitzende bemerkt diesfalls, daß die von den beiden müitärischen
Ressorts bereits im laufenden Jahre benötigten Sinnmen von den Delegationen als
Nachtragskredit pro 1904 angefordert werden sollten, während bezüglich der für 1905

f_f Korrektur Tiszas aus alle Entwicklung der Marine.
<pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904  357

benötigten Summen im Wege einer besonderen Kreditvorlage Vorsorge zu treffen wäre.
Die Anleihe müsse von den beiden Regierungen vor die respektiven Parlamente
gebracht und dort unter Darlegung der Bedeckungsfrage von ihnen vertreten werden.
Redner glaubt übrigens, daß man kaum umhin können werde, auch den Delegationen
informative Mitteüungen über die Bedeckungsfrage zu machen, was bei der österrei¬
chischen Delegation, in welcher die österreichischen Minister nicht erscheinen können,
insofeme eine gewisse Schwierigkeit biete, als die gemeinsamen Minister nicht in der
Lage seien, Erklärungen namens der beiden Regierungen abzugeben.5

    Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm gibt der Ansicht Ausdruck,
daß die Delegationen sich gewiß leichter zur Bewilligung der von ihnen für Heeres- und
Marinezwecke verlangten großen Kredite entschließen würden, wenn man ihnen
genaue Auskünfte über die Frage der Bedeckung sowie über die weiteren Pläne der
Kriegs- sowie der Marineverwaltung geben könnte. Den Parlamenten könne es nämlich
nur erwünscht sein, wenn die Regierungen in der Lage wären, ihnen sagen zu können,
daß im Jahresbudget große Ersparungen gemacht werden, wenn sich dann auch nach¬
träglich die Notwendigkeit herausstellt, mit einer Anleihe hervorzutreten. Redner
verliest hierauf einen von ihm ausgearbeiteten Entwurf eines Delegationsbeschlusses,
betreffend den außerordentlichen Kredit für die Kriegsmarine für das Jahr 1904 sowie
die Skizze der einschlägigen Begründung, welche einerseits über die weiteren Anfor¬
derungen der Marineverwaltung, andererseits über die Bedeckungsfrage gewisse Auf¬
schlüsse enthält, und welche nach Meinung des Redners geeignet wäre, die daraus
entspringende Schwierigkeit zu beheben, daß die österreichischen Minister nicht mit
der Delegation in Kontakt treten können.

   Der Vorsitzende bemerkt, daß es, um der österreichischen Delegation Auf¬
schluß über die Bedeckungsfrage zu geben und einen Kontakt der österreichischen
Minister mit der Delegation zu ermöglichen, noch ein anderes Auskunftsmittel gebe,
welches vielleicht sogar dem von dem k. k. Finanzminister vorgeschlagenen Modus
procedendi vorzuziehen sein dürfte. Nach den einschlägigen Bestimmungen der Ge¬
schäftsordnung könne der Budgetausschuß nämlich den Beschluß fassen, den Finanz¬
minister einzuladen, im Ausschüsse zu erscheinen und dort Aufklärungen zu geben.
Dieser Ausweg sei schon zu wiederholten Malen gewählt worden.

   Der k.k. Finanzminister Ritte rv. Böhm gibt der Ansicht Ausdruck,
daß, falls die Anleihe rechtzeitig zustande kommen sollte, hierauf bereits im Voran¬
schläge pro 1905 Rücksicht genommen und die zur Refundierung gelangenden Beträge
nachträglich in demselben eingestellt werden sollten. Man müsse für beide Alternativen
Vorsorge treffen, nämlich sowohl für den Fall, daß es zur Bewilligung der Anleihe
kommt, als auch für den Fall, daß dieselbe nicht zustande kommt, in welch letzterem
Falle die beiden Regierungen keine Refundierungsansprüche stellen würden. Dagegen
müßten im Falle der Bewilligung der Anleihe im ersten Jahre, in welchem die Belastung

s Vgl. das Gesetz v. 21.10. 1867, RGBl. Nr. 146/1867, § 28. Siehe ferner Tätigkeit des Ministeriums des

    Äußern bei den Delegationen (zusammengestelltvon Baron Tallidn) o. D., HHStA., PA. I, Karton 628,

   rv/7.
<pb/>358  Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904

der Staatsfinanzen infolge der Zinsenzahlung für dieselbe anfängt, die Finanzverwal¬
tungen auch in den Genuß der entsprechenden Refundierungsannuität treten.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza spricht sich dahin
aus, daß jede der beiden Regierungen vor ihrer Delegation über die Bedeckungs¬
frage Aufschluß geben solle. Redner hielte es für zweckmäßig, daß die Delega¬
tionen zu einer kurzen Nachsession einberufen werden, in welcher dieselben mit
den in Rede stehenden Kreditvorlagen befaßt zu werden hätten. Bis dahin werde
man auch in der Lage sein, sich über die Frage der Beschaffung der erforderli¬
chen Mittel schlüssig zu werden.

    Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm hält es für ausgeschlossen,
daß die von den beiden müitärischen Ressorts benötigten Summen vorschußweise aus
den Kassenbeständen bedeckt oder daß seitens der Finanzverwaltung das von dem
Kriegsminister gewünschte Obligo zur Zahlung der von ihm a conto der Anleihe in
Anspruch zu nehmenden Beträge übernommen werden könnte, bevor die Anleihe
verfassungsmäßig von dem Parlamente angenommen worden sei.

    Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister FML. Ritter v. Pit-
reich bemerkt demgegenüber, daß die Stellungnahme des k. k. Finanzministers einer
Verweigerung des von der Kriegsverwaltung für die nächste Zeit beanspruchten Kre¬
dites von 37 Millionen gleichkomme und die Monarchie Italien gegenüber auch weiter¬
hin zur Wehrlosigkeit verurteüe.

    Der k. k. Finanzminister Ritter v. Böhm erwidert hierauf, daß erzwar
die Wichtigkeit der Ansprüche der Kriegsverwaltung keineswegs verkenne, daß er sich
jedoch angesichts der bereits durch den 38- und 15-Mülionen-Kredit für die Kanonen
sehr geschwächten Kassenbestände einer physischen Unmöglichkeit gegenübersehe,
weshalb er eine möglichst schleunige Befassung der berufenen parlamentarischen
Faktoren mit den betreffenden Anforderungen der Kriegsverwaltung als unerläßlich
ansehe, da er ohne verfassungsmäßige Bewilligung keine Verantwortung übernehmen
könne.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza gibt der Ansicht
Ausdruck, daß vielleicht doch wenigstens die von der Kriegsverwaltung für das Jahr
1904 benötigten 17 Millionen aus den vorhandenen Kassenbestände gedeckt werden
könnten, welche Anregung der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm
bezüglich der österreichischen Finanzverwaltung entschieden und unter neuerlichem
Hinweis auf die sehr geschwächten Kassenbestände ablehnt.

   Der Vorsitzende bezeichnet es als absolut untunlich, daß die Befriedigung
der dringendsten Bedürfnisse der beiden müitärischen Ressorts von der rechtzeitigen
parlamentarischen Bewilligung der Anleihe abhängig gemacht und bis dahin die Mon¬
archie einer unhaltbaren müitärischen Situation ausgesetzt werde. Die notwendigen
Maßnahmen zum Schutze der Monarchie müßten auch unabhängig von der vom k. k.
Finanzminister bezeichneten Voraussetzung getroffen werden.

   Der k.k. Ministerpräsident v. Koerber glaubt daran erinnern zu
dürfen, daß die k. k. Regierung den Anforderungen der Kriegs- sowie der Marinever¬
waltung stets das größte Entgegenkommen bewiesen und aus den Kassenbeständen
auch immer die nötigen Beträge zur Verfügung gestellt habe, wie sie auch nicht
<pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904  359

unterlassen habe, dem Parlamente bezüglich der von dem Kriegsministerium in An¬
spruch genommenen außerordentlichen Kredite die erforderlichen Vorlagen zu unter¬
breiten. Redner werde zwar sein möglichstes tun, könne aber angesichts der
parlamentarischen Verhältnisse in Österreich6 keine Garantie dafür übernehmen, daß
das Parlament die Bedeckung für so weitgehende müitärische Anforderungen rechtzei¬
tig bewilligen werde, weshalb Redner es lieber anheimgeben möchte, daß eine andere
Persönlichkeit als er dazu ausersehen werde, die in Rede stehenden müitärischen
Kredite im Parlamente zu vertreten. Andererseits sieht Redner aber keine Möglichkeit,
die erforderlichen Mittel ohne eine Verfassungsverletzung zu beschaffen, mit welcher
er sich jedoch nicht befassen möchte.

    Der Vorsitzende weist auf die müitärische Notlage hin und hebt hervor, daß
im Falle einer imminenten Gefahr die für die militärischen Rüstungen erforderlichen
Mittel ja auf jeden Fall in irgendeiner Weise beschafft werden müßten. Redner fragt,
ob es nicht möglich wäre, die erforderlichen Summen durch Ausgabe von Schatzbons
aufzubringen.

   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm erwidert hierauf, daß die
Aufnahme einer schwebenden Schuld aufgrund des § 14 allerdings prinzipiell nicht
ausgeschlossen erscheine. Redner würde dieses Auskunftsmittel jedoch nur dann als
zulässig ansehen, wenn die Monarchie sich effektiv schon im Kriege befinden würde.
Die Aufnahme einer schwebenden Schuld für Rüstungszwecke hielte Redner aber
jedenfalls für sehr bedenklich, da hiedurch die Aufnahme der großen Anleihe ganz
unmöglich gemacht werden würde. Es bleibe daher nach Ansicht des Redners kein
anderer Ausweg, als an den Patriotismus des Parlamentes zu appellieren und von
demselben die tunlichst baldige Bewüligung der für die beiden müitärischen Ressorts
benötigten Anleihe zu erbitten.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident GrafTisza weist daraufhin, daß
die Summe, welche die Kriegsverwaltung im Jahre 1904 benötige, alles in allem nur 17
Mülionen ausmache, von welchen quotenmäßig ungefähr 11 1/2 Mülionen auf Öster¬
reich entfielen, und glaubt, daß es vielleicht doch möglich wäre, diese Summe aus den
laufenden Einnahmen zur Verfügung zu steüen. Redner würde es sehr bedenklich
finden, wenn ohne vorhergängige parlamentarische Genehmigung nicht einmal die
allernotwendigsten von der Kriegsverwaltung in Aussicht genommenen Maßnahmen
durchgeführt werden könnten. Redner erklärt schließlich, daß er von seinem Stand¬
punkte keine Einwendung dagegen zu erheben habe, daß in Anhoffung der zu bewilli¬
genden Anleihe einstweüen der Kriegsverwaltung die für die dringendsten Anschaffun¬
gen erforderlichen Summen zur Verfügung gestellt werden.

6 Das österreichische Parlament wurde durch diefortwährende Obstruktion arbeitsunfähig. Am 17. November
    1903 trat das Abgeordnetenhaus zusammen; wegen der Obstruktion zunächst der Tschechen und danach
    der Christlich-Sozialen wurden die Sitzungen mit 10. Dezember vertagt und die unaufschiebbaren Angele¬
    genheiten von der Regierung unter Behtfung auf § 14 bis zum Jahresende erledigt Am 8. 3.1904 trat das
    Abgeordnetenhaus erneut zusammen, die Sitzung wurde aber wegen der Opposition der Tschechen und der
    deutschen Radikalen am 27. Märzerneut vertagt Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich, Bd. 8
    508,537,555-561.
<pb/>360  Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904

   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm führt dem gegenüber aus,
daß er zu seinem Bedauern auf dem entgegengesetzten Standpunkte verharren und
erklären müsse, daß die k. k. Regierung ohne Zustimmung der Legislative nicht in der
Lage sei, den auf Österreich entfallenden quotenmäßigen Anteü zu den für die militä¬
rischen Rüstungsmaßnahmen erforderlichen Summen beizutragen. Diese Erklärung
beziehe sich auch auf das im Voranschläge pro 1905 eingestellte außerordentliche
einmalige Erfordernis aus Anlaß der Schaffung eines neuen Feldartilleriemateriales im
Betrage von 50 Millionen Kronen. Redner richtet schließlich die Frage an den gemein¬
samen Kriegsminister, ob es nicht anginge, die für die Anschaffung von Kanonen im
Budgetfür 1904 bewilligten 15 Millionen Kronen für dievon ihm als besonders dringend
bezeichneten Anschaffungen zu verwenden.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister Ritter v. Pitreich
bemerkt demgegenüber, daß es sich bei den 15 Millionen nicht allein um Kanonen,
sondern auch in bedeutendem Maße um die Anschaffung von Munition handle, und
daß aus diesen 15 Millionen Vorschüsse an die betreffenden Fabrikanten gezahlt
werden müssen.

   Der Vorsitzende erklärt, daß, nachdem in der heutigen Konferenz über die
Anleihefrage noch keine Übereinstimmung habe erzielt werden können, die Anberau¬
mung einer weiteren gemeinsamen Ministerkonferenz sich als notwendig herausstelle,
zu welcher Redner sich vorbehält, den Konferenzteilnehmern nach seiner Rückkehr
nach Wien die Einladungen zukommen zu lassen. Der Vorsitzende bringt hierauf noch
die Frage des Termines für die Einberufung der Delegationen zur Sprache.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident GrafTisza bemerkt diesfalls, daß
er Wert darauf legen müsse, daß dieser Termin nicht früher fixiert werde, bevor nicht
eine andere Frage, nämlich die der Dotierung der beiden Landwehren mit Artülerie,
ins reine gebracht worden sei, welche Frage heute noch durchzuberaten, aber mit
Rücksicht auf die vorgerückte Stunde und die ohnehin schon außerordentlich lange
Dauer der Konferenz kaum mehr möglich sein werde.

   Nachdem jedoch der Vorsitzende mit Zustimmung der Konferenzteilnehmer
an den kgl. ung. Ministerpräsidenten Grafen Tisza das Ersuchen
richtet, sich gleichwohl über die vorerwähnte Frage zu äußern,7 ergreift der letztere das
Wort, indem er darauf hinweist, daß die Dotierung der Honvedinfanteriedivisionen mit
eigenen Artillerieregimenten einem lange gehegten Wunsche der ungarischen Nation
entspreche, welchem jedoch bisher immer mit der Begründung die Erfüllung versagt
worden sei, daß die Mannschaften der Landwehr nur zwei Jahre präsent dienen,
während es bei der Artillerie, einer technischen Waffe, erforderlich sei, daß die

7 Die Landwehrartillerie hatte bereits eine lange Vorgeschichte, bis sie vor den Ministerrat gebracht wurde.
    SieheEinleitung, Abschnitt 4, ferner Vortragvon Tiszav. 21.2.1904, KA., MKSM. 12-3/4/1904; Pitreich an
    Welsersheimb v. 17.3.1904, ebd., KM., Präs. 72-34/2/1904. ImAuftrag Sr. Majestät leitete er die Schrift des
    kgl. ung. Ministerpräsidentat v. 25.2.1904, Nr. 920/ME., in der dieser um dieAufstellung einerLandwehr¬
    artillerie bat, an den k. k. Landesverteidigungsminister weiter. Über Landwehrartillerie, ebd., MKSM.
    12-3/4/1904; Protokoll der zu Wien am 29. 3. 1904 unter dem Vorsitz Sr. Majestät abgehaltenen
    Konferenz, ebd. (an der Konferenz nahm der kgl. ung. Landesverteidigungsminister bezeichnenderweise
    nicht teil); Vortrag Koerbers v. 2. 4.1904, ebd.
<pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904  361

Mannschaft im Interesse einer gründlicheren Ausbüdung einen dreijährigen Präsenz¬
dienst leiste. Da nun einerseits mit der Einführung der zweijährigen Dienstzeit dieser
letztere Grund in Wegfall kommen werde, andererseits aber die Beteilung der Honved-
armee mit Artillerie vom politischen Standpunkte imbedenklich erscheine, halte
Redner es für wünschenswert, daß diese Frage nunmehr im Zusammenhänge mit der
gesamten Heeresorganisation einer Lösung zugeführt werde. gRedner führt aus, daß
diese Lösung der Frage sich aus rein objektiven, müitärtechnischen Gründen als eine
Notwendigkeit ergibt, da die Heeresverwaltung es für die Truppendivisionen des
Heeres als eine müitärische Notwendigkeit hinstellt, daß dieselben mit von ihnen
zugeteilten Artillerieregimentem in ein dauerndes, organisches Verhältnis gebracht
werden. Es sei eine unbedingt notwendige logische Folge hievon, daß dasselbe bei den
Truppendivisionen der beiden Landwehren durch Errichtung eigener Artillerieregi¬
menter geschehe.8 Man müsse damit rechnen, daß die Frage der Errichtung von
Landwehrartillerieregimentem früher oder später werde aufgerollt werden, und daß es
nicht im Bereiche der Macht der Regierung liege, hierauf einen Einfluß zu nehmen.
Redner müßte es als äußerst bedenklich bezeichnen, wenn hdiese Frage durch die aus
objektiven Gründen allein zu rechtfertigende Lösung dem Wirbel der politischen
Agitation hüben wie drüben nicht entzogen werde.h Sonst1 würde sich die Opposition
der Frage als eines Agitationsmittels bemächtigen, und es würde für die Regierung
schwer, ja sogar unmöglich sein, dagegen anzukämpfen, nachdem der einzige objektive
Einwand, welcher bisher dagegen erhoben werden konnte, nach Einführung der zwei¬
jährigen Dienstzeit hinfällig geworden sein werde. Wenn dagegen die Regierung in der
Lage wäre, dem Lande anzukündigen, daß die Lösung der Frage der Honvedartillerie
im Sinne der Wünsche desselben erfolgen werde, so werde dies zu einer Kräftigung der
Stellung der Regierung und damit mittelbar der Ausgleichspolitik in Ungarn beitragen
und sogar auch das Prestige der Krone im Lande, erhöhen. In finanzieller Beziehung
würde die Maßnahme eine Ersparnis für die österreichische Regierung bedeuten, da
die Kosten für die. Landwehrartillerie von den beiden Staaten der Monarchie zu
gleichen Teüen zu tragen sein würden, während die aus den Neuformationen der
Artillerie des gemeinsamen Heeres erwachsenden Kosten nach dem Quotenschlüssel
zu tragen sein würden.

   Redner schließt seine Ausführungen mit der Bemerkung, daß die ungarische Regie¬
rung den größten Wert darauf legen müsse, auf eine eventuell an sie in der ungarischen
Delegation gerichtete Anfrage antworten zu können, daß die Beteüung der Landweh¬
ren mit eigener Artillerie im Zusammenhänge mit der Durchführung der allgemeinen
Heeresreorganisation erfolgen werde. Es müsse daher wenigstens eine prinzipielle
Einigung darüber erzielt werden, ^welche die ungarische Regierung in die Lage verset¬
ze, sich gegebenenfalls in der Delegation in diesem Sinne äußern zu können.1

*&#39;* Einßgung Tiszas.
h_h Korrektur Tiszas aus diesem Wunsch der Nation nicht willfahrt werden sollte.
&#39; Korrektur Tiszas aus in diesem Falle.
i Korrektur Tiszas aus ob die ungarische Regierung ermächtigt sei, sich gegebenenfalls in der Delegation

      in diesem Sinne zu äußern.
<pb/>362  Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904

    Der k.k. Ministerpräsident v. Koerber bezeichnet die vom kgl. ung.
Ministerpräsidenten zur Diskussion gestellte Frage als eine sehr ernste und schwierige
und erinnert an die Ereignisse, welche im vorigen Jahre infolge der militärischen Fragen
hervorgerufen worden seien.8 In Österreich habe man sich seither mit den Änderungen,
welche infolge dieser Ereignisse in der gemeinsamen Armee durchgeführt worden sind
oder noch zur Durchführung gelangen sollen, abgefunden. Infolge der Aufwerfung
dieser neuen Frage werde die mühsam wieder zurückgekehrte Beruhigung jedoch
neuerdings in Frage gestellt. Die projektierte Maßnahme werde in Österreich großen
Widerstand hervomifen und in der österreichischen Delegation lebhaften Widerhall
finden. Die Wertschätzung, welche in den beiden Staaten der Monarchie den Landweh¬
ren entgegengebracht werde, sei eine sehr verschiedene. In Österreich betrachte man
die Landwehr als etwas eher Überflüssiges und würde nichts dagegen haben, die ganyp
Institution zugunsten des gemeinsamen Heeres wieder verschwinden zu sehen. In
Ungarn dagegen sehe man in der Landwehr eine nationale Institution, welche man nach
Tunlichkeit in jeder Richtung auszugestalten wünsche. In Österreich werde man die
Dotierung der Landwehr mit Artillerie als einen weiteren Schritt zur Errichtung einer
selbständigen ungarischen Armee ansehen. Es sei nach Ansicht des Redners zu be¬
fürchten, daß als Folge des Aufwerfens der in Rede stehenden Frage Schwierigkeiten
erwachsen, welche geeignet sein würden, die Durchführung der ganzen Heeresreform
in Frage zu stellen. Redner sei bisher der Ansicht gewesen, daß infolge der beabsich¬
tigten rascheren Einberufung der Delegationen eine beruhigtere Stimmung in densel¬
ben Platz greifen werde und in der Zeit, welche zwischen der letzten und der
bevorstehenden Delegationssession liege, keine neuen müitärischen Fragen auftauchen
würden. Im Falle der Aufrollung der Landwehrartilleriefrage würde jedoch auf eine
solche Beruhigung nicht mehr gerechnet werden können, und sei vielmehr zu gewärti¬
gen, daß infolgedessen selbst Parteien, welche sonst der Regierung keine Schwierigkei¬
ten zu bereiten pflegen, sich zu einer Stellungnahme veranlaßt sehen könnten, welche
einer Klärung der politischen Verhältnisse in Österreich keineswegs förderlich sein
würde. Redner müsse sich daher entschieden dagegen aüssprechen, daß die von dem
kgl. ung. Ministerpräsidenten angeregte Frage prinzipiell als gelöst hingestellt werde.

   Derk.u.k. gemeinsame Kriegsminister FML. Ritterv. Pit¬
reich findet vom militärischen Standpunkte gegen die Dotierung der Landwehren
mit eigener Artillerie keine Einwendung zu erheben und bezeichnet eine solche Ma߬
nahme sogar als sehr zweckmäßig. Redner muß sich jedoch als gemeinsamer Kriegsmi¬
nister dahin aussprechen, daß die Sache nur dann durchführbar erscheine, wenn in
beiden Staaten der Monarchie Landwehrartillerieformationen zur Errichtung gelan¬
gen, da sonst nicht nur in Österreich, sondern auch im Auslande die Meinung Wurzel
fassen würde, daß es sich um den Anfang zur Errichtung einer selbständigen ungari¬
schen Armee handle. Ferner müsse Redner daran festhalten, daß bestehende Forma¬
tionen nicht aufgelöst werden, sondern die Dotierung der beiden Landwehren mit
Artillerie nur in dem Maße erfolge, als neue Formationen zur Aufstellung gelangen. In

* Siehe GMRProt v. 19.11.1903, GMCZ. 439, Anm. 11,1Z
<pb/>Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16.4.1904  363

Ungarn würden daher im nächsten Dezennium bei der Landwehr zwei Artillerieregi¬
menter aufgestellt werden, und - aus Gründen der Parität - die gleiche Anzahl auch in
Österreich.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza nimmt diese Äuße¬
rungen des gemeinsamen Kriegsministers mit Dank zur Kenntnis und bezeichnet es als
in der Natur der Sache gelegen, daß die Aufstellung von Artillerieregimentem bei den
Landwehren nur sukzessive erfolgen könne, doch müsse er andererseits voraussetzen,
daß bei der Errichtung der Landwehrartillerieregimenter planmäßig werde vorgegan¬
gen und man in Ungarn nicht bei den zwei Regimentern stehenbleiben werde. Redner
stimmt mit dem k. k. Ministerpräsidenten darin überein, daß jedes Gärungselement
sorgfältig vermieden werden und nach einer tunlichsten Beruhigung gestrebt werden
müsse. Gerade aus diesem Grunde müsse Redner Wert auf die Errichtung von Artille-
rieregimentem bei den Landwehren legen. Redner könne in dieser Beziehung darauf
hinweisen, daß seit seinem Amtsantritte die auf dem Boden der Verfassung stehende
Partei eine wesentliche Stärkung erfahren habe, was der Einhaltung der mit Zustim¬
mung Sr. Majestät gemachten Versprechungen auf müitärischem Gebiete zuzuschrei¬
ben sei.9 Redner habe bereits anläßlich seiner ersten Berufung zur Kabinettsbüdung Sr.
Majestät gegenüber auf die Notwendigkeit der endlichen Lösung der Landwehrartille¬
riefrage hingewiesen10 und sei während der letzten Delegationstagung neuerdings bei
Sr. Majestät auf die Angelegenheit zurückgekommen, habe jedoch nicht weiter insi¬
stiert, da Se. Majestät der Ansicht gewesen seien, daß man in den letzten Tagen der
Session eine solche Frage nicht vor die Delegationen bringen sollt. Seither habe Redner
Sr. Majestät ein Memoire über diese Frage unterbreitet und darin neuerdings die
Notwendigkeit der Lösung derselben betont.11 Redner erinnert daran, daß bereits in
der letzten Delegationssession die Landwehrartilleriefrage gestreift wurde, und hält es
für sicher, daß die Opposition in der nächsten Delegationssession die Frage aufrollen
wird.12 Redner müsse daher seine Bitte wiederholen, daß er ermächtigt werde, in der
in Rede stehenden Frage gegebenenfalls eine den Wünschen des Landes entgegenkom¬
mende prinzipielle Erklärung abzugeben.

   Der Ick. Ministerpräsident v. Koerber dankt dem Vorredner für
dessen Bemühungen, die Beziehungen zwischen den beiden Staaten der Monarchie zu
bessern. Redner müsse ohne weiteres zugeben, daß in Ungarn gewiß eine weitere
Beruhigung eintreten würde, wenn die Landwehr mit eigener Artillerie dotiert würde.
Redner könne aber mit derselben Bestimmtheit Voraussagen, daß durch diese Maßnah¬
me in Österreich gerade der entgegengesetzte Effekt erzielt werden und die Aussicht
auf eine endliche BeUegung der seit dem Jahre 1897 andauernden schwierigen politi¬
schen Verhältnisse sich noch verringern würde.

 9 Tisza übernahm am 3. 11. 1903 die Reperung. Hier verweist er auf das militärische Programm des sog.
    Neuner-Komitees, siehe GMRProt. v. 19.11.1903, GMCZ. 439, Anm. 13.

10 Tisza wurde erstmalsam 16.6.1903mit derRegierungsbildung beauftragt. Vgl. Apponyi, Emlekiratai, Bd. 2
    99-101.

11 Tiszas Denkschrift v. 21. 2.1904, KA., MKSM. 12-3/4/1904.
12 A KÖZÖS ügyek tArgyaläsära Összeh(vott bizottsäg naplöja, 1903 140 ff.
<pb/>364  Nr. 53 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 16. 4.1904

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza erklärt seinerseits,
daß in Ungarn die ganze Frage der Heeresorganisation ins Stocken geraten würde,
wenn in der Landwehrartilleriefrage keine befriedigende Lösung erzielt werden könnte.
Eine günstige Lösung dieser Frage würde eine große Stärkung der Regierungspartei
zur Folge haben, und glaubt Redner, daß es auch für die österreichische Regierung
nicht gleichgütig sein könne, ob die ungarische Regierung über eine kompakte, starke
und willige Partei verfüge, welche eventuell bereit wäre, einer nichtparlamentarischen
Erledigung des Ausgleiches in Österreich mit § 14 zuzustimmen.13 Die Stellung der
österreichischen Regierung gegenüber den Oppositionsparteien würde wesentlich
dadurch gestärkt werden, wenn den letzteren zu Bewußtsein gebracht werden würde,
daß sie der Regierung beim Ausgleiche keine unüberwindlichen Schwierigkeiten berei¬
ten können.

   Der Versitzende gibtderAnsichtAusdruck,daßdieFragederDotierungder
Landwehren mit eigener Artillerie eine militärische Organisationsfrage sei, bezüglich
welcher Sr. Majestät die Entscheidung zustehe. Die beiden Regierungen sollten daher
in dieser Frage unter Darlegung ihrer respektiven Standpunkte an Se. Majestät heran¬
treten und es Allerhöchstdessen Entscheidung anheimgeben, wie eine in der ungari¬
schen Delegation in betreff dieser Angelegenheit gestellte Frage prinzipiell beantwortet
werden solle.14

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Tisza erklärt, daß er nicht
vor die Delegationen treten könnte, wenn er nicht in der Lage wäre, die aus einer
ungünstigen Lösung der Landwehrartilleriefrage sich unvermeidlich ergebenden Übel
hintanzuhalten. Redner würde daher vorziehen, Sr. Majestät die Berufung einer
anderen Persönlichkeit auf den von ihm dermalen bekleideten Posten au. vorzuschla¬
gen, falls die in Rede stehende Frage nicht in dem von ihm als einzig richtig gehaltenen
Sinne gelöst werden würde.

   Der V ersitzende schließt hierauf die Sitzung mit der Bemerkung, daß über
die Frage des Termines für die Einberufung der Delegationen vorläufig Sr. Majestät
noch kein Vorschlag unterbreitet werden könne, und diese Frage voraussichtlich in der
unter dem Ah. Vorsitze nächste Woche in Wien stattfindenden gemeinsamen Minister¬
konferenz zur Entscheidung gelangen werde.

                                                                                           Goluchowski

   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
   Budapest, 11. Mai 1904. Franz Joseph.

13 Der österreichisch-ungarische Wirtschaftsausgleich konnte in Österreich ab 1897im Parlament nicht durch¬

    gesetzt werden, das Ausgleichsprovisorium wurde mit kaiserlicher Verordnung gemäß § 14 oktroyiert. Siehe
    Bernatzik, Die österreichischen Verfassungsgesetze 571-574.
14 Siehe GMR. v. 23.4.1904, GMCZ. 444/b.
<pb/>