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Gemeinsamer Ministerrat, 14. 3. 1902

I. Der den Delegationen vorzulegende gemeinsame Voranschlag pro 1903

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z46.pdf.

Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14.3.1902                        285

                  Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14. März 1902

    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Finanzministerv. Källay (21.3.), der k. u. k. gemeinsame Knegs-
minister GdK. Freiherr v. Krieghammer (22.3.), der k. u. k. Chef der Marinesektion Admiral Freiherr v.
Spaun (22.3), der k. u. k Sektionschef v. M£rey.

    Protokollführer Sektionsrat Freiherr v. Gagern.
    Gegenstand: Der den Delegationen vorzulegende gemeinsame Voranschlag pro 1903.

   KZ. 20 - GMCZ. 435
   Protokoll des zu Wien am 14. März 1902 abgehaltenen Ministenrates für gemeinsame
Angplpgpnhp.iten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern

Grafen Gohichowski.

   Der Vorsitzende leitet die Beratung mit der Bemerkung ein, daß es ihm im
Hinblicke auf die namhaften Mehrerfordemisse, welche die Präliminarien des Heeres
sowie der Marine aufweisen, wünschenswert geschienen habe, über den den Delegatio¬
nen vorzulegenden gemeinsamen Voranschlag pro 1903 zunächst mit seinen gemeinsa¬
men Ministerkollegen das Einvernehmen zu pflegen. Redner erörtert hierauf in großen
Zügen den Voranschlag des Ministeriums des Äußern und führt aus, daß derselbe im
Vergleiche mit dem für das laufende Jahr bewüligten Budget eine verhältnismäßig nicht
beträchtliche Steigerung von 142513 Kr. aufweise, welche zum größten Teüe auf die
Erhebung der Gesandtschaft in Washington zu einer Botschaft sowie auf die Errichtung
einer Gesandtschaft in Santiago und eines Vizekonsulates in Cleveland zurückzuführen
sei. Bezüglich der Umwandlung der Gesandtschaft in Washington in eine Botschaft
bemerkt Redner, daß es mit Rücksicht auf die immer mehr hervortretende politische
und wirtschaftliche Bedeutung der Vereinigten Staaten von Amerika unbedingt not¬
wendig gewesen sei, dem Beispiele der übrigen Großmächte zu folgen, welche bereits
seit Jahren in Washington durch Botschafter vertreten seien. Hiezu komme noch der
weitere Umstand, daß schon ein Beschluß der amerikanischen Legislative vorliege,
durch welchen der Präsident ermächtigt wird, die hiesige Gesandtschaft der Vereinig¬
ten Staaten zum Range einer Botschaft zu erheben, sobald Österreich-Ungarn sich
seinerseits zu einer analogen Maßnahme bezüglich seiner diplomatischen Vertretung
in Washington bereit erkläre. Was die Errichtung einer Gesändtschaft für den Bereich
der Republiken Chfle, Peru und Bolivien mit dem Sitze in Santiago betrifft, so sei
dieselbe durch die Erwägung veranlaßt worden, daß die Monarchie bisher an der
ganyp.n Westküste von Südamerika keine einzige effektive Vertretungsbehörde beses¬
 sen habe,1 während gerade in jenen Staaten ungemein zahlreiche Staatsangehörige aus
beiden Teilen der Monarchie, zumal aus Dalmatien, angesiedelt sind, deren Interessen
 bisher jeglichen Schutzes durch eine heimatliche Vertretungsbehörde entbehrt hätten.
 Die Etablierung eines Vizekonsulates in Cleveland sei mit Rücksicht auf die dortselbst
 in großer Zahl sich aufhaltenden ungarischen Staatsangehörigen ein lang gefühltes
 Bedürfnis gewesen und entspreche einem wiederholt geäußerten Wunsche der ungari-

1 Die k.u.k. Konsularämter in Chile, Peru und Bolivien unterstanden der k. u. k. Mission in BuenossUres,

Hof- und Staatshandbuch, 1902 243.

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<pb/>286  Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wen, 14.3.1902

sehen Regierung.2 Bei Besprechung der eigenen Einnahmen seines Ressorts weist
Redner auf die erfreuliche Tatsache hin, daß dieselben Dank dem Inslebentreten des
neuen Konsulargebührentarifes aus dem Titel der Konsularproventen gegen das
Budget des laufenden Jahres um 157 905 Kr. höher veranschlagt werden konnten,
welchem Umstande es hauptsächlich zuzuschreiben sei, daß das Mehrerfordernis auf
das vorerwähnte bescheidene Maß herabgedrückt werden konnte.

   Redner erörtert hierauf die vom Ministerium des Äußern angeforderten Nachtrags¬
kredite pro 1901 und 1902, unter welch letzteren zwei Vorschüsse a conto der von der
chinesischen Regierung zu zahlenden Entschädigung (für den Wiederaufbau des Ge¬
sandtschaftspalais in Peking und der dazu gehörigen Gebäude sowie für die teilweise
Auszahlung der Entschädigung an das dortige Gesandtschaftspersonal) im Gesamtbe¬
träge von 970 000 Kr. aufgeführt erscheinen,3 und bemerkt bei dieser Gelegenheit, daß
die Finanzminister der beiden Regierungen ehestens darüber schlüssig werden müßten,
in welcher Weise sie aufgrund des von der chinesischen Regierung ausgestellten Bons
die faktische Auszahlung des auf die Monarchie entfallenden Entschädigungsanteües
von 15 Millionen Kronen zu ermöglichen gedenken, da es sich hiebei für das Ministe¬
rium des Äußern und die Marine zum Teüe um die Rückvergütung bereits verausgabter
Summen handle und es somit ausgeschlossen erscheinen müsse, daß damit gewartet
werde, bis China ratenweise nach 39 Jahren die gesamte Schuld getilgt haben werde.
Es kämen in dieser Beziehung zwei Alternativen in Betracht, und zwar könnten die
Finanzminister der beiden Regierungen entweder zu dem gedachten Zwecke den Bon
der chinesischen Regierung, unter Garantie der Verzinsung desselben pro rata parte,
in Zirkulation setzen, oder aber denselben in Aufbewahrung nehmen, die seitens Chinas
ausgezahlten Annuitäten behalten und der gemeinsamen Regierung die derselben
aufgrund der vereinbarten Entschädigung zukommenden Summen aus etwa disponi¬
blen Fonds zur Verfügung stellen.

   Nachdem der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay der
Konferenz von den Vorschlägen des gemeinsamen Finanzministeriums, sowie des k.u.k.
gemeinsamen Obersten Rechnungshofes Kenntnis gegeben hat, ergreift der k. u. k.
gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v. Krieghammer
das Wort, um, den Voranschlag des Kriegsministeriums in allgemeinen Umrissen zu
erörtern, welcher gegenüber dem Budget für das laufende Jahr ein Gesamtmehrerfor-
demis von 13 755 313 Kr. aufweist, wovon 7 318 098 Kr. auf das Ordinarium, 5 470 415
Kr. auf das Extraordinarium und 966 800 Kr. auf den Okkupationskredit entfallen.
Außerdem müsse die Kriegsvervaltung zum Zwecke der Einführung eines neuen Feld-
und Gebirgsartilleriemateriales sowie für die damit verbundene Reorganisation der
Feld- und Gebirgsartillerie den Betrag von 178 Millionen Kronen als einmaliges außer¬
ordentliches Erfordernis ansprechen. Nachdem letztere Reorganisation überdies
bereits am 1. Oktober 1. J. mit der Aufstellung1von 14 Feldhaubitzbatteriedivisionen

2 Nach Angaben aus dem Jahre 1920 lebten von den in die Vereinigten Staaten ausgewanderten Ungarn -
    außer in New York - die meisten in Cleveland; dies läßt offensichtlich auch Rückschlüsse auf eine
    Generation früherzu. Puskäs, From Hungaiy to the United States (1880-1914).

3 Siehe GMRProt. v. 8.4.1901, GMCZ. 431, Anm. 5; GMRProt. v. IS. 4.1901, GMCZ. 432, Anm. 6 und 7.
<pb/>Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14.3.1902  287

sowie mit der Reorganisation der Gebirgsbatteriedivision in Tirol begonnen werden
soll, sehe Redner sich genötigt, von dem vorerwähnten einmaligen außerordentlichen
Erfordernisse die Quote von 38 Millionen Kronen als Nachtragskredit pro 1902 anzu-
fordem, während der Rest von 140 Millionen nach Maßgabe des Fortschreitens der
geplanten Reorganisation in Anspruch genommen werden würde. Das beabsichtigte
Inslebentreten dieses Teües der Artüleriereorganisation mit 1. Oktober 1. J. bringe es
ferner mit sich, daß zum Ordinarium pro 1902 der Betrag von 1 311 125 Kr. und zum
Okkupationskredite pro 1902 der Betrag von 240 825 Kr. als Nachtragskredit für das
laufende Jahre angesprochen werden müssen. Außerdem habe sich infolge eingetrete¬
ner Preissteigerungen die Notwendigkeit ergeben, zum Titel XXII ,,Naturalienverpfle¬
gung&quot; einen Nachtragskredit von 2 1/2 Millionen anzufordern. Redner führt des
weiteren aus, daß die vorerwähnte Steigerung des Ordinariums sich hauptsächlich als
eine Folge des im Jahre 1903 zür Durchführung gelangenden Teües der Artilleriereor¬
ganisation darstelle, da durch dieselbe aüein ein fortlaufendes Mehrerfordernisvon
5 244 500 Kr. entstehe. Die zweite große Post des Mehrerfordemisses im Ordinarium
im Betrage von 1 550 300 Kr. werde durch die Erweiterung der Nachtmahlgebühr für

die Mannschaft verursacht.
    Der Vorsitzende gibt der Befürchtung Ausdruck, daß die Finanzminister der

beiden Regierungen unter Hinweis auf die schlechte Finanzlage das Mehrerfordemis
des Heeresvoranschlages, welches zusammen mit jenem der Marine über 19 Millionen
Kronen ausmache, beanständen und namentlich gegen die Aufstellung der 14 Feldhau-
bitzbatteriedivisionen opponieren werden. Man müsse darauf gefaßt sein, daß die
beiden Finanzminister versuchen würden, diesen Teil der Artüleriereorganisation mit
der Begründung möglichst hinauszuschieben, daß zur Durchführung der gesamten
Heeresreorganisation im Laufe der nächsten Jahre ohnehin die Aufnahme einer großen
Anleihe notwendig sein werde, bei welcher Gelegenheit dann auch gleich die nötigen
Mittel für die Neubewaffnung und Reorganisation der Artülerie beschafft werden
würden. Redner halte es für seine Pflicht, auf diese voraussichtliche Argumentation der
beiden Finanzminister, welche er sich selbstverständlich keineswegs aneigne, schon
jetzt aufmerksam zu machen. Da es nun einerseits außer Frage stehe, daß die beiden
Finanzminister das erwähnte Mehrerfordemis der beiden müitärischen Voranschläge
nicht im Rahmen des Budgets würden unterbringen können, anderseits es aber auch
ebenso wahrscheinlich sei, daß dieselben der Aufnahme einer Anleihe widerstreben
würden, halte Redner es für geboten, bereits jetzt darüber schlüssig zu werden, wo und
 in welchem Ausmaße im Interesse der Ermöglichung der geplanten Reorganisation
Abstriche an den in Rede stehenden 19 Mülionen vorgenommen werden könnten.
Rednerwirft, von diesem Gedanken ausgehend, die Frage auf, ob es nicht möglich wäre,
 die Forderung bezüglich der Aufsteüung der 14 Feldhaubitzbatteriedivisionen auf zwei

 Jahre zu verteüen.
    Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Kallay schließt sich

 den von dem Vorsitzenden bezüglich der voraussichtlichen Haltung der Finanzminister
 der beiden Regierungen geäußerten Bedenken an und fragt, ob es nicht etwa tunlich
 erschiene, das Erfordernis für die Reorganisation der im Okkupationsgebiete dislozier¬
 ten Artülerie zu streichen. Redner bemerkt, daß er an der Durchführung dieses Teiles
<pb/>288  Nr. 46 Gemeinsame?Ministerrat, Wien, 14. 3.1902

der Artilleriereorganisation zwar ein nahes Interesse habe und daher die Zurückstel¬
lung dieser Post nur ungern in Anregung bringe. Da sich jedoch hiedurch eine Ersparnis
von mehr als einer Million Kronen erzielen ließe, glaubt Redner sich gleichwohl für die
Streichung dieser Post aussprechen zu sollen. Am raschesten und sichersten würde man
allerdings nach Ansicht des Redners mit der geplanten Reorganisation zum Ziele
gelangen, wenn die beiden Regierungen sich entschließen könnten, zu diesem Zwecke
eine größere Anleihe aufzunehmen. Redner erinnert daran, daß er diesen Gedanken
bereits in der am 29. Juni 1899 unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät abgehaltenen
gemeinsamen Ministerkonferenz angeregt habe, doch hätten damals die Finanzminister
der beiden Regierungen demselben nicht zugestimmt.4

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.
Krieghammer macht gegenüber den auf die vorläufige Einschränkung der Artü-
leriereorganisation abzielenden Vorschlägen der beiden Vorredner aus technischen
Gründen Bedenken geltend, erklärt sich dagegen bereit, nochmals in Erwägung ziehen
zu wollen, an welchen Posten seines Voranschlages Abstriche vorgenommen werden
könnten. Redner möchte jedoch darauf aufmerksam machen, daß das Mehrerfordemis
im Ordinarium seines Voranschlages, wie bereits erwähnt, zum überwiegenden Teile
aus nur zwei bedeutenden Posten bestehe, deren eine mit der Reorganisation der
Artillerie im Zusammenhänge stehe, während die andere durch die geplante Aufbes¬
serung der Mannschaftskost verursacht sei. Auf die Streichung der ersteren Post könne
Redner eben wegen ihres Zusammenhanges mit der Artilleriereorganisation nicht
eingehen, wogegen für die höchst unpopuläre Streichung der letzteren Post die beiden
Finanzminister die Verantwortung nicht würden übernehmen wollen. Von diesen
beiden großen Posten abgesehen, könnten im Ordinarium nur kleinere Positionen
gestrichen werden, wodurch sich jedoch keine nennenswerte Ersparnis würde erzielen
lassen.

   Angesichts dieser Darlegungen des gemeinsamen Kriegsministers sowie im Hinblick
auf den seitens der beiden Finanzminister zu gewärtigenden Widerstand gegen die
bereits im Herbst des laufenden Jahres vorzunehmende Aufstellung der 14 Feldhau¬
bitzbatteriedivisionen gibt der Vorsitzende der Überzeugung Ausdruck, daß das
einzige Mittel, die Reorganisation der Feld- und Gebirgsartillerie sowie überhaupt den
weiteren Ausbau der Wehrmacht zu ermöglichen, in der Aufnahme einer größeren
Anleihe im beüäufigen Betrage von 500 Millionen bestehe, auf welche dann nach
Maßgabe des Bedarfes die Option ausgeübt werden könnte. Der Augenblick für die
Aufnahme einer Anleihe im Auslande, speziell in Frankreich, sei sehr günstig. Voraus¬
setzung für die Negoziierung einer solchen sei allerdings, daß man sich bemühe, das
Vertrauen des französischen Geldmarktes zu gewinnen, statt, wie es jetzt eher geschehe,
die französischen Kapitalisten abzuschrecken. Redner verweist in dieser Beziehung auf
das Vorgehen der k. k. Regierung gegen die Südbahn, welches geeignet sei, das Ver¬
trauen der an dieser Bahn interessierten französischen Kapitalisten gründlich zu er¬
schüttern.5

4 GMR. v. 29. 6.1899, GMCZ. 415.
5 Czedik, Der Weg zu den österreichischen Staatsbahnen, Bd. 174.
<pb/>Nr. 46 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 14.3.1902  289

   Redner behält sich übrigens vor, mit Rücksicht auf die dringende Notwendigkeit der
baldigen Durchführung der Artilleriereorganisation und Neubewaffnung in der näch¬
sten Ministerkonferenz den beiden Ministerpräsidenten und Finanzministem gegen¬
über der Aufnahme einer Anleihe energisch das-Wort zu reden und eventuell bei Sr.
Majestät zum Zwecke der Entscheidung dieser Frage die Einberufung einer unter dem
Ah. Vorsitze abzuhaltenden gemeinsamen Ministerkonferenz au. in Vorschlag zu
bringen.

   Die Konferenz geht hierauf auf die Besprechung des Voranschlages für die Marine
über, welcher gegenüber dem einschlägigen Budget für das laufende Jahr im Ordinari-
um eine Steigerung von 5 555 150 Kr., im Extraordinarium dagegen ein Mindererfor-
demis von 155 740 Kr. aufweist.

   Der k.u.k. Chef der Marinesektion Admiral Freiherr v.
S p a u n führt aus, daß diese Steigerung einerseits aufweitere Raten für bereits im Bau
befindliche oder schon fertiggesteUte Schiffe sowie auf eine Neueinstellung, anderer¬
seits auf die Erhöhung des Präsenzstandes des Matrosenkorps um 1125 Mann zuiück-
zuführen sei. Letztere Maßnahme, bezüglich welcher Redner auf den in der am 29.
November v. J. unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät abgehaltenen Ministerkonferenz
gefaßten Beschluß verweist,6 verursache im Titel II des Ordinariums ein Mehrerforder¬
nis von 471 460 Kr. Da ferner die vorerwähnte Erhöhung des Präsenzstandes des
Matrosenkorps bereits am 1. Oktober 1. J. ins Leben treten solle, habe sich die Notwen¬
digkeit ergeben, zur Deckung der durch diese Maßnahme im letzten Quartal 1902
entstehenden und im Budget für das laufende Jahr naturgemäß noch nicht präliminier-
ten Auslagen einen Nachtragskredit von 234 370 Kr. zum Ordinarium des gedachten
Budgets einzubringen.

   Der Vorsitzende richtet auch an den k.u.k. Marinekommandanten das
Ersuchen, in Erwägung ziehen zu wollen, an welchen Posten seines Voranschlages
derselbe, um eventuellen Wünschen der beiden Finanzminister entgegenzukommen,
etwa Abstriche vorzunehmen in der Lage wäre.

   Der k.u.k. Chef der Marinesektion Admiral Freiherr v.
S p a u n erwiderthierauf, daß, falls dies sich als absohit notwendig herausstellen sollte,
an verschiedenen Schiffsbauraten Abstriche im Gesamtbeträge von 1 1/2 Millionen
vorgenommen werden könnten, wodurch allerdings die Fertigstellung der betreffenden
Bauten in bedauerlicher Weise hinausgeschoben werden würde.

   Der Vorsitzende schließt hierauf die Sitzung, indem er im Einvernehmen mit
den übrigen Konferenzteilnehmern die Einberufung der nächsten, unter Teilnahme der
Ministerpräsidenten und Finanzminister der beiden Regierungen abzuhaltenden ge¬
meinsamen Ministerkonferenz für Montag, den 24. d. M., um 3 Uhr nachmittags in
Aussicht nimmt.7

                                                                                          Gohichowski

6 GMRProt. v. 29.11.1901, GMCZ. 434.
1 Derfür den 24.3.1902 geplante Ministerrat wurde aufden 1.4.1902 verschoben, siehe Gotuchowski an die

    Teilnehmer des Ministerrates v. 15.3.1902, HHStA., PA. I,Karton 621,58/CdM.
<pb/>290  Nr. 47 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. 4.1902

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 24. März 1902. Franz Joseph.

                   Nr. 47 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 1. April 1902

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Sz£ll (11. 4.), der k. k. Ministerpräsident v. Koerber
(19. 4.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (20. 4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister
GdK Freiherrv. Krieghammer, der kgl. ung. Finanzministerv. Lukäcs, der k. k. Finanzministe&#39;r Ritter Böhm
[v. Bawerk], der k. u. k. Chef der Mannesektion Admiral Freiherr v. Spaun (24.4.), der k. u. k. Sektionschef
v. M^rey.
    Protokollführer Sektionsrat Freiherr v. Gagern.
    Gegenstand: Der den Delegationen vorzulegende gemeinsame Voranschlag pro 1903.

   KZ. 29 - GMCZ. 436
   Protokoll des zu Wien am 1. April 1902 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame
Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern
Grafen Gohichowski.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit der Bemerkung, daß er von einer
eingehenden Darlegung der internationalen, politischen Lage im allgemeinen absehen
zu können glaube, da er binnen kurzem ohnehin Gelegenheit haben werde, sich diesfalls
in seinem vor den Delegationen zu haltenden Expose des ausführlicheren zu verbrei¬
ten.1 Nur einer Frage von aktuellerer Bedeutung möchte Redner bereits heute Erwäh¬
nung tun, nämlich der Erneuerung des in Bälde ablaufenden Dreibundvertrages.
Redner gibt hierauf in großen Zügen eine Darstellung der in letzter Zeit zwischen den
Dreibundmächten behufs Erneuerung dieses Allianzvertrages geführten Verhandlun¬
gen, bezüglich welcher mit Deutschland bereits ein volles Einverständnis erzielt sei,
während die Negotiationen mit Italien noch fortgeführt werden.2

   Nachdem sowohl der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell als auch der k. k. Minister¬
präsident v. Koerber dem Vorsitzenden für diese Mitteilungen ihren Dank ausgespro¬
chen und sich mit dessen Vorgehen in der fraglichen Angelegenheit einverstanden
erklärt haben, schlägt der Vorsitzende vor, zunächst die Beratung der kleineren
Budgets in Angriff zu nehmen und erst nach deren Erledigung in die Erörterung der
Voranschläge für das Heer und die Marine einzutreten.

   Redner beginnt hierauf mit der Besprechung des Voranschlages seines eigenen
Ressorts, welcher im Ordinarium und Extraordinarium gegenüber dem Voranschläge

1 A közös ügyek tArgyaläsAra összEHfvoTT bizottsAg naplöja, 190219-35.
2 Die Italiener wünschten sich im erneuerten Text des Dreibundvertrages eindeutigere Verpflichtungen der

    Partnerzur Verteidigung der italienischen Interessen im Mittelmeerraum gegen Frankreich und Rußland; sie
     verlangten ferner, daß die Monarchie bei einer Auflösung des Osmanischen Reiches die Unabhängigkeit
    Albaniens garantiere. Gotuchowski war ein Anhänger des Status quo und wollte sich nichtftr die Zukunft
    verpflichten. Der italienischeAußenminister Prinetti stimmte schließlich am 3.5.1902zu, daß derDreibund
    von 1891 ohnejedeÄnderung erneuert werde. Fellner, Der Dreibund 53-61; Bridge, From Sadowa to
    Sarajevo 251-252.
<pb/>