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Gemeinsamer Ministerrat, 29. 11. 1901

I. Die Frage des Ausbaues der Wehrmacht beziehungsweise die Erhöhung des Rekrutenkontingentes

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z45.pdf.

270  Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Gödöllö, am 7. Mai 1901. Franz Joseph.

               Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. November 1901

     RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Goluchowski, der kgl. ung. Minister¬
präsident v. Szell, der k. k. Ministerpräsident v. Koerber, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK.
Freiherr v. Krieghammer, der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Baron Fejerväry, der k. k.
Landesverteidigungsminister FZM. Graf Welsersheimb, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs, der k. k.
Finanzminister Ritter Böhm v. Bawerk, der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck
(2.1.11902]), der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun. (3.1.1902).
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Gagem.
    Gegenstand: Die Frage des Ausbaues der Wehrmacht beziehungsweise der Erhöhung des Rekrutenkon¬
tingentes.

   KZ. 62 - GMCZ. 434
   Protokoll des zu Wien am 29. November 1901 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers und
Königs.

  iSe. k. u. k. apost Majestät geruhen die Sitzung mit dem Hinweise darauf
zu eröffnen, daß der Zeitpunkt gekommen sei, in welchem wegen Feststellung des
Rekrutenkontingentes an die Vertretungskörper der beiden Staatsgebiete der Monar¬
chie herangetreten werden müsse. Angesichts dieser Notwendigkeit erscheine es
geboten, darüber schlüssig zu werden, ob die bereits seit einer Reihe von Jahren in
Aussicht genommene, bisher leider jedoch immer wieder hinausgeschobene Erhöhung
des Rekrutenkontingentes von den Parlamenten angesprochen, oder ob neuerdings zu
dem traurigen Auskuiiftsmittel der Verlängerung des jetzigen Rekrutenkontingentes
gegriffen werden solle. Se. Majestät haben, bevor über diese Frage Beschluß gefaßt
werde, gewünscht, die beteüigten Minister zu versammeln, um denselben genaue
Auskünfte über den Stand dieser so wichtigen Frage zu erteüen, da Allerhöchstdiesel-
ben nicht gewillt seien, für die aus der weiteren Beibehaltung des gegenwärtigen
Rekrutenkontingentes sich ergebenden Folgen allein die Verantwortung zu tragen. Se.
Majestät geruhen hierauf die Notwendigkeit der Erhöhung des Rekrutenkontingentes
darzulegen, welche Allerhöchstdieselben durch den Hinweis auf die Nachteile begrün¬
den, die sich aus dem den Zweck derselben weit überschreitenden Anwachsen der
Ersatzreserve für die Friedenstätigkeit der Truppen ergeben. Die Regimenter seien
kaum mehr imstande, die Ausbüdung der Rekruten, der präsenten Mannschaften, der
zu den Waffenübungen einrückenden Reservisten und der stetig steigenden Zahl von
Ersatzreservisten in befriedigender Weise zu besorgen. Dieser unverhältnismäßig
großen Zahl von Ersatzreservisten stünden zu geringe Präsenzstände bei den Regimen¬
tern gegenüber, welche durch Abgänge noch mehr herabgemindert würden. Noch
schlechter stehe es bei den Landwehren und ganz besonders bei der Marine, bei welcher
es, infolge des Mangels an Mannschaften, schon so weit gekommen sei, daß jede
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministermt, Wien, 29.11.1901  zn

Indienststellung von Schiffen für die Marineverwaltung eine gewisse Verlegenheit mit
sich bringe, unter welcher der laufende Dienst in Pola zu leiden habe.

   Abgesehen davon aber, daß das jetzige Rekrutenkontingent für die bereits bestehen¬
den Truppenkörper nicht mehr ausreiche, sei die Erhöhung desselben im Hinblicke auf
die in Aussicht stehende Reorganisation der Artillerie ganz unumgänglich notwendig.
Die aus den geschilderten Verhältnissen sich ergebenden Übelstände würden sich bei
einer notwendig werdenden Mobüisation in der verhängnisvollsten Weise fühlbar
machen, so daß ein Krieg für die Monarchie gleichbedeutend mit einer Katastrophe
sein würde. Eine Folge der absolut ungenügenden Entwicklung der Wehrmacht sei, daß
die äüßere Politik nicht mit der den Interessen und der Großmachtstellung der Mon¬
archie entsprechenden Energie, sondern mit übergroßer Vorsicht geführt werden
müsse. Dies gelte ganz besonders bezüglich der Lage auf dem Balkan, wo sich die
Leitung der äußeren Politik der Monarchie die größte Zurückhaltung auferlegen
müsse. Die Aufmerksamkeit der Konferenzteünehmer auf diese Umstände zu lenken,
habe Se. Majestät für unerläßlich angesehen. Se. Majestät geruhen sodann an die
Konferenzteünehmer die Aufforderung zu richten, sich in einer von Allerhöchstdensel¬
ben bestimmten Reihenfolge zum Gegenstände der Beratung zu äußern.

    Dieser Ah. Aufforderung nachkommend, bittet zunächst der k. u. k. Chef
des Generalstabes FZM. v. Beck seine Ansichten in nachfolgender
Weise darlegen zu dürfen. Die Gründe, welche denselben veranlaßt haben, schon
fast vor einem. Jahrzehnte nach vielfältiger Rücksprache mit dem verewigten Feld¬
marschall Erzherzog Albrecht1 die ersten Anträge für die Erhöhung des Rekru-
 tenkontingentes und für den Ausbau der Wehrmacht zu stellen und seither diese
Anträge bei jeder sich ergebenden Gelegenheit zu wiederholen beziehungsweise
 auf deren unbedingte Notwendigkeit im Interesse der GroßmachtsteUung der
 Monarchie hinzuweisen, liegen in der müitärpolitischen Lage der Monarchie und
 in jener der übrigen Großmächte Europas.2 Die seit Jahrzehnten bestehende und
 nunmehr festgewurzelten Bundesverhältnisse seien auf die gegenseitige Ausbalan¬
 cierung der militärischen Machtmittel basiert, und nur zu häufig habe man Gele¬
 genheit gehabt wahrzumehmen, wie jeder mflitärische Fortschritt auf der einen
 Seite die erhöhten Maßnahmen auf der anderen Seite zur Folge hatte.

    Während in diesem Wettkampfe Frankreich durch die jährliche Aushebung von
 255 000 Rekruten mit seinem Menschenmaterial an der Grenze militärischer Leistungs¬
 fähigkeit angelangt, Deutschland mit der jährlichen Rekrutenzahl von 282 000 Mann
 diesem Maximum der Leistungsfähigkeit sehr nahe gerückt sei, und Rußland, über ein
 enormes Menschenmaterial verfügend, Ehrlich 327000 Rekruten einsteüe und zur
 Erhöhung seiner Machtmittel kein Geldopfer gescheut habe, sei die Monarchie durch
 das starre System der für ein Dezennium festgesetzten Rekrutenquote gezwungen

1 ErzherzogAlbrecht Friedrich Rudolf (1817-1895).
2 Dergemeinsame Ministerrat beriet bereits 1893 die Erhöhung des Rekrutenkontingents: GMR v. 28.3.1893,

     GMCZ. 379 HHSrA., PA. XL,&#39; Karton 296. Vgl. ferner die Abschrift einer Note des gemeinsamen
    Kriegsministers v. 11. 1. 1893, ebd., PA, I, Karton d56,XI-19/CdM. Beratung im Kriegsministerium zur
     Vorbereitung dieses Ministerrates: KA., KM., Präs. 261/8/1901.
<pb/>272  Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901

gewesen, die Zahl sowie den Umfang ihrer Formationen unverändert beizubehalten, und
habe nur Verbesserungen qualitativer Natur in jenem engbegrenzten Umfange durch¬
führen können, als es die volle Inanspruchnahme des Rekrutenkontingentes und die
durch das Wehrgesetz gewährte minimale militärische Ausbüdung der Ersatzreserve
möglich erscheinen ließen.3 Eine natürliche Konsequenz hievon war, daß das noch
anfangs der 90er Jahre bestandene müitärische Machtverhältnis gegenüber den übrigen
Großmächten Europas sich wesentlich zuungunsten Österreich-Ungams geändert
habe, während dessen militärpolitische Lage im allgemeinen dieselbe geblieben sei. Und
gerade in letzterer Beziehung möchte Redner noch auf die sich langsam aber stetig
unsicherer gestaltenden Verhältnisse auf dem Balkan hinweisen, aus welcher plötzlich
Komplikationen entstehen können, die eine Ausbildung müitärischer Kräfte seitens der
Monarchie erfordern. Die Rückwirkung einer solchen Aktion auf das Verhältnis Öster¬
reich-Ungams zu Rußland dürfte auf diplomatischem Wege kaum auszugleichen sein,
zumindest dürfte hierbei trotz des besten WUlens der in Betracht kommenden Regie¬
rungen nicht unter allen Verhältnissen auf sie gerechnet werden können.

   Ob die Monarchie in einer solchen oder ähnlichen Lage durch die Macht der
Verhältnisse nicht gezwungen sein wird, sich die Freiheit des Handels in einer Weise
zu wahren, welche in den Bündnisverträgen nicht vorgesehen ist, möchte Redner aus
dem Bereiche der Wahrscheinlichkeit nicht ausschließen. Mag man die politische Lage
der Monarchie wie immer ansehen, so wird man die Tatsache nicht leugnen können,
daß die Bewertung der eigenen Stärke für die internationale Stellung der Monarchie
und die Führung der äußeren Politik von ausschlaggebender Bedeutung ist, und daß
die militärische Erstarkung der übrigen Großmächte geeignet erscheint, der Monarchie
bei der Lösung politischer Fragen nicht jene Stellung einzuräumen, welche ihr
zukommt, wodurch innerhalb derselben ein Mangel an Vertrauen in die eigene Kraft
nur allzu leicht wachgerufen werden könne. Solle also die Monarchie auf ihre bisherige
Stellung als Großmacht in der Zukunft nicht verzichten, so dürfe die Fortentwicklung
ihrer militärischen Machtmittel hinter jener der übrigen Großmächte nicht allzusehr
Zurückbleiben, auch müsse das taugliche Menschenmaterial im zulässigen Rahmen der
finanziellen Leistungsfähigkeit der Monarchie zum Militärdienste intensiver herange¬
zogen, daher in der Ausgestaltung der Wehrmacht fortgeschritten werden. Mit den
vorstehenden Ausführungen habe Redner einerseits auf den Stülstand hinweisen
wollen, der in der Entwicklung der Wehrmacht Österreich-Ungams eintreten mußte,
und andererseits die dringende Notwendigkeit einer baldigen Abhilfe darlegen.

   Die vom Kriegsministerium ausgegebenen Hefte enthalten die Vorschläge für die
Erhöhung des Rekrutenkontingentes und für den Ausbau der Wehrmacht samt den
notwendigen Begründungen, und Redner könne dieselben als bekannt voraussetzen.4 In

3 Das Wehrgesetz - im Sinne desAusgleiches vom Jahre 1867 das diejährliche Höhe der Rekrutenzahlfiir

    zehn Jahrefeststellte. In dem von uns untersuchten Zeitraum galt das Wehrgesetz v. 11. 4.1889, RGBl. Nr.

    41/1889 bzw.11.4.1889, GA. VI/1889. §14 lautet: Die Höhe der vorstehend festgesetzten Rekrutenkontin¬
    gente hat für zehn Jahre zu gelten.
4 Krieghammeran die beiden Landesverteidigungsministerv. 15.11.1901, KA., KM., Präs. 26-1/7/1901. Hier

    geht es um den 1889gestellten Antrag des Kriegsministersfür die Heeresvermehrung. Vgl. GMRProt. v. 29. 6.
     1899, GMCZ. 415, Anm. 1.
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diesen Vorschlägen fand die finanzielle Lage der Monarchie weitestgehende Berück¬
sichtigung, der noch im Jahre 1895 als notwendig erkannte und heute noch ebenso
notwendige Umfang für den Ausbau des Heeres sei in Anbetracht der seither hinzuge¬
tretenen Unabweislichkeit für die Neubewaffnung der Feldartillerie reduziert worden
und bleibe späteren, außerhalb des nächsten Dezenniums liegenden Zeiten Vorbehalten.

   Nur in einem Punkte - in der Heranziehung des für den Kriegsdienst tauglichen
Menschenmateriales - habe man unter ein gewisses Minimum nicht herabgehen können,
denn niemand vermöge die schwere Last der Verantwortung auf sich zu laden, in Zeiten,
in denen um die Existenz der Monarchie werde gerungen werden, infolge Mangels an
Friedenskadem kriegsbrauchbare, aber müitärisch nicht ausgebildete Mannschaften zu
Hause lassen zu müssen, was heute schon bei mehreren Infanterieregimentem der Fall
sei, deren Grundbuchstände 8, 10, ja bis zu 12 000 Mann erreicht hätten. Solche Ver¬
säumnisse im Frieden und übel angebrachte Sparsamkeit würde die Geschichte dereinst
herb verurteilen, sie würden aber auch den Völkern in ihrer Existenz teurer zu stehen
kommen als jene Anforderungen, welche dermalen nur sukzessive gestellt werden.

   Weder Kleinmut noch ein Zweifel in die eigene Kraft hätten Redner diese Erwägun¬
gen in den Mund gelegt, er habe seit Jahrzehnten durch die Ah. Gnade Sr. Majestät die
Gelegenheit gehabt, an der Erweiterung und Vervollkommnung der militärischen Kraft
der Monarchie tätig mitzuarbeiten und sei mit allen Fasern des vaterländischen müitä-
rischen Organismuszu sehr verwachsen, als daß er die Vorzüge der bewaffneten Macht
der Monarchie nicht würdigen und den felsenfesten Glauben nicht hegen könnte, daß
sie in der Stunde der Entscheidung die Feuerprobe ruhmvoll bestehen und das Ver¬
trauen rechtfertigen wird, welches Se. Majestät der Kaiser und König und die Monar¬
chie in sie gesetzt haben. Redner sei aber auch in der Lage gewesen, seit Jahrzehnten
die Entwicklung der müitärischen Organisation fremder Staaten zu beobachten, und
seine Stellung bürdet ihm die ernste Pflicht auf, aus dem daraus resultierenden Kräfte¬
verhältnisse Schlußfolgerungen auf die Notwendigkeit der Hebung der eigenen Kraft
zu ziehen. Redner könne die Versicherung geben, daß ihn bei diesen ernsten Erwägun¬
gen keine einseitigen, etwa einen übertriebenen Müitarismus anstrebenden Gesichts¬
punkte geleitet haben. Die Erfüllung der gestellten Forderungen sei auf eine lange
Reihe von Jahren ausgedehnt, ihre Höhe liege gewiß im Rahmen der finanziellen
Leistungsfähigkeit der Monarchie. Redner glaube auch noch hinzufügen zu können,
daß dieselbe für die Öffentlichkeit keine Überraschung zu bieten vermöge, was sowohl
aus der Presse als auch aus seinemVerkehr mit Persönlichkeiten in den verschiedensten

Teüen der Monarchie hervorgehe.
    Wenn Redner also den anwesenden Ministern den Emst der militärpolitischen

Situation der Monarchie in so vorurteüsfreier Weise vor Augen geführt habe, so knüpfe
er daran die Bitte, dieselben mögen in weiser Abwägung der innerpolitischen sowie
finanziellen Lage was immer beschließen, nur einen Beschluß möchten sie nicht fassen,
daß das Heer, die Kriegsmarine und die Landwehren mit ihren bisherigen Rekruten¬
kontingenten auch weiterhin das Auslangen finden müssen, denn damit würde die
Möglichkeit jeder Fortentwicklung abgeschnitten, und der seit Jahren dauernde Still¬
stand müßte sich zu einem Rückschritte gestalten, wozu nach Ansicht des Redners von

allen Herren niemand die Hand bieten möchte.
<pb/>274  Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901

    Es erbittet sich hierauf der k.u.k gemeinsame Minister des Äußern
Graf Gotuchow ski das Wort, um auszuführen, daß er den so klaren und
zutreffenden Darlegungen, mit welchen Se. Majestät die aus dem gegenwärtigen unge¬
nügenden Stande der Wehrmacht der Monarchie resultierenden Gefahren beleuchtet
habe, eigentlich kaum noch etwas hinzuzufügen wüßte. Wenn er sich gleichwohl zum
Worte gemeldet habe, so geschehe dies, weü er sich für verpflichtet halte, auf einen
bisher nicht zur Sprache gebrachten Punkt hinzuweisen, welcher die größte Beachtung
verdiene. Es sei dies die Rückwirkung, welche ein weiteres Zurückbleiben der Entwick¬
lung der Wehrkraft der Monarchie auf deren Bundesverhältnisse möglicherweise haben
könnte. In dieser Beziehung könne man sich leider nicht verhehlen, daß diese Rückwir¬
kung eine äußerst nachteUige zu werden drohe. Denn nur dann, wenn die Monarchie
stark und wohlgerüstet dastehe, werde sie für ihre Bundesgenossen von Wert sein. Im
entgegengesetzten Falle sei die Gefahr keineswegs ausgeschlossen, daß die mit der
Monarchie im Dreibunde vereinigten Mächte vielleicht einer anderen Kombination
zuneigen würden, aus welcher sie sich größere Vorteüe versprechen. Deshalb sei den
Gerüchten, wonach Deutschland eine Annäherung an Frankreich suche, keineswegs
jede innere Wahrscheinlichkeit abzusprechen, und seien dieselben durchaus nicht ganz
leicht zu nehmen, da man bei der großen Animosität, welche in letzterem Lande gegen
England herrsche, keineswegs wissen könne, ob dieses Gefühl nicht einmal über den
Revanchegedanken die Oberhand gewinnen und infolgedessen eine Gruppierung ein-
treten könnte, welche die Hilfe der Monarchie für Deutschland überflüssig erscheinen
ließe.5

   Was das Verhältnis zu Rußland betrifft, wolle Redner keineswegs in Abrede stellen,
daß die Monarchie mit dieser Macht eine gewisse Fühlung unterhalte, aber auch diese
werde erleichtert werden, wenn Österreich-Ungam müitärisch mächtig sei und dies
Rußland zum Bewußtsein gebracht werde.

   Nachdem Se. k.u. k. apost Majestät, anknüpfend an diese Ausführungen,
zu bemerken geruht haben, daß die Monarchie selbst beim Fortbestände der gegenwär¬
tigen Bündnisverhältnisse in Balkanfragen nicht auf ihre Bundesgenossen zählen könne,
möchte sich der k.u.k. gemeinsame Minister dfesÄußern GrafGo-
luchowski dahin äußern, daß er von der Aufrechterhaltung des Dreibundes nur
dann überzeugt sein könne, wenn die Armeeverhältnisse der Monarchie die so nötige
Ausgestaltung erfahren. Die beiden Regierungen müßten sich daher von dem Bewußt¬
sein durchdringen, daß der Ausbau der Wehrmacht das erste und unerläßlichste
Bedürfnis der Monarchie sei, vor welchem andere Anforderungen unbedingt zurück¬
zutreten hätten. Wenn man sich dies während der letzten fünf bis sechs Jahre stets
gegenwärtig gehalten hätte, wäre man mit manchen minder nützlichen Ausgaben
weniger freigebig gewesen und hätte die hiefür in überflüssiger Weise aufgewendeten
Summen jetzt für Heereszwecke zur Verfügung. Redner betont noch, wie wünschens¬
wert es sei, daß die Bevölkerung davon unterrichtet werde, daß seitens der beteUigten

s Zur Lockerung des Dreibundes, insbesondere zu den innenpolitischen und diplomatischen Gründen der
     Verschlechterung des österreichisch-deutschen Verhältnisses vgl. Bridge, From Sadowa to Sarajevo 249-
     255.
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901  275

Faktoren auf eine Reorganisation des Heeres hingearbeitet werde. Die Verantwortung
in dieser Beziehung müsse nicht nur von den Regierungen, sondern auch von den
Parlamenten getragen werden, jedenfalls aber müsse verhindert werden, daß die Aus¬
gestaltung des Heeres abermals auf unabsehbare Zeit verschoben werde.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.
Krieghammer glaubt sich angesichts der Ausführungen der Vorredner darauf
beschränken zu dürfen, die unbedingte Notwendigkeit der ehebaldigen Erhöhung des
Rekrutenkontingentes im Hinblicke aufdie geplante Reorganisation der Artillerie nach-
drücklichst zu betonen. Jedenfalls müsse Redner darauf bestehen, daß ihm die nötige
Zahl von Rekruten zur Verfügung gestellt werde, damit die unerläßliche Aufstellung der
Haubitzen- und Gebirgsbatteriedivisionen ehestens erfolgen könne. Redner gestattet
sich aauszuführen, daß alle Staaten diese Waffe für den Feldkrieg bereits eingeführt
haben, weü sie für die jetzige Kampfweise, in welcher Deckungen aller Art angewendet
werden müssen, unentbehrlich ist. Dieses Axiom ist die Überzeugung aller Armeen, und
ihr diese Waffe vorenthalten, heißt geradezu, ihr das Vertrauen in die eigene Schlagfer¬
tigkeit nehmen.8 Um die Ausrüstung des Heeres mit den erwähnten Batteriedivisionen
zur Durchführung bringen zu können, benötige Redner eine Steigerung der fortlaufen¬
den Ausgaben seines Budgets um 6 207 800 Kr. und ein einmaliges Erfordernis von 38
Millionen Kronen. Da überdies die Durchführung dieser Maßnahmen so dringend sei,
daß kein Kriegsminister die Verantwortung für deren Hinausschiebung auch nur für
Monate zu tragen vermöge, so bedürfe Redner auch schon für 1902 eine Quote dieser
fortlaufenden Ausgaben, welche sich mit 1 551950 Kr. beziffere. Auch werde Redner
sich anläftlif-.h der Inanspruchnahme des erwähnten einmaligen Erfordernisses bemü¬
ßigt sehen, überhaupt die gesamte, für dieArtilleriereorganisation sowiefür die Beschaf¬
fung des neuen Artilleriematerials erforderliche einmalige Summe (178 Mülionen
Kronen) in Anforderung zu bringen. Dies halte Redner für seine Pflicht gegenüber Sr.
Majestät, welche er, den Parlamenten die Verantwortung für die eventuelle Ablehnung

dieser Forderungen überlassend, unbedingt erfüllen müsse.
    Der kk. Landesverteidigungsminister FZM. GrafWelsers-

h e i m b möchte sich erlauben, seiner Meinung dahin Ausdruck zu geben, daß,
nachdem die Notwendigkeit der Ausgestaltung des Heeres von Sr. Majestät und auch
vom Standpunkte des Ministers des Äußern wie der Heeresleitung in klarer und
eingehender Weise dargelegt worden sei, den Landesverteidigungsministem vom mili¬
tärischen Standpunkte nur mehr wenig zu sagen erübrige. Da dieselben jedoch zugleich
auch Mitglieder der Regierungen seien, erbittet Redner sich die Erlaubnis, seine
Ausführangen erst nach den beiden Ministerpräsidenten verbringen zu dürfen.

    Se. k.u.k. apost. Majestät geruhen hierauf dem kgl. ung. Landesverteidi¬
gungsminister FZM. Freiherrn v. Fejerväry das Wort zu erteüen,

welcher erklärt, sich nur gänzlich dem anschließen zu können, was von Sr. Majestät
 sowie vom k u. k gemeinsamen Minister des Äußern zur Begründung der Notwendig-

a-a Korrektur Krieghammers aus auf die eminente Wirkung der Haubitzen hinzuweisen und zu bemerken,
      daß von der Einführungdieserdie Überlegenheit sichernden Waffe geradezu das Vertrauen derArmee

      in ihre Schlagfertigkeit abhänge.
<pb/>276  Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901

keit des Ausbaues der Wehrmacht vorgebracht worden sei, indem niemand leugnen
werde, daß Verhältnisse eintreten könnten, welche die weitere Hinausschiebung dieser
Ausgestaltung äußerst bedenklich erscheinen lassen würden. Es frage sich eben nur, ob
die Möglichkeit, die Mittel für die von der Kriegsverwaltung geplanten Maßnahmen
aufzubringen, vorhanden sei oder nicht. Hierüber Klarheit zu schaffen und sich zu
äußern, obliege den beiden Regierungen.

   Der kg 1. ung. Ministerpräsident v. Szell gestattet sich seinerAnsicht
dahin Ausdruck zu geben, daß vom militärischen Standpunkte die Frage der Ausgestal¬
tung der Wehrmacht aufgrund der Erhöhung des Rekrutenkontingentes durch die
Stellungnahme Sr. Majestät entschieden sei, und ebenso seien die einschlägigen Aus¬
führungen des Ministers des Äußern sowie des Generalstabschefs so klar und überzeu¬
gend, daß man sich denselben nicht verschließen und daß kein Zweifel darüber
bestehen könne, daß der Ausbau in Angriff genommen zu werden habe, sobald die
vorhandenen Mittel es gestatten.6 Redner glaubt, in diesem Zusammenhänge darauf
hinweisen zu dürfen, daß er bereits in die letzte Thronrede einen auf die Feststellung
des Rekrutenkontingentes im Rahmen des Wehrsystems bezüglichen Passus aufgenom¬
men habe.7 Es handle sich nur darum, ob an die von der Kriegsverwaltung geplante
Ausgestaltung der Wehrkraft bereits im Jahre 1902 geschritten werden solle, und in
dieser Beziehung möchte Redner die dringende Bitte Vorbringen dürfen, daß dermalen
im Hinblicke auf die so ungünstige finanzielle Lage von den Parlamenten lediglich die
Verlängerung des jetzigen Rekrutenkontingentes für ein Jahr angesprochen werde. Die
Festsetzung des erhöhten Rekrutenkontingentes solle gewiß nicht für lange, sondern
nur für die Zeit der größten wirtschaftlichen Depression und bis sich die Steuerkraft
des Landes wieder gehoben haben werde, hinausgeschoben werden.bEs handelt sich
nach zehn Jahren tun eine Mehrbelastung jährlicher ständiger 64 Millionen Kronen für
das ungarische Budget. Die wirtschaftliche und finanzielle Misere, die heute besteht,
läßt eine so große Mehrbelastung nicht zu.b Es bedürfe nur wieder eines guten Jahres,
damit die Bevölkerung Zuversicht schöpfen könne. Dann werde sich die Sache auch
nicht allzu schwer durchführen lassen, während dieselbe, in einem ungünstigen
Momente aufs Tapet gebracht, leicht dauernd kompromittiert werden könnte. Sehr viel
hänge eben von der Wahl des geeigneten Zeitpunktes für die Einleitung der Aktion ab.
Übrigens liege in der Anforderung der Verlängerung des jetzigen Rekrutenkontingen¬
tes für ein Jahr implizite die Anerkennung, daß es sich da nur um einen provisorischen
Zustand handle. Wenn die Vorlage betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer

b&quot;h Einfügung Szills.

6 Es trifft selbstverständlich nicht zu, daß nach der Stellungnahme des Kaisers und dergemeinsamen Minister
     in diesem Sinne die Frage der Erhöhung des Rekrutenkontingents bereits entschieden gewesen wäre. Das
    Recht, die Erhöhung des Rekrutenkontingents zu billigen, stand den beiden Parlamenten zu, wie dies auch
    aus den weiteren Ministerberatungen hervorgeht. Siehe ferner Protokoll der Konferenz am 21. 9. 1901
    betreffend die Einbringung des Gesetzentwurfes über das neue Rekrutenkontingent, KA., KM., Präs.
    26-1/8/1901.

7 Die Thronrede v. 28. 10. 1901, Az 1901. £vi oktöber hö 24-£re hirdetett orszAggyülös k6pvi-
    SELÖHÄZÄNAK IROMÄNYA1, Bd. 1 1-4.
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901                                      211

des jetzigen Rekrutenkontingentes im Parlamente zur Diskussion stehen werde, werde
sich die Gelegenheit bieten, auf die Notwendigkeit der seinerzeitigen Erhöhung dessel¬
ben hinzuweisen und dieselbe in plausibler Weise durch die Darlegung der aus dem
unverhältnismäßigen Anwachsen der Ersatzreserve für die Wehrmacht der Monarchie
sich ergebenden schweren Nachteüe zu motivieren.

   Der k. k. Ministerpäsidentv. Koerber erlaubtsich, seinenAusführun¬
gen die Bemerkung voranzuschicken, daß er wohl nicht erst besonders zu betonen
brauche, daß die k. k. Regierung jene Argumente vollauf würdige, welche zugunsten
des Ausbaues der Wehrmacht vorgebracht worden seien, wie dieselbe denn überhaupt
von der Notwendigkeit der Durchführung der hierauf abzielenden Maßnahmen auf¬
richtig überzeugt sei. Diese Überzeugung überhebe Redner jedoch nicht der Notwen¬
digkeit, mit den gegebenen Verhältnissen zu rechnen und daher die Frage der
Durchführbarkeit der ganzen Angelegenheit sowohl vom innerpolitischen als auch vom
finanziellen Standpunkte zu prüfen. In ersterer Beziehung könne Redner nur lebhaft
bedauern, daß die Frage betreffend die Ausgestaltung der Wehrmacht nicht zu einer
Zeit in Angriff genommen worden sei, als die innerpolitischen Verhältnisse noch
günstiger lagen. Die mnerpolitische Situation sei in den letzten Jahren immer schlechter
geworden, so daß Redner befürchten müsse, im Parlamente mit einer die Erhöhung des
Rekrutenkontingentes bezweckenden Vorlage auf Widerstand zu stoßen. Hieran würde
der gute Wille, von dem die Regierung beseelt sei, nichts zu ändern vermögen. Bei dem
geringen Verantwortlichkeitsgefühle der gegenwärtigen Volksvertretung würde diesel¬
be die Verantwortung für die Ablehnung einer solchen Vorlage ohne viele Bedenken
auf sich nehmen. Was die finanzielle Seite der Frage betreffe, so könne leider nicht in
Abrede gestellt werden, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zeit ungünstig seien.
Nichtsdestoweniger habe der k. k. Finanzminister die Grenze bezeichnet, bis zu welcher
den Plänen der Kriegsverwaltung bereits in der nächsten Zeit Rechnung getragen
werden könnte.8 Redner möchte übrigens auch darauf aufmerksam machen, daß es
schwer sein würde, ein erhöhtes Rekrutenkontingent anzufordern, ohne dem Pariamen-
te zugleich auch Mitteüungen über die intendierte Ausgestaltung des Heeres und die
daraus erwachsenden Kosten zu machen. Im Hinblicke auf die innerpolitische und
finanzielle Lage glaube Redner, sich dahin aussprechen zu sollen, daß von den Parla¬
menten lediglich die Verlängerung des jetzigen Rekrutenkontingentes auf ein Jahr
anzufordem wäre, wobei Redner es jedoch als wünschenswert erachtet, daß von
berufener Seite auf die Notwendigkeit dieser erhöhten Anforderung hingewiesen
werde, damit die Öffentlichkeit nach und nach auf eine solche Maßnahme vorbereitet
werde. Redner schließt mit der Erklärung, daß er angesichts der jetzt nicht vorauszu¬
bestimmenden Entwicklung der innerpolitischen Situation sich nicht in der Lage sehe,

mit einem konkreten Vorschläge hervorzutreten.
    Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs gestattet sich, den Ausfüh-

rungen der beiden Ministerpräsidenten zuzustimmen und daran zu erinnern, daß er in
der letzten, demselben Beratungsgegenstande gewidmeten gemeinsamen Ministerkon-

8 Der k. k. Finanzminister an Krieghammer v. 28.3.1901, KA., KM,, Präs. 37-2/3/1901.
<pb/>278  Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901

ferenz erklärt habe,9 daß er sowie seine Ministerkollegen angesichts der unvollkomme¬
nen Entwicklung der Wehrmacht von demselben Gefühle der Verantwortlichkeit
durchdrungen seien, wie die zunächst beteiligten militärischen Minister. Redner halte
die Heeresausgaben nicht für so unproduktiv, wie sie allgemein angesehen werden, und
wenn er in der Frage der Ausgestaltung des Heeres bisher einen düatorischen Stand¬
punkt einzunehmen genötigt gewesen sei, so sei für ihn die Besorgnis maßgebend
gewesen, daß die Finanzen des Staates eine solche Belastung kaum zu tragen imstande
sein werden, wie sie sich notwendigerweise aus der Durchführung der von der Heeres¬
verwaltung geplanten Maßnahmen ergeben würden, und wodurch das ungarische
Budget in zehn Jahren mit einer Summe von 64 Millionen Kronen ständig belastet
werden würde. Die Mehrbelastung würde sogar schon nach sechs Jahren eintreten, da
die für die Ausgestaltung der Landwehr ins Auge gefaßten Maßnahmen programmge¬
mäß bereits in sechs Jahren durchgeführt sein würden. Redner könne nicht umhin, vor
einer zu großen Belastung der Staatsfinanzen zu warnen, da ein finanzieller Zusammen¬
bruch herbeigeführt werden könnte, dessen Folgen nicht weniger verheerend sein
würden, als die eines unglücklichen Krieges. Redner sei sich im Momente noch nicht
klar darüber, aus welchen neuen Einnahmsquellen die zur Durchführung des Program¬
mes der Kriegsverwaltung erforderlichen großen Summen beschafft werden könnten,
da an die Einführung neuer Steuern im Hinblicke auf die ungünstige wirtschaftliche
Lage nicht zu denken sei. Es werde daher zu diesem Zwecke wahrscheinlich zur
Einführung von Staatsmonopolen geschritten werden müssen, und sei Redner im
Begriffe, diese Frage mit dem k. k. Finanzminister zu studieren. Abgesehen davon
würde aber auch die Beschaffung jener Summen große Schwierigkeiten bereiten,
welche als einmaliges Erfordernis in Anspruch genommen werden sollen. Die Lage des
internationalen Geldmarktes würde die Aufnahme einer Anleihe im Auslande aus
verschiedenen Gründen nicht tunlich erscheinen lassen, weshalb man genötigt sein
würde, an den inländischen Markt zu appellieren. Redner zweifelt nicht, daß es möglich
sein werde, in Österreich eine Anzahl von Millionen unter drückenden Bedingungen
aufzunehmen, für Ungarn werde die Sache jedoch dadurch erschwert, daß die ungari¬
schen Staatspapiere in Österreich disparitätisch behandelt würden. Da das Programm
für die Ausgestaltung des Heeres auf zehn Jahre berechnet sei, wäre allerdings die
Möglichkeit geboten, in einem späteren Zeitpunkte an den ausländischen Markt her¬
anzutreten, auf welchem jedoch nur eine Goldanleihe negoziiert werden könne, was
wieder die Durchführung der Valutaregulierung zur Voraussetzung haben müßte. Bei
dieser Sachlage werde die Durchführung der Heeresorganisation jedenfalls bis zu dem
Augenblicke verschoben werden müssen, wo eine Besserung der ökonomischen Situa¬
tion eingetreten und damit die Aussicht auf die Erschließung neuer Einnahmsquellen
gegeben sein werde.

   Der k.k. Finanzminister Ritter Böhm v. Bawerk möchte seiner
Ansicht dahin Ausdruck geben, daß auch für ihn nicht weniger als für sämtliche
Vorredner die Notwendigkeit der von der Kriegsverwaltung geplanten Heeresausge-

9 Im GMR. v. 29. 6.1899, GMCZ. 415, spricht Lukdcs von den finanziellen Hindernissen des Ausbaus der
    Wehrmacht; im GMR. v. 15.11.1899, GMCZ. 417, gibt Lukdcs keine Erklärung ab.
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901                279

staltung über jeden Zweifel erhaben sei. Die Sache hänge jedoch nicht von dem guten
Willen eines einzelnen Ministers oder der Regierung ab, sondern von den Parlamenten.
Deshalb sei es wichtiger, die ganze Aktion unter Mitwirkung der Parlamente einer
gedeihlichen Lösung zuzuführen, als sich mit denselben in die Verantwortung für das
eventuelle Scheitern der Angelegenheit zu teüen, was nur ein sehr schwacher Trost
wäre. Mit Rücksicht darauf dürfe an die Parlamente nur in einem solchen Zeitpunkte
herangetreten werden, wo die Durchführung des Projektes gesichert erscheine. Nach
Ansicht des Redners müßte, wem die Vorlage betreffend die Erhöhung des Rekruten-
kontingentes den Parlamenten vorgelegt werde, denselben auch Mitteüungen über die
beabsichtigte Ausgestaltung des Heeres sowie über die damit verbundenen Kosten
gemacht werden, damit die Abgeordneten aus der verlangten Erhöhung des Rekruten¬
kontingentes um ungefähr die Hälfte zu keinen falschen Berechnungen bezüglich der
Kosten verleitet und infolgedessen am Ende kopfscheu würden.

   Se. k.u. k. apost Majestät geruhen auf diese letztere Äußerung des k. k.
Finanzministers mit der Bemerkung zu reflektieren, daß solche Eröffnungen den
Parlamenten jedenfalls nur ganz beüäufig gemacht zu werden hätten, da die Frage der
Bewilligung der Armeeauslagen vor die Delegationen gehöre.

    Der k.k. Finanzminister Ritter Böhm v. Bawerk gestattet sich,
weiters auf die große fortlaufende Belastung hinzuweisen, welche für das österreichi¬
sche Budget aus der Durchführung der Heeresausgestaltung erwachsen würde, und für
welche das Budget nicht elastisch genug sei. Redner müsse daher vorschlagen, daßcder
Ausbau der Heeresmacht0 seinerzeit nicht auf einmal, sondern etappenweise angefor¬
dert werden möge, wodurch auch eine entsprechendere Verteilung der Kosten erzielt

werden würde.
    Se. k.u. k. apost. Majestät geruhen diesem Vorschläge des k. k. Finanzmi¬

nisters gegenüber zu konstatieren, daß die drei militärischen Minister übereinstimmend
der Ansicht seien, daß die Erhöhung des Rekrutenkontingentes auf einmal anzuspre¬

chen sein werde.
    Der k.k. Finanzminister Ritter Böhm v. B awerk bittet um die

Erlaubnis, seine vorhin gegebene Anregung dahin erläutern zu dürfen, daß er damit
nicht die sukzessive Anforderung des erhöhten Rekrutenkontingentes, sondern ledig¬

lich dessen etappenweise Ausnützung gemeint habe.
    Se. k. u. k. apost Majestät geruhen nach dieser Aufklärung die erwähnte

Anregung des k. k. Finanzministers als diskutierbar zu bezeichnen, da man ja nicht
gezwungen sei, das Rekrutenkontingent voll auszunützen, anderseits aber doch Mann¬
schaften zur Verfügung haben würde, welche zu dreijähriger Präsenzdienstzeit ver¬

pflichtetwären.
    Der k.k. Landesverteidigungsminister FZM. GrafWelsers-

 h e i m b gestattetsich, aufdieüberdieFragedes Ausbaues der Wehrmacht in früheren
Jahren gepflogenen Beratungen hinzuweisen und hervorzuheben, daß in dieser Ange¬
 legenheit seit dem Jahre 1896 mit dem Heeresrahmen kein Schritt vorwärts gemacht
worden sei. Das Ergebnis zahlloser Konferenzen sei immer dasselbe geblieben: prinzi-

C-C Korrektur Böhms aus die Erhöhung des Rekrutenkontingentes.
<pb/>280  Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901

pielle Anerkennung der Notwendigkeit, anderseits aber Verschiebung des Vorgehens
,,auf bessere Zeiten&quot;. Auch heute sei dieser Standpunkt wieder zum Ausdrucke ge¬
bracht worden. Redner möchte daran erinnern, daß im Jahre 1896 ein Programm für
die Ausgestaltung des Heeres Vorgelegen sei, welches ausgedehnter war als das jetzige.10
Damals sei allerdings ohne Teilnahme der beiden Landesverteidigungsminister ein
gemeinsamer Ministerratsbeschluß zustande gekommen, demzufolge der Perfektionie-
rung des Ausgleiches der Vorrang vor der Ausgestaltung des Heeres eingeräumt
worden sei.11 Redner habe damals seine warnende .Stimme, erhoben und seiner Besorg¬
nis über diesen Vorgang Ausdruck geliehen, worauf ihm im Schoße der k. k. Regierung
die bündige Versicherung zuteil geworden sei, daß die Sache bestimmt im nächsten
Jahre werde durchgeführt werden. Seither seien fünf Jahre verloren gegangen, ohne
daß die so dringend notwendige Ausgestaltung des Heeres ihrer Realisierung wesent¬
lich näher gerückt wäre. Angesichts dieser Sachlage müsse Redner die Frage stellen,
ob denn, nach den gemachten Erfahrungen, begründete Aussicht vorhanden sei, daß
die Verhältnisse sich in absehbarer Zeit so bessern werden, um eine weitere Verschie¬
bung zu rechtfertigen? Redner glaubt, daß diese Frage kaum werde bejaht werden
können. Was die finanziellen Verhältnisse anbelangt, seien dieselben seit dem Jahre
1896, infolge der für andere als Heereszwecke eingeführten weitgehenden Ausgaben,
nicht besser sondern viel schlechter geworden, und würden in Hinkunft für die einen
oder anderen Zwecke sicher zur Erschöpfung aller Mittel gelangen. Im Hinblicke
darauf sei es nötig, daß man vor allem zu einem klaren Entschlüsse darüber komme, in
welchem Umfange die Aktion überhaupt durchzuführen wäre, und dann entscheide,
wann und in welcher Weise diese Durchführung stattzufinden hätte. Es müsse Klarheit
darüber geschaffen werden, was im Falle, als das dermalige Programm für die Ausge-
staltung des Heeres nicht in seiner Gänze verwirklicht werden könnte, von den beiden
Regierungen als möglich angesehen werde. Redner erlaubt sich, in dieser Beziehung
aufdie zwischen dem k. u. k. gemeinsamen Kriegsministerund dem k. k. Finanzminister
stattgehabten Besprechungen hinzuweisen, in welchen seitens des letzteren die Grenze
angedeutet worden sei, bis zu welcher die Finanzverwaltung den Anforderungen des
Kriegsministeriums entgegenzukommen in der Lage wäre.12

   Das erhöhte Rekrutenkontingent müsse, wenn es dazu komme, jedenfalls in seiner
Gänze angesprochen werden, bei welcher Gelegenheit den parlamentarischen Vertre-
tungskörpem der beiden Staatsgebiete in großen Zügen Mitteüungen über die beab¬
sichtigteAusgestaltung des Heeres sowie über die daraus erwachsenden Kosten würden
gemacht werden können. Redner wäre für seinen Teü schon jetzt bereit, mit derVorlage
betreffend die Erhöhung des Rekrutenkontingentes an das Parlament heranzutreten.
Man könne nicht ewig darauf warten, daß die sofortige parlamentarische Erledigung
absolut gesichert erscheine; man werde einmal vergehen müssen und es erklärtermaßen
darauf ankommen lassen, daß das Unerläßliche mit oder ohne Parlament durchgeführt

10 GMRProt. v. 29. 8.1896, GMCZ. 393, und Beilage Nr. 4a ad GMCZ. 393. Vortrag des k.u.k. Chefs des
     Generalstabes.

11 GMR.V. 30. Ä 1896, GMCZ 394.
12 SieheAnm.&amp;
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901  281

werde, - was am wirksamsten sein wird. Man müsse endlich aus den platonischen
Diskussionen heraus zu positiven Entschlüssen und zu einem tatsächlichen Anfänge
kommen. Alle diese Erwägungen sich vor Augen haltend, möchte Redner nachstehende
Anträge stellen: ,,Die Regierungen hätten die Verpflichtung einer unverzüglichen
Beantwortung der unter Präs. Nr. 5968 erfolgten Mitteüungen des Reichskriegsmini¬
steriums zu übernehmen.13 Dabei wäre präzise zum Ausdrucke zu bringen, ob und
inwiefern die projektierte Festsetzung der Rekrutenkontingente sowie der Voranschlag
für die Ausgestaltung des Heeres zur Vertretung übernommen werden könnten -
beziehungsweisewelche Steigerung der Auslagen hiefür innerhalb einer gewissen Reihe
von Jahren, nach absehbarer Gestaltung der Finanzverhältnisse, in Aussicht genommen

zu werden vermöchte.
   Aufgrund der bezüglichen Schlußfassung wäre bereits im nächsten den Delegationen

vorzulegenden Voranschläge vorzugehen.
    TV^iigiiVh des Vorgehens mit der Rekrutenvorlage wäre Sr. Majestät ehetunlichst,

spätestens aber zu Ende des Frühjahres 1902, von den Regierungen Antrag stellend

Bericht zu erstatten.
    Für den Fall, als die projektierte Feststellung der Rekrutenkontingente für die

erforderliche Ergänzung der bewüligten Stände nicht rechtzeitig zustande kommen
sollte, hätten die Regierungen die Zusage für Anwendung des Gesetzesvom 3. Mai 1888
zu obigem Behufe auszusprechen, wonach, wenn besondere Verhältnisse es erfordern,
die drei jüngsten Jahrgänge der Ersatzreserve zur aktiven Dienstleistung beigezogen

werden können.&quot;14
    Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Golu-

c h o w s k i erbittet sich hierauf das Wort, um auszuführen, daß er die Besorgnis des
k. k. Finanzministers, daß die Parlamente dem Heeresreorganisationsprojekte wegen
der Kostenfrage Schwierigkeiten bereiten könnten, wenn ihnen diesfalls nicht genaue
Aufschlüsse gegeben würden, nicht zu teüen vermöge, da die Parlamente lediglich über
die Festsetzung des Rekrutenkontingentes zu beschließen hätten, wogegen die Frage
der Bewilligung der erforderlichen Mittel vor die Delegationen gehöre, welche ungleich

leichter zu behandeln seien.
    Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell möchte seiner Ansicht

 dahin Ausdruck geben dürfen, daß jede Regierung sich darüber klar sein müsse, ob sie
 die finanzielle Verantwortung für die von der Kriegsverwaltung geplante Heeresausge¬
 staltung übernehmen könne; sie müsse auch in der Lage sein, den Parlamenten ein
 klares Büd von der finanziellen Tragweite der durch diese Maßnahmen erwachsenden
 Lasten zu geben, da man an diese Vertretungskörper nicht so ohneweiters mit der

13 SieheAnm.4.
14 Gesetzv. 31.5.1888, RGBl. Nr. 77/1888 und GA. XVIII/1888, betreffend die ausnahmsweise Beiziehung

    von Reservemännem und Ersatzreservisten zur aktiven Dienstleistung im Frieden. §1. Die Mannschaft
    des ersten Jahrganges der Reserve sowie der drei jüngsten Assentjahrgänge der Ersatzreserve kann,
    wenn besondere Verhältnisse es erfordern, nach Maßgabe und auf die Zeit unumgänglichen Bedarfes
    über Befehl des Kaisers zur aktiven Dienstleistung beigezogen, jedoch nur insolange im Präsenzdienste
    belassen werden, als sie dem erwähnten Reservejahrgange beziehungsweise den genannten Assentjahr-

    gängen angehört.
<pb/>282  Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901

Anforderung eines erhöhten Rekrutenkontingentes herantreten könne. Jetzt seien die
Voraussetzungen hiefür jedenfalls nicht gegeben, da die Finanzminister dermalen nicht
imstande seien, den Parlamenten die beruhigende Zusicherung zu geben, daß diese
Lasten tatsächlich getragen werden können. Um dies zu ermöglichen, müßte man
vorerst auf die Erhöhung der Staatseinkünfte bedacht sein, in welcher Beziehung
Redner vornehmlich die Einführung von Staatsmonopolen, wie z. B. des Branntwein-
monopoles, im Auge habe.

    Se. k.u. k. aposL Majestät geruhen an diese letzte Äußerung des kgl. ung.
Ministerpräsidenten die Bemerkung zu knüpfen, daß dann jedenfalls vermieden
werden müsse, daß die neu geschaffenen Einnahmsquellen des Staates etwa wieder
anderen als müitärischen Zwecken zufließen. Se. Majestät geruhen weiters dem Vor¬
schläge des k. k. Landesverteidigungsministers beizupflichten und darauf zu dringen,
daß endlich einmal mit der Durchführung der die Konferenz beschäftigenden Angele¬
genheit ein Anfang gemacht werde, da sonst zu befürchten sei, daß man nächstes Jahr
wieder auf demselben Standpunkte stehen werde. Die Regierungen müßten darüber
schlüssig werden, ob sie in der Lage seien, das vorliegende Expose des Kriegsministers
zu akzeptieren, oder, falls dies nicht der Fall sein sollte, wenigstens angeben, wozu sie
sich in dieser Beziehung mit Rücksicht auf die finanzielle Situation in absehbarer Zeit
verpflichten könnten. Ferner geruhen Se. Majestät noch anzubefehlen, daß der Voran¬
schlag der Kriegsverwaltung pro 1903 unter Berücksichtigung derdvom Kriegsminister
für den Beginn derd Artilleriereorganisation &#39;angeforderten Kosten aufgestellt werde.&#39;

   Es entspinnt sich hieraufeine längereDebatteüber die Frage, ob es zulässig erscheine,

demVoranschlagedesk.k.Landesverteidigungsmmistergemäß,deninfolgedergeplan-
ten Artilleriereorganisation erforderlich werdenden Mehrbedarf an Mannschaften
einfach aufgrund der Auslegung des §12, 3. Absatz, des Wehrgesetzes vom Jahre 1888
durch Heranziehung der drei jüngsten Assentjahrgänge der Ersatzreserve zu beschaf¬
fen, oder ob hiezu die Einbringung einer besonderen Gesetznovelle nötig sei.15

   Während Se. k.u.k. apost Majestät in Übereinstimmung mit den mi¬
litärischen Ministem der ersteren Ansicht unter Hinweis darauf, daß in Galizien
bereits seit mehreren Jahren die drei jüngsten Assentjahrgänge der Ersatzreserve
zur aktiven Dienstleistung *bei der Artillerief herangezogen werden, Ausdruck zu
geben, und hervorzuheben geruhen, daß alle Voraussetzungen zu einem Vorgehen
aufgrund der Bestimmungen des §12 des Wehrgesetzes infolge der notwendigen

d-d Korrektur Sr. Majestät aus ganzen.
e_e Korrektur Sr. Majestät aus deren Kosten demnach in denselben einzustellen seien.
f_f Einßgung Sr. Majestät

15 Vgl. Becks Denkschrift über die allgemeinen militärischen Verhältnisse zu Ende des Jahres 1901 v. 28.
    12.1901, KA., MKSM. 25-5/1/1902. Hierfiftrt Beck aus, daß das zitierte Gesetz lediglich den vorüberge¬
    henden Einsatz derReservisten ermögliche. Er lehnt die Anwendung des Gesetzes in dem von Welsersheimb
    vorgeschlagenen Sinne ab. In den darauffolgenden Monaten wurden über diese Frage langwierige Verhand¬
    lungen geführt. Das Material dazu siehe ebd., KM., Präs. 26-1/2/1902. Interessanterweise akzeptierte die
    ungarischeRegierung die WelsersheimbscheAuslegung des Gesetzes von 1888. Siehe Fejirvdty an Kriegham¬
    mer v.ZZ 190Z ebd., Präs. 26-1/2-2/1902, undv.26.Z 190Z ebd., Präs. 26-1/2-3/1902.
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29.11.1901  283

Aufstellung der Haubitzen- und Gebirgsbatteriedivisionen gegeben seien, möchte
der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell sich darauf hinzuweisen
erlauben, daß die bezogene Gesetzesstelle nur für ganz exzeptionelle Fälle berech¬
net und ihm auf den vorliegenden Fall kaum anwendbar zu sein erscheine. Redner
müsse sich daher eine ganz kurze Frist erbitten, um vom gesetzlichen Standpunkte
erwägen zu können, ob die notwendige Beschaffung von Mannschaften für die er¬
wähnten neu aufzusteUenden Artillerieformationen durch die Einbringung einer
Novelle erreicht werden solle, oder ob hiefür die Auslegung des §12 des Wehr¬

gesetzes genüge.
   Auch der k.k. Ministerpräsident v. Koerber möchte der Ansicht

Ausdruck geben dürfen, daß die mehrerwähnte gesetzliche Bestimmung nicht ganz klar
sei und bei derselben wohl nur an eine vorübergehende Maßnahme gedacht worden
sei, die während der Dauer des Bedarfes Platz zu greifen, nicht aber als Ersatz für eine
organisatorische Bestimmung zu dienen hätte.

   Der k.k. Landesverteidigungsminister FZM. GrafWelsers-
h e i m b erbittet sich das Wort, um daraufhinzuweisen, daß man sich tatsächlich ganz
exzeptionellen Zuständen gegenüber befinde, welche die einfache Anwendung des §12
des Wehrgesetzes vollkommen gerechtfertigt erscheinen ließen, da das Rekrutenkon¬
tingentgesetz seit vier Jahren immer nur verlängert worden sei. Übrigens habe Redner
bereits gauchg eine dem Standpunkte der beiden Ministerpräsidenten &quot;eventuell0
Rechnung tragende &#39;Gesetzesbestimmung entworfen,1 welche er hierauf zur Vorlesung

bringt.
   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Freiherr v.

Krieghammer gestattet sich zu erklären, daß zum Zwecke der Durchführung der
geplanten Artilleriereorganisation, sei es im Sinne des §12 des Wehrgesetzes, sei es
aufgrund einer Novelle, jedenfalls die Heranziehung der Ersatzreserve zur Präsenz¬

dienstleistung werde erfolgen müssen.
   Se. k.u.k. apost Majestät geruhen sodann dahin zu konkludieren, daß

angesichts der seitens der beiden Regierungen geltend gemachten Bedenken dermalen
von der Anforderung des erhöhten Rekrutenkontingentes abzusehen und die Geltungs¬
dauer des jetzigen Gesetzes für ein Jahr zu verlängern sein werde. Se. Majestät geruhen
folglich anzuordnen, daß die beiden Landesvertei^igungsminister Allerhöchstdensel¬

ben ihre einschlägigen Vorlagen ehestens unterbreiten.16
    Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.

Krieghammer möchte noch die Ermächtigung erbitten dürfen, das aus der Auf¬
stellung der Haubitzen- und Gebirgsbatteriedivisionen sich ergebende einmalige sowie
fortlaufende Erfordernis (38 Millionen und 6 Millionen Kronen) in das den Delegatio-

       Einßgung Welsersheimbs.
h_h Einßgung Welsersheimbs.
&#39; ~ * Korrektur Welsersheimbs aus Novelle vorbereitet.

16 Der diesbezügliche Vortrag des ungarischen Ministerpräsidenten v. 12.2.1902, HHStA., Kab. Kanzlei, KZ.
    411/1902. Der einschlägige k. k. Vortrag war nicht auftufinden.
<pb/>284  Nr. 45a Stellungnahme Spauns zum gemeinsamen Ministerrat, Wien, 3.1.1902

nen vorzulegende Budget pro 1903 einzustellen, wobei Redner diese Posten als unver¬
rückbar und unaufschiebbar bezeichnet

   Nachdem der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell dagegen Beden¬
ken zu äußern sich gestatten möchte, daß man über eine aus dem Zusammenhänge
gerissene einzelne Post des Budgets pro 1903 bereits jetzt einen Beschluß fasse, geruhen
Se. k. u. k. apost Majestät daran zu erinnern, daß Allerhöchstdieselben bereits
im Verlaufe der heutigen Konferenz die Gelegenheitwahrgenommen haben zu betonen,
daß der Voranschlag des Kriegsministeriums pro 1903 unter Berücksichtigung Mer
Anforderungen des Kriegsministers für die Artillerie1 aufzustellen sein werde, mithin
die Post, deren Aufnahme in das fragliche Budget der Kriegsminister schon heute
sichergestellt zu sehenwünsche, ohnehin als Bestandteü kdes Reorganisationsplanes der
Artilleriek in der Vorlage figurieren werde. Se. Majestät geruhen sodann Allerhöchst
ihre Absicht, die Konferenz im Laufe des Winters neuerdings zusammenzuberufen,
anzukündigen und den beiden Regierungen den Befehl zu erteüen, das Expose des
Kriegsministers im Einvernehmen mit dem letzteren nochmals eingehend zu prüfen, um
Allerhöchstdenselben in der nächsten Konferenz das Ergebnis der angeordneten
Prüfung unterbreiten zu können.

                                                                                           Goluchowski

   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
   Wien, 13. Jänner 1902. Franz Joseph.

 Nr. 45a Stellungnahme Spauns zum gemeinsamen Ministerrat vom 29. November
                                     1901, Wien, 3. Jänner 1902

    Beilage zum GMRProt. v. 29.11.1901, GMCZ.434
    Abschrift; Original im KA., MKSM. 82 -1/1/1902

   Im Protokolle sind mehrere auf Sr. Majestät Kriegsmarine bezügliche Äußerungen
sowie ein in bezug der Vermehrung des Präsenzstandes der Marine gefaßter Beschluß
nicht enthalten.

   Unter Hinweisung auf den Umstand, daß die Festellung der Zahl des Rekrutenkon¬
tingentes zwar den gesetzgebenden Faktoren zustehe, die Verteüung der Rekruten
zwischen Heer und Marine aber unabhängig davon geregelt wird, wurde beschlossen,
auch vor der Vermehrung des jährlichen Rekrutenkontingentes die dringend beantrag¬
te Vergrößerung des Präsenzstandes der Marine (von 7500 auf 12 000 Mann) durch die
hiezu nötige (um 1125 Mann) vermehrte Zuteüung von Rekruten in den nächsten
Jahren durchzuführen.

   Spaun, Admiral.

j ~i Korrektur Sr. Majestät aus des ganzen Artilleriereorganisationsplanes.
k-k Korrektur Sr. Majestät aus dieses Reorganisationsplanes.
<pb/>