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Gemeinsamer Ministerrat, 15. 4. 1901

I. Der den Delegationen vorzulegende gemeinsame Voranschlag pro 1902

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z43.pdf.

258  Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15. 4.1901

Sache sich als eine einfache Abrechnung zwischen dem Ministerium des Äußern und
den Finanzministem der beiden Regierungen darstellen werde.

   Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay glaubt zwar
nicht, daß die Delegationen wegen der Beteiligung der Monarchie an der Aktion der
Mächte in China nennenswerte Schwierigkeiten machen werden, hält es jedoch immer¬
hin für wünschenswert, sich schon jetzt darüber klar zuwerden, welche Antwort man
auf etwaige in den Delegationen bezüglich der Kosten für die Entsendung der Eskader
in die chinesischen Gewässer gestellte Anfragen erteilen solle.

   Der Vorsitzende erwidert hierauf, daß auf eine solche Anfrage geantwortet
werden solle, daß sich die Kosten für den Aufenthalt der Eskader in den chinesischen
Gewässern auf eine halbe Million Kronen per Monat belaufen, und daß die aufgelau¬
fenen Gesamtkosten anläßlich der Regelung der Entschädigungsfrage hereingebracht
werden würden.

   Nachdem Redner hierauf konstatiert hat, daß die Konferenz darin übereinstimmt,
daß von der Einbringung eines Nachtragskredites zum Ordinarium der Kriegsmarine
pro 1900 zur Deckung der durch die Entsendung der Eskader in die ostasiatischen
Gewässer verursachten Auslagen abgesehen werde, schließt derselbe die Sitzung,
indem er die Einberufung der nächsten, unter Teilnahme der Ministerpräsidenten und
Finanzminister der beiden Regierungen abzuhaltenden gemeinsamen Ministerkonfe¬
renz für Montag, den 15. dieses Monates, um 2 Uhr nachmittags in Aussicht stellt.

                                                                                           Goluchowski

   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses ProtokoUes zur Kenntnis genommen.
   Budapest, 20. Aprü 1901. Franz Joseph.

                  Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15. April 1901

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell, der k. k. Ministerpräsident v. Koerber, der k. u. k.
gemeinsame Finanzminister v. Källay (1.5.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.
Krieghammer, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs, der k. k. Finanzminister Ritter Böhm [v. Bawerk], der
k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun.
    Protokollführer Sektionsrat Freiherr v. Gagem.
    Gegenstand: Der den Delegationen vorzulegende gemeinsame Voranschlag pro 1902.

   KZ. 21 - GMCZ. 432
   Protokoll des zu Wien am 15. Aprü 1901 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame
Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u.'k. gemeinsamen Ministers des Äußern
Grafen Gohichowski.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, bezeichnet deren Gegenstand und
bemerkt, er glaube von einer aügemeinen und umfassenden Darlegung der politischen
Lage absehen zu können, da dieselbe dermalen keine Momente biete, auf welche er die
<pb/>Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15. 4.1901  259

besondere Aufmerksamkeit der Konferenzteilnehmer lenken müßte, und er überdies
ohnehin demnächst in die Lage kommen werde, sich in den Delegationen eingehend
darüber zu äußern. Übrigens erklärt sich Redner selbstverständlich bereit, auf einzelne,
sein Ressort betreffende Fragen, welche von der einen oder anderen Seite an ihn gestellt
werden sollten, zu antworten.

   Nachdem sowohl der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell als auch
der k.k. Ministerpräsident v. Koerber der Ansicht Ausdruck gegeben
haben, daß sie infolge ihres stetigen Kontaktes mit dem gemeinsamen Minister des
Äußern über den Gang der auswärtigen Politik ohnehin genügend orientiert seien,
schlägt der Vorsitzende vor, zunächst in die Beratung der kleineren Budgets
einzutreten, und bespricht hierauf, mit dem Voranschläge seines eigenen Ressorts
beginnend, die in demselben vorkommenden Neuanforderungen, welche sich im Ordi-
narium und Extraordinarium auf zusammen 374 773 Kr. beziffern.

   Redner führt aus, daß die Regierung im Ordinarium hauptsächlich auf die Errich¬
tung einer Gesandtschaft in Mexiko1 sowie auf die Effektivierung eines der Honorar¬
konsulate in Australien2 beziehungweise die Errichtung je eines Berufskonsulates in
Kanada und in Tien-Tsin zurückzuführen sei. Nachdem Redner hierauf in großen
Zügen eine Darlegung der Vorgeschichte der Wiederaufnahme der diplomatischen
Beziehungen mit Mexiko gegeben hat, bemerkt derselbe, daß die Errichtung einer
Gesandtschaft in jenem Lande einem seitens der industriellen und Handelskreise der
Monarchie bereits seit längerer Zeit gehegten Wunsche entspricht, und daß sogar die
Delegationen sich in einer der vorangegangenen Sessionen zugunsten der Errichtung
einer diplomatischen Vertretung in Mexiko ausgesprochen haben.

   Bezüglich der intendierten Effektivierung eines Honorarkonsulates in Australien
weist Redner darauf hin, daß die Monarchie in jenem ganzen Weltteile, wohin sich
speziell viele Staatsangehörige aus Dalmatien wenden, um dort Arbeit zu suchen, kein
einziges Berufskonsulat besitze, ein Zustand, der auf die Länge ganz unhaltbar sei.
Nicht weniger notwendig sei die Errichtung eines Berufskonsulates in Kanada, wo
40-50000 Auswanderer aus beiden Teüen der Monarchie leben, an welchen sich
dieselbe nicht gänzlich desinteressieren könne. Für die in Aussicht genommene Errich¬
tung eines Konsulates in Tien-Tsin seien die in China wahrzunehmenden kommerziel¬
len Interessen der Monarchie ausschlaggebend gewesen. Redner möchte bei dieser
Gelegenheit die Akquisition eines Terrains in Tien-Tsin nicht unerwähnt lassen, welche
seinerzeit in der öffentlichen Meinung soviel Staub aufgewirbelt und Anlaß zu der
irrigen Meinung gegeben habe, die Monarchie gehe in China auf koloniale Erwerbun¬
gen aus. Tatsächlich habe es sich jedoch nur um die Akquisition eines Baugrundes für
das dort zu errichtende Konsulat gehandelt.3 Es sei notwendig gewesen, sich auf ein
solches Terrain zu pränotieren, nachdem bereits alle anderen Mächte in dieser Bezie¬
hung mit dem Beispiele vorangegangen seien, und sonst die Gefahr gedroht hätte, daß
für das österreichisch-ungarische Konsulat kein passendes Grundstück mehr zu haben

1 Siehe GMRProt v. &amp; 4.1901, GMCZ. 431, Anm. 2.
2 Siehe GMRProt. v. &amp; 4.1901, GMCZ. 431, Anm. 3.
3 Vgl. GMRProt. v. 8.4.1901, GMCZ 431, Anm. 5.
<pb/>260  Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15. 4.1901

 gewesen wäre. Die Kosten für dieses Terrain würden seinerzeit von der seitens Chinas
 zu zahlenden Entschädigung in Abrechnung gebracht werden.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell erkennt zwar bereitwülig
 die vom Vorsitzenden zur Begründung des Mehrerfordemisses des Voranschlages
 seines Ressorts angeführten Argumente als zutreffend an, möchte jedoch dessenunge¬
 achtet an denselben die Bitte richten, im Hinblick auf die durch den Rückgang der
 Zolleinnahmen außerordentlich ungünstig beeinflußte Bilanz des gemeinsamen Vor¬
anschlages bei der Umwandlung der Honorarkonsulate in effektive etwas langsamer
vorzugehen. Der Rückgang in den Zolleinnahmen werde 17 Millionen Kronen betra¬
gen, wodurch sozusagen ganz automatisch eine höhere Belastung des Budgets bewirkt
werde.

    Der Vorsitzende weist demgegenüber daraufhin, daß, obwohl die Umwand¬
lung der Honorarkonsulate in effektive einem wiederholt von den Delegationen geäu¬
ßerten Wunsche entspreche, er in dieser Beziehung nur sehr allmählig vorgehe und sich
nur auf daswichtigste beschränkt. So habe Redner, trotzdem er diesfalls von allen Seiten
gedrängt werde, die Errichtung eines Konsularamtes in Pretoria zurückgestellt.

    Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm hebt anknüpfend an die
Ausführungen des kgl. ung. Ministerpräsidenten hervor, daß die österreichischen Zoll¬
einnahmen vom Jahre 1898 auf 1899 um 21 Millionen Kronen, von 1899 auf 1900 um
fast 11 Mülionen Kronen zurückgegangen sind, und daß die beiden ersten Monate des
Jahres 1901 abermals einen Rückgang gegenüber den gleichen Monaten des Vorjahres
von nahezu 1 Million Kronen aufweisen. Mit Rücksicht hierauf möchte Redner an den
Vorsitzenden die Bitte richten, die Neukreierungen bei der Zentralleitung sowie auch
beim auswärtigen Dienste in der Weise zu teilen, daß nicht alles jetzt angesprochen
werde, sondern ein Teü derselben für später verschoben werde. So könnte das Konsulat
in Australien aktiviert, die Errichtung des Konsulates in Kanada dagegen hinausgescho¬
ben werden.

   Der Vorsitzende bezeichnet die H inausschiebung der Errichtung des letztge¬
nannten Konsulates als ganz untunlich, zumal der jetzige österreichisch-ungarische
Honorarkonsul in Kanada sich wegen seines vorgerückten Alters demnächst zurückzu-
ziehen gedenke.

   Um den Wünschen auf Herabminderung seines Voranschlages nach Möglichkeit
Rechnung zu tragen, erklärt Redner sich schließlich zu folgenden Abstrichen im
Ordinariumbereit l.bei Titel 1b 6000Kr., 2bei Titel 3b 7000Kr,, 3.bei Titel
3 c 9 600 Kr., 4. bei Titel 3 d 12 800 Kr., 5. bei Titel 3 e 5 000 Kr., zusammen 40 400 Kr.
Nachdem das ursprüngliche Nettomehrerfordemis 374 733 Kr. betragen hatte, er¬
scheint dasselbe nunmehr durch die vorerwähnten Abstriche auf 334 373 Kr. herabge¬
mindert.

   Der Vorsitzende konstatiert hierauf, daß der Voranschlag des Ministerium des
Äußern von der Konferenz im Ordinarium mit 10 551 062 Kr., im Extraordinarium mit
203 295 Kr., zusammen mit 10 754 357 Kr. angenommen worden ist

   Außerdem nimmt die Konferenz nach Erteüung der einschlägigen Aufklärungen
durch den Vorsitzenden vier Nachtragskredite des Ministeriums des Äußern im Ge¬
samtbeträge von 261 227 Kr. 64 Hfeüer] an.
<pb/>Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15.4.1901  261

   Bevor zur Beratung der anderen Budgets übergegangen wird, stellt der Vorsitzende
die Frage zur Entscheidung der Konferenz, wie man sich den Delegationen gegenüber
bezüglich der durch die Wirren in China verursachten Auslagen verhalten solle, ob
nämlich diesfalls mit einer Nachtragskreditforderung an die genannten parlamentari¬
schen Vertretungskörper heranzutreten sein werde, oder ob man denselben keine
ziffernmäßigen Mitteüungen machen und nur sagen solle, daß die zur Deckung dieser
Auslagen gewährten Vorschüsse anläßlich der Regelung der Entschädigungsfrage von
China hereingebracht werden würden. Redner werde sich, was die seinem Ressort
durch die Zerstörung der Gesandtschaft in Peking und deren jetzt notwendigen Wie¬
deraufbau erwachsenden Kosten betrifft, nach der von dem Kriegsministerium bezüg¬
lich seiner Chinaauslagen prinzipiell eingenommenen Stellung richten.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell spricht sich diesfalls für die
zweite Alternative aus, nachdem die der Monarchie aus ihrer Teilnahme an der Aktion
der Mächte in China erwachsenen Kosten jetzt nicht ziffernmäßig feststellbar seien und
sich andererseits die ganze Angelegenheit nach Regelung der Entschädigungsfrage auf
eine einfache Verrechnung beschränken werde. Der gemeinsame Minister des Äußern
möge den Delegationen darlegen, daß auf die Hereinbringung der einschlägigen Kosten
umso eher zu rechnen sein dürfte, als dieselben ja im Vergleiche zu den von den anderen
in China engagierten Mächten verausgabten Summen verhältnismäßig geringfügig
seien.4 Auch würde es sich empfehlen, wenn der Vorsitzende dann den Anlaß wahrneh¬
men würde zu erklären, daß die Leitung der auswärtigen Politik der Monarchie weder
daran denke, sich an einer Aufteüung Chinas - von der übrigens nicht die Rede sei -
zu beteüigen, noch auch irgendein zu China gehöriges Gebiet zu okkupieren. In dieser
Beziehung werde Redner übrigens noch vor Zusammentritt der Delegationen in die
Lage kommen, sich anläßlich der Beantwortung zweier Interpellationen im ungarischen

Reichstage zu äußern.5
   Der Vorsitzende konstatiert hierauf, daß die Konferenz in Übereinstimmung

mit den Ausführungen des kgl. ung. Ministerpräsidenten der Ansicht ist, daß von der
Einbringung eines Nachtragskredites betreffend die durch die chinesischen Wirren
erwachsenen Auslagen abzusehen sein werde, und den Delegationen diesfalls keine
ziffernmäßig bestimmten, sondern nur allgemein gehaltene Mitteilungen gemacht zu
werden hätten.6

   Hierauf wird nach den einschlägigen Darlegungen des k. u. k. gemeinsamen
Finanzministers v. Källay dergegen dasVorjahr ein Mindererfordemisvon
8 975 Kr. aufweisende Voranschlag des gemeinsamen Finanzministeriums im Ordina-
rium mit 4 174 307 Kr., im Extraordinarium mit 0, zusammen mit 4 174 307 Kr. sowie

4 An derAktion China beteiligten sieh diefolgenden Länder: die Vereinigten Staaten, Deutschland, England,
    Frankreich, Japan, Österreich-Ungarn und Rußland. Vgl. GMRProt. v. 8. 4.1901, GMCZ. 431, Anm. 5.

5 Interpellationen im ungarischen Abgeordnetenhaus: Ferenc Major am 13.3.1899, Ferenc Kossuth am 13. 6.
    1900. Az 1896. fivi NOVEMBER HÖ 23-RA HIRDETEIT ORSZÄGGYÜLES KEPVISELÖHAZÄNAK NAPLÖJA, Bd. 21
    25-26; Bd. 29 287-289. Siehe Jözsa, Kfna &amp; az Osztrak-Magyar Monarchia 148-164.

6 Vgl. Gotuchpwskis Erklärung v. 215.1901 in der Sitzung der Delegationen über die Einmischung in China
    und deren finanzielleAuswirkungen. A közös ügyek tärgyaläsära összehivott bizottsäg naplöja,

     1901476-482.
<pb/>262  Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wen, 15. 4.1901

das gegen das Jahr 1901 eine Mehrerforderung von 4 840 Kr. involvierende Präliminare
des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes angenommen.

    Bezüglich des Budgets für die Verwaltung Bosniens und der Hercegovina bemerkt
der k.uJc gemeinsame Finanzminister v. Kallay, daß er dermalen noch nicht in der Lage
sei, dasselbe der Konferenz vorzulegen, und sich deshalb dessen seinerzeitige schriftli¬
che Mitteilung Vorbehalten müsse.

    Es wird sodann der Voranschlag des gemeinsamen Kriegsministeriums zur Diskus¬
sion gestellt, und führt der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK.
Freiherr v. Krieghammer aus, daß derselbe im Ordinarium ein Mehrerfor-
demis von 4 Millionen Kronen und im Extraordinarium ein solches von 3 100 000 Kr.
aufweise, welch letzteres jedoch darauf zurückzuführen sei, daß von dem Rüstungskre¬
dite per 21900 000 Kr. in das Budget des laufenden Jahres nur 9 400 000 Kr. eingestellt
worden seien, während die verbleibenden 121/2 Millionen Kronen, einem in den
vorjährigen Ministerkonferenzen gefaßten Beschlüsse gemäß, in den Voranschlag pro
1902 aufgenommen worden seien.7 Da der in den Voranschlag für das nächste Jahr
eingestellte Teilbetrag von 121/2 Millionen des Rüstungskredites bereits größtenteüs
verausgabt sei, und es sich nunmehr nur noch um dessen budgetäre Unterbringung
handle, so sei das Mehrerfordemis von 3 1/2 Millionen Kronen im Extraordinarium
eigentlich nur ein scheinbares. Redner erklärt sich bereit, diese 121/2 Mülionen aus
dem Voranschläge pro 1902 gänzlich zu streichen und in jenen pro 1903 einzustellen.
Redner weist ferner zur Begründung des Mehrerfordemisses von 4 Mülionen im
Ordinarium darauf hin, daß in demselben viele sogenannte Sanierungsposten enthalten
seien, deren Einstellung den Zweck habe, Überschreitungen zu vermeiden. Schließlich
macht Redner noch auf den erfreulichen Umstand aufmerksam, daß die Schlußrech¬
nung pro 1899 ein Ersparnis von 160 000 fl. aufweise.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell macht diesen Ausführun¬
gen des Vorredners gegenüber geltend, daß die Streichung der zum Rüstungskredite
gehörigen 121/2 Millionen Kronen keine wirkliche Herabminderung des Budgets,
sondern lediglich eine Hinausschiebung bedeute, und schlägt vor, daß man den Voran¬
schlag des Kriegsministeriums postenweise durchgehe. Was die Sanierungsposten an¬
belangt, so kann Redner sich mit denselben insofeme prinzipiell nicht einverstanden
erklären, als das betreffende Ressort durch deren Einstellung der zwingenden Notwen¬
digkeit überhoben wird, zu sparen, und der Versuchung eher ausgesetzt ist, bei der
Präliminierung nicht mit der wünschenswerten Genauigkeit zu Werke zu gehen. Für die
Richtigkeit dieser seiner Ansicht spreche gerade die von dem gemeinsamen Kriegsmi¬
nister hervorgehobene Ersparnis bei der Schlußrechnung pro 1899. Redner weist
abermals auf den Rückgang in den Zolleinnahmen hin und führt aus, daß früher infolge
der günstigen Gestaltung der Einnahmen aus den Zöllen der quotenmäßige Beitrag der
beiden Regierungen zu dem gemeinsamen Budget geringer war, als gewöhnlich ange¬
nommen worden sei, während jetzt das Gegenteü eintrete.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v.
Krieghammer reflektiert auf die Bemerkung des kgl. ung. Ministerpräsidenten

7 GMR. v. 6.4.1900, GMCZ. 420. Vgl. Krieghammer an Kdllay v. 2.3.1901, FA., GFM., Präs. Nr. 77/1901.
<pb/>Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15.4.1901  263

betreffend die Sanierungsposten, indem er daran erinnert, daß bei dem Veranschlage
des Kriegsministeriums in früheren Jahren regelmäßig Überschreitungen im Betrage
von 4 Millionen Gulden sich eingestellt hätten, was nunmehr gerade Dank der Einfüh¬
rung jener vom Vorredner nicht gebilligten Kategorie von Posten vermieden werde.

   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs führt aus, daß das Mehrer-
fordemis bei den Voranschlägen des Heeres und der Marine zusammen ungefähr 15
Millionen ausmache. Wenn man außerdem in Betracht ziehe, daß der Rückgang in den
Zolleinnahmen in beiden Staatsgebieten der Monarchie zusammen circa }7 Millionen
ausmache, so ergebe sich eine Gesamtsumme von 32 Millionen Kronen, welche aus
anderen Quellen gedeckt werden müsse. Selbst wenn man nun den Rüstungskreditrest
von 12 1/2 Millionen Kronen aus dem Voranschläge für das Jahr 1902 eliminiere, so
würde noch immer die kaum zu bewältigende Summe von 20 Millionen Kronen zu
bedecken bleiben. Deshalb müßten auch noch andere, reelle Ersparnisse gemacht
werden, und schlägt Redner vor, im Ordinarium alle jene Posten zu belassen, welche
auf gesetzlichen Verfügungen basieren (Rubrik c), sowie jene, welche zur Fortsetzung
bereits begonnener Maßnahmen bestimmt sind (Rubrik a), die letzteren bis zur Höhe
von 133 000 Kr. Dagegen sollten alle Sanierungsposten gestrichen werden (Rubrik b)
sowie alle auf neue organisatorische Maßnahmen bezüglichen Posten (Rubrik e),
welche nicht unbedingt notwendig sind. Auf diese Weise könnten 211/2 Millionen im
Ordinarium gestrichen werden, so daß die Steigerung desselben nur 1 1/2 Mülionen
ausmachen würde. Auf das Extraordinarium übergehend, gibt Redner der Ansicht
Ausdruck, daß nicht der ganze Rüstungskreditrest per 12 1/2 Mülionen gestrichen
werde, sondern nur die Hälfte desselben im Betrage von 61/4 Mülionen Kronen,
während die andere Hälfte auf das Budget pro 1903 verschoben werden solle.

    Nach einer hierauf durchgeführten eingehenden Besprechung der einzelnen Posten
des Ordinariums erklärt sich der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister
GdK. Freiherr v. Krieghammer bereit, in demselben Abstriche von
insgesamt 2 Mülionen Kronen zu machen, woran Redner jedoch die Bitte knüpft, daß
ihm freigestellt werde, jene Posten zu bestimmen, an welchen die erwähnte Summe

hereingebracht werden könnte.
    Der kgl. ung. Finanz minister v. L u k ä c s beantragt, beim Extraordi¬

narium jene Posten, welche gegenüber dem laufenden Jahre ein Mehrerfordemis
büden, auf das Niveau der Einstellungen im Budget für 1901 herabzusetzen, wodurch
sich ein Ersparnis von 1 1/2 Mülionen Kronen erzielen ließe. Hiebei könnte dem
gemeinsamen Kriegsminister die Wahl der Posten überlassen bleiben, bei welchen die
Abstriche vorzunehmen wären. Der Rüstungskredit solle, wie von ihm bereits vorge¬

schlagen, nur zur Hälfte in das Budget eingestellt werden.
    Nachdem der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK Frei¬

herr v. Krieghammer sich auch zu diesem Zugeständnisse bereit erklärt hat,
konstatiert der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell, daß folgende
Abstriche im Voranschläge des Kriegsministeriums vorgenommen worden sind: im
Ordinarium 2 Mülionen Kronen, im Extraordinarium 11/2 Mülionen Kronen, vom
Rüstungskredite 6 1/4 Millionen Kronen, zusammen 9 3/4 Mülionen Kronen, wovon

3 1/2 Mülionen als reelle Abstriche bezeichnet werden können. I
<pb/>264  Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15. 4.1901

    Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Freiherr v.
Krieghammer macht darauf aufmerksam, daß infolge dieser Abstriche das Ge-
samterfordemis seines Voranschlages pro 1902 gegenüber jenem für das laufende Jahr
ein Minus von ungefähr 2 1/2 Millionen Kronen aufweisen werde, mit welchem vor die
Delegationen zu treten, er nicht für unbedenklich halten würde. Mit Rücksicht hierauf
macht Redner den Vorschlag, den gesamten reellen Abstrich von 3 1/2 Mülionen im
Extraordinarium vorzunehmen, so daß das Ordinarium intakt bliebe. Das Zurückblei¬
ben des Extraordinariums pro 1902 hinter jenem für das laufende Jahr könnte dann in
den Delegationen in sehr plausibler Weise mit dem Hinweise auf den starken Rückgang
in den Zolleinnahmen motiviert werden.

    Nachdem der Vorsitzende bemerkt hat, daß dem Sinken des Voranschlages
pro 1902 gegenüber jenem pro 1901 durch Einstellung eines größeren Teübetrages des
Rüstungskredites von 12 1/2 Millionen am leichtesten vorgebeugt werden könnte, hebt
der Ick. Finanzminister Ritter v. Böhm hervor, daß Abstriche im Ex¬
traordinarium nicht gleichwertig sind mit Abstrichen im Ordinarium, da die Posten des
ersteren eine einmalige Ausgabe darstellen, während jene des letzteren einen dauern¬
den Charakter an sich tragen.

    Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs führt aus, daß selbst nach
Vornahme eines Abstriches von 2 Millionen Kronen im Ordinarium die Steigerung
desselben noch immer 2 Millionen Kronen gegenüber 1901 betrage, und daß das
Extraordinarium trotz des reellen Abstriches von 1 1/2 Mülionen und des formalen von
6 1/4 Mülionen noch immer die respektable Höhe von 21 Mülionen erreiche. Eine
solche Verminderung gegenüber dem Voranschläge für das laufende Jahr sei bei so
großen Summen nicht auffällig.

   Auf Vorschlag des k. k. Ministerpräsidenten v. Koerber wird die
von dem gemeinsamen Kriegsminister angeregte Frage der Überwälzung der im Ordi¬
narium seines Voranschlages gemachten Abstriche auf das Extraordinarium vorläufig
noch offengelassen und der gemeinsame Kriegsminister eingeladen, dieselbe noch einer
eingehenden Prüfung zu unterziehen und der Konferenz das Resultat, zu welchem er
aufgrund derselben gelangt sein werde, in der nächsten Sitzung mitzuteilen.

   Hieraufwird in die Beratung des Voranschlages der Marine eingetreten, und ergreift
der k.u.k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun das
Wort, tun die einzelnen Posten des Mehrerfordemisses desselben zu begründen.
Redner erklärt sich sodann im Hinblick auf die durch den Rückgang der Zolleinnahmen
verursachte ungünstige Lage der Staatsfinanzen spontan bereit, an seinem Voranschlä¬
ge Abstriche im Gesamtbeträge von 2 400 000 Kr. vorzunehmen, welche sich folgender¬
maßen auf das Ordinarium und Extraordinarium verteüen: Im Ordinarium bei Titel
VIC: 1. bei der dritten Rate für den Bau des Rammkreuzers E 600 000 Kr.; 2. bei der
zweiten Rate für den Bau des Panzerschiffes A 500 000 Kr.; 3. bei der ersten Rate für
den Bau des Panzerschiffes B 300 000 Kr.; 4. die ganze erste Rate für den Bau von 12
Hochseetorpedobooten 500 000 Kr.

   Im Extraordinarium: 1. zu Titel VI bei der 2 MUlionen betragenden ersten Rate für
den Bau eines Schwimmdocks 200 000 Kr.; 2 zu Titel VII, Post 12 Munition für Schnell¬
feuerkanonen 300 000 Kr.
<pb/>Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 15. 4.1901  265

   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm findet das vom k.u.k.
Marinekommandanten gezeigte Entgegenkommen zwar sehr dankenswert, kann aber
nicht unohin, die Gesamtsumme der gemachten Abstriche als unzureichend zu bezeich¬
nen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell glaubt,daßbeidemRamm-
kreuzer E noch ein weiterer Abstrich gemacht werden könnte, da die zugestandene
Reduktion der dritten Baurate um 600 000 Kr. nicht eine Hinausschiebung für ein Jahr
bedeute, und weist darauf hin, daß die Marine durch die in Bälde zu gewärtigende
Fertigstellung des Torpedokreuzers ,,Szigetvär&quot; sowie des Turmschiffes ,,Habsburg&quot;
einen Zuwachs von zwei Schiffen erhalten werde.

   Diese Ausführungen veranlassen den Vorsitzenden zu der Bemerkung,
daß diese beiden Schiffe nicht gleichwertig seien. Mit Rücksicht auf die Stellung
der Monarchie im Adriatischen Meere sei aber die Entwicklung der Flotte über¬
haupt und besonders die Schaffung einer aus gleichartigen Schiffen bestehenden
Schiffsdivision imbedingt notwendig, ja sogar im Interesse der Sicherheit der Mon¬
archie gelegen.

   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs hebt hervor, daß, wenn man
bis auf das Jahr 1895 zurückgehe, die Steigerung des Mehrerfordemisses im Voran¬
schläge der Marine nie mehr als 1-2 Millionen betragen habe. Dagegen habe das letzte
Jahr eine Steigerung von 5 Millionen gebracht, und nächstes Jahr solle dieselbe sogar
7 Mülionen ausmachen. Die Tatsache, daß der Marinekommandant sich aus eigenem
Antriebe zur Vornahme von Abstrichen bereit erklärt habe, beweise, daß er sich von
den finanziellen Schwierigkeiten Rechenschaft gebe. Redner erklärt, sich mit den
bisherigen Abstrichen am Marineetat nicht zufriedengeben zu können und proponiert,
daß bei den Raten für bereits im Bau befindliche Schiffe das Mehrerfordemis gestri¬
chen und die NeueinsteUungen gänzlich fallengelassen werden. Redner wünscht, daß
bei den Bauraten dasselbe Tempo eingehalten werde wie im vorigen Jahre.

   Nachdem der Vorsitzende sich gegen diesen Antrag ausgesprochen und
die postenweise Besprechung des Mehrerfordemisses der Marine beantragt hat,
entspinnt sich eine längere Diskussion zwischen dem Marinekommandanten einer¬
seits und den beiden Finanzministem andererseits über die Höhe der noch weiter
vorzunehmenden Abstriche. Schließlich willigt der k.u.k. Marinekomman¬
dant Admiral Freiherr v. Spaun, wenn auch widerstrebend, in fol¬
gende, noch über die bisher zugestandene Reduktion hinausgehende Herabmin¬
derung seines Voranschlages: 1. im Ordinarium bei Titel VI C: beim Ramm¬
kreuzer E 800 000 Kr., bei Panzerschiff A 1000 000 Kr., bei Panzer¬
schiff B 300000 Kr., bei den 12 Hochseetorpedobooten die ganze erste Rate von
500 000 Kr.; Z im Extraordinarium: zu Titel VI A (Schwimmdock) 500 000 Kr., zu
Titel VII, Post 12 (Schnellfeuerkanonen) 300000 Kr., und außerdem bei demsel¬
ben Titel ein Pauschalbetrag von 500 000 Kr.

   Der k.u.k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun konstatiert hierauf,
daß an seinem Voranschläge Abstriche im Gesamtbeträge von 3900000 Kr. vor¬
genommen worden sind, so daß sich das verbleibende Mehrerfordemis auf circa

3 749000 Kr. steUt
<pb/>266                             Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. 4.1901

   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Böhm proponiert hierauf noch,
die Summe der Abstriche auf 4 Millionen abzurunden. Die hiezu noch erforderlichen
100 000 Kr. könnten durch Abstriche an verschiedenen kleineren Posten des Ordina-
riums hereingebracht werden.

   Der Vorsitzende macht demgegenüber den Vorschlag, statt einer Erhöhung
der Abstriche tun 100 000 Kr. eine Herabminderung des Mehrerfordemisses um
49 000 Kr. eintreten zu lassen, so daß dasselbe sich aufrund 3 700 000 Kr. stellen würde.

   Der k.u.k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun
akzeptiert diesen Abstrich mit dem Bemerken, daß derselbe in den ersten fünf Titeln
des Ordinariums vorgenommen werden würde.

   Hierauf schließt der Vorsitzende die Sitzung, indem er die nächste gemein¬
same Ministerkonferenz, in welcher über die endgütige Gestaltung des Voranschlages
des Kriegsministeriums beraten werden soll, im Einvernehmen mit den übrigen Konfe¬
renzteilnehmern auf den nächsten Tag anberaumt.

                                                                                          Goluchowski

   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
   Gödöllö, am 7. Mai 1901. Franz Joseph.

                  Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. April 1901

     RS. (unäRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Sz£ll, der k. k. Ministerpräsident v. Koerber, der
k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (1.5.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr
v. Krieghammer, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs, der k. k. Finanzminister Ritter Böhm [v. Bawerk],
der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Gagem.
    Gegenstand: Der den Delegationen vorzulegende gemeinsame Voranschlag pro 1902.

   KZ. 22 - GMCZ. 433
   Protokoll des zu Wien am 16. April 1901 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame
Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern
Grafen Gohichowski.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit dem Hinweise darauf, daß in der
tags zuvor stattgehabten Ministerkonferenz1 an dem Voranschläge des gemeinsamen
Kriegsministeriums ein reeller Abstrich von 3 1/2 Millionen Kronen vorgenommen
worden sei, wovon 2Millionen im Ordinarium und 1 1/2 Mülionen im Extraordinarium.
Im Hinblicke auf das durch diese Abstriche verursachte Minus des gesamten Heeres-
erfordemisses pro 1902 gegenüber jenem pro 1901 habe der gemeinsame Kriegsmini¬
ster den Wunsch geäußert, den gesamten Abstrich Von 3 1/2 Mülionen Kronen im
Extraordinarium vornehmen zu dürfen, doch sei die Frage, ob diesem Wunsche will¬
fahrt werden könnte, oder eventuell welcher Teübetrag dieses Gesamtabstriches auf

1 GMR. v. 15.4.1901, GMCZ. 43Z
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