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Gemeinsamer Ministerrat, 17. 10. 1898

I. Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1900

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z27.pdf.

Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17.10.1899         149

               Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. Oktober 1899

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szdll, der k. k. Ackerbauminister, betraut mit dem
Vorsitze im k. £ Ministerrate, Graf Clary-Aldringen, derk. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (10.
11.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v. Krieghammer (1.-2. 11.), der kgl. ung.
Finanzministerv. Lukäcs, der k. k. Sektionschef, betraut mit der Leitung des k. k. Finanzministeriums, Ritter
v. Kniaziolucki, der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun (3.11.).
    Protokollführer Sektionsrat Freiherr v. Gagern.
    Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-un¬
garischen Monarchie pro 1900.

   KZ. 90 - GMCZ. 416
   Protokoll des zu Wien am 17. Oktober 1899 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬
same Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des
Äußern Grafen Gohichowski.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, bezeichnet deren Gegenstand und
erklärt sich bereit, falls dies seitens der Anwesenden gewünscht werden sollte, einen
Überblick über die äußere Situation zu geben oder einzelne diesfalls an ihn gerichtete
Fragen zu beantworten. Nachdem allerseits der Ansicht Ausdruck geliehen wird, daß
hievon im gegenwärtigen Momente abgesehen werden könne, so wird sogleich an die
Beratung des Voranschlages des Ministeriums des Äußern geschritten, und bespricht
der Vorsitzende an der Hand der auch den übrigen Konferenzmitgliedem mitgeteüten
Übersicht die einzelnen im Ordinarium des Voranschlages vorkommenden neuen
Anforderungen und bemerkt, daß die eingetretene Steigerung des Budgets hauptsäch¬
lich auf die notwendig gewordene Regelung der zuletzt im Jahre 1873 regulierten
Beamtengehalte und Dienerbezüge der Zentrale sowie auf die weitere Ausgestaltung
des Konsularnetzes zurückzuführen sei.

   Der Leiter des kk. Finanzministeriums Sektionschef Rit¬
ter v. Kniaziolucki möchte sich zunächst zur Frage der Beamtengehaltsregu¬
lierung äußern und weist darauf hin, daß das k k Ministerratspräsidium sich in einer
an das k u. k Ministerium des Äußern gerichteten Note bereit erklärt habe, der
Regelung der Gehalte der Beamten dieses Ressorts zuzustimmen, jedoch nur in dem
Ausmaße, als eine solche bezüglich der k k Beamten stattgefunden habe. Redner
müsse auch jetzt an diesem Standpunkte festhalten, da eine über dieses Maß hinausge¬
hende Regelung der Gehalte der Beamten des Ministeriums des Äußern seitens der
k k Beamten leicht als ein Präjudiz angesehen werden könnte.1

   Der Vorsitzende erwidert hierauf, daß die relativ höhere Bemessung der
Gehalte der Beamten des Ministeriums des Äußern auf einer alten Tradition beruhe,
indem bereits die große Kaiserin und Königin Maria Theresia angeordnet habe, daß
die Beamten der Staatskanzlei besser zu besolden seien als die übrigen Beamten.
Abgesehen davon, dürfe man aber auch nicht vergessen, daß an die Beamten des
Ministeriums des Äußern zumal in sprachlicher Beziehung höhere Anforderungen

1 Über die Gehälter derBeamten: Megner, Beamte 126-134.
<pb/>150  Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17.10.1899

gestellt würden, da von ihnen die Kenntnis der französischen, englischen und italieni¬
schen Sprache verlangt werde. Dazu komme noch der weitere Umstand, daß die
Beamten des Ministeriums des Äußern genötigt seien, ständig in Wien, einer bekannt¬
lich sehr teueren Stadt, zu leben und ihnen nicht, gleich den k. k. Beamten, die
Möglichkeit offen stehe, sich eventuell in eine billige Provinzstadt versetzen zu lassen.
Jedenfalls müsse aber vermieden werden, daß die in Rede stehenden Beamten in
Hinkunft etwa schlechter als bisher gestellt würden, welcher Fall dann eintreten würde,
wenn von ihnen, ohne daß die beantragte Gehaltsregulierung stattgefunden hätte, die
Leistung des 3%igen Beitrages zum Pensionsfonds gefordert würde. Übrigens handle
es sich bei der ganzen Gehaltsregulierung ja nur um eine verhältnismäßig nicht bedeu¬
tende Summe.

   Der Ick. Ackerbauminister, betraut mit dem Vorsitze im
k.k. M in is t e r r a t e, Graf Clary-Aldringen bemerkthiezunoch,daß
im Falle der Durchführung der beantragten Gehaltsregulierung der Unterschied zwi¬
schen den dermaligen Gehalten der k. k. Beamten und der gemeinsamen im Vergleiche
zu früher immerhin kleiner geworden sei.

   Der Leiter des k.lc Finanzministeriums Sektionschef Rit¬
ter v. Kn i a z i o 1 u c k i releviert hieraufdieinAussicht genommene Erhöhung der
Funktionszulagen des ersten und zweiten Sektionschefs im Ministerium des Äußern um
2000 fl. jährlich.

   Der Vorsitzende führt demgegenüber aus, daß zumal der erste Sektionschef
meist der diplomatischen Karriere entnommen werde und gewöhnlich bereits den Rang
eines Gesandten bekleide, als welcher er im Auslande zwischen 20 000 und 24 000 fl. in
Gold beziehe. Im Falle seiner Einberufung in das Ministerium würde ein solcher
Gesandter daher bei den jetzigen Bezügen der Sektionschefs eine zu große materielle
Einbuße erleiden, so daß man schließlich kaum mehr einem Gesandten die Annahme
dieses Postens würde zumuten können.

   Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay erinnert
daran, daß er selbst vor Jahren die Stelle eines ersten Sektionschefs im Ministerium des
Äußern innegehabt habe. Er wisse daher aus eigener Erfahrung, daß dem ersten
Sektionschef, welcher den Minister des Äußern in dessen Abwesenheit zu vertreten hat,
nicht nur der Verkehr mit beiden Regierungen obliegt, sondern daß derselbe auch mit
dem in Wien akkreditierten diplomatischen Korps soziale Beziehungen zu unterhalten
verpflichtet ist, was große Auslagen nach sich ziehe. Wenn man diesen Posten somit
nicht hinlänglich gut dotiere, so würde dies dahin führen, daß sonst fähige und geeig¬
nete, aber weniger bemittelte Persönlichkeiten denselben nicht würden annehmen
können.

   Angesichts der erhaltenen Aufklärungen läßt der Leiter desk. k. Finanz¬
ministeriums Sektionschef Ritter v. Kniaziolucki seineBeden-
ken gegen die Gehaltsregulierung sowie gegen die darin inbegriffene Erhöhung der
Funktionszulagen der beiden Sektionschefs im Ministerium des Äußern fallen, und
werden diesfalls auch von keiner anderen Seite Einwendungen erhoben.

   Anschließend hieran erwähnt der Vorsitzende noch, daß auch die Regelung
der Gehalte der diplomatischen und Konsularfunktionäre in Aussicht genommen sei.
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17.10.1899  151

doch werde dieselbe unter entsprechender Verminderung der Zulagen durchgeführt
werden, so daß sich daraus im großen und ganzen keine Mehrbelastung des Budgets
ergeben werde.

   Anläßlich der Besprechung der im Voranschläge figurierenden Vermehrung der
Konzeptsbeamtenstellen im Ministerium des Äußern führt der Vorsitzende aus, daß
sich dieselbe infolge der kolossalen Vermehrung der Agenden als unabweislich heraus¬
gestellt habe. Die neuen SteUen würden zum Zwecke der Errichtung eines neuen
Departements angefordert, welches sich spezieU mit den Auswanderungsangelegenhei¬
ten zu befassen haben werde. Die Auswanderung aus der Monarchie habe nämlich in
den letzten Jahren ganz außerordentlich große Dimensionen angenommen, so daß man
sich mit dieser Frage ernstlich werde beschäftigen müssen. Die früher angewendeten
Regressivmaßregeln hätten sich als nutzlos erwiesen, und es handle sich nunmehr
darum, die Auswanderung, die zu verhindern man unvermögend sei, in richtige Bahnen
zu lenken. Redner trage sich mit der Absicht, in absehbarer Zeit eine Konferenz von
Vertretern beider Regierungen behufs Besprechung dieser Frage zusammenzuberu¬
fen.2

   Der Leiter des k.k. Finanzministeriums Sektionschef Rit¬
ter v. Kniaziolucki stellt an den Vorsitzenden die Frage, ob er nicht in der
Lage wäre, bezüglich dieser Post eine halbjährige Tangente bis zum 1. Juli 1900
zuzugestehen, womit sich der Vorsitzende einverstanden erklärt.

   Der Vorsitzende begründet hierauf die einzelnen neuen Anforderungen in
den diplomatischen Auslagen und bemerkt bezüglich der neu systemisierten Kanzlei¬
sekretärsstelle in Cetinje, daß die eigentlicheAufgabe dieses Funktionärs darin bestehe,
den müitärischen Verhältnissen Montenegros sein Augenmerk zuzuwenden. Doch
dürfe dies nicht vor der Öffentlichkeit gesagt werden, weshalb der betreffende Beamte
als Kanzleisekretär angeführt erscheine.

   Der Leiter des k.k Finanzministeriums Sektionschef Rit¬
ter v. Kniaziolucki fragt, ob nicht auch bei dieser Post eine sechsmonatliche
Tangente zugestanden werden könnte, was vom Vorsitzenden unter Hinweis auf die
absolute politische Notwendigkeit dieser Neusystemisierung verneint wird.

   Der Vorsitzende geht hierauf zur Besprechung der neuen Anforderungen in
den Konsularauslagen über, begründet dieselben einzeln und betont hiebei die Wich¬
tigkeit der Konsulate für die Volkswirtschaft und weist darauf hin, daß die Ausgestal¬
tung des Konsulametzes, welche einem Postulate der Handelswelt entspreche, noch
keineswegs ihren Abschluß gefunden habe.

   Sowohl der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell als auch der mit
dem Vorsitze im k. k. Ministerrate betraute Ick. Ackerbauminister Graf
Clary-Aldringen stimmen diesen Ausführungen bei, indem sie die Konsular¬
auslagen als eminent produktive bezeichnen.3

2 Ausgezeichnete zusammenfassende Tabellen und anschaulicher Überblick über dieAuswanderungsverhält¬
    nissein beiden Staaten: Katus, Die Magyaren426-431.^i«^ArÄcAereDarrte//«/»g.- Chmelar, Höhepunkt
    der österreichischen Auswanderung, PuskAs, Front Hungaiy to the United States (1880-1914), passim.

3 Zur Entwicklung des Konsularwesens: GMR. v. 3.4.1898, GMCZ. 409.
<pb/>152                             Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17.10.1899

    Bei der die Kreierung von fünf Konsulatskanzleisekretärsstellen betreffenden Post
fragt der mit der Leitung des kk. Finanzministeriums betraute
SektionschefRitterv. Kniaziolucki, ob nicht vielleicht eine halbjährige
Tangente eingeräumt werden könnte.

    Der Vorsitzende verneint diese Frage mit der Motivierung, daß sich als
Ergebnis eines solchen Zugeständnisses leicht Überschreitungen heraussteilen
könnten, die Redner gerne vermeiden möchte.

    Nachdem der Vorsitzende hierauf noch das Extraordinarium sowie die pro 1899
anzufordernden Nachtragskredite seines Ressorts erörtert und begründet hat, er¬
scheint der Voranschlang des gemeinsamen Ministeriums des Äußern erledigt, und
konstatiert Redner dessen Annahme im Ordinarium mit 9 916 941 Kronen, im Extra-
ordinarium mit 202 295 Kronen, zusammen mit 10 119 236 Kronen.

    Außerdem nimmt die Konferenz folgende vier Nachtragskredite des gemeinsamen
Ministeriums des Äußern an: zum ordentlichen Erfordernisse: 1. für die Reorganisie¬
rung des Lehrplanes der k u. k Konsularakademie 12 000 fl, 2. für .Reiseauslagen&quot;
behufs Bestreitung der Auslagen für die zur Friedenskonferenz in Haag entsendeten
Delegierten 14 767 fl. 83 Kreuzer; zum außerordentlichen Erfordernisse: 1. für Miete
der Bürolokalitäten im Modeneser-Palais, Adaptierung derselben, ferner für die
Kosten der Übersiedlung, Bewachung des Zahlamtes 15 000 fl., 2 für die Einrichtung
des Landhauses in Jeniköj 45 000 fl.

    Desgleichen wird nach den einschlägigen Darlegungen des ku. k gemeinsa¬
men Finanzministers v. Källay der gegen das Vorjahr ein Mindererfor-
demis von 6039 Kronen aufweisende Voranschlag des gemeinsamen Finanzministe¬
riums im Ordinarium mit 4 239 401 Kronen, im Extraordinarium mit 19 200 Kronen,
zusammen mit 4 258 601 Kronen, weiters das gegen das Jahr 1899 eine Mehrerforde¬
rung von 22 980 Kronen involvierende Präliminare des gemeinsamen Obersten Rech¬
nungshofes angenommen und dem Budget der Verwaltung Bosniens und der
Hercegovina zugestimmt.

   Der Voranschlag für das gemeinsame Zollgefälle wird aufgrund der von den beider¬
seitigen Regierungen präliminierten Beträge mit 124 950 089 Kronen eingestellt.

   Hierauf wird der Voranschlag des gemeinsamen Kriegsministeriums zur Diskussion
gestellt. Bevor jedoch in die Erörterung dieses Voranschlages eingetreten wird, möchte
sich der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell vorerst bezüglich des im
Extraordinarium eingestellten Restes des 48-MUlionen-Gulden-Rüstungskredites
äußern. Redner habe zwar in der am 7. März 1. J. stattgehabten gemeinsamen Minister-
konferenz der Anforderung dieses Kredites im Prinzipe zugestimmt,4 über die Form,
in welcher derselbe angesprochen werden sollte, sei jedoch damals kein Beschluß
gefaßt worden. Er könne nun die vom gemeinsamen Kriegsminister hiefür gewählte
Form nicht akzeptieren, da dieselbe vom budgetären Standpunkte nicht korrekt sei,
indem ein bereits verausgabter Betrag im Budget nicht pro futuro angesprochen werden
könne. Nach seiner Auffassung könnte nur der noch nicht verausgabte TeU jenes

4 GMR. v. 7.3.1899, GMCZ. 414.
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrett, Wien, 17.10.1899  153

Kredites in das Extraordinarium eingestellt werden. Da jedoch die Zerreißung dieses
stets als ein Ganzes gedachten Kredites nicht opportun erschiene, so beantrage Redner,
daß die gesamte Summe von 21 900 000 Kronen von den diesjährigen Delegationen als
Nachtragskredit angefordert werde, wodurch auch eine Anschwellung des Budgets
vermieden würde. Ein gemeinsamer Delegationsbeschluß, der dies verbieten würde,
liege nicht vor, da nur von der österreichischen Delegation in dieser Hinsicht ein
Wunsch geäußert worden sei, der jedoch für Ungarn nicht als bindend angesehen
werden könne.

   Der Vorsitzende schließt sich diesen Ausführungen an, da der gemeinsame
Kriegsminister anläßlich der Einbringung des 37-Millionen-Kredites in den Delegatio¬
nen gesagt habe, daß noch eine weitere Forderung zu gewärtigen sei, was die Möglich¬
keit eröffne, den in Rede stehenden Kreditrest in Form eines Nachtragskredites
anzufordem.

   Der gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v. Krieg-
Kammer schlägt einen anderen Ausweg vor, indem er die Mitteüung macht, daß er,
um den bei den Müitärlieferungen in Frage kommenden Industriezweigen fortlaufend
Arbeit zu sichern, die ihm bewilligten 30 Millionen Gulden noch nicht ausgegeben habe
und noch über bedeutendere Summen (2 1/2-3 Millionen Gulden) aus diesem Kredite
verfüge, so daß er bis zum Mai nächsten Jahres nur verhältnismäßig geringe Beträge
benötigen werde. Redner sei daher in der Lage, den Kredit von 21 900 000 Kronen aus
dem Voranschläge pro 1900 auszuscheiden und denselben erst von den nächstjährigen
Delegationen als Nachtragskredit pro 1900 anzusprechen, wobei er jedoch von der
Voraussetzung ausgehen müsse, daß ihm vom Januar nächsten Jahres a conto dieses
Nachtragskredites seitens der beiden Finanzministerien nach Maßgabe des tatsächli¬
chen Bedürfnisses Summen flüssig gemacht werden würden.

   Die Konferenz nimmt diese Eröffnungen zustimmend und mit dem Ausdrucke des
Dankes für das von dem gemeinsamen Kriegsminister diesfalls bewiesene Entgegen¬

kommen zur Kenntnis.
   Es wird hierauf zur Besprechung der einzelnen Posten des Kriegsbudgets überge¬

gangen, wobei zunächst der Leiter des k. k. Finanzministeriums Sek¬
tionschef Ritter v. Kniazio lucki es bemängelt, daß die Interkalarien zu
niedrig veranschlagt seien.

   Der gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v. Krieg¬
hamm e r erwidert, daß dies aus dem Grund geschehen sei, um die früher infolge zu
hoher Einstellung der Interkalarien vorgekommenen Überschreitungen zu sanieren,
wodureji er einem von den Delegationen wiederholt geäußerten Wunsche nachgekom¬

men sei.
   Der Leiter des k.k. Finanzministeriums Sektionschef

Ritter v. Kniaziolucki glaubt weiters, den Umstand nicht mit Still¬
schweigen übergehen zu können, daß imgeachtet der beantragten Gageregulierung
die aus diesem Anlasse zu entrichtenden Diensttaxen im Voranschläge nicht in
Einnahme gestellt seien. Nachdem bekanntlich die während des ersten Jahres zu
zahlende Diensttaxe einem Drittel der Erhöhung der Beträge gleichkomme, so
würden von den Gagisten des k. u. k. Heeres ungefähr 3 160 000 Kronen an
<pb/>154  Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17.10.1899

Diensttaxen zu entrichten sein, um welchen Betrag sich die eigenen Einnahmen
des Heeres höher stellen würden.

   Der gemeinsame Kriegsminister GdK Freiherr v. Krieg¬
hammer wendet dagegen ein, daß Diensttaxen nur bei Beförderungen, nicht aber
auch bei Gageregulierungen zu entrichten seien, und weist darauf hin, daß anläßlich
der in früheren Jahren durchgeführten Gageregulierungen seitens der Müitärpersonen
keine Diensttaxen entrichtet worden seien.

   Der Leiter des k.k. Finanzministeriums Sektionschef Rit¬
ter v. Kniaziolucki hält demgegenüber seine Auffassung als im Gesetze be¬
gründet aufrecht.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Szell knüpft hieran die Bemer¬
kung, daß es sich bei den früheren Gageregulierungen nur um geringe Beträge gehan¬
delt habe und die Sache damals eben von keiner Seite releviert worden sei. Was speziell
die Gageregulierung im Jahre 1851 anlangt, so dürfe man nicht vergessen, daß es damals
keine Vertretungskörper gegeben habe, auf welche man Rücksicht hätte nehmen
müssen.

   Der Vorsitzende spricht sich dahin aus, daß es eines Spezialgesetzes bedürfen
würde, um die Gagisten des k. u. k. Heeres von der Zahlung der Diensttaxen zu
befreien, eine solche Gesetzesvorlage würde jedoch nach Ansicht des Leiters des
kk. Finanzministeriums Sektionschef Ritter v.Kniaziolucki
im Reichsrate nicht durchzubringen sein.

   Der gerne insame Kriegsminister GdK Freiherr v. Krieg¬
hamm e r legt dar, da mit Eintritt der Gageregulierung der Subsistenzbeitrag wegfal¬
le, die Lieutenants und übrigen Gagisten der XI. Rangklasse während des ersten Jahres
nahezu gar keinen VorteU von der Gageregulierung haben würden. Redner müsse daher
den größten Wert darauf legen, daß wenigstens die Gagisten der XI. Rangklasse von
der Entrichtung der Diensttaxe befreit werden.

   Nach längerer Diskussion beschließt die Konferenz, diese Frage in der Weise zu
lösen, daß den Lieutenants und übrigen Gagisten der XI. Rangklasse während des
ersten Jahres der ihrer Diensttaxe entsprechende TeU des Subsistenzbeitrages belassen
werde, so daß sich das Budget des gemeinsamen Kriegsministeriums um den Betrag
der Diensttaxen vom Oberlieutenant beziehungsweise Müitärgagisten der X. Rangklas¬
se aufwärts verbessern würde. Diese Verbesserung wird von der Konferenz in runder
Summe auf 2 Millionen Kronen veranschlagt.

   Die Konferenz beschließt zugleich, daß die bezüglich der Diensttaxenentrichtung
der Gagisten des k u. k. Heeres getroffenen Bestimmungen auf die im Gagebezuge
stehenden Personen der k u. k. Kriegsmarine sinngemäße Anwendung zu finden
haben.

   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs sowie der Leiter des
kk Finanzministeriums Sektionschef Ritter v. Kniazio¬
lucki richten hieraufunter H inweis aufdie großen Schwierigkeiten, welche die Frage
der erforderlichen Bedeckung beiden Finanzverwaltungen gerade im nächsten Jahre
biete, an den gemeinsamen Kriegsminister GdK. Freiherm v. Krieghammer das drin¬
gende Ersuchen, im Voranschläge seines Ressorts Reduktionen im Betrage von min-
<pb/>Nr. 27 Gemeinsamer Ministarat, Wien, 17.10.1899  155

destens 2 Millionen Kronen vorzunehmen und bezeichnen eine Reihe von Posten,
welche ihrer Ansicht nach aus dem Budget ausgeschieden und wenigstens vorläufig
zurückgestellt werden könnten.

   Der gemeinsame Kriegsminister GdK Freiherr v. Krieg-
h a m m e r erklärt demgegenüber, Reduktionen im Betrage von 2 Millionen
Kronen nicht vornehmen zu können, da er bei der Zusammenstellung des Voran¬
schlages ohnedies mit der größten Sparsamkeit zu Werke gegangen sei. Auch
seien mehrere der ihm zur Eliminierung empfohlenen Posten Bestandteüe des
ohnehin ausgeschiedenen 21-Millionen-Kronen-Kredites. Schließlich willigt Redner
auf Vorschlag des kgl. ung. Ministerpräsidenten v. Szell ein, Reduktionen im
Betrage von 1 1/2 Millionen Kronen vorzunehmen, ohne in der Konferenz selbst
jene Posten angeben zu können, bei welchen dieser Betrag sich werde ersparen
lassen.

   Der Vorsitzende konstatiert hierauf, daß der ursprünglich im Ordinarium mit
272 536 176 Kronen, im Extraordinarium mit 36 178 823 Kronen, im Okkupationskre¬
dite mit 7 302000 Kronen, zusammen mit 316016999 Kronen präliminierte Voran¬
schlag des gemeinsamen Kriegsministeriums, abzüglich der drei im vorangehenden
erwähnten Beträge von 21 900 000 Kronen, 2 Millionen Kronen und 1 1/2 Millionen
Kronen angenommen wurde.

   Der Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun leitet
hierauf die Diskussion über den Voranschlag seines Ressorts mit einem Hinweise auf
die großen Anstrengungen ein, welche seitens anderer Staaten zum Zwecke der Ent¬
wicklung ihrer Seemacht gemacht würden, hinter denen die k. u. k. Kriegsmarine
infolgedessen immer mehr und mehr zurückbleibe. Mit Rücksicht hierauf müsse die in
dem Voranschläge der Kriegsmarine zum Ausdrucke gelangende Steigerung der Aus¬
gaben als eine äußerst bescheidene bezeichnet werden. Dieselbe sei hauptsächlich auf
die Gageregulierung, die Vermehrung des Personalstandes, die 10%ige Aufbesserung
der Löhne der Arsenalmeister und -arbeiter, endlich auf den Bau zweier Küstenvertei¬
digungsschiffe zurückzuführen.

   Der Leiter des k.k. Finanzministeriums Sektionschef Rit¬
ter v. Kniaziolucki findet es auffallend, daß in dem Voranschläge die Inter-
kalarien nicht, wie mit Rücksicht auf die Gageregulierung zu erwarten gewesen wäre,
erhöht, sondern herabgesetzt worden seien und beantragt eine entsprechende Erhö-
hung dieser Post.

   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs schließt sich diesem

Wunsche an.
   Derlcu.k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun

bemerkt demgegenüber, daß der Bemessung der Interkalarien der Durchschnitt der
letzten acht Jahre zugrunde gelegt worden sei, und hebt hervor, daß die zu hohe
EinsteUung der Interkalarien von den Delegationen zu wiederholten Malen bemängelt
worden sei. Übrigens erklärt Redner sich bereit, die Interkalarien bei Titel I und II um

zusammen 60 000 Kronen zu erhöhen.
   Im weiteren Verlaufe der Diskussion stellt der Leiter des k.k. Finanzmi¬

nisteriums Sektionschef Ritter v. Kniaziotucki die Frage, ob
<pb/>156                             Nr. 27 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17.10.1899

nicht bei Titel VI, Subtitel C (Schiffsbauten), des Extraordinariums bei den Posten 1-5
eine vorläufige Herabsetzung der angesprochenen Raten um 1 Million Kronen möglich
wäre.

    Der k.u.k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun
erwidert hierauf, daß dies mit Rücksicht auf die anzustrebende Entwicklung der
Seemacht der Monarchie nicht tunlich sei. Insoweit speziell die Posten 3-5 in Betracht
kämen, so bezweckten dieselben die Schaffung einer gleichartigen, aus Fahrzeugen des
Typus Schlachtschiff I bestehenden Schiffsdivision, welche die k. u. k. Kriegsmarine
dringend benötige.

    Der Leiterdes Ick. Finanzministeriums Sektionschef Rit¬
ter v. Kniaziolucki fragt ferner, ob nicht wenigstens die ersten Raten für den
Rammkreuzer E sowie für das Schlachtschiff III um je 200000 Kronen verringert
werden könnten.

    Der k.u.k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun
gibt hiezu seine Einwilligung und macht auf Wunsch des kgl. ung. Finanzministers
v. Lukacs sowie des Leiters des Ick. Finanzministerium Sektionschefs Ritter v. Kniazio¬
lucki das weitere Zugeständnis, bei den Posten 7 und 9 des Titels VH des Extraordina¬
riums eine vorläufige Reduktion von je 100 000 Kronen eintreten zu lassen.

    Der k.u.k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Spaun bringt hierauf den Nach¬
tragskredit zum Ordinarium des Jahres 1899 von 885 000 fl. für die Erhöhung und
Unterbreitung des Steinkohlenvorrates zur Sprache, wobei er daran erinnert, daß diese
Nachtragsforderung ein Teü jenes 21/2-Millionen-Gulden-Kredites sei, welcher der
Marineverwaltung von der am 7. März 1. J. stattgehabten gemeinsamen Ministerkonfe¬
renz im Prinzipe bewilligt worden sei.5 Da die Ergänzung des Kohlenvorrates aus den
bereits damals vom Redner dargelegten Gründen seither unumgänglich notwendig
geworden sei, sehe er sich nunmehr genötigt, diesen Nachtragskredit von den diesjäh¬
rigen Delegationen anzusprechen und behalte sich vor, den Rest des 21/2-Mülionen-

Kredites als Nachtragskredit zumVeranschlage des Jahres 1901 von den nächstjährigen
Delegationen anzufordem.

   Im Anschlüsse an diese Ausführungen bespricht und begründet Redner folgende
Nachtragskredite zum ordentlichen Erfordernisse des Jahres 1898:1. für die vermehrte
Indienststellung von Schiffen in der Levante (Kreta) 160 940 fl., 2. zur Deckung des
Mehraufwandes anläßlich der Entsendung Sr. Majestät Schiffes ,,Kaiserin und Königin
Maria Theresia&quot; nach Westindien 74 450fl., 3. zur Deckung der Kosten des Wiederauf¬
baues des durch ein Schadenfeuer zerstörten Unteroffizierswohnhauses Nr. 231 in Pola
27 000 fl.

   Hiemit erscheint die Beratung des Voranschlages der k. u. k. Kriegsmarine zu Ende
gebracht, und stellt der Versitzende fest, daß die Konferenz denselben im
Ordinarium mit25 556 050Kronen, im Extraordinarium mit 13 910 450Kronen, zusam¬
men mit 39 466 500 Kronen angenommen und auch den vorerwähnten vier Nachtrags¬
krediten zugestimmt hat.

5 GMR. v. 7.3.1899, GMCZ. 414.
<pb/>Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 15.11.1899  157

   Der Vorsitzende schließt hierauf die Sitzung, indem er konstatiert, daß bezüglich
des gemeinsamen Voranschlages der Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-un¬
garischen Monarchie pro 1900 in der Konferenz eine vollkommene Übereinstimmung
erzielt worden ist.

                                                                                       Goluchowski

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Budapest, 16. November 1899. Franz Joseph.

             Nr. 28 Gemeinsamer Ministerrat, Budapest, 15. November 1899

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Goluchowski, der kgl. ung! Minister¬
präsident v. Szell, der mit dem Vorsitze im k. k. Ministerrate betraute k. k. Ackerbauminister Graf Oaty
[-Aldringen], der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Freiherr v. Krieghammer, der kgl. ung. Landes¬
verteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejdrvänr, der k. k. Landesverteidigungsminister KM. Graf Wel-
sersheimb, der kgl. ung Finanzminister v. Lukacs, der Leiter des k. k. Finanzministeriums Sektionschef
Ritter v. Kniaziotucki.
    Protokollführer. Legationsrat v. Mdrey.
    Gegenstand: Der Ausbau der Wehrmacht und die Feststellung des Rekrutenkontingentes.

   KZ. 95 - GMCZ. 417
   Protokoll des zu Budapest am 15. November 1899 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers und
Königs.

   Se. k. u. k. apost Majestät geruhen die Sitzung mit dem Hinweise darauf
einzuleiten, daß in der am 29. Juni 1. J. stattgehabten gemeinsamen Ministerkonferenz
die Frage des Ausbaues der Wehrmacht und der Erhöhung des Rekrutenkontingentes
diskutiert wurde und schließlich an die beiden Regierungen der Auftrag erging, sich
über die Modalitäten der Durchführbarkeit des diesfälligen Elaborates der Heereslei¬
tung Klarheit zu verschaffen.1 Nachdem nun über die Einbringung der Vorlagen
bezüglich des Rekrutenkontingentes in beiden Parlamenten, speziell im ungarischen,
entschieden werden müsse, sei dermalen der Moment gekommen, darüber schlüssig zu
werden, ob man ein erhöhtes Kontingent anfordem oder vorläufig lediglich die bishe¬
rige Ziffer des letzteren verlängern solle. In der Konferenz im Juni habe die Auffassung
vorgeherrscht, daß es eventuell möglich sein werde, vor der nächsten Delegation mit
einer Erhöhung des Rekrutenkontingentes hervorzutreten, um auf diese Weise nicht
wieder ein Jahr zu verlieren. Heute handle es sich aber nur um die Entscheidung der
Frage, was jetzt zu tun sei, ob man nämlich nur provisorisch das bisherige Gesetz
verlängern oder aber eine Erhöhung des Kontingentes eintreten lassen solle. Vom
militärischen Standpunkte müsse betont werden, daß die Frage der Erhöhung des

1 GMR v. 29. 6.1899, GMCZ. 415.
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