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Gemeinsamer Ministerrat, 13. 6. 1897

I. Die Frage der Bedeckung des pro 1897 der Heeresverwaltung bewilligten Vorschusses für außerordentliche Erfordernisse

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z14.pdf.

86 Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, men, 13. 6.1897

                   Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. Juni 1897

     RS. (undRK).
     Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Goiuchowski, der kgl. ung. Minister¬
präsident Baron Bdnffy, der k. k. Ministerpräsident Graf Badeni, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v.
Källay (23.6.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghammer, der kgl. ung. Finanzmi¬
nister v. Lukäcs, der k. k. Finanzminister Ritter v. Bilinski (23.6.).
     Protokollführer Sektionsrat v. Mdrey.
     Gegenstand: Die Frage der Bedeckung des pro 1897 der Heeresverwaltung bewilligten Vorschusses für
außerordentliche Erfordernisse.

   KZ. 47 - GMCZ. 403
   Protokoll des zu Wien am 13. Juni 1897 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame
Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers und Königs.

   Se. k. u. k. apost Majestät geruhen die Beratung mit dem Hinweise darauf
einzuleiten, daß bei der letzten, am 30. Jänner d. J. abgehaltenen gemeinsamen Mini-
sterkonferenz über den von der Heeresverwaltung angesprochenen außerordentlichen
Spezialkredit von 45 Millionen der Beschluß gefaßt worden ist, die Art der Bedeckung
des von dieser Gesamtsumme auf das heurige Jahr entfallenden Teübetrages von 15
Millionen in einem späteren Zeitpunkte festzustellen.1 Es sei nunmehr die Notwendig¬
keit eingetreten, über diesen Punkt schlüssig zu werden, wobei es sich um die Frage
handle, ob der in Rede stehende Teübetrag dem Anträge der beiden Regierungen
gemäß den gemeinsamen Aktiven entnommen, oder aber von den beiderseitigen Fi¬
nanzministem aus den Kassabeständen bestritten werden solle.

   Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Goiu¬
chowski erbittet sich das Wort um auszuführen, daß in der gemeinsamen Minister¬
konferenz vom 30. Jänner d. J. bezüglich der Art der Bedeckung der 15 Millionen der
Ansicht Ausdruck gegeben worden sei, daß es sich am Ende des Jahres herausstellen
werde, ob in den beiden Teüen derMonarchie genügende Überschüsse zu diesem Zweck
vorhanden, oder aber die Notwendigkeit gegeben sei, auf die gemeinsamen Aktiven zu
greifen. Hiebei sei man von der Voraussetzung ausgegangen, daß bis zum Ende dieses
Jahres der Ausgleich perfekt sein und dann die in Aussicht stehenden großen Müitär-
vorlagen, welche sich einerseits auf die Erhöhung des Rekrutenkontingentes, anderer¬
seits auf die Anforderung eines namhaften Betrages für militärische Investitionen
beziehen, eingebrachtwürden. Dergemeinsame Kriegsministerhabe ferner dieNotwen¬
digkeit dargelegt, gewisse besonders dringende Anschaffungen sogleich in Angriff zu
nehmen, und den hiefür entfallenden Betrag pro 1897 mit 15 Millionen, pro 1898 mit 30
Millionen beziffert. Während bezüglich der für Investitionen bestimmten großen Mehr¬
anforderung die Aufnahme einer Anleihe in Aussicht genommen wurde, ist die Frage
der Bedeckung der 15 Millionen kontrovers geblieben, indem die beiderseitigen Regie¬
rungen hiefür die gemeinsamen Aktiven in Anspruch zu nehmen wünschten, während
seitens der gemeinsamen Minister hingegen Bedenken geltend gemacht und der Moda¬
lität der Bedeckung dieser Summe aus den beiderseitigen Kassabeständen der Vorzug

1 Ein irrtum, über die Frage beriet der GMR v. 31.1.1897, GMCZ. 400.
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gegeben wurde. Seither habe sich die Situation insofeme verändert, als es einerseits klar
sei, daß die erwähnten Militärvorlagen heuer nicht mehr eingebracht werden können,
und andererseits die beiden Finanzminister mittlerweile erklärt hätten, für die einzelnen
Raten des inzwischen von der Heeresverwaltung von 15 Millionen auf 12 Mülionen
ermäßigten Betrages aus den Kassabeständen nicht aufkommen zu können. Allerdings
habe der kgl. ung. Finanzminister hiebei die Reserve gemacht, daß er in dem Falle, als
österreichischerseitsdieLeistung der betreffenden Quoten aus den Kassabeständen sich
doch als möglich herausstellen sollte, die zu Lasten des ungarischen Staatsschatzes ent¬
fallenden Teübeträge gleichfalls zu übernehmen bereit wäre.2 Bevor in das Meritum der
nunmehr eine Entscheidung erheischenden Frage der Bedeckung der 12 Millionen ein-
getreten werde, möchte Redner gegenüber einer vom kgl. ung. Ministerpräsidenten in
der einschlägigen Korrespondenz gemachten Bemerkung, womach das Verfügungs¬
recht über die gemeinsamen Aktiven ausschließlich den beiden Regierungen respektive
Legislativen zustehe, darauf aufmerksam machen, daß, wie dies schon der gewesene kgl.
ung. Ministerpräsident v. Tisza und der damalige k. k. Finanzminister Ritter v. Duna-
jewski im Jahre 1887 in einer gemeinsamen Ministerkonferenz übereinstimmend her¬
vorgehoben haben, die Natur der gemeinsamen Aktiven und die Art ihrer Verfügung
noch nicht ausgetragene Fragen seien.3 Die gemeinsamen Aktiven seien gleichsam ein
Depot, und für ein solches trage derDepositar einegewisseVerantwortung. Daraus folge
nicht, daß die gemeinsame Regierung etwa darüberverfügen könne, aber es scheine auch
umgekehrt keineswegs ausgemacht, daß auf eine bloße Aufforderung der beiden Regie-

daraus zu leisten. Hiezu komme die praktische Erwägung, daß sich die gemeinsamen
Aktiven bereits wiederholt als ein wertvoller Reservefonds für unvorhergesehene und
dringende kleinere Ausgaben besonders in jenen Fällen bewährt haben und auch in
Zukunft bewähren würden, wo man den Anlaß oder Gegenstand der betreffenden
Auslage nicht gleich vor die Öffentlichkeit bringen wolle. Es verdiene daher wohl über¬
legt zu werden, bevor man diesen Reservefonds antaste oder gar aufzehre, und es er¬
scheine jedenfalls geboten, selbst in dem Falle, als man den fraglichen Betrag daraus zu
entnehmen sich entschließe, denselben seinerzeit zu refundieren.

2 Lukäcs an Källay v. 25. 3.1897, HHSrA., PA. I, Karton 656,146/CdM. (Übersetzung). Der Ministerrat
     vom 31.1.1897, GMCZ. 400, hatte beschlossen, zur Deckung der von der Heeresverwaltung beantragten
     Summe die gemeinsamen Aktiven in Anspruch zu nehmen. Nur wenn der Verkauf der Wertpapiere der

     gemeinsamenAktiven aufSchwierigkeiten stoßen sollte, wäre man bereit, den Ungarn zufallenden Teil aus
    den Kassenbeständen zu decken. Källay schickte das Aktenstück am 28. 3.1897 an Goluchowski ebd.;
    Goiuchowski an Källay 29.3.1897, ebd. In der genannten Ministerratssitzung wurde die Entscheidung in
     derdiskutierten Frage aufden ausdrücklichen Wunsch Ungarns biszumJahresendevertagt, solange nämlich,
     bis geklärt sein würde, ob die beantragte Summe aus den Kassenbeständen bereitgestellt werden kann oder
     aufdiegemeinsamenAktiven zurückzugreifen sein wird Jetztübernahm derungarischeFinanzminister doch
    nicht die Verantwortungfür die Bereitstellung der Summe. Badeni an Källay v. 30.3.1897, ebd., 153/CdM.
    DiebeantragteSummesollteausdengemeinsamenAktivengedecktwerden. Vgl. ebd., 159/CdM., 168/CdM.,
    268/CdM.
3 GMR.V. 5.1.1887, GMCZ.355. Vgl. GMRProL v.13.4.1896.GMCZ. 390, Anm. 12; Bänßy an Goluchowski
    v. 5. 6.1897, HHSrA, PA I, Karton 656,253/CdM.: Das Verfügungsrecht über die gemeinsamen Aktiven
    stehe den beiden Parlamenten zu.
<pb/>88 Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 6.1897

   Der k.u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay gestattet
sich darzulegen, daß die gemeinsamen Aktiven aus zwei Teilen bestehen: den Ef¬
fekten und den Forderungen. Die letzteren, welche sich als die vorschußweisen
Entnahmen des gemeinsamen Ministeriums des Äußern, des gemeinsamen Kriegs-
ministeriums und der bosnisch-hercegovinischen Verwaltung darstellen, belaufen
sich insgesamt auf 17 300 000 fl., wovon jährlich der Betrag von 728 000 fl. zurück¬
fließt Die Effekten repräsentieren ein Kapital von 17 430 000 fl. und würden nach
den in streng konfidentieller Weise mit einem großen Finanzinstitute eingeleiteten
Verhandlungen mit dem Betrage von 17050000 fl. zu realisieren sein. Redner
möchte noch bemerken, daß in dem Falle, als etwa eine bloße Belehnung dieses
Kapitals ins Auge gefaßt würde, der dadurch zu erzielende Betrag sich wesentlich
tiefer stellen würde.

   Der k.k. Finanzminister Ritter von Bilinski reflektiert auf die
letzte Bemerkung seines Vorredners, indem er die Ansicht vertritt, daß die Entschei-
dung der Frage, ob man gegebenenfalls die gemeinsamen Aktiven verkaufen oder
belehnen solle, davon abhänge, ob überhaupt die Inanspruchnahme derselben als eine
definitive oder als eine vorschußweise beabsichtigt wird. Im letzteren Falle würde wohl
auch eine Belehnung am Platze sein.

   Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Goiu-
c h o w s k i möchte diesbezüglich bemerken, daß es sich wohl schon deshalb nur um
einen Vorschuß handeln könne, weü zu der definitiven Entnahme die Zustimmung der
Legislativen notwendig sei.

   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs weist gegenüber dem von
dem gemeinsamen Minister des Äußern bezüglich der Verantwortlichkeit für die
Verwendung der gemeinsamen Aktiven eingenommenen Standpunkte auf den Gesetz¬
artikel XIIvom Jahre 1867, worin die Kompetenz der gemeinsamen Minister festgesetzt
sei sowie auf den Umstand hin, daß ausnahmslos für jede Bedeckung die beiderseitigen
Regierungen den Parlamenten verantwortlich seien.4 Ferner führt Redner eine Reihe
von Fällen an, in welchen seit dem Bestände der gemeinsamen Aktiven namhafte
Beträge aus denselben für Zwecke des gemeinsamen Heeres entnommen wurden, ohne
daß eine Rückzahlung vorgesehen gewesen wäre. Ob in dem gegenwärtigen Falle der
betreffende Betrag definitiv oder bloß vorschußweise aus den gemeinsamen Aktiven zu
bestreiten sei, hänge von der Entscheidung Sr. Majestät ab. Die ungarische Regierung
sehe sich zwar heuer noch imstande, diese Summe aufzubringen, aber es wäre schon
mit Rücksicht auf das Parlament unmöglich, diesfalls anders vorzugehen als die öster¬
reichische Regierung.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy erlaubt sich seine
Meinung dahin auszusprechen, daß es ihm nicht opportun erscheine, bezüglich der
gemeinsamen Aktiven die prinzipiellen staatsrechtlichen Fragen ihrer Natur und des
Rechtes, über sie zu verfügen, aufzuwerfen. Jedenfalls obliege den beiderseitigen
Regierungen die Verantwortung für jedwede Bedeckung, also auch für jene aus den

4 Vgl. das Gesetz V. 28. 7.1867, GA XII/1867, § 41.
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gemeinsamen Aktiven, gegenüber den Parlamenten, und könne daher eine TeUung
dieser Verantwortlichkeit mit der gemeinsamen Regierung nicht eintreten.

   Der k.k. Ministerpräsident GrafBadeni gestattet sich auseinander¬
zusetzen, daß nach seiner Auffassung dermalen angesichts der unzulänglichen Höhe
der Kassabestände der auf das heurige Jahr entfallende Teü des Spezialkredites provi¬
sorisch den gemeinsamen Aktiven zu entnehmen wäre, wobei man über die weitere
Frage schlüssig werden müßte, ob man in der seinerzeitigen einschlägigen Vorlage an
die Legislativen die Refundierung dieses Betrages proponieren solle oder nicht.

   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieg¬
hammer erbittet sich dasWort, um zunächst zu konstatieren, daß ervon der Gesamt¬
forderung per 45 Millionen ursprünglich 15 und im weiteren Verlaufe der Verhandlun¬
gen 12 Millionen für das laufende Jahr angesprochen habe, in der Voraussetzung, daß
es den beiderseitigen Finanzministem möglich sein werde, für diesen Betrag aus den
Kassabeständen aufzukommen. Nachdem diese Voraussetzung nicht eingetroffen sei,
habe er, um den aus dieser Situation resultierenden Schwierigkeiten vorzubeugen, die
hiebei in Betracht kommenden Posten einer neuerlichen genauen Prüfung unterzogen,
bezüglich einzelner die Zahlungen auf das nächste Jahr verschoben, und sei es ihm auf
diese Art gelungen, die auf 1897 entfallende Summe auf 7 872 000 fl. zu reduzieren.
Nachdem die beiderseitigen Quoten für die zwei ersten Raten im Gesamtbeträge von
1520 OOOfl. bereitsgeleistetwordenseien,handle essichsomitnurmehrinneinenBetrag
von 6 352 000 fl.

   Der Ick. Finanzminister Ritter v. Biliüski erklärt hierauf, daß die
österreichische Finanzverwaltung in der Lage sei, den auf sie nach dem Quotenverhält¬
nisse entfallenden Anteü dieses Erfordernisses zu bestreiten.

   Der k.u. k. gemeinsame Finanzminister v. Kalla y richtet an den
gemeinsamen Kriegsminister das Ersuchen, ihm diese seine neue Aufstellung ehestens
schriftlich, mit Angabe der Höhe der einzelnen anzusprechenden Monatsraten, mitzu-
teüen.s Es würde dann die Bekanntgabe der betreffenden Ziffern an die beiden Regie¬
rungen erfolgen, welchehierauf ihrerseits zu erklären hätten, daß sievon ihrem früheren
Verlangen nach Inanspruchnahme der gemeinsamen Aktiven abstehen und die betref¬
fenden Beträge aus den jeweiligen Kassabeständen decken werden.

   Se. Icu. k. apost Majestät geruhen zu konstatieren, daß infolge der Erklä¬
rung des gemeinsamen Kriegsministers die Diskussion über die Frage der Verwendung
der gemeinsamen Aktiven gegenstandslos geworden sei, und als Beschluß der Konferenz
zu enunzieren, daß die beiderseitigen Finanzminister den auf das heurige Jahr entfallen¬
den Teü des Spezialkredites in der nunmehrvom gemeinsamen Kriegsminister reduzier¬
ten Höhe ohne Inanspruchnahme der gemeinsamen Aktiven bestreiten werden.

   Hierauf geruhen Se. k. u. k. apost Majestät die Sitzung zu schließen.

   Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokoües zur Kenntnis gennomen.
   Ischl, 2. Juli 1897. Franz Joseph.

5 Krieghammer an Källay v. 14. 6.1897, HHStA., PA. I, Karton 656,270/CdM. (Abschrift). entspre¬
    chend dem Beschluß desgemeinsamen Ministerrates abgeändertenAnspruch aufden Spezialkredit schickte
    Käüay am 15. 6.1897an Gotuchowski, ebd.
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