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Gemeinsamer Ministerrat, 31. 1. 1897

I. Die im Interesse einer rascheren Vervollständigung der Schlagfertigkeit der Armee von der Kriegsverwaltung gestellten außerordentlichen Mehrforderungen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z11.pdf.

Nr. 11 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 31.1.1897 - Protokoll I               77

Nr. 11 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 31. Jänner 1897 - Protokoll I

RS. (undRK.)                                                          w. .
Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Gotuchowski, der kgl. ung. Minister¬

präsident Baron Bänffy, der k. k. Ministerpräsident Graf Badeni, der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v.

Källay, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghammer, der kgl. ung. Finanzminister v.

I ..ifiW, der k. k. Finanzminister Ritter v. Bilinski (19.2.), der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr

v. Beck (18.2.).
    Protokollführer Sektionsrat v. Mdrey.
    Gegenstand: Die im Interesse einer rascheren Vervollständigung der Schlagfertigkeit der Armee von

der Kriegsverwaltung gestellten außerordentlichen Mehranforderungen.

   KZ. 15 - GMCZ. 400
   Protokoll des zu Wien am 31. Jänner 1897 abgehaltenen Ministerrates für gemein¬

same Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers und Königs.

   Se. k. u. k. apost Majestät geruhen die Sitzung zu eröffnen und als deren
Gegenstand die Festlegung derBeschlüsse der am 29. d. M. stattgehabten gemeinsamen
Ministerkonferenz über die im Interesse einer rascheren Vervollständigung der Schlag¬
fertigkeit der Armee von der Kriegsverwaltung gestellten außerordentlichen Mehran¬
forderungen zu bezeichnen.1 Allerhöchstdieselben haben das Protokoll dieser
Konferenz gelesen und daraus entnommen, daß der am Schlüsse derselben von dem
k. k. Finanzminister gestellte Antrag zum Beschlüsse erhoben worden sei Nachdem der
betreffende Passus des Konferenzprotokolles über Ah. Auftrag von dem k. u. k. ge¬
meinsamen Minister des Äußern zur Vorlesung gebracht ist, geruhen Se. k. u. k. apost.
Majestät, an den k. u. k. gemeinsamen Kriegsminister die Anfrage zu stellen, ob dersel¬
be sicher sei, mit dem für das laufende Jahr in Aussicht genommenen Betrage von 15

Millionen das Auslangen zu finden.
   Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Edler v. Krieg¬

hammer gestattet sich, diese Frage mit der Begründung zu bejahen, daß die tatsäch¬
liche Bezahlung der meisten Bestellungen erst im Jahre 1898 zu erfolgen habe werde.

   Se. k.u.k. apost. Majestät geruhen den von den beiderseitigen Finanzmi-
nistem angemeldeten Wunsch, die fraglichen 15 Millionen den gemeinsamen Zentral-
aktiven zu entnehmen, zur Sprache zu bringen und die Frage aufzuwerfen, ob es
angezeigt sei, schon jetzt auf diesen Fonds zu greifen, welcher wiederholt zur Bedek-
kung dringender kleinerer Bedürfnisse gedient habe, und durch dessen Aufzehrung
daher eine unter Umstände sehr willkommene letzte Restsumme verschwände.

    Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukacs erbittet sich das Wort, um zu
konstatieren, daß der in Rede stehende Fall nicht der erste wäre, in welchem die
gemeinsamen Zentralaktiven für Heereszwecke in Anspruch genommen würden. Es sei
dies im Jahre 1868 mit dem Betragevon 26 Mülionen, 1869 mit 6 Mülionen, 1877-1882
mit 91/2 Mülionen und 1882 mit 20Mfllionen der Faü gewesen. Außerdem betrage die

ganze realisierbare Summe der gemeinsamen Zentralaktiven 27 Mülionen, so daß
HiVcmal nur ein Teü des gesamten Fonds in Anspruch genommen würde.

1 GMR. v. 29.1.1897, GMCZ. 397.
<pb/>   I

78 Nr. 11 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 31.1.1897 - Protokoll I

   Der Ick. Finanzminister Ritter v. Bilinski bittet, den in Rede
stehenden Antrag näher motivieren zu dürfen. Derselbe sei hauptsächlich aus dem
Grunde gestellt worden, weü die dermalige Anforderung der Kriegsverwaltung die
beiderseitigen Regierungen unvorbereitet und nach Fertigstellung des Budgets getrof¬
fen habe. Es lasse sich dermalen nicht voraussehen, ob und welche Überschüsse sich
am Ende des Jahres ergeben werden, und es würde dem Ansehen der Monarchie nicht
entsprechen, wenn im Falle der Unzulänglichkeit dieser Überschüsse sich die Notwen¬
digkeit ergäbe, für eine relativ so geringe Summe eine Anleihe zu kontrahieren. Recht¬
lich sei die Frage schon durch die von dem Vorredner angeführten Präzedenzfälle außer
Zweifel gestellt. Redner möchte also um Gewährung dieses Wunsches bitten und auch
seinerseits darauf hinweisen, daß selbst nach der Entnahme der 15 Millionen in den
gemeinsamen Zentralaktiven noch immer 7 Millionen Bargeld und 17 Millionen reali¬
sierbare Titres verbleiben.

   Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay erlaubt sich
als Depositar der gemeinsamen Zentralaktiven zu bemerken, daß das Kapital der¬
selben, welches eben durch die erwähnten wiederholten Entnahmen größerer
Summen für Heereszwecke sich stark reduziert habe, dermalen bei 20 Millionen
betrage. Die Schuld Bosniens und der Hercegovina an diesen Fonds, welche 17
Millionen betrage, komme alljährlich nur in Raten von einigen Hunderttausend
Gulden, somit in ihrer Gänze erst nach Jahren herein. Redner sei zwar gleichfalls
der Ansicht, daß ein gesetzliches Hindernis gegen die von den beiderseitigen Fi¬
nanzministem gewünschte Inanspruchnahme der gemeinsamen Zentralaktiven für
die 15 Millionen Anforderung nicht bestehe, inöchte aber bezweifeln, ob dieser
Ausweg praktisch sei.

   Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Golu-
c h o w s k i möchte sich erlauben, den Antrag zu stellen, daß in dem Falle, als wegen
der vorhandenen momentanen Schwierigkeiten die Inanspruchnahme der gemeinsa¬
men Zentralaktiven zugestanden würde, der Rückersatz dieser Summe stipuliert werde.
Es dürfte dies umso leichter sein, als dieser verhältnismäßig geringe Betrag in jene große
Anforderung einbezogen werden könnte, die aus Anlaß des beabsichtigten organisato¬
rischen Ausbaues der Wehrmacht werde gestellt werden müssen.

   Der k.k.MinisterpräsidentGrafBadeni gestattet sich zu bemerken,
daß vielleicht für den Wunsch der beiderseitigen Finanzminister, wenn auch nicht in
erster Linie, die Erwägung maßgebend gewesen sei, daß im Falle der Aufzehrung der
gemeinsamen Zentralaktiven auch die beständige Versuchung, mit Zuhilfenahme
dieses Auskunftsmittels außerhalb des Budgets Auslagen zu machen, verschwinden
würde. Abgesehen hievon, möchte aber Redner den fraglichen Wunsch unterstützen,
nachdem die Form, in welcher sich dermalen beide Regierungen engagieren, gewiß eine
ungewöhnliche sei, und es für dieselben weniger mißlich wäre, wenn sie seinerzeit
darauf hinweisen könnten, daß trotz der Übernahme dieser Verpflichtung das budge¬
täre Gleichgewicht pro 1897 nicht gestört worden sei.

   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Biliäski glaubt es als wahrschein¬
lich bezeichnen zu können, daß in dem Falle, als die Entnahme der 15 Millionen aus
den gemeinsamen Zentralaktiven gestattet würde, es möglich sein werde, die auf das
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Jahr 1898 entfallenden 30 Millionen aus den Überschüssen der beiden Jahre zu bedek-
ken, während in dem gegenteüigen Falle ein Defizit voraussichtlich sei.

   Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Golu-
c h o w s k i möchte den Regierungen vorAugen stellen, daß die Erhaltung der gemein¬
samen Zentralaktiven für sie kein geringeres Interesse besitze als für die gemeinsame
Regierung. Nachdem nun aus Anlaß der künftigen großen Mehranforderungen der
Kriegsverwaltung ohnehin eine Anleihe werde aufgenommen werden müssen, schiene
es Redner entsprechender, in dieselbe dann auch die 15 Millionen einzubeziehen und
diesen Betrag sodann an die gemeinsamen Zentralaktiven zurückzuerstatten.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy erlaubt sich der
Meinung Ausdruck zu geben, daß dermalen die Fassung eines Beschlusses über die Art
der Beschaffung der 15 Mülionen noch nicht nötig sei, da es sich am Ende des Jahres
heraussteüen werde, ob genügende Überschüsse vorhanden oder aber die Notwendig¬

keit gegeben sei, auf die gemeinsamen Zentralaktiven zu greifen.
    Se. k. u. k. apost Majestät geruhen die Frage zu steüen, ob nicht etwa der

Wunsch der beiderseitigen Finanzminister mit dem Beisatze akzeptiert werden könnte,
daß die 15 Millionen in dem Faüe zurückerstattet werden, als die Mittel hiezu vorhan¬

den sind.
    Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Golu-

c h o w s k i gestattet sich, der Ansicht des kgl. ung. Ministerpräsidenten beizupflich¬
ten, wornach vorläufig noch kein Beschluß über den Antrag der beiderseitigen Finanz¬

minister gefaßt zu werden brauche.
    Der k.u.k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck

bittet als Dlustration für die hervorragende Nützlichkeit der gemeinsamen Zentralakti¬
ven an den im Jahre 1882 eingetretenen Faü erinnern zu dürfen, wo ohne Heranziehung
 der Parlamente 20 Mülionen aus diesem Fonds verausgabt und dadurch der Ausbruch

 des Krieges verhütet worden sei.2
    Se. k.u. k. apost Majestät geruhen zu konstatieren, daß somit der Antrag

 der beiden Finanzminister vorläufig entfaüe. AUerhöchstdieselben legen indes Gewicht
 darauf, daß in dem Faüe der seinerzeitigen Inanspruchnahme der gemeinsamen Zen¬
 tralaktiven für die Beschaffung der 15 Millionen dieser Betrag, sofeme dies nur halb¬
 wegs möglich sei, als Vorschuß betrachtet und anläßlich einer späteren größeren

 Operation rückerstattet werde.
    Hierauf geruhen Se. k. u. k. apost Majestät die Sitzung zu schließen.

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 21. Februar 1897. Franz Joseph.

2 In den okkupierten Provinzen erhob sich 1882 dieBevölkerunggegen die eingeßhrte allgemeine Wehrpflicht,
    wodurch außenpolitische Komplikationen drohten. Kapidü^ Herzegovacki ustanak 1882 godine.
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