Gemeinsamer Ministerrat, 30. 8. 1896
I. Die Modalitäten der Angliederung Bosniens und der Hercegovina an die österreichisch-ungarische Monarchie im Falle der Annexion jener Länder
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z5.pdf.
II. Die parlamentarische Behandlung der Ausgleichsvorlagen sowie der projektierten neuen Militärvorlagen
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z5.pdf#page=4.
Nr. 5 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30.8.1896 37 Verwicklungen an irgend einem Teile des Kontinentes zu drohen beginnt, die Sperrung jeder Ausfuhr von Pferden, Schlachtvieh und Getreide unvermeidlich scheint, weil es uns sonst selbst an Pferden und Verpflegung mangeln würde. Bei einem längeren, allgemein werdenden Kriege würden wir unseren Verpflegsbedarf im eigenen Gebiete ohnedem nicht decken können, und habe ich es schon seit langem für notwendig bezeichnet, für diesen Fall bereits jetzt die überseeische Zufuhr von Verpflegsartikeln, auf welche unter gewissen Fällen nur unter englischer oder nordamerikanische Flagge zu rechnen wäre, zu sichern. Ich habe hiemit die wesentlichen Maßnahmen angedeutet, welche außer der vor allem wichtigen Heeresvermehrung aufgrund eines erhöhten Rekrutenkontingentes für die nächste Zeit noch in Betracht kommen, muß aber nun zum Schlüsse überdies betonen, daß bei einem Kriege mit Rußland mehr noch als sonst der Erfolg auf einer tunlichst raschen Bereitstellung unserer gesamten Kraft basiert, um selbe zu einem Offensivschlage ansetzen zu können, ehe die feindliche Armee bereits vollends versam¬ melt ist Nur ein zielbewußtes Vorgehen unserer Diplomatie kann der Heeresleitung die Gelegenheit hiezu geben. Wenn die Führung der äußeren Politik sich gegebenenfalls in die Notwendigkeit versetzt sähe, mit der gewaltsamen Austragung eines bestehenden Konfliktes zu rechnen, dann ist auch ein rascher Entschluß zur Führung des Krieges das allerwichtigste, da langwierige diplomatische Verhandlungen dem Gegner nur die Möglichkeit böten, sich früher operationsbereit zu machen, und uns damit die wichtig¬ ste Chance des Erfolges entrissen. Se. Exzellenz der Reichskriegsminister hat die vorstehenden Ausführungen gelesen und schließt sich denselben vollkommen an. * Ischl, 14. August 1896. FZM. Beck eh. Nr. 5 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. August 1896 RS. (undRK) ' Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Goluchowski, der kgl. ung. Minister¬ präsident Baron Bänffy, der k. k. Ministerpräsident Graf Badeni, der k. u. k. gemeinsame Finanzministerv. Källay (9.9.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghanuner. Protokollführer: Sektionsrat v. M&ey. Gegenstand: I. Die Modalitäten der Angliederung Bosniens und der Hercegovina an die österreichisch¬ ungarische Monarchie im Falle der Annexion jener Länder. II. Die parlamentarische Behandlung der Ausgleichsvorlagen sowie der projektierten neuen Militärvorlagen. KZ. 38 - GMCZ. 394 Protokoll des zu Wien am 30. August 18% abgehaltenen Ministerrates für gemein¬ same Angp.l<».g(»nhp.itftit unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers und Königs. [I.] S e. k. u. k. a p o s L Majestät geruhen die Sitzung zu eröffnen und als deren Gegenstand die definitive Festlegung der Beschlüsse jener gemeinsamen Mini¬ sterkonferenz zu bezeichnen, welche am 26. d. M. über die Modalitäten der Angliede¬ rung Bosniens und der Hercegovina an die Monarchie im Falle der Annexion jener <pb/>38 Nr. 5 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8.1896 Länder beriet.1 Aufgrund der Durchsicht des betreffenden Konferenzprotokolles sowie der dem letzteren angeschlossenen Punktationen wünschten Allerhöchstdieselben, noch einige Fragen zu stellen und Aufklärungen über mehrere Punkte zu verlangen.2 Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay erbittet sich das Wort, um einen in dem Protokolle über jene Konferenz enthaltenen Irrtum richtigzustellen. Bei Besprechung des Punktes 9 der Skizze habe man sich nämlich dahin geeinigt, daß das bosnisch-hercegovinische Budget nicht den Delegationen zur Schlußfassung vorgelegt werden könne, sondern daß die Befugnisse der letz¬ teren, in welchen ja jene Länder nicht vertreten wären, sich darauf beschränken müssen, für die Bedeckung eines eventuellen Fehlbetrages vorzusorgen. Se. k. u. k. apost Majestät geruhen sonach zu konstatieren, daß der auf die Vorlage des gedachten Budgets an die Delegationen bezügliche Schlußpassus des Punktes 9 als gestrichen angesehen wird. Hieraufgeruhen Se. k.u.k. apost Majestät das seinerzeit über die erfolgte Annexion zu erlassende Gesetz zur Sprache zu bringen. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy erlaubt sich, die von ihm und dem k. k. Ministerpräsidenten vertretene Ansicht daß dieses Gesetz nur die Tatsache der Annexion, den Fortbestand des Status quo bezüglich der Verwaltung und die Aufhebung des Gesetzes über die Okkupation zu enthalten habe, mit der Rücksicht auf die sonst zu gewärtigenden parlamentarischen Schwierigkeiten zu moti¬ vieren und bei diesem Anlasse zu bemerken, daß seiner Ansicht nach auch die Einver¬ leibung der bosnisch-hercegovinischen Truppen in das gemeinsame Heer die Schaffung eines speziellen Gesetzes erheischen werde. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay gestattetsich zu erklären, er hätte gewünscht, daß jenes Gesetz sich aufmöglichst viele Punkte erstrecke. Gegenüber den Bedenken der beiden Ministerpräsidenten habe er diesen Antrag fallengelassen. Nach Redners Ansicht würde es übrigens keinen besonderen Schwie¬ rigkeiten begegnen, durch ein separates späteres Gesetz die Einbeziehung der bos¬ nisch-hercegovinischen Truppen in das gemeinsame Heer von den Parlamenten beschließen zu lassen, weü diese Truppen heute bereits existieren und auch legal in der Monarchie disloziert sein dürfen, das betreffende Gesetz also nur einen faktisch bestehenden Zustand zu sanktionieren hätte. Se. k.u. k. apost Majestät geruhen sodann bezüglich der Streichung des Punktes 7 (Beitrag aus bosnisch-hercegovinischen Landesmitteln für die Erhaltung und Ausrüstung der dem gemeinsamen Heere einzuverleibenden bosnisch-hercegovini¬ schen Truppen) Aufklärungen zu verlangen.3 Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Edler v. Krieg¬ hammer erlaubt sich darzulegen, daß er diesen Punkt abgelehnt habe, weil die bosnisch-hercegovinischen Truppen in dem gemeinsamen Heere und daher auch das Kostenerfordernis für dieselben in dem Heeresbudget aufzugehen hätten. Würde also der Beitrag Bosniens und der Hercegovina nicht vom Heeresbudget getrennt, so 1 GMR. v. 26. & 1896, GMCZ. 392. 2 Siehe Beilage Nr. 3a ad GMCZ. 39Z 3 Ebd. <pb/>Nr. 5 Gemeinsamer Ministerreu, Wien, 30.8.1896 39 behielten die bosnisch-herzegovinischen Truppen trotz ihrer Einverleibung in die Armee ihren spezifischen Charakter. Se. k. u. k. apost Majestät geruhen zu betonen, daß der Beitrag Bosniens und der Hercegovina im gemeinsamen Budget jedenfalls nach Analogie der Zölle unter die Bedeckungen aufzunehmen sei. Dieser Beitrag könne aber nicht ein für allemal in der Höhe des heutigen Erfordernisses für die bosnisch-hercegovinischen Truppen festgesetzt werden, da einerseits ein stabiler Beitrag schon von den Delegationen beanstandet würde und andererseits die Kosten jener Truppen infolge der beabsichtig¬ ten Vermehrung derselben wachsen werden, und daher auch eine Steigerung des Beitrages eintreten müsse. Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay bittet aus¬ einandersetzen zu dürfen, daß es seiner Ansicht nach, wenn keine Störung eintrete und den Angelegenheiten jener Länder seitens der maßgebenden Faktoren das gleiche Verständnis und Wohlwollen wie bisher entgegengebracht werde, möglich sein werde, die Einnahmen zu steigern, und daß es auf diese Art vielleicht gelin¬ gen werde, in den ersten Jahren die Kosten der Vermehrung der bosnisch-herce¬ govinischen Truppen zu tragen, besonders wenn dafür in irgend einer Weise vor¬ gesorgt würde, daß der betreffende Betrag nicht auf einmal zu bestreiten sei. Al¬ lerdings dürfe nicht übersehen werden, daß Bosnien und die Hercegovina durch die Ausgaben für die Truppen und die Gendarmerie schon stark belastet seien, indem hierauf 23% der Gesamtauslagen entfielen. Was den im Falle der Annexion zu entrichtenden jährlichen Beitrag betreffe, so würde derselbe darin bestehen, daß der Überschuß des Budgets an die gemeinsamen Einnahmen abzuführen wäre. Auf die Höhe dieses Überschusses beziehungsweise auf das Budget selbst sei den kompetenten Faktoren dadurch ein entsprechender Einfluß eingeräumt, daß das Budget den gemeinsamen Ministem sowie den beiden Regierungen mit- geteilt und im gemeinsamen Ministerrate diskutiert werde. Se. k.u. k. apost Majestät geruhen diese Darlegungen dahin zu resümie¬ ren, daß im Falle der Annexion nicht ein im voraus bestimmter Beitrag, sondern der jeweüige Überschuß des bosnisch-hercegovinischen Budgets'als Einnahme des gemein¬ samen Budgets abzuführen und somit in keine spezielle Verbindung mit dem Armee¬ budget zu bringen sein werde. Der Punkt 7 der Skizze werde also durch die Vereinbarung ersetzt, daß der jeweilige Überschuß des bosnisch-hercegovinischen Budgets an die gemeinsamen Einnahmen abzuführen sein wird. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy bittet, bei diesem Anlasse nochmals seine Bedenken gegen die Einverleibung bosnisch-her- cegovinischer Truppen in das gemeinsame Heer sowie gegen die Beitragsleistung jener Länder zu den gemeinsamen Einnahmen Vorbringen zu dürfen. Redner habe sich den betreffenden Konferenzbeschlüssen angeschlossen, könne aber nicht umhin, darauf aufmerksam zu machen, daß man in Ungarn bezüglich dieser Punkte gesetzliche Verfügungen verlangen und z.B. geltendmachen werde, daß die Rekrutierung aus Bosnien und der Hercegovina in das gemeinsame Heer eine Alterierung des Wehrgesetzes bedeute. <pb/> 40 Nr. 5 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8.1896 Der k. k. Ministerpräsident GrafBadeni möchte demgegenüber die Ansicht vertreten, daß die Bestimmung des Rekrutenkontingentes für Bosnien und die Hercegovina ein Recht Sr. Majestät sei. Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay schließt sich gleichfalls dieser Ansicht an und vertritt den Standpunkt, daß die Frage, wie die der gememsamen Armee einverleibten bosnisch-hercegovinischen Truppen entstehen, somit die Frage der Rekrutierung in Bosnien und der Hercegovina, nicht vor die Parlamente gehöre. Se. k. u. k. apost Majestät geruhen dahin zu konkludieren, daß es angezeigt wäre, wenn der ungarische Ministerpräsident im Einvernehmen mit seinem österreichi¬ schen Kollegen und dem gemeinsamen Finanzminister die verschiedenen hier in Be¬ tracht kommenden Gesetze, speziell das Wehrgesetz, genau durchsehen würden. Sollte sich aus dieser Vergleichung ergeben, daß die in Rede stehenden Maßregeln ein bestehendes Gesetz alterieren, so müßte dasselbe seinerzeit entsprechend abgeändert werden.4 Se. k.uJc apost. Majestät geruhen an den gemeinsamen Finanzminister die Frage zu richten, ob im Falle der Annexion nicht auch andere finanzielle Fragen, wie beispiels¬ weise jene der Schulden Bosniens und der Hercegovina, einer Regelung bedürfen werden. Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay gestattet sichzu erwidern, daß alle diese Fragen bereits gesetzlich geregelt seien.5 Se. k. u. k. apost Majestät geruhen die Diskussion über diesen Beratungs¬ gegenstand mit der Konstatierung zu schließen, daß bezüglich sämtlicher Punkte übereinstimmende Beschlüsse zustande gekommen seien. [H.] Hieraufgeruhen S e. k. u. k. a p o s L Majestät die Frage der parlamenta¬ rischen Behandlung der Ausgleichsvorlagen zur Sprache zu bringen und dem Wunsche Ausdruck zu geben, daß die beiden Regierungen sich bald über den diesfalls einzuhal¬ tenden Vorgang einigen mögen. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy bittet um das Wort, um vor allem die Versicherung abgeben zu können, daß seinerseits alles aufge- boten wurde, um den Ausgleich so bald wie möglich perfekt zu machen. Es sei indes nicht möglich, die Ausgleichsvorlagen in Ungarn vor den Wahlen einzubringen, nachdem für diesen Fall im ungarischen Reichstage die Obstruktion bereits angekün¬ digt sei. Es erscheine Redner sogar möglich, daß auch nach den Wahlen das Parlament 4 Bdnflyan Källay v. 28.12.1896, OL., SektionK-26, MR Nr. 2446/1896 (gesetzgeberischeMaßnahmen, die bei der Annexion Bosniens und der Herzegowina notwendig werden). Die Note entstand aufgrund der Beschlüsse dieses Ministerrates. Källay schickte eineAbschrift auch an Goluchowsld: Resüm6 der gemein¬ samen Ministerkonferenzen v. 26. und 30.8.1896 betreffend die Annexion Bosniens und der Hercego¬ vina, a) Text des gleichlautenden, den gesetzgebenden Körperschaften beider Staatsgebiete der Monarchie voizulegenden Gesetzentwurfes; b) Sonstige in betreff der Verwaltung Bosniens und der Hercegovina im Schofie der Konferenz gefaßte Beschlüsse. HHStA., PA. I, Karton 630,67/CdM. 5 Gesetz v. 20.12.1879, GA. m/1879; Gesetz v. 22. 2.1880, RGBl. Nr. 18/1880 und GA. VI/1880; Gesetz v. & 7.1895, RGBl. Nr. 95/1895 und GA. XXXVIII/1895. <pb/>Nr. 5 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30.8.1896 41 Obstruktion üben werde, um auf diese Art die Debatte über den 31. Dezember 1897 hinaus auszudehnen. Es werde demnach nicht zu vermeiden sein, für ein Jahr ein Provisorium zu schaffen. Se. k. u. k. apost Majestät geruhen zu bemerken, daß man sich vor allem darüber klar werden müsse, was in beiden Teüen der Monarchie mit den dermaligen Parlamenten noch zu erreichen sei, um darnach beurteüen zu können, wann man zu Neuwahlen zu schreiten habe. Es entstehe ferner auch die sehr wichtige Frage, wann man die projektierten neuen militärischen Vorlagen in den Parlamenten einbringen werde, und ob zu diesem Zwecke nicht zuvor der Ausgleich perfekt sein müsse. Der k.k. Ministerpräsident GrafBadeni gestattet sich auseinander- zusetzen, daß er seinem ungarischen Kollegen drei Eventualitäten vorgeschlagen habe: 1. beide Regierungen legen den Ausgleich den dermaligen Parlamenten vor, 2. die österreichische Regierung bringt den Ausgleich im gegenwärtigen Reichsrate, die ungarische Regierung in dem neugewählten Reichstage ein, 3. beide Regierungenlegen den Ausgleich den neugewählten Parlamenten vor. Die erste Kombination sei dadurch ausgeschlossen, daß nach Ansicht des ungarischen Ministerpräsidenten der Ausgleich in dem jetzigen ungarischen Reichstage nicht eingebracht werden könne. Die zweite Eventualität entfalle von selbst, nachdem bis zum Monate Oktober noch kein neuer ungarischer Reichstag versammelt sein könne. Es bleibe sonach nur die dritte Modali¬ tät. Redner erkläre im Namen der österreichischen Regierung, daß dieselbe nur noch das Budget und das Steuergesetz im Reichsrate einbringen, dann das Haus auflösen und unbedingt Ende März 1897 den Ausgleich dem neuen Reichsrate vorlegen werde. Er sei gegen ein Provisorium und gebe dem ungarischen Ministerpräsidenten zu bedenken, daß derselbe noch über 16 Monate zur Durchbringung des Ausgleiches verfüge. Was die neuen Müitärvorlagen betreffe, so müsse der Ausgleich jedenfalls früher perfekt sein, und könnte Redner nicht die Verantwortung dafür übernehmen, daß man jetzt die Frage der Erhöhung des Rekrutenkontingentes im Reichsrate auf¬ werfe. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy erlaubt sich darauf hinzuweisen, daß die Opposition die Möglichkeit besitze, die Budgetberatung beliebig lange zu verschleppen. Wenn also das Haus im Oktober aufgelöst würde und der neue Reichstag Ende November zusammentrete, könnte im besten Falle (da eine gewisse Zeit für die Konstituierung, Adreßdebatte und die Votierung der notwendigen Indemnity erforderlich sei) im Jänner 1897 die Budgetdebatte beginnen, welche vor¬ aussichtlich bis Juni oder Juli dauern würde. Dann erst könnte der Ausgleich an die Reihe kommen, und es wäre hiebei nicht ausgeschlossen, daß im Wege der Obstruktion der 31. Dezember 1897 überschritten würde. Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Golu- c h o w s k i bittet um das Wort und konstatiert aus den eben abgegebenen Erklärun¬ gen, daß der Ausgleich kaum vor dem Jahre 1898 perfekt sein werde. Es würden somit die Militärvorlagen erst im Herbst 1898 oder Frühjahr 1899 an die Reihe kommen, und dies wäre bei der Dringlichkeit der Sache ein viel zu später Termin. Redner könnte in diesem Falle die Verantwortung für die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten nicht · auf sich nehmen und müsse daher darauf bestehen, daß diese Vorlagen spätestens im <pb/>42 Nr. S Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30.8.1896 Jahre 1897 vor die Parlamente kommen. Nach seiner Ansicht seien die Militärvorlagen noch wichtiger als der Ausgleich und daher früher in Angriff zu nehmen. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy möchte sich dahin aussprechen, daß nach seiner Meinung die Militärvorlagen auch vor dem Ausgleiche eingebracht werden könnten. Er sei bereit, die ersteren im Frühjahre 1897 vorzulegen, nur wäre hiezu das von ihm gewünschte Provisorium bis Ende 1898 umso notwendiger. Übrigens müsse Redner sich noch genau über die parlamentarische Situation informie¬ ren und werde daher erst in etwa 14 Tagen in der Lage sein, sein Programm für den einzuschlagenden Vorgang aufzustellen.6 Se. k.u.k. apost Majestät geruhen die Notwendigkeit zu betonen, die Häuser allsogleich aufzulösen, sobald die Budgetverhandlung sich in die Länge ziehe. Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieg¬ hammer bittet, den Wunsch Vorbringen zu dürfen, daß das Gesetz über die Erhö¬ hung des Rekrutenkontingentes im Frühjahr 1897 eingebracht werde, damit er im Herbste 1897 von den Delegationen jene Summen verlangen könne, welche auf Basis dieses Gesetzes für Investitionen erforderlich sind. Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy wäre geneigt, dieses Gesetz noch heuer vorzulegen, dagegen hielte er es für unmöglich, den Ausgleich und die Militärvorlagen im selben Jahre durchzubringen. Auch müsse Redner noch überlegen, ob er ohne ein Provisorium bezüglich der Quote ein Provisorium bezüglich des Zoll- und Handelsbündnisses werde vertreten können, nachdem man in Ungarn der Ansicht sei, daß voraussichtlich in der Quotenfrage ein ungünstiges, dagegen bezüglich des Zoll- und Handelsbündnisses ein günstiges Endresultat eintreten werde. Der k.u.k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Gotu- c h o w s k i erlaubt sich hervorzuheben, daß die Standpunkte der beiden Ministerprä¬ sidenten unvereinbar seien, da Graf Badeni zuerst den Ausgleich und dann die Müitär- vorlagen einbringen, Baron Banffy dagegen die Müitärvorlagen auch zuerst einbringen, aber für den Ausgleich ein Provisorium bis Ende 1898 schaffen wolle. Der k.k. Ministerpräsident Graf Badeni gestattet sich die Ansicht zu äußern, daß eine größere Schwächung der Monarchie darin zu erblicken wäre, wenn der Ausgleich nicht zustande käme, als wenn die Erhöhung des Rekrutenkontingentes um ein Jahr verschoben würde. Der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Golu- c h o w s k i möchte demgegenüberbemerken, daß es sich nicht bloß um die Erhöhung des Rekrutenkontingentes, sondern um einen ganzen Komplex von Fragen handle. Das Nichtzustandekommen des Ausgleiches würde gewiß im Auslande einen schlechten Eindruck machen, doch würde nach Redners Ansicht die Bedeutung desselben gegen¬ über der Wichtigkeit und Dringlichkeit der Müitärvorlagen zurücktreten müssen. Der k.u.k. gemeinsame Kriegsminister GdK Edler v. Krieg¬ hammer bittet, die Frage anregen zu dürfen, ob es nicht möglich sei, daß er selbst im Falle einer späteren Vorlage des Gesetzes über die Erhöhung des Rekrutenkontin¬ gentes von den nächstjährigen Delegationen einen Nachtragskredit zum Budget pro 6 GMR. v. 18.9.1896, GMCZ. 395. <pb/>Nr. 5 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8.1896 43 1897 für jene Investitionen verlange, die aus Anlaß der Erhöhung des Rekrutenkontin¬ gentes nötig sind. Der k.k. Ministerpräsident Graf Badeni möchte dies für möglich halten. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay gestattet sich, seine Meinung dahin zu präzisieren, daß es ihm taktisch nicht richtig scheine, wenn in den Delegationen anläßlich eines solchen Nachtragskredites die ganze Frage der neuen militärischen Mehrforderungen aufgerollt würde. Es hätte dies zur Folge, daß über diese Frage dreimal, nämlich zuerst in den Delegationen, dann in der Presse und schließlich in den Parlamenten, debattiert würde. Die Kriegsverwaltung braucht die betreffenden Summen für Investitionen und sollte sie daher auch unter diesem Titel verlangen, ohne dabei die Erhöhung des Rekrutenkontingentes zu erwähnen. Auf diese Weise wäre ein Auskunftsmittel geschaffen, um die Ansichten der beiden Ministerprä¬ sidenten zu vereinigen. Was den Ausgleich betrifft, so lege Redner von seinem objek¬ tiven Standpunkte das größte Gewicht auf dessen Zustandenkommen und sehe die Bedeutung dieser Frage nicht in dem mißlichen Eindrücke nach außen, sondern in der Wirkung im Inneren der Monarchie, wo eine längere Fortdauer der bei den Verhand¬ lungen in Zis- und Trans [leithanien] entstandenen unerquicklichen Stimmungen eine nicht zu unterschätzende Gefahr bedeute. Der k.u.k gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieg¬ hammer erlaubt sich, anknüpfend an die Ausführungen des gemeinsamen Finanz- ministers, darzulegen, es könnten die von ihm benötigten Summen in der Form verlangt werden, daß bei jenen Posten, wo Raten ausgeworfen sind, wie z. B. bei den Gewehren, diese Raten unter Hinweis auf die Dringlichkeit des Bedarfes auf einmal angesprochen würden. Se. k.u. k. apost Majestät geruhen Sich dahin zu äußern, daß dermalen noch keine Nötigung vorliege, hierüber eine Entscheidung zu treffen, doch könne man diesen Vorgang im Auge behalten. Der Ick. Ministerpräsident Graf Badeni erbittet sich das Wort zu der Erklärung, daß er seinerseits den Ausgleich im Laufe des Jahres 1897 perfekt zu marhpn wünsche, damit noch im selben Jahre bei den voraussichtlich im Monate November einzuberufenden Delegationen die Frage der Erhöhung des Rekrutenkon- tingentes aufgerollt werden könne. Der kgl. ung. MinisterpräsidentBaron Bänffy gestattet sich, auf seine früheren Erklärungen zurückzukommen, womach er sich noch eingehend orien¬ tieren und in etwa 14 Tagen sein diesfälliges Programm vorlegen werde. Se. lcu.k. apost. Majestät geruhen diese Erklärungen einstweüen zur Kenntnis zu nrfunp.n und nach nochmaliger Betonung der Notwendigkeit, im Falle einer drohenden Verschleppung der Budgetberatung die Häuser sogleich aufzulösen, die Sitzung zu schließen. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen. Wien, 18. September 1896. Franz Joseph. <pb/>