MRP-2-0-05-0-18960413-P-0001.xml

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Gemeinsamer Ministerrat, 13. 4. 1896

I. Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1897

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_V/pdf/oe_hu_mrp_V_z1.pdf.

Dokumente
<pb/>I
<pb/>                  Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wen, 13. April 1896

     RS. (undRK.)
     Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy, der k. k. Ministerpräsident Graf Badeni,
derk. u. k. gemeinsame Finanzministerv.Källay (28.40, der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler
v. Krieghammer, der kgl. ung. Finanzminister v. Lukära (20.4.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Bilinski
(18.4.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Baron Jösika, der k. u. k. Marinekommandant Admiral
Freiherr v. Stemeck (23.4.).
     Protokollführer Sektionsrat v. Märey.
     Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-un¬
garischen Monarchie pro 1897.

   KZ. 17-GMCZ. 390
   Protokoll des zu Wien am 13. April 18% abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame
Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern
Grafen Goluchowski.

   Der Vorsitzende eröffnet die Konferenz und entwirft zunächst vor dem
Eingehen in die meritorische Beratung über das gemeinsame Budget mit den folgenden
Darlegungen eine Skizze der allgemeinen politischen Lage.

   Es sei kein Zweifel, daß in der letzten Zeit in der politischen Situation eine gewisse
Beruhigung eingetreten sei, und daß, namentlich gegenüber den bewegteren Zeiten des
vorigen Sommers und Herbstes, dermalen ein friedlicherer Zug durch Europa gehe.
Diese Tatsache sei zwei Ursachen zuzuschreiben: in erster Linie dem ausnahmslos in
ganz Europa bestehenden entschiedenen Wunsche, den Frieden zu erhalten, und ferner
bis zu einem gewissen Grade auch dem Eintritte normaler Verhältnisse in Bulgarien.
Im Vorjahre waren mehrere Fragen aufgetaucht, welchen ein bedenklicher Charakter
nicht abgesprochen werden konnte, so vor allem die armenische Frage, in welcher drei
Phasen zu unterscheiden wären: die erste, in der England mit dem Reformgedanken
aufgetreten und von Frankreich und Rußland unterstützt worden sei. Damals haben wir
uns ferne gehalten, und zwar teils, weü wir fanden, daß unsere Interessen bei jener Frage
nicht tangiert seien, dann aber auch, weü wir kein rechtes Zutrauen für den Erfolg der
Aktion hatten. Es sei zwar später wiederholt die Frage aufgeworfen worden, ob man
nicht in die Aktion der drei Mächte eintreten solle, speziell der Vorsitzende habe aber
demgegenüber stets seine großen - und, wie sich seither gezeigt, berechtigten - Zweifel
an der Durchführbarkeit der Reformen geltend gemacht. In eine zweite Phase sei die
armenische Frage getreten, als die Konflikte zwischen Türken und Armeniern neuer¬
dings akuter wurden und die drei sogenannten Interventionsmächte nicht mehr über
die anzuwendenden Mittel einig waren, um angesichts der dermaligen blutigen Vorfälle
<pb/>4 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13.4.1896

und des steten Widerstandes der Pforte gegen die verlangten Reformen ihre ursprüng¬
lichen Postulate durchzusetzen. England hatte sich sehr weit vorgewagt, ohne von
Rußland und Frankreich wirksam unterstützt zu werden, und es stand zu befürchten,
daß es, um einen Erfolg zu erzielen, zu Mitteln greifen werde, welche eine weitergehen¬
de Konflagration hätten herbeiführen können. In diesem kritischen Augenblicke habe
der Vorsitzende es für unsere Aufgabe, als der nicht direkt interessierten Macht,
angesehen, die Initiative zu ergreifen, um vorzuschlagen, daß jede weitere Maßnahme
nur im Einvernehmen aller Signatarmächte des Berliner Vertrages getroffen werde.1
England sei sogleich auf diese Idee eingegangen, und die weitere Folge sei die Beseiti¬
gung der akuten Gefahr gewesen. In der darauf folgenden Phase hätten sich die Mächte
untereinander überwacht, um zu verhindern, daß eine oder die andere einseitig eine
Aktion unternehme. Der Erfolg sei gewesen, daß die armenische Frage zum Stillstände
gebracht wurde. Allerdings sei nicht zu leugnen, daß der bisherige Verlauf der ganzen
Frage keine Befriedigung für humanitäre Gefühle biete, wohl aber sei der dringende
Zweck, nämlich die Verhütung einer allgemeinen Konflagration, erreicht worden und
der Frieden erhalten geblieben. Eine Zusage der Türkei, Reformen in Armenien
einzuführen, sei erfolgt.2 Ob und inwieweit diese Zusage von praktischem Werte sein
werde, müsse allerdings erst die Zukunft zeigen, und hänge hiebei vielvon dem weiteren
Laufe der Dinge, von dem Verhalten der Armenier und gegebenenfalls auch von der
Persönlichkeit der einzelnen türkischen Gouverneure ab. Eine andere, im Vorjahre
aufgetretene Frage sei die mazedonische. Die damalige Bewegung sei auch durch das
korrekte Einspringen aller Großmächte, welche derselben kategorisch entgegentraten,
eingedämmt worden.

   Ein wichtiges Ereignis sei ferner die Aussöhnung Rußlands mit Bulgarien.3 Über den
Preis derselben wolle der Vorsitzende kein Urteü fällen. Sicher sei, daß sie eine gewisse
Beruhigung zur Folge gehabt habe, und wie die Dinge heute stünden, drohe von dieser
Seite vorläufig keine Gefahr. Rußland habe entschieden erklärt, daß es nur die Auf¬
rechterhaltung des Status quo wünsche und sich in die inneren Verhältnisse des Landes
nicht einmengen wolle. Solange es diesen Standpunkt festhalte, sei unsererseits nichts
einzuwenden. Rußland habe unverkennbar das Bestreben gehabt, aus der Sackgasse,
in die es seit Jahren geraten war, herauszukommen, und habe zu diesem Behufe seinen
früheren Standpunkt mit einem raschen Verzichte aufgegeben. Fürs erste hätten eigent¬
lich die Bulgaren gesiegt, indem sie jetzt eine orthodoxe Dynastie und einen anerkann-

1 Der Berliner Vertrag v. 13. 7.1878 wurde zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, Frankreich, Großbri¬
     tannien, Italien, Rußland und der Türkei (Signatarmächte) geschlossen. Neue Faksimileausgabe des
     Vertragstextes: Der Beruner Kongress 1878 369 ff.

2 Der Sultan unterschrieb den Text des armenischen Reformgesetzes am 17.10.1895. Documents diploma-
     TIQUES154-161. Vgl. Palotäs, A Balkän-k6rd6s az oszträk-magyar ds az orosz diplomäciäban a 19. szäzad
     vdgdn 97 ff.

3 DieAnnäherungzwischen Rußland undBulgarien setzte im Juli 1895ein; dieAussöhnung manifestierte sich
     in der diplomatischen Anerkennung Bulgariens im Februar 1896. Bridge, From Sadowa to Sarajevo
     213-214; PalotAs, A Balkin-kdrdds az osztrfk-magyar ds az orosz diplomdcidban a 19. szdzad vdgdn
      140-159.
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13.4.1896  5

ten, legalen Fürsten besitzen.4 Was unsere SteUung in Bulgarien anlangt, so sei es
allerdings keine Frage, daß dieselbe, wenigstens für den Moment, sich nicht günstiger
gestaltet habe. Die Russen hätten nunmehr die Möglichkeit, dort Ratschläge zu erteüen,
eventueU eine Aktion einzuleiten. Es sei aber keineswegs ausgemacht, daß dieser für
Rußland günstige Zustand von Dauer sein werde. Schon jetzt sehe man gewisse Fragen
auftauchen, welche dieses Verhältnis bald wesentlich trüben könnten. So zum Beispiel
die Forderung der Russen bezüglich der Wiedereinreihung jener in Rußland lebenden
ehemaligen bulgarischen Offiziere, die seinerzeit an der Verschwörung gegen den
Fürsten Alexander aktiven AnteU genommen hatten.5 Eine andere solche Frage sei die
von Rußland angeregte Aufhebung des aus dem Jahre 1872 datierenden bulgarischen
Schismas.6 Da hiedurch die Wirksamkeit des Exarchen, die sich gegenwärtig auch auf
die bulgarische Kirche außerhalb Bulgariens erstreckt, auf das Fürstentum beschränkt
würde, sei vorauszusehen, daß die Ausführung dieses Projektes in Bulgarien keineswegs
populär wäre. Auch die Frage der Unabhängigkeit Bulgariens, die immer von Zeit zu
Zeit an die Oberfläche trete, dürfte voraussichtlich früher oder später wieder auftau¬
chen.7 Würde Rußland dieser Idee gegenüber eine sympathische Haltung einnehmen,
dann müßten sich naturgemäß seine Beziehungen zur Türkei verschlechtern, während
gleichzeitig das Selbständigkeitsbewußtsein der Bulgaren dadurch gestärkt würde. Im
entgegengesetzten Falle aber würden sich die Bulgaren wohl die Frage stellen, welchen
Nutzen ihnen die Aussöhnung mit Rußland gebracht habe.

   Auf Rumänien übergehend, hebt der Vorsitzende hervor, daß man dort heute
außerordentlich korrekt sei. Das Land habe im allgemeinen abendländische Aspiratio¬
nen, andererseits hege es lebhafte Befürchtungen, von seinem nordöstlichen Nachbarn
überflutet zu werden. SpezieU dieses Gefühl der Furcht dränge es zu uns. Allerdings
gebe es eine für die Pflege unserer Beziehungen zu Rumänien sehr heikle Frage, die
Nationalitätenfrage. Der Vorsitzende hält diesbezüglich gerade jetzt den Augenblick
für gekommen, um eine wesentliche Besserung der Situation herbeizuführen zu können.
Dieser Augenblick sollte keinesfalls versäumt werden. In Rumänien selbst sei die alte
Generation am Aussterben, und komme man dort immer mehr zur Erkenntnis, daß man
auf uns angewiesen sei. Man müsse diese Tendenz fördern und vor allem zu verhindern
trachten, daß etwa aus Mißmut über mangelndes Entgegenkommen von unserer Seite
in Bukarest wieder eine Politik eingeschlagen werde, die uns schädlich wäre. Der jetzige
Augenblick sei auch deshalb in jeder Hinsicht günstig, weü einerseits König und

4 Ferdinand von Sachsen Coburg war seit 1887gewählter Fürst von Bulgarien, erlangte aber erst im Februar
     1896 dieAnerkennung durch die Großmächte. Königslow, Ferdinand von Bulgarien 189.

5 Alexander von Battenberg, Fürst von Bulgarien, wurde im August 1886 von russophilen Offizieren vom
     bulgarischen Thron abgesetzt.

6 Als Teildernationalen Bewegungerklärte die orthodoxe GeistlichkeitBidgariens denAbfallvomgriechischen
    Patriarchat in Konstantinopel undgründete im Besitz einer GenehmigungderHohen Pforte eine selbständige
     Kirche (Exarchat). Markowa, EopSaxa 3a caMOCToare/iHa m&gt;pKBa 221-234.

7 Im Sinne des Berliner Vertrages von 1878 wurde die innere Selbständigkeit Bulgariens gesichert, in staats-
     rechtticherHinsicht blieb es aberweiterhin VasalldesSultans. Von den 80erJahren an wurde bulgarischerseits
     der Plan, die staatliche Unabhängigkeit zu deklarieren, erneut aufgegriffen.
<pb/>6 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 4.1896

Regierung sich einer anerkennenswert korrekten Haltung befleißigen,8 und anderer¬
seits eine Spaltung unter den nationalen Agitatoren eingetreten und die Kulturliga
schon wegen äußersten Geldmangels sozusagen in der Auflösung begriffen sei.9 Serbien
sei in einem politisch sehr ungünstigen Zustande, außerdem auch finanziell und öko¬
nomisch halb bankrott. Aus einst blühenden Verhältnissen sei das Land stetig herab¬
gekommen und heute schon wegen seiner allgemeinen Schwäche ein ungefährlicher
Nachbar.

   In bezug auf die allgemeine Stellung der Monarchie imd ihrer Alliierten konstatiert
der Vorsitzende, daß der Dreibund nach wie vor in seiner ursprünglichen Stärke
bestehe und gerade in letzter Zeit wieder Gelegenheit gehabt habe, seinen unveränder¬
ten Bestand auch offenkundig zu dokumentieren. Weis England betrifft, so möchte der
Vorsitzende gegenüber der häufig ventilierten Frage, ob es mit uns oder gegen uns sei,
hervorheben, daß dieses Land sich überhaupt nicht dauernd binde, sondern von Fall zu
Fall seine Interessen prüfe und sich dann mehr oder weniger jenen Interessen anschlie¬
ße, die auch die seinen sind. Dessenungeachtet bestehe in England immer mehr der
Hang, mit dem Dreibunde Hand in Hand zu gehen. Gleichzeitig habe auch die vor
einiger Zeit eingetretene Spannung zwischen England und Deutschland nachgelassen,
und letzteres Land habe erst kürzlich aus Anlaß der Dongolaexpedition den Beweis
geliefert, daß es mit England übereinstimmend Vorgehen wolle. Was diese Expedition
anlangt, so sei uns von Frankreich und Rußland vorgeworfen worden, daß wir die
Interessen der anderen Teüe nicht genügend berücksichtigt hätten; demgegenüber
müßte betont werden, daß wir nur die finanzielle Seite der Frage zu prüfen hatten, ob
nämlich die Interessen der ägyptischen Staatsgläubiger dadurch geschädigt würden
oder nicht. Um die Zustimmung zu dem Unternehmen selbst, welches ein rein ägypti¬
sches ist, seien wir nicht ersucht worden. Übrigens dürfe nicht übersehen werden, daß
wir durch unsere Zustimmung zur Entnahme von 500 000 ägyptischer Pfund aus dem
Reservefonds der ägyptischen Staatsschuldenkassa teüweise auch Italien einen Dienst
erwiesen haben. Schließlich sei bei unserer Haltung auch die Erwägung maßgebend
gewesen, wie wichtig es sei, daß sich England dauernd für die mittelländischen Macht¬
verhältnisse interessiere. In dieser Hinsicht sei aber für England seine Stellung in
Ägypten entscheidend.10 Was Rußland betreffe, so unterhielten wir mit demselben die
besten Beziehungen. Dies schließe natürlich die Notwendigkeit nicht aus, die Augen

8 Karl!., Königvon Rumänien (1881 -1914), Rumäniens MinisterpräsidentDemetrios Sturdza v. Miklauieni
     (1895-1896).

9 Am 29.1Z1890 wurde eine rumänische Kulturliga (Liga Culturala) gegründet. Sie setzte sich zum Ziel, die
    kulturelleEinheit derin verschiedenenLändern lebendenRumänen zuschaffen. Polönyi, A Liga Culturala
    &lt;6s az erdliyi romän nemzetislgi törekv&amp;ek.

10 Dongola, der südlich vom Wadi Haifa gelegene Teil Nubiens, lieht sich beiderseits des Nils in einer Länge
     von 260km hin. 1896begannen dieEngländer mit der Kolonisation des Gebietes, am 23.9.1896kapitulierte
    Dongola vor den Engländern. England trat als Anwalt der ägyptischen Regierung auf und ersuchte die
    Großmächte um die Billigung zu Expeditionszwecken eine größere Summe aus dem Reservefonds der
    ägyptischen Staatsschuldenkassa zu entnehmen. Deutschland, die Monarchie und Italien willigten ein,
    Frankreich und Rußland sprachen sich dagegen aus. Vgl. Gotuchowskis Exposi in der Sitzung der Delega¬
    tionen in Neue Freie Presse v. 9.6.1896 (A).
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13.4.1896                                      7

offen zu halten, aber es sei kein Moment vorhanden, welches eine Verschlechterung
unserer Beziehungen zu dem Zarenreiche involviere.

   Wenn nun auch nach dem Vorangeschickten die Situation sich momentan als ruhig
erweise, so dürfe, wie der Vorsitzende bemerkt, doch nicht daraus gefolgert werden,
daßman getrost in die Zukunft blickenkönne. Auf allen Seiten fehle es nicht an latentem
Zündstoffe, und speziell die bulgarische, die mazedonische Frage, die Schwäche der
Türkei, die Unberechenbarkeit des Sultans, und auch die ganz ins Ungewisse steuernde
Entwicklung der inneren Verhältnisse in Frankreich berge manche Gefahren in sich.
Hiezu komme der stetige planmäßige Fortschritt, den Rußland bezüglich der Aufstel¬
lung seiner Armee an unserer Grenze macht. Es werde zwar häufig die Ansicht
vertreten, daß Rußland jetzt seine Blicke auf Ostasien konzentriere, aber es wäre eine
Täuschung, wenn man annehme, daß es deshalb seine sonstigen Ziele aufgegeben habe.
Auch ziehe eine eventuelle Verwirklichung in Ostasien die russischen Truppen noch
keineswegs von unserer Grenze weg. Der Vorsitzende weist ferner darauf hin, daß
gerade mit Rücksicht auf Ostasien die Dardanellen-Frage für Rußland sogar an Bedeu¬
tung gewinne. Das Interesse Rußlands an der ägyptischen Frage sei ein sicheres Zeichen
dafür, welches Gewicht es auf die Dardanellen-Frage legt: Man dürfe sich also bei uns
keinen Illusionen hingeben, denn es könne der Augenblick kommen, wo wir unsere
Großmachtstellung zur Geltung bringen und unsere Interessen werden wahren müssen.
Auch dann würden wir aber umso sicherer den Frieden erhalten können, je größer
unsere Leistungsfähigkeit in bezug auf Heer und Marine sein werde. In dieser Bezie¬
hung sei aber keine Zeit zu verlieren, und müsse der Vorsitzende die dringende Bitte
an die Konferenz richten, diese Konsiderationen vor Augen zu behalten. Es werden
Forderungen gestellt, Opfer verlangt werden, die unserer Bevölkerung vielleicht sein-
nahe gehen, aber wenn wir nicht unsere Wehrkraft ausbüden, daß wir imstande sind,
gegebenenfalls mit dem vollen Nachdrucke einer Großmacht aufzutreten, seien alle
bisherigen Opfer umsonst gewesen. Der Vorsitzende gibt der Hoffnung Ausdruck, daß
im Geiste dieser Erwägungen in die Verhandlung des Heeresbudgets eingetreten
werde, über welches er zunächst die Diskussion eröffne.

   Der kg 1. ung. Finanzminister v. Lukäcs erklärt, im allgemeinengegen
das Heeresbudget keine Einwendung zu haben, nachdem in demselben sowie auch in
dem Marinebudget, die programmgemäße Steigerung von 31/2respektive einer halben
Million Gulden eingehalten worden sei. Dagegen falle ihm auf, daß von den in dem
Programme vom Jahre 1893 über den Ausbau der Wehrmacht11 in Aussicht genomme¬
nen Posten mehrere bisher noch nicht durchgeführt worden sind und daß andererseits
neue, in dem ursprünglichen Programme nicht enthaltene Anforderungen seit 1894 und
auch in dem vorliegenden Präliminare erscheinen. Diese neu hinzugetretenen Posten
repräsentieren eine Gesamtmehrauslage von circa 12 Millionen Gulden. Redner stellt
nun die Anfrage, ob die bis Ende 1897 nicht durchgeführten Punkte des ursprünglichen
Programmes, welche in ihrer Gesamtheit sich auf rund 14 Millionen Gulden beziffern,

ii Das den Ausbau der Wehrmachtßr viele Jahre bestimmende Programm des gemeinsamen Kriegsministers

v. 11.1.1893, HHSrA, PA I, Karton 656, XI-19/CdM. (Abschrift). Zu den finanziellen Fragen des

Ausbaus der Wehrmacht vgl. GMR v. 28.3.1893, GMCZ 379, ebd., PA XL, Karton 296.  1
<pb/>8 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 4.1896

als definitiv aufgelassen zu betrachten seien oder nicht, da im letzteren Falle neue
Mehranforderungen für die nächsten Jahre gewärtigt werden müßten.

    Der Ick. Finanzminister Ritter v. Bilinski schließt sich diesen
Ausführungen an und macht ferner darauf aufmerksam, daß auch bei einigen der schon
in dem ursprünglichen Programme vorausgesehenen Posten, wie z. B. bei jenem für
rauchloses Pulver, eine Erhöhung der Ziffer gegenüber dem Programme eingetreten
sei. Er müsse sich daher Aufklärungen darüber erbitten, ob und inwieweit die neuen
Posten, beziehungsweise die Erhöhung der Beträge für die programmgemäßen Posten,
dringend seien und ob durch die teüweise Nichteinhaltung des Programmes nicht
Mehrbelastungen für die Zukunft eintreten werden.

    Der ku.k. gemeinsame Kriegsminister Edler v. Kriegham-
m e r betont zunächst, daß bei der Zusammenstellung des vorliegenden Präliminares
gleich wie im Vorjahre in erster Linie das im Jahre 1893 aufgestellte Programm
maßgebend gewesen sei. Wenn das letztere nicht in allen Punkten eingehalten werden
konnte, so habe dies seinen Grund einerseits in dem Bestreben der Kriegsverwaltung,
ein möglichst reelles Budget zu entwerfen und die in früheren Jahren regelmäßigen
bedeutenden Überschreitungen dadurch zu vermeiden, daß gewisse Posten schon bei
dem Voranschläge in entsprechender Höhe eingesetzt werden, andererseits aber auch
in dem Umstande, daß bei der heutigen Entwicklung aller für die Wehrmacht in
Betracht kommenden Faktoren im Laufe der Zeit immer wieder gewisse neue, unvor¬
hersehbare Auslagen unvermeidlich seien. Dessenungeachtet werde sich in den näch¬
sten Jahren nur eine größere Mehrauslage, nämlich bei der Post für rauchloses Pulver,
ergeben. Diesbezüglich habe der Kriegsminister bereits der vorjährigen Delegation eine
Mehranforderung von 9 Millionen Gulden signalisiert

   Der kk Finanzminister Ritter v. Biliriski hebt ferner aus den
vorliegenden Summarien mehrere Posten wie 2h und 5d des Ordinariums, 17,29/1,29/5
und 50 des Extraordinariums hervor, bei welchen sich vielleicht Ersparungen bewerk¬
stelligen ließen, wogegen nach seiner Ansicht die Ansätze für Post 24 (Naturalienver¬
pflegung) und für Post 20 (Verabreichung eines warmen Nachtmahles an die
Mannschaft an zwei Tagen in jeder Woche) zu nieder gegriffen erscheine. Hinsichtlich
dieser letzteren Post sehe Redner vorher, daß die Delegationen, deren langjähriges
Postulat die Verabreichung eines warmen Nachtmahles an die Mannschaft bilde, die
Einschränkung auf zwei Tage in der Woche bemängeln, und daß somit in der Folge eine
bedeutende Erhöhung dieser Post eintreten werde.

   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs ist gleichfalls dieser Ansicht
und würde es auch für zweckmäßig erachten, wenn die Ansätze für das warme Nacht¬
mahl der Mannschaft und für die Naturalienverpflegung, um späteren Mehranforde-
nmgen vorzubeugen, gleich jetzt erhöht und dafür einige andere Posten von geringerer
Dringlichkeit gestrichen oder herabgemindert würden.

   Der ku.k gemeinsame Kriegsminister Edler v. Kriegham¬
mer legt bezüglich jedes einzelnen der zur Sprache gebrachten Posten die Notwen¬
digkeit ihrer Aufnahme in das Präliminare dar. Was speziell die relativ hohe Forderung
in den Posten 2h des Ordinariums und 50 des Extraordinariums betreffe, so sei die
gleichzeitige Errichtung zweier Kadettenschulen durch die immer dringender werden-
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13.4.1896  9

de Notwendigkeit, für einen entsprechenden und hinreichenden Nachwuchs an Trup¬
penoffizieren zu sorgen, motiviert. Das Mindererfordemis für die Naturalienverpfle¬
gung finde seine Begründung nicht nur in den allgemeinen Preisrückgängen, sondern
auch darin, daß die Kriegsverwaltung schon in den letzten Jahren durch Erhöhung
gewisser Posten eine Sanierung der früher hiebei vorgekommenen Überschreitungen
im Auge gehabt habe.

   Hinsichtlich des warmen Nachtmahles für die Mannschaft weist Redner vor allem
darauf hin, daß mit der Einstellung dieser Post noch ein weiterer wichtiger Zweck
verbunden sei. Konstatierterweise sei ein großer Teü der in den Feldzügen gewöhnlich
auftretenden Erkrankungen eine Folge der ausschließlichen Fleischnahrung. Es sei
nunmehr gelungen, eine Gemüsekonserve zu erzeugen, welche allen Anforderungen
entspricht. Die Kriegsverwaltung beabsichtige nun die Errichtung von Fabriken, haupt¬
sächlich in Przemyä und Krakau, welche jene Konserven zu erzeugen hätten und
speziell für den Fall eines Krieges von großer Wichtigkeit wären. Wenn das warme
Nachtmahl im Präliminare nur für zwei Tage per Woche in Aussicht genommen sei, so
geschehe dies einerseits, um im ganzen die programmgemäße Budgetziffer nicht zu
überschreiten, andererseits aber auch deshalb, weü durch die wirtschaftliche Vorsorge
der Unterabteüungen die Mannschaft schon jetzt bei den meisten Truppenkörpem an
mehreren (3-5) Tagen der Woche ein warmes Nachtmahl erhalte.

   Der Ick. Finanzminister Ritter v. Biliriski möchte noch die Kriegs¬
verwaltung an die den gemeinsamen Ministem aufgrund eines Delegationsbeschlusses
obliegende Verpflichtung erinnern, jede Überschreitung rechtzeitig, ad. h. noch3 vor
Verausgabung des betreffenden Betrages, den Finanzministem bekanntzugeben.

   Der k. u. k. gemeinsameKriegsministerEdlerv. Kriegham¬
me r erwidert, daß er diese Verpflichtung stets vor Augen halte und, so oft eine
vorhersehbare Überschreitung eintrete, oder gegründete Zweifel an der Möglichkeit,
eine Budgetpost einzuhalten, auftauchen, hievon die Finanzminister verständige.

   Der Vorsitzende konstatiert sodann, daß das Präliminare für das k. u. k. Heer
pro 1897 im Ordinarium mit 122 858 569 fl., im Extraordinarium mit 14 798 187 fl., im
Okkupationskredit mit 3 497 072 fl., zusanunen mit 141 153 828 fl. von der Konferenz
in der Erwartung angenommen wird, daß der Voranschlag des Kriegsministeriums auch
im nächsten Jahre sich im Rahmen der 3 1/2 Millionen Gulden halten werde.

   Hierauf wird das Präliminare der k. u. k. Kriegsmarine unverändert, demnach
im Ordinarium mit 10381060 fl., im Extraordinarium mit 3 600200 fl., zusammen

mit 13 981 260 fl. angenommen.
   Der k.u.k. Marinekommandant Freiherr v. Sterneck bespricht

sodann den im Jahre 1895 aus den gemeinsamen Aktiyen12 gewährten außerordentli-

      Korrektur BUiAsläs aus und, wenn möglich.

12 Die gemeinsamen Aktiven (oder: Zentralaktiven): Die Aktiva des gemeinsamen Budgets. Das Recht, über
    sie zu verfügen, d.h. die Frage, ob die gemeinsamen Minister über sie verfügen oder ob das gemeinsame
    Finanzministerium aufForderung der beiden Landesregierungen davon&#39;Mittel bereitzustellen hat, war in den
    80er Jahren noch nicht eindeutig geklärt, ln der Praxis wurden daraus kleinere Beträge zu nicht vorherseh¬
    baren und dringenden Zwecken ausgezahlt, die man nicht sofort vor die Öffentlichkeit bringen wollte. Vgl.
<pb/>10 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13.4.1896

eben Zuschuß von einer Million Gulden in Gold für Schiffsbauten, dessen Votierung
er nunmehr, der getroffenen Verabredung gemäß, in der Form zweier Nachtragskredite
für das Jahr 1896vori den Delegationen beanspruche. Er betont, daß es sich hiebei nicht
um einen rückzahlbaren Vorschuß, sondern um eine Mehrbewilligung gehandelt habe,
die aus den gemeinsamen Aktiven gedeckt werden soll.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy bemerkt, daß
nach Votierung dieser Nachtragskredite seitens der Delegationen die beiderseitigen
Regierungen noch in den Legislativen einen Gesetzentwurf über die definitive Bedek-
kung des Betrages aus den gemeinsamen Aktiven einzubringen haben werden.

   Nach einer längeren Diskussion über den bezüglich der Votierung der beiden
Nachtragskredite einerseits, und ihrer definitiven Bedeckung andererseits einzuschla¬
genden Vorgang konstatiert der Vorsitzende an der Hand der Protokolle der
vorjährigen gemeinsamen Ministerkonferenzen,13 daß man sich bereits damals dahin
geeinigt habe, den in Rede stehenden Zuschuß von 1 Mülion Gulden heuer von den
Delegationen in der Form von Nachtragskrediten, unter gleichzeitiger Bekanntgabe der
für die Bedeckung in Aussicht genommenen Modalität, votieren zu lassen und dann
mittelst Übereinstimmen der Gesetzentwürfe die Zustimmung der beiderseitigen Le¬
gislativen dazu einzuholen, daß die Bedeckung dieser votierten Nachtragskredite aus
den gemeinsamen Aktiven erfolge.

   Es wird auf den Voranschlag des Ministeriums des Äußern übergegangen.
   Der k.k. Finanzminister Ritter v. Bilidski wirft die Frage auf, ob
nicht mit Rücksicht auf den pro 1895 angesprochenen Nachtragskredit von 60 000 fl.
für Adaptierung und Einrichtung der Ministerwohnung sowie für die Installation der
elektrischen Beleuchtung die in dem Präliminäre pro 1897 verlangte Erhöhung der
ständigen Post 34 des Ordinariums (Instandhaltung des Ministerialpalais etc.) um
9300 fl. entbehrt werden könnte.
   Der Vorsitzende erwidert, daß diese Erhöhung aus dem Grunde vorgenom¬
men worden sei, weü nach einer langjährigen Erfahrung die Post 34 stets eine Über¬
schreitung im beüäufigen Ausmaße der jetzigen Erhöhung aufweise, und sich in
Zukunft Ersparungen schon wegen der größeren Kosten der elektrischen Beleuchtung
nicht bewerkstelligen lassen dürften.
   Der kgl. ung. Finanzminister v. Lukäcs findet im allgemeinen die
Erhöhung des diesmaligen Voranschlages für das Ministerium des Äußern eine sehr
namhafte. Dieselbe mache im Ordinarium 161200fl., im Extraordinarium 25 000 fl. aus
und beziffere sich mit Hinzurechnung der verlangten Nachtragskredite per 144 050 fl.
insgesamt aufüber 330 000 fl. Redner stellt daher zur Erwägung, ob dieser Betrag nicht
durch Auflassung einer oder der anderen Post oder eventuell dadurch herabgemindert
werden könnte, daß die Mehranforderungen für die neu zu errichtenden Vertretungs¬
behörden im Auslande nur für das halbe Jahr - also vom 1. Juli 1897 an - eingestellt
würden.

     GMR v. 13.6.1897, GMCZ. 403. Note des kgl. ung. Ministerpräsidenten v. 26.4.1897überden staatsrecht¬
     lichen Charakter der gemeinsamen Aktiven, HHStA., PA. I, Karton 630,198/CdM.Ein weiteres Elaborat
     des kgL ung. Ministeipräsidenten zu diesem Thema i&gt;. 14.8.1897, ebd., Karton 656,340/CdM.
13 GMR. v. 18.4.1895, GMCZ. 388, HHStA., PA. XL, Karton 297.
<pb/>Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 4.1896  11

   Der Vorsitzende weist vor allem darauf hin, daß, von den Nachtragskre¬
diten abgesehen, nur der Betrag von 157900 fl. als neue Mehranforderung be¬
zeichnet werden könne, weil der Restbetrag von 28 300 fl. sich als die Konsequenz
mehrerer Bewilligungen der vorjährigen Delegationen darstelle. Was die Verwen¬
dung der Mehranforderung von 157900 fl. anlangt, so setzt der Vorsitzende po¬
stenweise die Notwendigkeit der einzelnen neuen Budgetrubriken auseinander,
betont speziell das auch von den Delegationen anerkannte Bedürfnis nach einer
wirksamen Vertretung der Monarchie in Ostasien sowie an den übrigen für die
Errichtung effektiver Konsularämter in Aussicht genommenen Punkten und be¬
zeichnet die für sein Ressort aufgestellten Mehranforderungen als das Minimum
dessen, was ohne Gefährdung oder Schädigung der hier in Frage kommenden viel¬
fachen Interessen angesprochen werden müsse.

   Nachdem der Vorsitzende ferner erklärt, daß er in dem Budget pro 1898 nicht
analoge Mehransprüche zu stellen beabsichtige, wird der Voranschlag des Ministe¬
riums des Äußern im Ordinarium mit 3 903 000 fl., im Extraordinarium mit 77 400 fl.,
zusammen mit 3 980 400 fl. angenommen. Desgleichen wird das Präliminare des ge¬
meinsamen Finanzministeriums im Betrage von 2 087 830 fl. unverändert und ohne
weitere Bemerkung angenommen. Bei dem Voranschläge für den gemeinsamen Ober¬
sten Rechnungshof wird das Ausmaß der für die Vermehrung des Personals eingestell¬
ten Mehranforderung von 13 347 fl. beanstandet

   Der k.u. IcgemeinsameFinanzministerv. Källay motiviert diesen
Mehranspruch damit, daß der Status des gemeinsamen Obersten Rechnungshofes seit
langer Zeit unverändert geblieben und den stets zunehmenden Aufgaben nicht mehr
gewachsen sei. Die Ausübung einer wirksamen Rechnungskontrolle gegenüber der in
fortschreitender Entwicklung begriffenen Heeresverwaltung und die rechtzeitige Fer¬
tigstellung der Schlußrechnungen erheische unbedingt eine Vermehrung des Persona¬

les.
   Die Konferenz einigt sich dahin, den obigen Betrag um 6000 fl., somit auf 7347 fl. zu

reduzieren und daher das Gesamterfordemis für den Voranschlag des gemeinsamen
Obersten Rechnungshofes mit 133 240 fl. festzusetzen.

    Das mit 50 573 130 fl. veranschlagte Zollgefälle gibt zu keiner Bemerkung Anlaß.
    Zu dem den Konferenzmitgliedem bereits zur Kenntnis mitgeteüten Budget für
Bosnien und die Hercegovina bemerkt der k.k. Finanzminister Ritter v.
B iliiiski, er möchte anregen, daß in das Budget der okkupierten Provinzen ein
Beitrag zu dem Okkupationskredite aufgenommen werde.
    Der k.u.k. gemeinsame Finanzminister v. Källay erklärt, daß
durch die Übernahme einer solchen Verpflichtung das ganze, seit Jahren im Okkupa¬
tionsgebiete geschaffene jWerk gefährdet werden könnte. Wenn heute auf das in Rede
stehende Budget ein wesentlicher Beitrag zu den Auslagen für die dort befindlichen
Truppen übernommen werden sollte, so würde dies die Entwicklung jener Länder
hemmen. In den ersten Jahren nach der Okkupation sei der Okkupationskredit bedeu¬
tend höher gewesen, und habe man daraus nicht nur die Mehrgebühren der dort
dislozierten Truppen&#39;, sondern auch Straßenbauten und andere im Interesse des Landes
geschehene Leistungen bestritten. Seitdem Redner die Verwaltung der okkupierten
<pb/>12 Nr. 1 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 13. 4.1896

Provinzen übernommen habe,14sei es sein Bestreben gewesen und ihm auch gelungen,                       &#39;
in dieser Hinsicht eine Änderung eintreten zu lassen, indem seither der Okkupations¬
kredit ausschließlich für militärische Zwecke und kein noch so kleiner Teü desselben
für sonstige Zwecke des Landes verwendet werde. Es habe die Zivüverwaltung jener
Länder sogar militärische Unterkünfte gebaut und erhalte dieselben, desgleichen werde
die Gendarmerie und die im Jahre 1882 kreierten bosnischen Truppen aus Mitteln des
Landes erhalten. Die Provinzen haben große Fortschritte gemacht und seien dermalen
imstande, bedeutende Auslagen aus den eigenen Einkünften zu bedecken. Ferner seien
infolge der allgemeinen Besserung der dortigen Lebensverhältnisse die Zulagen der
Truppen im Laufe der Jahre wesentlich reduziert worden. In früheren Jahren sei das
bosnisch-hercegovinische Budget in der Weise aufgestellt worden, daß die Auslagen
genau nach ihrer tatsächlichen Höhe, die Einnahmen aber unter ihrer wirklichen Ziffer
veranschlagt wurden. Erst seit kurzem wurde auf einen mehrfach geäußerten Wunsch
hin genauer bilanziert, dadurch sei aber das faktische Schlußergebnis, speziell mit
Rücksicht auf die Steuermethode des Zehents, davon abhängig, ob die Ernte eine gute
oder schlechte war. Redner zieht ferner zur Unterstützung seines Standpunktes eine
Paralelle zwischen dem in der Monarchie und dem in den okkupierten Provinzen
bestehenden Verhältnisse zwischen den Gesamtlasten und den militärischen Auslagen.
Überdies seien die in Bosnien und der Hercegovina dislozierten Truppen heute nicht
mehr zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Ruhe da, sondern hätten vornehmlich
einen wichtigen politischen Zweck im Gesamtinteresse der Monarchie zu erfüllen,
nämlich das Ansehen der letzteren, ihre Machtstellung auf der Balkanhalbinsel zu
dokumentieren. Aus finanziellen, wirtschaftlichen und politischen Rücksichten müsse
also Redner bitten, davon abzusehen, daß von dem Okkupationskredite ein Betrag auf
das bosnisch-hercegovinische Budget überwälzt werde. Hiedurch werde es auch ferner
möglich sein zu vermeiden, daß das bosnische Gesetz vom Jahre 1880 zur Anwendung
komme, wonach die Monarchie dafür eintrete, wenn Bosnien und die Hercegovina nicht
aus eigenen Mitteln für die eigenen Auslagen aufzukommen vermöchten.15

   Das bosnisch-hercegovinische Budget wird hierauf von der Konferenz zustimmend
zur Kenntnis genommen.

   Der Vorsitzende konstatiert, daß bezüglich sämtlicher Vorlagen volle Über¬
einstimmung erzielt worden sei,16 und bringt die Frage des Termines für die Einberu¬
fung der Delegationen zur Besprechung.

   Der Ick. MinisterpräsidentGrafBadeni erklärt, er müsse jedenfalls
wünschen, daß der Reichsrat noch fast einen ganzen Monat ohne Unterbrechung tagen
könne. Derselbe habe noch ein großes Material zu bewältigen, und die Möglichkeit,
nach Schluß der Delegationssession das Parlament wieder einzuberufen, sei ausge-

14 Källaywar 4. 6.1882 -13. 7.1903 gemeinsamer Finanzminister und in dieser Funktion zuständig ßr die
    Verwaltung der okkupierten Provinzen. Gesetz v. 22. 2.1880, RGBl. Nr. 18/1880, § 1.

15 Ebd., § 3.
16 Das in der Delegationssitzung unterbreitete Budget: Stenographische Sitzungsprotokolle der Dele¬

    gation des Reichsrathes 1896.
<pb/>Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16.4.1896                        13

schlossen. Wenn also die Delegationen in den nächsten Monaten einberufen werden
sollen, so möge dies erst um den 1. Juni, keinesfalls aber vor dem 25. Mai geschehen.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Baron B ä n f f y erklärt seiner¬
seits, darauf dringen zu müssen, daß die Delegationen im Mai oder Juni stattfinden,
keinesfalls aber im Herbste, da bis dahin gewisse Komplikationen in der parlamentari¬
schen Situation, eventuell auch die Notwendigkeit, den Reichstag aufzulösen, sich
ergeben könnten. Auch werden in diesem Falle die Delegationen erst Ende November
oder Anfangs Dezember abgehalten werden können, was unbedingt zu vermeiden wäre.
Auf ein paar Tage auf oder ab komme es nicht an, wohl aber müsse Redner dringend
bitten, daß spätestens im Juni der Schluß der Delegationssession erfolge.

   Der Vorsitzende spricht sich unter Zustimmung der Konferenz dahin aus,
daß er, um allen Wünschen gerecht zu werden, bei Sr. Majestät den 30. Mai für die
Einberufung der Delegationen beantragen werde. Zu diesem Zwecke sowie um die
Übereinstimmung der Konferenzbeschlüsse zu dokumentieren, werde noch eine ge¬
meinsame Ministerkonferenz unter Ah. Vorsitze stattfinden, zu welcher jedoch ange¬
sichts des Mangels irgendeiner Differenz seitens der beiden Regierungen nur die
Ministerpräsidenten erscheinen würden.17

                                                                                          Goluchowski

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 27. April 1896. Franz Joseph.

                  Nr. 2 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 16. April 1896

     XW. JM/M* XViV. J

    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Gofuchowski, der kgl. ung. Minister-
Präsident Baron Bänffy, der k. k. Ministerpräsident Graf Badeni (21.4.), der k. u. k. gemeinsame Finanzmi¬
nister v. Killay (22.4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghammer, der k. u. k.
Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stemeck (27.4.).

    Protokollführer Sektionsrat v. Mdrey.
    Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-un¬
garischen Monarchie pro 1897.

   KZ. 20 - GMCZ. 391
   Protokoll des zuWien am 16. April 18% abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame
Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers und Königs.

   Se. k. u. k. apost Majestät geruhen die Konferenz mit folgenden Worten
zu eröffnen: Ich habe das Protokoll der letzten gemeinsamen Ministerkonferenz gelesen
und daraus zu meiner Befriedigung ersehen, daß sich keine Differenz ergeben hat.

17 GMRv. 16 4.1896, GMCZ. 391.
<pb/>