Gemeinsamer Ministerrat, 17. 4. 1895
I. Der Vorschanschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1896
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646 Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. 4. 1895 Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. April 1895 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Fürst zu Windisch-Grätz (o. D.), der kgl. ung. Mini¬ sterpräsident Freiherr v. Bänffy (o. D.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (21. 4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghammer (o. D.), der k. k. Ackerbau¬ minister Graf Falkenhayn (o. D.), der k. k. Finanzminister Edler v. Plener (o. D.), der kgl. ung. Finanzminister Lukäcs (o. D.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Freiherr v. Josika (o. D.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Sterneck (26. 4.). Protokollführer: Sektionsrat v. Jettei. Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österrei¬ chisch-ungarischen Monarchie pro 1896. KZ. 34 - RMRZ. 386 Protokoll des zu Wien am 17 April 1895 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern Grafen Kälnoky. Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung mit einigen Bemerkungen über die Situation der Monarchie nach außen und die allgemeine europäische Lage und bezeichnet dieselbe im ganzen als in jeder Beziehung zufriedenstellend. Es sind drei Faktoren, führt der Vorsitzende aus, die uns namentlich in letzterer Zeit aus der Spannung, in der Europa lange geschwebt hat, heraushal¬ fen ; in erster Linie der unleugbare Wunsch der Monarchen und Regierungen, aus vielen, namentlich aus inneren Gründen den Frieden aufrechtzuerhalten und jedem ernsten Konflikte aus dem Wege zu gehen. In zweiter Linie sind es die Veränderungen, welche sich in Rußland zugetragen haben, der Wechsel in der Regierung, ein neues Regime mit einem jungen Kaiser,1 der unerfahren und entschieden abgeneigt ist, sich in irgend große Unternehmungen einzulassen. Ein dritter Faktor, der täglich stärker zum Ausdrucke kommt, sind die Ereignis¬ se in Ostasien nebst den kolonialen afrikanischen Fragen, welche die Aufmerk¬ samkeit einiger der Hauptmächte so sehr in Anspruch nehmen und mit welchen so bedeutende materielle Interessen verbunden sind, daß sich infolgedessen das allgemeine politische Interesse in der nächsten Zeit überwiegend dem fernen Osten zuwenden dürfte.2 Dies alles trägt wesentlich dazu bei, die Situation auch für uns zu erleichtern, und berechtigt zu der Hoffnung, daß wir mit relativer Ruhe der Zukunft entgegensehen können. Soweit ist es aber allerdings nicht, daß sich dadurch die militärische Lage in Europa ändern würde. Voraussichtlich wird keine der Mächte daran denken können, ihre militärischen Vorbereitungen und ihre Schlagfertigkeit einzustellen oder auch nur zu vermindern. Wir, die wir am meisten mit unseren Nachbarn im Osten und Südosten rechnen müssen, können 1 Nikolaus II., der am 1. September 1894 russischer Kaiser geworden ist. 2 Es handelt sich um den japanisch-chinesischen Krieg und den Friedensvertrag von Shimonoseki i. J. 1895 bzw. um dessen Revision. <pb/>Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. 4. 1895 647 konstatieren, daß in Rußland bisher nicht nur nicht abgewiegelta worden ist, sondern daß der Grundplan der Organisierung und Aufstellung der russischen Armee, wie er 1883 aufgestellt worden ist, durchaus ohne Aufenthalt und ohne Schwankung fortgeführt. Es wird höchstens zuweilen eine Maßregel verscho¬ ben, wie zum Beispiele vor einiger Zeit die Transferierung einer Armeedivision vom Kaukasus nach Polen. Solange aber kein wesentlicher Faktor in dieser Richtung auftritt, der den Impuls gibt zu einem Nachlassen oder Einstellen der militärischen Vorberei¬ tungsaktion, wird sich keine Macht dazu entschließen können, ihrerseits einzu¬ halten oder ein langsameres Tempo in der Fortentwicklung ihrer Wehrmacht einzuschlagen. Was uns betrifft, so ist zunächst der Herr Reichskriegsminister zur Beurteilung der militärischen Sachlage kompetent. Vom politischen Stand¬ punkte aus kann nur der Gedanke maßgebend sein, daß alles, was für die Organisation der Armee eingeleitet worden ist, auch durchgeführt werden muß, um in dieser Beziehung eine möglichst perfekte Wehrmacht zu schaffen. Ein stärkeres Gewicht wird meiner Ansicht nach in Anbetracht der zuneh¬ menden Bedeutung der kolonialen Fragen aufdie Marine gelegt werden müssen, und es wird sich ohne Zweifel in der Zukunft zeigen, daß unsere Marine, die bisher mehr defensive Zwecke zu verfolgen hatte und von diesem Gesichtspunk¬ te aus organisiert war, für den Schutz unseres Handels mehr in Anspruch genommen werden wird als bisher, und daß sich in Ostasien Schiffe größerer Kategorie werden zeigen müssen. Was unsere näheren Nachbarn betrifft und unsere Beziehungen zu den euro¬ päischen Mächten, so ist darüber, nachdem wir nur vor wenigen Monaten die Delegationssession hatten, seither nicht viel Neues zu sagen. Unsere Allianzen und Verbindungen sind dieselben geblieben, und wird unsere Politik mit einer ruhigen Konsequenz fortgeführt, sie gewährt uns Schutz und Sicherheit und verbürgt unsere Machtstellung, ohne uns andererseits unverhältnismäßige Op¬ fer aufzuerlegen. Die Notwendigkeit gewisser Opfer folgt nicht aus unseren Allianzen, sondern sie entspringt aus der in Europa herrschenden Unsicherheit und aus der geographischen Lage der Monarchie. Was unsere kleinen Nachbar¬ staaten im Oriente betrifft, so sind sie nahezu unschädlich geworden. Serbien ist im Innern zerfallen, aber es ist von keinem Freunde umgeben, und was immer dort geschehen mag, so wird es außerhalb der Grenzen des Landes keine Schwierigkeiten herbeiführen. Solange man sicher darauf rechnen kann, daß Rußland, wie ich dies neuer¬ dings aus meinen Unterredungen mit dem russischen Minister des Äußern, Fürsten Lobanow, ersehen konnte,3 nicht die Absicht hat, irgendwie in den Balkanländem einzuschreiten, und das Prinzip anerkennt, das wir aufgestellt haben, nämlich das der ruhigen selbständigen Entwicklung der Balkanstaaten, solange können wir ziemlich sicher sein, daß wenn auch Zwischenfalle vorkom- Am Rand mit Bleistift abgerüstet. Vgl. Palotäs, A Balkän-kerdes az oszträk-magyar es az orosz diplomäciäban 33-36. <pb/>648 Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. 4. 1895 men sollten, sie sich lokalisieren lassen, ohne weitere Konflagrationen nach sich zu ziehen. Es ist möglich, daß in Mazedonien sich eine gewisse Aufregung zeigt und daß man versuchen wird, durch Veranstaltung von Putschen an den Berli¬ ner Vertrag zu appellieren und eine autonome Verwaltung zu verlangen. Soviel ich weiß, ist jedoch keine der Mächte gesonnen, diese Bewegung ernst zu nehmen oder zu unterstützen.4 Was unsere Beziehungen zu Rumänien betrifft, so ist dieses Land vom internationalen Gesichtspunkte aus ebenfalls unschädlich. Weniger bequem ist es als Nachbar. In dieser Beziehung würde aber keine Regierung in Rumänien stark genug sein, um sich der nationalen Strömung entschieden entgegenstellen und für uns eintreten zu können. Wir müssen uns damit begnügen, daß die Regierung sich äußerlich korrekt verhält, ob sie dabei mit der Liga5 mehr oder weniger kokettiert, kann uns gleichgiltig sein. Jedenfalls ist das jetzige Kabinett Catargi mit Rücksicht auf die Elemente, aus welchen es zusammengesetzt ist, das günstigste, das wir erhoffen können. Nach meiner persönlichen Kenntnis der Verhältnisse glaube ich nicht, daß sich eine andere Regierung finden ließe, die sich so entgegenkommend zeigen würde und mit der wir so gut auskommen könnten. Wir haben also keinen Anlaß zu wünschen, daß sie falle. Mein Streben geht dahin, mit der rumänischen Regierung in guter Fühlung zu bleiben, damit wenn ein Zwischenfall eintritt, wir sofort die nötigen Bemerkungen machen und das fordern können, was wir vom internationalen rechtlichen Standpunkt zu fordern berechtigt sind. Seit der letzten Delegation - das ist übrigens noch nicht lange her - hat sich kein Zwischenfall ereignet, der zu einer ernstlichen Bemer¬ kung hätte den Anlaß bieten können. Die Liga beginnt an Geldmangel zu leiden und stellt sich immer mehr als ein Ausbeutungsobjekt für ihre Führer heraus. Wieweit sie bei uns schädhch wirkt, ist für midi schwer zu beurteilen, das werden die Herren ungarischen Minister wissen. Ich bin jedenfalls stets bereit, wenn etwas vorkommt, das Nötige zu veranlassen. Was Bulgarien betrifft, so hoffe ich, daß die Verhandlungen, welche wir mit diesem Lande wegen der Akzise führen,6 demnächst zu einem befriedigenden Abschlüsse gelangen werden. Die gegenwärtige Regierung ist zwar schwach, aber es steht zu hoffen, daß besondere Ereignisse dort nicht zu erwarten seien. An den übrigen Fragen, welche in letzter Zeit im Orient aufgetaucht sind, sind wir nicht direkt interessiert. Speziell von der armenischen Frage haben wir uns ferne gehalten und uns auf den Standpunkt gestellt, daß es besser ist, sie nicht vom europäischen Standpunkte aufzufassen, sondern ihre Austragung zunächst den nächst interessierten Mächten zu überlassen, u. zw. England mit Rücksicht auf den Zypernvertrag, Frankreich wegen seiner Protektoratsrechte über die orientalischen Katholiken und Rußland als Nachbarstaat. Zwischen diesen Mächten herrscht vorläufig volles Einvernehmen über das, was zur Lösung der 4 Ebd. 20-23. 5 Liga Culturalä, gegründet in Bukarest i. J. 1891. 6 Vgl. Palotäs, a.a.O. 25. <pb/>Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. 4. 1895 649 armenischen Verlegenheit anzustreben sei, und so ist zu hoffen, daß die Angele¬ genheit ohne Schwierigkeiten geregelt werden wird.7 Von unseren Alliierten befindet sich Italien in keiner günstigen Lage. Es zeigt sich, daß das Land finanziell und wirtschaftlich ruiniert und politisch tief erschüttert ist, daß es der Regierung an der nötigen Kraft fehlt und daß ein großer Mangel an geeigneten Männern für die Regierungsgeschäfte sich fühlbar macht. Die Wahlen werden wohl die nötige Klärung herbeiführen. Bis jetzt haben wir aber keinen Anlaß anzunehmen, daß dadurch das Verhältnis der Bundesgenossen zu Italien berührt wäre. Unsere Beziehungen zu Deutschland sind vorzüglich, ebenso zu England und Rußland - auch mit Frankreich stehen wir auf einem sehr freundschaftlichen Fuße, abgesehen von einer schwierigen Verhandlung bezüglich des Weinzolles, deren Austragung bisher daran scheiterte, daß wir die Interpretation des Grenz¬ verkehrs, die wir angenommen haben, nicht aufgeben können. Ich glaube sonach, daß die allgemeine Situation für die Monarchie günstig ist und daß sich in der weiteren Entwicklung eine noch ruhigere und bestimmtere Friedensstim¬ mung herausbilden wird, so daß man wird daran können, sich weniger mit den äußern und mehr mit den inneren Zuständen zu beschäftigen und in einer allerdings noch nicht zu bezeichnenden Zukunft auch in den militärischen Forderungen einen Nachlaß eintreten zu lassen. - Der Vorsitzende schlägt hierauf vor, in die Verhandlung der einzelnen Budgets einzugehen und zunächst das Heeresbudget in Beratung zu ziehen. Derkgl. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy macht darauf aufmerksam, daß in den Vorlagen des Reichskriegsministeriums mehrfach Aus¬ drücke gebraucht werden, so: ,,die beiden Reichshälften", ,,der Kaiser", statt ,,der Kaiser und König", welche mit den ungarischen Gesetzen nicht im Ein¬ klänge stehen, und bittet, dieselben zu berichtigen. Der k. u. k. Reichskriegsminister Edler v. Krieghammer sagt dies zu und bemerkt, daß sich die Mehranforderungen für das Heer inner¬ halb des seinerzeit festgestellten Rahmens bewegen. Die Bewilligung einer Abendkost für die Mannschaft würde allerdings eine Überschreitung mit sich bringen. Der kgl. ung. Finanzminister Lukäcs findet die Einstellung der letzteren Post begründet, hält die Bewilligung derselben jedoch nur dann für zulässig, wenn ein gleicher Betrag aus dem übrigen Heeresbudget gestrichen würde. Der k. k. Finanzminister Edler v. Plener bedauert, daß die Aufbesserung der Mannschaftskost als selbständige Post in das Budget einge¬ stellt wurde, so daß die Regierungen nur in der Lage sind, entweder über die Erhöhungen von 3,5 Millionen hinauszugehen oder die Post zu verwerfen. Die Forderung sei aber gerecht, und man werde sie gegenüber dem Drängen der Delegationen auf die Dauer nicht zurückweisen können. Redner hält ein Arran- 7 Vgl. Stein, Die Neuorientierung der österreichisch-ungarischen Außenpolitik 33-39. <pb/>650 Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. 4. 1895 gement in der Art für möglich, daß einige Posten im Ordinarium gestrichen und einige Anforderungen im Extraordinarium für einmalige Anschaffungen auf die Zinsen der Zentralaktiven geschoben würden, so daß innerhalb des Rahmens von 3,5 Millionen für die Aufbesserung der Mannschaftskost gesorgt würde. Das im Jahre 1893 aufgestellte Programm für den Ausbau unserer Wehrmacht8 in den folgenden sechs Jahren sei seither ohnehin nicht mehr strenge eingehalten worden; so seien mehrere damals ins Auge gefaßte Forderungen, wie für eine 15. Infanteriekadettenschule, für Deponierung der Augmentationsvorräte spä¬ ter nicht gestellt, dafür neue, damals nicht vorhergesehene Posten in das Präli¬ minare aufgenommen worden, so für die Aufbesserung der Bezüge der Korps¬ kommandanten, für die stärkere Heranziehung der Ersatzreservisten. Wenn aber der Plan vom Jahre 1893 nicht mehr aufrecht besteht, so sei die Frage zulässig, ob nicht bezüglich einzelner Neuanforderungen Abstriche sich vollzie¬ hen ließen, um wenigstens einen Teil der Bedeckung für die Abendkost beim Ordinarium in Ersparung zu bringen. Noch leichter werde sich dies beim Extraordinarium bewerkstelligen lassen, welches manche Anforderungen ent¬ hält, die vielleicht nicht so dringend sind. Redner weist speziell auf die Rekon¬ struktion der galizischen Baracken, auf neue Festungsbauten und auf die Erhö¬ hung der Reservevorräte an Repetiergewehren hin. Was die Überschiebung auf die Zentralaktiven anbelangt, so werden im Sinne des kürzlich zwischen den beiden Regierungen vereinbarten Gesetzentwurfes 4 Millionen an dieselben zurückbezahlt werden, wovon 1 Million für Marineforderungen abfällt. - Von dem Reste könnten dann gewisse Mehranforderungen im Extraordinarium bestritten werden, so daß das gesamte Erfordernis von 1 135 000 Gulden durch Ersparungen im Ordinarium und Verschiebungen vom Extraordinarium auf die Zentralaktiven gedeckt würde. Redner würde umsomehr wünschen, daß sich die Kriegsverwaltung einem solchen Arrangement gegenüber nicht ablehnend verhalte, weil die Frage der Armeeverpflegung gerade in unserer Zeit leicht zu Agitationen mißbraucht werden könnte. Eine Aufbesserung der Mannschaftskost sei übrigens bei mehre¬ ren Truppenkörpem innerhalb des bestehenden Rahmens durchgeführt wor- den. Ein Hinausgehen über die Erhöhung um 3,5 Milhonen sei umso weniger möglich, als sich in den letzten Jahren bedeutende Überschreitungen ergeben hätten, so im Jahre 1893 um 4,7 Millionen, also um mehr, als der jährliche Steigerungskoeffizient beträgt. Ein Grund dieser Überschreitungen liege in der ungenauen Budgetierung. Seit der gegenwärtige Kriegsminister an der Spitze der Militärverwaltung steht, zeige sich übrigens das Bestreben, diesem Übelstan¬ de abzuhelfen. Der k. u.k . Reichskriegsminister Edler v. Krieghammer führt mehrere Posten an, welche er höher präliminiert hat, um ein reelles Budget durchzuführen und die Notwendigkeit späterer Überschreitungen zu vermeiden. MR. V. 28. 3. 1893, RMRZ. 379. <pb/>Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. 4. 1895 651 Mit Rücksicht hierauf sei es aber unmöglich, die Ansätze des Ordinariums zu restringieren; ebenso unabweislich seien die Neuanforderungen im Extraordina- rium, was insbesondere von der einheitlichen Bewaffnung der gesamten Armee mit Repetiergewehren und der Erhöhung des Reservevorrates gelte. Der kg 1. ung. Ministerpräsident Baron Bänffy erklärt, unge¬ achtet eine Aufbesserung der Mannschaftskost früher oder später unvermeid¬ lich sei, sei ein Hinausgehen über die programmäßige Erhöhung von 3,5 Millio¬ nen nicht möglich. Das proponierte Arrangement mit den Zentralaktiven wäre ein Präzedens, auf welches die ungarische Regierung nicht ohne weiteres einge- hen könnte. Der kgl. ung. Finanzminister Lukäcs bemerkt, daß bei einem derartigen Vorgehen die Zentralaktiven bald erschöpft wären und eine perma¬ nente Belastung des gemeinsamen Budgets daraus resultieren würde. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay weist daraufhin, daß sich die Regierungen bisher über die Teilung der Zentralaktiven nicht zu einigen vermochten. Das gemeinsame Finanzministerium betrachte sich nur als Depositar derselben; über ihre Natur und Verwendung stehe ihm die Entscheidung nicht zu. Rücksichtlich des im Jahre 1893 aufgestellten Program¬ mes für den Ausbau unserer Wehrmacht sei zu beachten, daß mit Rücksicht auf die fortschreitende Organisierung und Ausbildung der Truppen, auf neue Erfin¬ dungen sich die Notwendigkeit neuer Institutionen und Anschaffungen ergibt, wodurch unvorherzusehende Kosten verursacht werden. Das Hauptgewicht sei deshalb im Jahre 1893 darauf gelegt worden, daß die notwendigen Neuanforde¬ rungen den Betrag von 4 Millionen nicht überschreiten. Innerhalb dieses Rah¬ mens hat die Kriegsverwaltung unter eigener Verantwortung ihre Dispositionen zu treffen. Der Vorsitzende konstatiert, daß nachdem die beiden Regierungen er¬ klärt haben,'über die Steigerung von 3,5 Millionen nicht hinausgehen zu kön¬ nen, und der Herr Kriegsminister es als ausgeschlossen betrachtet, am Ordina- rium und Extraordinarium des Heereserfordernisses solche Abstriche vorzuneh¬ men, um innerhalb jenes Rahmens für die Aufbesserung der Mannschaftskost aufzukommen, die hiefür eingestellte Post von 1 135 000 Gulden als gefallen anzusehen ist. Da rücksichtlich der übrigen Posten keine Bemerkung gemacht wird, er¬ scheint das Präliminare des k. u. k. Heeres pro 1896 im Ordinarium mit 119 746 356 fl. im Extraordinarium mit 14 389 659 fl. Okkupationskredit mit 3 517 813 fl. zusammen mit 137 653 828 fl. angenommen. Der k. k. Ministerpräsident Fürst Windisch-Grätz bezeich¬ net es noch als wünschenswert, die Anforderung für die Fortsetzung der Bewaff¬ nung mit Repetiergewehren (Post 2 des Extraordinariums) mit Rücksicht auf <pb/>652 Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. 4. 1895 frühere Mitteilungen über denselben Gegenstand den Delegationen gegenüber ausführlicher zu motivieren. Der kgl. ung. Ministerpräsident Ba¬ ron Bänffy schließt sich dieser Auffassung an. Es wird zur Verhandlung des Marinebudgets geschritten. Nachdem die Abendkost beim k. u. k. Heere gestrichen wurde, entfällt auch die entsprechen¬ de Post im Marinebudget, so daß dasselbe gegenüber der vorjährigen Bewilli¬ gung nur eine Erhöhung um 514 480 Gulden aufweist. Derk. k. Finanzminister Edler v. Plener und der kgl. ung. Finanzminister Lukäcs erklären es als wünschenswert, den Steige- rungskoeffizienten des Marinebudgets per 0,5 Millionen nicht zu überschreiten. Marinekommandant Freiherr v. Sterneck erklärte sich bereit, den Mehrbetrag von 14 480 Gulden zu eliminieren, und erbittet sich weiters einen Aufschluß über die Modalitäten, unter welchen der im Sinne der s. Z. getroffenen Vereinbarung aus den Zentralaktiven zu gewährenden Kredit von 1 Million Gulden für Schiffsbauten zur Auszahlung gelangen soll, da er in Anhoffnung dieses Betrages bereits Verpflichtungen übernommen habe. Die beiden Finanzminister sprechen sich übereinstimmend dahin aus, daß von den Delegationen ein entsprechender Nachtragskredit zu verlangen und sonach in den beiderseitigen Legislativen ein übereinstimmender Gesetzent¬ wurf einzubringen sei, durch welchen die Ermächtigung erteilt wird, zur Bedek- kung des von den Delegationen bewilligten Nachtragskredites den entsprechen¬ den Betrag den Zentralaktiven zu entnehmen. Der gemeinsame Finanzminister v. Källay fragt an, ob er sich für ermächtigt halten könne, sobald das bosnische Darlehen kontrahiert ist, aus den Zentralaktiven dem Marinekommandanten nach Bedarf den Betrag von 1 Million Gulden als Vorschuß zu erfolgen, auch vor der Bewilligung der Bedeckung seitens der beiderseitigen Legislativen. Die beiden Finanzminister stimmen diesem Vorgänge zu. Hienach wird das Erfordernis der k. u. k. Kriegsmarine mit 13 481 260 fl. festgestellt. Der Vorsitzende begleitet die Verhandlung über das Budget des Mini¬ steriums des Äußern mit einigen Bemerkungen ein [sic!]. Er weist darauf hin, daß sich das Erfordernis für die Konsulate von Jahr zu Jahr ausdehne und daß dem Drange, die Konsulate allmählich effektiv zu machen und zu vermehren, nicht zu widerstehen sei. Das verursache bedeutende Kosten; dazu komme die Notwendigkeit einer Erhöhung der Beamtengehalte, die sehr ungleich sind und zu einem standesgemäßen Leben nicht ausreichen. Unter den neu eingestellten Konsulaten steht an erster Stelle das Generalkonsulat in New York, das bisher ausnahmsweise nicht als effektiver Posten organisiert war, weil es von einem geschäftskundigen und vermögenden Manne versehen wurde, dem nur ein Beamter beigegeben war. Es haben sich aber Unannehmlichkeiten ergeben, welche es notwendig erscheinen ließen, den Posten, welchem mit Rücksicht auf den bedeutenden Geschäftsverkehr und die Auswanderungsbewegung eine grö¬ ßere Bedeutung zukommt, mit einem effektiven Generalkonsul zu besetzen. Die Errichtung eines k. u. k. Konsulates in Kalkutta ist uns von den beiden Handelsministerien und der Handelswelt wegen der zunehmenden Wichtigkeit <pb/>Nr. 70 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 17. 4. 1895 653 dieses Platzes dringend empfohlen worden. Ebenso läßt es der immer intensiver sich gestaltende Geschäftsverkehr vom Schwarzen Meere nach den transkauka¬ sischen Gebieten wünschenswert erscheinen, auch in Tiflis ein Konsulat zu errichten. Die Errichtung effektiver Ämter an allen diesen Orten erscheint deshalb geboten, weil es an österreichisch- oder ungarischen Kaufleuten in jenen Gegenden fehlt und wir so genötigt wären, deutsche heranzuziehen, welche naturgemäß ihren nationalen Handel bevorzugen. An die Kosten dieser Neu¬ aufstellungen schließen sich Erhöhungen der Bezüge zwischen 400 und 1000 Gulden, welche den betreffenden Funktionären eine gewisse Erleichterung ge¬ währen sollen. Andererseits haben wir mehrere Ämter aufheben können. Ein Posten, der noch aufgenommen werden soll, dessen Kosten aber voraus¬ sichtlich auf die Gesamtsumme ohne Einfluß bleiben werden wird, ist die Errichtung eines Konsulates in Zanzibar. Mit Rücksicht auf die pohtische Wichtigkeit der ostafrikanischen Küste ist die Schaffung eines Konsulates da¬ selbst wenigstens versuchsweise wünschenswert, und es ist auch eine für den Posten geeignete Persönlichkeit bereits gefunden. Der kgl. ung. Finanzminister Lukäcs hebt hervor, daß mit Rücksicht aufdie Voranschläge der letzten Jahre das diesjährige Präliminare des Ministeriums des Äußern eine ziemlich bedeutende Steigerung aufweisen würde. Er möchte deshalb anheimgeben, ob die Erhöhung der Personalbezüge nicht nur teilweise durchgeführt werden könnte und ob bei der Kreierung der neuen Konsulate nicht eine Verlangsamung zulässig wäre, etwa in der Weise, daß dieselbe erst in der zweiten Hälfte des Jahres ins Leben treten. Derk. k. Finanzminister Edler v. PIener spricht sich ebenfalls für eine Herabminderung des Budgets des Ministeriums des Äußern in der angedeuteten Richtung aus. Der Vorsitzende erklärt sich bereit, die vorgebrachten Wünsche zu be¬ rücksichtigen und behält sich die Vorlage eines reduzierten Budgets für die nächste Konferenz vor. Schheßlich werden die folgenden Voranschläge ohne weitere Bemerkung angenommen: Gemeinsames Finanzministerium, 2 029 740 fl. 33 000 fl. Ordinarium Extraordinarium zusammen 2 062 740 fl. Gemeinsamer Oberster Rechnungshof, 126 260 fl. Ordentliches Erfordernis 49 047 140 fl. Zollgefälle Schließlich wird das den beiden Regierungen bereits mitgeteilte Budget für Bosnien-Herzegowina zustimmend zur Kenntnis genommen. Kälnoky Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen Wien, 30. April 1895. Franz Joseph. <pb/>