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Gemeinsamer Ministerrat, 28. 3. 1894

I. Der Vorschanschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch-ungarischen Monarchie pro 1895

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z68.pdf.

628 Nr. 68 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1894

   Hiemit war die Beratung beendet und Minister des Äußern Graf Kälnoky
schloß die Sitzung.

                                                                                               Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 3. April 1894. Franz Joseph.

Nr. 68 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. März 1894

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Fürst zu Windisch-Grätz (o. D.), der kgl. ung. Mini¬
sterpräsident Wekerle (o. D.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (31. 3.), der k. u. k.
gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghammer (o. D.), der kgl. ung. Minister am Ah.
Hoflager Graf Tisza (o. D.), der k. k. Finanzminister Edler v. Plener (10. 4.), der k. u. k. Marine¬
kommandant Admiral Freiherr v. Sterneck (7. 4.).
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österrei¬
chisch-ungarischen Monarchie pro 1895.

   KZ. 45 - RMRZ. 384
   Protokoll des zu Wien am 28. März 1894 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Ministers des Äußern Grafen Kälnoky.

   Der Vorsitzende eröffnet die Beratung, indem er zunächst den Voran¬
schlag des gemeinsamen Kriegsministeriums zur Sprache bringt.

   Der k. u. k. Reichskriegsminister GdK. v. Krieghammer
weist darauf hin, daß die Zusammenstellung des Voranschlages mit genauer
Berücksichtigung der unter Ah. Vorsitze am 28. März v. J. getroffenen Vereinba¬
rung1 über die sukzessive Erhöhung des Budgets des Heeres für die Jahre 1894
bis inklusive 1899 erfolgt sei. Eine Überschreitung der darnach für das k. u. k.
Heer entfallenden Quote von 3 500 000 fl. bilde nur die im Extraordinarium
erscheinende Anforderung für Herstellung der Detailbaupläne der in Ungarn
zu errichtenden Militärakademie per 40 000 fl. Dieselbe sei jedoch lediglich
durch eine hierauf bezügliche Resolution der ungarischen Delegation hervorge¬
rufen, sonst aber durch die Notwendigkeit nicht zu motivieren, und wäre daher
eventuell der k. u. k. Reichskriegsminister bereit, dieselbe fallenzulassen. Alle
anderen Erhöhungen in den einzelnen Posten sind unter sorgfältiger Beachtung
des den vorigjährigen Beratungen zugrunde gelegten Prinzips verteilt und die¬
nen zum weiteren Ausbau und der Entwicklung der bestehenden Institutionen.
Speziell müsse hervorgehoben werden, daß außerdem in dem Rahmen des dem
Kriegsministerium zur Verfügung pro 1895 stehenden Mehrbetrages auch für

1 Vgl GMR. v. 28. 3. 1893, RMRZ. 379.
<pb/>Nr. 68 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1894  629

 eine Erhöhung der Auslagen für die Mannschaftsbeköstigung per 500 000 fl.
 Vorsorge getroffen sei, da zu fürchten wäre, daß im Herbste die hohen Getreide¬
 preise andauern werden. Hiedurch würden Überschreitungen vermieden und
 eine größere Realität des Budgets erreicht.

    Der Vorsitzende stellt die Anfrage, ob mit Rücksicht auf die Natur
des heurigen Budgets des Kriegsministeriums in eine Erörterung der einzelnen
Posten desselben eingegangen oder sich auf eine Feststellung der Summe be¬
schränkt werden wolle.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle erklärt, daß die Ver¬
treter der kgl. ung. Regierung bereits im vorigen Jahre hinreichend Gelegenheit
gehabt hätten, die einzelnen Institutionen, um deren Fortbildung es sich hande¬
le, kennenzulemen und zu erörtern, daß er daher, falls nicht von den Vertretern
der k. k. Regierung, welche zum ersten Male an den Ministerberatungen über
das Heeresbudget teilnehmen, eine Beratung im einzelnen gewünscht würde, auf
eine Beratung der einzelnen Positionen Gewicht zu legen keinen Grund habe.

   Der k. k. Ministerpräsident Fürst Windisch-Grätz be¬
merkt, daß er allerdings bisher nicht in der Lage gewesen sei, an Beratungen der
Einzelposten des Heeresetats teilzunehmen, daß er aber von der Ansicht ausge¬
he, daß die beiden Regierungen ihr Urteil doch in der Hauptsache nur über die
Summe abgeben könnten, welche mit Rücksicht auf die finanzielle und wirt¬
schaftliche Leistungsfähigkeit der Länder zu den Heereskosten beigetragen
werden könne, daß aber die Verteilung dieser Summe auf die einzelnen Posten
des Budgets immer eine militärtechnische Frage bleibe, deren Beantwortung in
erster Linie den diesfalls kompetenten Stellen überlassen werden müsse.

   Der k. k. Finanzminister v. Plener schließt sich dieser Ansicht
an, macht aber darauf aufmerksam, daß es vor Feststellung der Hauptsumme
für das k. u. k. Heer sich empfehlen würde, die Anforderungen der Marine,
welche die Vereinbarungen des vorigen Jahres so namhaft überschreiten, zu
beraten. Die Summe von 4 000 000 fl. sei im vorigen Jahre für die Mehrkosten
sowohl des Heeres als der Marine in Aussicht genommen worden, und wenn
daher wirklich sich eine Überschreitung der für die Marine pro 1895 zugestande¬
nen Mehrkosten von 500 000 fl. als unabweishch ergeben sollte, so könnte

eventuell auch daran gedacht werden, diese Überschreitung durch Herabminde¬
rung einzelner Posten des Heefesvoranschlages zu kompensieren.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle erklärt, daß er
selbstverständlich auch seinerseits zur Feststellung der Mehrkosten für das Heer
im Betrage von 3 500 000 fl. nur unter der Voraussetzung zustimmen könnte,
daß die Mehranforderung für die Marine sich auf die voriges Jahr in Aussicht
genommene Quote von 500 000 fl. einschränken würde.

   Der Vorsitzende bringt demgemäß den Voranschlag der Marine zur
Beratung.

   Der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v.
Sterneck ergreift das Wort zur Begründung der von ihm beantragten

Mehranforderungen. Dieselben seien zunächst durch Umstände motiviert, wel¬
che erst seit den letzten Beratungen eingetreten seien und die er daher unmöglich
<pb/>630 Nr. 68 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1894

bei Aufstellung des sukzessiven Erfordernisses für die Marine im vorigen Jahre
in Rücksicht ziehen konnte. Für die näheren Details dieser Umänderung der
Situation, welche die Einschlagung eines beschleunigten Tempos in der Durch¬
führung der für die Entwicklung unserer Marine nötigen Maßnahmen bedinge,
weist der Sprecher auf den Inhalt einer Broschüre hin, welche er den Teilneh¬
mern an der Konferenz habe zukommen lassen2 und aus welcher zu ersehen sei,
wie durch die bedeutende Vermehrung fremder Flotten, durch die Unmöglich¬
keit Italiens, für die Sicherheit der Adria vorzusorgen, durch das immer mehr
infolge der beschlossenen Aufstellung einer russischen Mittelmeerflotte und die
franko-russischen Demonstrationen in die Wahrscheinlichkeit tretende even¬
tuelle Zusammenwirken russischer und französischer navaler Streitkräfte sich
die Lage unserer Flotte im Hinblicke auf die ihr zufallende Aufgabe schwierig
gestaltet habe, inbesondere was die Abwehr einer etwa bevorstehenden Lan¬
dung feindlicher Truppenmassen an der dalmatinischen Küste betreffe. Bezüg¬
lich der Einzelheiten der von ihm beanspruchten Mehranforderung weist der
k. u. k. Marinekommandant darauf hin, daß die Mehranforderungen im Ordi-
narium per 267 380 fl. lediglich durch die natürliche Entwicklung schon prinzi¬
piell genehmigter Institutionen hervorgerufen würden und daß daher eigentlich
nur die Mehranforderung für das Extraordinarium als eine Überschreitung der
auf den Marineetat nach den vorigjährigen Beratungen entfallenden Quote von
500 000 fl. um 756 000 angesehen werden könne.

   Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky kennzeich¬
nete die politische Lage, wie sie sich dermalen darstelle, dahin, daß allerdings
in der nächsten Zeit eine noch größere Detente und Friedenszuversicht, als sie
heute besteht, zum Ausdrucke kommen dürfte, ohne aber daß an dem bestehen¬
den faktischen Zustand der europäischen Situation etwas geändert sei. Hinge¬
gen lasse sich nicht verkennen, daß, nicht in den Zielen, aber in der Richtung
der russischen Politik sich in dem letzten Jahre eine beachtenswerte Wendung
vollzogen hat, deren Wirkung sich zunächst im Mittelmeere fühlbar mache,
u. zw. ist diese unverkennbare Evolution dadurch eingetreten, daß Rußland
nunmehr die Absicht bekundet, in der nächsten Zeit das Mittelmeer in vorwie¬
gender Weise in seine Aktion einzubeziehen. In der vorigjährigen Delegation
habe der Minister des Äußern den Wunsch nach guten Beziehungen zu Rußland
mit einem gewissen Nachdrucke betont und könne nun konstatieren, daß er
hiemit in Rußland insoferne einen entgegenkommenden Widerhall gefunden
habe, als die Pression an unserer Ostgrenze und nach der Balkanhalbinsel zu
bedeutend nachgelassen habe, was auch in einer momentanen Einstellung der
Agitation in Bulgarien und Serbien zu erkennen sei. Dagegen mache sich in
letzter Zeit von russischer Seite ein Druck in der Richtung des Mittelmeeres
fühlbar, dessen äußerliche Symptome in der vorerst allerdings mehr theoretisch
beschlossenen Aufstellung der russischen Mittelmeereskadre und in den vielbe-

2 Denkschrift des Admirals Freiherrn von Stemeck betreffend notwendige Verstärkung der
         Kriegsmarine. Wien am 19. März 1894, HHStA., PA. I, Karton 466.
<pb/>Nr. 68 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1894           631

sprochenen Demonstrationen einer franko-russischen Verbrüderung anläßlich
des Besuches der russischen Flotte in Toulon3 zu Tage getreten seien. Das
hierdurch demonstrierte eventuelle Zusammenwirken der russischen und fran¬
zösischen navalen Kräfte im Mittelmeere für politische Zwecke habe auch nicht
verfehlt, insbesondere in England einen tiefen und nachhaltigen Eindruck zu
machen; denn falls es Rußland gelingen sollte, mit seiner Schwarzmeerflotte ins
Mittelmeer zu dringen, woran es dermalen allerdings noch durch die Bestim¬
mungen der Verträge gehindert ist, und mit Frankreichs Flotte vereinigt da¬
selbst zu operieren, würde die maritime Stellung Englands im Mittelmeere
überhaupt kaum haltbar sein und der Orient faktisch der russischen Suprematie
ausgeliefert werden. Auch Italien könnte angesichts einer solchen Eventualität
von seiner bisherigen Haltung abgedrängt und damit das ganze Machtverhält¬
nis, worauf das heutige politische System beruht, umgestoßen werden, natürlich
zum großen Schaden Österreich-Ungarns. Wenn es sich bei diesen Erwägungen
allerdings vorerst um eine Frage der Zukunft handle, so ist nicht zu verkennen,
daß dies die nächsten Ziele der russischen Politik sein werden, auf deren Errei¬
chung ja schon lange mit unermüdlicher Zähigkeit hingearbeitet würde. Redner
könne es daher nur als vollbegründet erachten, daß der Herr Marinekomman¬
dant durch die auf ihm lastende Verantwortlichkeit sich für verpflichtet erachte,
diese Gefahren und die Möglichkeit, denselben rechtzeitig zu begegnen, ernst¬
lich ins Auge zu fassen, und demnach seine Anträge stellt. Ob und in welchem
Umfange denselben im Hinblicke auf die Finanzen entsprochen werden könne,
sei der Minister des Äußern zu entscheiden nicht kompetent, doch möchte er
die Wichtigkeit, die Entwicklung der Kriegsmarine und die Sicherung unserer
Küsten im beschleunigten Tempo durchzuführen, der ernsten Erwägung der
Konferenz ganz besonders anempfehlen. Es möge übrigens für alle in Rede
stehenden Maßnahmen das bisher mit Recht festgehaltene Prinzip ausschlagge¬
bend bleiben, daß dieselben vor allem zum Schutze unserer Küste vor feindli¬
chen Angriffen und zur Sicherung der Flotte selbst bestimmt sein sollen. Wenn
die Entwicklung unserer Flotte sich innerhalb dieser Dimensionen hält, ent¬
spricht sie ihrer Bestimmung und wird auch niemand den Anspruch zur Teilnah¬
me an weiterreichenden Seeaktionen erheben können, welche den großen See¬
mächten überlassen bleiben müssen. Wir können uns auf eine Vergleichung
unserer Flottenkräfte mit denen der anderen Staaten überhaupt nicht einlassen;
bei dem fortwährenden gegenseitigen Überbieten der maritimen Staaten unter¬
einander wird da für uns die bestehende Disproportion auch künftig unvermeid¬
lich sein. Was aber zur Verteidigung unserer Küste und unserer eigenen mariti¬
men Interessen notwendig sei, dafür müssen wir selbst versorgen, denn hiebei
wird uns niemand helfen, wenn die Gefahr eintritt, und der Minister des Äußern
könne daher von diesem Standpunkte nur die Anträge der Marine dem möglich¬
sten Entgegenkommen der Konferenz empfehlen.

   Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay möchte,

3 Der Flottenbesuch hat am 13. Oktober 1893 stattgefunden.
<pb/>632 Nr. 68 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1894

anknüpfend an die Darstellung des k. u. k. Ministers des Äußern über die
aktuelle Situation der Monarchie, auf ein naheliegendes Beispiel aus den ersten
Jahren unseres Jahrhunderts hinweisen, wo es einer russischen Flotte gelungen
war, sich in Cattaro3 festzusetzen.4 Damals war Dalmatien im Besitze Frank¬
reichs, und Bosnien und die Herzegowina waren türkische Provinzen, dennoch
bot diese Besetzung der österreichischen Regierung Grund zu tiefgehender
Beunruhigung und ernster Erwägung. Nun seien Dalmatien ein zur Monarchie
gehöriges Land, Bosnien und die Herzegowina in unserem Besitze, wieviel mehr
Anlaß hätten wir jetzt, eine solche Eventualität nicht zu unterschätzen. An eine
Invasion mit größeren Truppenkörpern an der dalmatinischen Küste sei wohl
nicht zu denken, aber schon ein geglückter Handstreich daselbst im Momente
eines großen Krieges, in den wir verwickelt wären, würde für uns, wenn auch
vielleicht nicht von nachhaltendem materiellen Schaden, doch von bedeutender
ungünstiger moralischer Wirkung sein. Der Redner müßte daher auch seiner¬
seits anraten, alles rechtzeitig zu tun, um zur Verteidigung und zum Küsten¬
schutze durch die Flotte gerüstet zu sein.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle weist darauf hin,
daß man voriges Jahr, als man die Verteilung der für die Entwicklung unserer
Wehrkraft nötigen Summen festgestellt habe, von der Ansicht ausgegangen sei,
daß im Interesse der Monarchie zunächst notwendig sei, das Heer schlagfertig
zu machen, trotzdem habe man für die Marine eine proportionale höhere
Mehrquote als für das Heer festgestellt. Er könne nicht erkennen, daß die
dargestellte Umwandlung der Situation eine so imminente Gefahr bedeute, daß
nicht die Forderungen der Marine, welche die vereinbarten Quoten übersteigen,
vorläufig, bis es möglich sein werde, in den Auslagen für das Heer und die
Landwehr ein langsameres Tempo einzuschlagen, hinausgeschoben werden
können.

   Keinesfalls erachte er es für möglich, nachdem er erst im November vorigen
Jahres in dem Reichstage in der Lage war, die getroffene Vereinbarung als eine
Sicherung gegen unerwartete Anforderungen darzustellen, nun nach so kurzer
Zeit einen so bedeutenden Bruch dieser Vereinbarungen vor den Vertretungs-
körpem zu rechtfertigen und zu vertreten. Es handle sich nicht nur um die
finanzielle Last, sondern um den moralischen Effekt; eine Regierung, welche
nach so kurzer Zeit und ohne einen geradezu überzeugenden und zwingenden
Anlaß ihre Zusicherung nicht einhalte, würde nicht ernst genommen werden
können. Er müsse daher darauf bestehen, daß für die Mehrkosten des Heeres
und der Marine mit dem Betrage von 4 000 000 pro 1895 das Auslangen gefun¬
den werde.

   Der k. k. Finanzminister v. Plener führt gleichfalls die Folgen
aus, welche eine so bedeutende Durchbrechung des ganzen Rahmens der verein-

        Korrektur Källays aus Sebenico.

4 Nach dem Frieden von Preßburg i. J. 1805. Vgl. Uhlirz, Handbuch der Geschichte Österreichs
        Bd. 2, Teil 1, 459-460.
<pb/>Nr. 68 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1894  633

 barten Leistungen für Heer und Marine für die Finanzgebarung haben müsse
 und die umso weniger unterschätzt werden sollte, als dermalen noch außerdem
 der Vorschuß von 2 1/2 Millionen hinzukommeb, große Mehrauslagen für die
 Landwehr zu leisten seien und die diesseitige Reichshälfte in sehr bedeutender
 Weise durch die Kosten der ausschließlich zu militärischen Zwecken zu bauen¬
 den und gebauten Bahnen getroffen werde. Er müsse daher auch dringend an
 dem Prinzip festhalten, daß der ja keineswegs enge Rahmen der Mehrkosten für
 Heer und Marine festgehalten werde. Der Redner weist daraufhin, daß sowohl
an einzelnen Posten des Ordinariums als des Extraordinariums Reduktionen
möglich seien. Er wäre aber nicht abgeneigt, auf eine gewisse Erhöhung der
diesjährigen Kosten einzugehen, um den Wünschen der Marineverwaltung nach
Beschleunigung des Tempos in der Herstellung der notwendigen Bauten entge¬
genzukommen. Vielleicht könnte auch ein Teil durch Ersparnisse im Heeresbud¬
get eingebracht werden.

    Der k. u. k. Reichskriegsminister v. Krieghammer erklärt,
daß eine Heranziehung der für das Heeresetat beanspruchten Summe für die
Marine absolut ausgeschlossen sei.

   Der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v.
Sterneck konstatiert gleichfalls, daß er auf eine Befriedigung der Anforde¬
rungen der Marine durch Heranziehung des Kredites für das Heer nicht reflek¬
tiere, indem er Ah. Ortes die Ermächtigung zur Einbringung seiner Anträge nur
unter der Voraussetzung erhalten habe, daß hiedurch das Heeresetat nicht
beeinträchtigt werde.

   Der k. k. Ministerpräsident Fürst Windisch-Grätz macht
darauf aufmerksam, daß eine so bedeutende Überschreitung der Vereinbarun¬
gen des vorigen Jahres nicht nur einmal finanziell wirke, sondern mit Rücksicht
auf die Art, wie die sukzessive Steigerung des Budgets für Heer und Marine
festgestellt wurde, auch auf fernere Jahre reflektiere und die Budgets derselben
ungünstig beeinflussen könne; über diesen Punkt sei daher vorerst eine Aufklä¬
rung sehr wünschenswert.

   Im weiteren Verlaufe weist der k. k. Ministerpräsident daraufhin, daß ange¬
sichts der Darstellung des Ministers des Äußern über die politische Lage aller¬
dings eine erhöhte Leistung für die Marine notwendig erscheine, daß ferner die
Erklärungen des Reichskriegsministers und des Marinekommandanten vorlä¬
gen, wornach zu einer solchen erhöhten Leistung für die Marine die Quote des
Heeres nicht herangezogen werden könne. Man müsse also streben, ein Mittel
zu finden, um den Exigenzen für die Marineausrüstung wenigstens bis zu einem
gewissen Grade entsprechen zu können. Unter diesen Umständen dränge sich
die Frage auf, ob nicht durch Herabminderung eines anderen gemeinsamen
Budgets eine Summe zur Befriedigung der dringenden Anforderungen der Mari¬
ne gewonnen werden könne, und obwohl der Voranschlag des Ministeriums des
Äußern momentan nicht in Verhandlung stehe, stellt der Redner an den Mini-

b Korrektur Pleners aus aushafte.
<pb/>634 Nr. 68 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1894

ster des Äußern die Anfrage, ob er nicht vielleicht auf die Inanspruchnahme der
ersten Rate für den Bau des Sommerpalastes in Jeniköi für dieses Jahr verzich¬

ten könne.
   Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kalnoky erwidert,

daß er diese Post eingestellt habe, da sowohl die Rücksicht auf den Sultan, der
den Grund zu diesem Palaste bereits vor zehn Jahren geschenkt habe, als das
Prestige der Monarchie, das jedenfalls nicht gewinne, wenn an einem so promi¬
nenten Punkte des Bosporus eine ihr gehörige Ruine so lange aus Mangel an
Geldmitteln stehen bleibe, es erfordere, endlich an den Bau dieses Palastes zu
schreiten. Die Kosen hiefür seien mit 300 000 fl. berechnet und werde nun die
erste Rate angesprochen. Dringend sei die Sache nun allerdings nicht und könne
eventuell wieder auf ein Jahr hinausgeschoben werden, aber gebaut müsse

endlich werden.
   Der k. k. Finanzminister v. Plener glaubt auch, daß der Bau

nicht zu vermeiden sei, regt aber an, daß die Kosten hiefür durch Heranziehung
der Zentralaktiven aufzubringen wären und diese Summe aus dem heurigen
Budget des Ministeriums des Äußern entfiele. Der Minister des Äu¬
ßern Graf Kälnoky erklärt sich eventuell mit dieser Modalität einver¬

standen.
   Der Bemerkung des k. k. Ministerpräsidenten Fürsten Win-

disch-Grätz gegenüber, daß die eliminierte Summe zu Marinezwecken
verwendet werden könne, erwidert der kgl. ung. Ministerpräsident
Wekerle, daß die fragliche Summe ja nicht erspart, sondern nur auf ande¬

re Weise aufgebracht werde.
    Es entspinnt sich nun eine längere eingehende Besprechung über die bei

einzelnen Posten des Marinebudgets zu machenden Ersparungen sowie über die
Möghchkeit, den Anforderungen der Marineverwaltung zur Hebung der Mari¬
ne möglichst entgegenzukommen, wobei sowohl seitens des k. k. Ministerpräsi¬
 denten Fürsten Windisch-Grätz als des k. k, Finanzministers Modalitäten in
 Anregung gebracht werden, wie nach Abstrich einiger Posten aus dem Budget
 der Marine doch der letzteren noch ein erheblicher Betrag über die ihr nach den
 vorjährigen Vereinbarungen zukommenden Mehrkosten per 500 000 fl. zur
 Verfügung gestellt werden könnte. Ein endgiltiges Resultat kommt jedoch nicht

 zustande.
    Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay weist

 schließlich darauf hin, daß zu einer Vereinbarung auf dem Wege der Beratung
 der einzelnen Posten nicht zu gelangen sein würde und daß daher vor allem die
 beiderseitigen Finanzminister die Summe feststellen sollten, um welche sie
 allenfalls eine Überschreitung der für den Marineetat ausgesetzten Quote von

 500 000 fl. zulassen würden.
    Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle beruft sich auf die

 von ihm in der heutigen Konferenz bereits entwickelten finanziellen und politi¬
 schen Gründe, welche ihm eine solche Überschreitung überhaupt nicht tunlich

 erscheinen lassen.
    Der k. k. Finanzminister v. Plener wäre nicht abgeneigt, auf ei-
<pb/>Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 3. 1894                     635

ne Überschreitung der Quote in einem gewissen Betrag einzugehen, wenn seitens
der k. u. k. Marineverwaltung die verbindliche Erklärung abgegeben würde,
daß die für 1895 bewilligte Überschreitung der Quote von 500 000 fl. an der
Quote pro 1896 so in Abzug gebracht würde, daß statt des Mehrbetrages von
500 000 fl. ein um die heurige Überschreitung verminderter Betrag angespro¬
chen würde.

   Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay regt an,
daß dieses Arrangement in dem ostensiblen Budget nicht zum Ausdrucke ge¬
bracht, sondern die dieses Jahr bewilligte Überschreitung analog wie der der
Heeresverwaltung im vorigen Jahre bewilligte Überschuß von 2 1/2 Millionen
fl. behandelt werde.

   Der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stern¬
eck erklärt, daß er morgen in der Lage sein würde, sich über die Möglich¬
keit der Erteilung der gewünschten verbindlichen Erklärung auszusprechen.

   Die Konferenz einigt sich sohin, morgen die Äußerung des Marinekomman¬
danten entgegenzunehmen, und wird die Sitzung geschlossen und die Fortset¬
zung der Beratungen auf morgen 11 Uhr vormittags anberaumt.

                                                                                               Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolles zur Kenntnis genommen.
Wien, 17. Mai 1894. Franz Joseph.

Nr. 69 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. März 1894

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Fürst zu Windisch-Grätz (o. D.), der kgl. ung. Mini¬
sterpräsident Wekerle (o. D.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (1. 4.), der k. u. k.
gemeinsame Kriegsminister GdK. Edler v. Krieghammer (o. D.), der kgl. ung. Minister am Ah.
Hoflager Graf Tisza (o. D.), der k. k. Finanzminister Edler v. Plener (o. D.), der k. u. k. Marine¬
kommandant Admiral Freiherr v. Stemeck (7. 4.).
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Der Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österrei¬
chisch-ungarischen Monarchie pro 1895.

   KZ. 46 - RMRZ. 385
   Protokoll des zu Wien am 29. März 1894 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Ministers des Äußern Grafen Kälnoky.

   Der Vorsitzende bringt die gestern unterbrochene Beratung des Voran¬
schlages der Marine als ersten Gegenstand zur Verhandlung.

   Der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v.
Sterneck erklärt, daß er nach eingehender Prüfung gefunden habe, daß er
durch Annahme eines im nächsten Jahre rückzahlbaren Vorschusses mit Rück-
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