Gemeinsamer Ministerrat, 28. 3. 1893
I. Maßnahmen zum Zwecke der weiteren Entwicklung der Wehrmacht der österreichisch-ungarischen Monarchie
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z63.pdf.
Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 589 Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer erwidert, daß der kgl. ung. Landwehr als Mehrerfordernis gegen das Budget 1893 zugewiesen würden: pro 1894 600 000 fl. pro 1895 1 200 000 fl. pro 1896 1 800 000 fl. pro 1897 2 400 000 fl. pro 1898 3 000 000 fl. pro 1899 3 600 000 fl. zusammen also: 12 600 000 fl. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Frei¬ herr v. Fejerväry konstatiert, daß diese Summe um 4 000 000 fl. gegen die Summe zurückbleibt, welche nach seiner Berechnung nötig wäre, um allen an die kgl. ung. Landwehr gestellten Forderungen zu entsprechen. Der Vorsitzende erachtet, daß durch Feststellung der Hauptsumme, welche von den beiden Teilen der Monarchie im Laufe der nächsten sechs Jahre zur Bestreitung der zur Entwicklung der gesamten Wehrmacht erforderlichen Mehrauslagen geleistet werden könne, sowie durch die Fixierung der Jahresra¬ ten die Aufgabe der heutigen Beratungen erschöpft sei und es nun noch erfor¬ derlich sei, die Vereinbarung protokollarisch zu fixieren und darüber Ah. Ortes, eventuell in einer unter Ah. Vorsitz abzuhaltenden Konferenz zu berichten. Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe ergreift noch das Wort, um im Hinblicke auf die für Ende Mai in Aussicht genommene Einberu¬ fung der Delegationen den Wunsch auszusprechen, daß ihm die Aufforderung zur Veranlassung der Wahl der Delegationsmitglieder längstens in der Zeit vom 20.-23. März 1. J. zukomme. Der Vorsitzende sagt das zu und schließt die Sitzung. Kälnoky Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 30. März 1893. Franz Joseph. Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. März 1893 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kälnoky (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (13.4.), der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle (23. 4), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (14. 4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Frei¬ herr v. Bauer (15.4.), der k. k. Landesyerteidigungsminister FZM. Graf Welsersheimb (18.4.), der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejerväry (25. 4.), der k. k. Finanzminister Steinbach (18.4.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Tisza (20. 4.), der k. u. k. Marine¬ kommandant Admiral Freiherr v. Stemeck (21.4.), der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. Beck (17. 4.). <pb/>590 Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu. Gegenstand: Maßnahmen zum Zwecke der weiteren Entwicklung der Wehrmacht der österrei¬ chisch-ungarischen Monarchie. KZ. 28-RMRZ. 379 Protokoll des zu Wien am 28. März 1893 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen die Sitzung mit dem Bemer¬ ken zu eröffnen, daß Allerhöchstdieselben mit Befriedigung aus den Protokollen über die beiden letzten Ministerkonferenzen1 entnommen haben, daß die Frage des weiteren Ausbaues unserer Wehrmacht mit voller Gründlichkeit durchbera¬ ten und daß es zum ersten Male gelungen sei, einen auf Sachkenntnis basierten, umfassenden Plan für die Beischaffung der nötigen Geldmittel auf eine längere Zeit hinaus zu vereinbaren. Se. k. u. k. apost. Majestät können nur für die Art und Weise, wie die Beratung gepflogen, Allerhöchstseine Anerkennung und Dank aussprechen. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen sodann anzufragen, ob die Angaben in den Protokollen, wonach für die k. k. Landwehr das Mehrerfordernis von 18 Millionen, für sämtliche Zweige der Wehrmacht ein solches von 94 Millionen und für die Marine von 10 Millionen für sechs Jahre in Aussicht genommen worden sei, als richtig betrachtet werden können. Nachdem diese Fragen bejaht werden, geruhen Se. k. u. k. apost. Majestät darauf hinzuweisen, daß der kgl. ung. Landesverteidigungsminister in der letz¬ ten Sitzung erklärt habe, mit dem für die kgl. ung. Landwehr bestimmten Anteile von dem für die gesamte Wehrmacht in Aussicht genommenen Mehr¬ erfordernisse nicht das Auslangen finden zu können. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Frei¬ herr v. Fejerväry erlaubt sich zu bemerken, daß er seine Anstände in der Voraussetzung erhoben habe, daß er sämtliche an die kgl. ung. Landwehr gestellte Anforderungen in vier Jahren zu erfüllen hätte; nachdem sich jedoch die Durchführung des Planes auf sechs Jahre verteile, erkläre er, mit dem für die kgl. ung. Landwehr bestimmten Anteile das Auslangen finden zu können, mit Ausnahme der für Verstärkung der Gendarmerieposten und für Besatzung der Eisenbahnen enthaltenden Summe von 331 723 fl.; diese beiden Posten seien übrigens auch von dem kgl. ung. Finanzminister als solche bezeichnet worden, von denen es zweifelhaft sei, ob sie zu Lasten der ungarischen Finanzen fallen. Der kgl. ung. Ministerpräsident Weker 1 e erlaubt sich hinzuzu¬ fügen, daß er nur die Eventualität angeregt, daß diese Posten möglicherweise zu Lasten des gemeinsamen Ärars fallen; sollte die Frage im entgegengesetzten Sinne entschieden werden, so seien übrigens auch Mittel zur Befriedigung der nötigen Auslagen von über 300 000 fl. vorhanden, da die präliminierten Mehr- i GMR. v. 2. 2. 1893, RMRZ. 377 und GMR. v. 19. 2. 1893, RMRZ. 378. <pb/>Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 591 erfordernisse für die kgl. ung. Landwehr sich mit 12,6 Millionen beziffern, während für dieselbe rund 13 Millionen in Aussicht genommen wurden. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen nun den nachstehenden Pas¬ sus aus dem Protokoll über die am 19. Februar 1893 abgehaltene gemeinsame Ministerkonferenz zur Verlesung zu bringen: ,,Der k. k. Finanzminister Dr. Steinbach bemerkt, daß die Hauptsumme keiner Schwierigkeit unterliege, da sie durch die ja bereits von beiden Regierun¬ gen zugesagten Jahresraten in den nächsten sechs Jahren mehr als erreicht werde. Es wird nun in die Feststellung der Gruppierung der Leistungen für die einzelnen Jahre eingegangen, mit Rücksicht auf die Erfordernisse der Marine per 500 000 fl. der pro 1894 noch über die im Budget erscheinende Summe hinaus zur Verfügung gestellte Betrag von 2 000 000 auf 2 1/2 Millionen erhöht und über Ersuchen des Reichskriegsministers vereinbart, daß für die effektive Rückzahlung des Vorschusses von 2 1/2 Millionen nicht, wie in dem auf Basis der Anregung des kgl. ung. Ministerpräsidenten gestellten Anträge des k. k. Finanzministers vorausgesehen wurde, ein Spielraum von drei, sondern von vier Jahren, also bis 1897 gelassen werde. Der k. k. Finanzminister Steinbach resümiert das Ergebnis der getroffenen Vereinbarung dahin, daß für das Heer und die Marine für jedes der Jahre 1894 bis inklusive 1899 eine Erhöhung des Budgets gegenüber der Bewilligung des unmittelbaren Vorjahres um zusammen 4 Milüonen Gulden pro Jahr (3,5 Millionen für das Heer und 0,5 Millionen für die Marine) bis zur Erreichung des Gesamtbetrages der von der Heeres- upd Marineverwaltung für diese Jahre beanspruchten 59,7 Millionen in Aussicht genommen werde. Hienach wäre für Heer und Marine zunächst für die vier Jahre 1894 bis 1897 budgetmäßig zu präliminieren gegen die Bewilligung pro 1893 eine Erhöhung des Budgets: pro 1894 um 4 00p 000 fl. pro 1895 um 8 000 000 fl. pro 1896 um 12 000 000 fl. pro 1897 um 16 000 000 fl. zusammen 40 000 000 fl. Um die rechtzeitige Durchführung der zur Hebung der Schlagfertigkeit des Heeres notwendigen Anschaffungen zu sichern, erklären sich die beiderseitigen Regierungen auf Wunsch der Kriegsverwaltung damit einverstanden, daß im Jahre 1894, im Falle sich dies seinerzeit als geboten herausstellen sollte, über die für dieses Jahr oben festgesetzte Erhöhung des Budgets hinaus noch ein weite¬ rer, spätestens von der budgetmäßigen Bewilligung für das Jahr 1897 hereinzu¬ bringender Betrag von 2,5 Millionen Gulden zur Verwendung gelange, so daß demnach der Heeres- und Marineverwaltung gegen die Bewilligung pro 1893 mehr zur Verfügung stehen werden: <pb/>592 Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 im Jahre 1894 um 6 500 000 fl. im Jahre 1895 um 8 000 000 fl. im Jahre 1896 um 12 000 000 fl. im Jahre 1897 um 13 500 000 fl. zusammen 40 000 000 fl. Der nach Vorstehendem von der Heeresverwaltung im Jahre 1894 eventuell weiters aufzuwendende Betrag von 2,5 Millionen Gulden wird zur Fortsetzung verschiedener Anschaffungen verwendet werden. Die dadurch in dem Jahre 1894 resultierende Mehrverwendüng bei einzelnen für dieses Jahr bewilligten Raten wird vom Jahre 1894 an jeweilig den nächstjährigen Raten angelastet und spätestens im Jahre 1897 beglichen werden." Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen dieser Vereinbarung Aller- höchstihre Genehmigung zu erteilen und die Anfrage zu stellen, in welcher Weise der - über das budgetmäßig zu präliminierende Mehrerfordernis - noch weiter im nächsten Jahre eventuell zur Verfügung gestellte Betrag von 2 1/2 Millionen Gulden verwendet und verrechnet werden solle? Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer eiwidert, daß die Verwendung für Investitionen erfolgen und eventuell als Überschreitungen gerechnet werden solle. Der Kriegsminister gibt aus dem vorbereiteten Präliminare pro 1894 Beispiele solcher Posten. - Bezüglich der Art der Mitteilung an den gemeinsamen Obersten Rechnungshof seien die nötigen Vereinbarungen bereits zwischen dem k. k. Finanzminister und dem Sektions¬ chef Ritter von Röckenzaun getroffen worden. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejerväry erbittet sich das Wort, um darauf hinzuweisen, daß, wäh¬ rend bei dem gemeinsamen Heere die auf längere Zeit hinaus reichenden Ausla¬ gen zunächst auf Investitionen entfallen, es sich bei den Landwehren um organi¬ satorische Maßnahmen handele; es werde sich daher schon bei Ansprechung der ersten Rate für solche Organisationen die Notwendigkeit herausstellen, den Vertretungskörpem ein gewisses Bild der gesamten Organisation zu geben. Weiters erlaubt sich der kgl. ung. Landesverteidigungsminister die Frage aufzu¬ werfen, ob der jetzt für sechs Jahre vereinbarte Plan auch beim eventuellen Wechsel der Regierungen als bindend angesehen werden könne, da eine solche Sicherheit unumgänglich notwendig sei, um eine in ihrer Durchführung auf mehrere Jahre verteilte Organisation in Angriff zu nehmen. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zu bemerken, daß nach Al- lerhöchstdessen Auffassung an dem endlich zum ersten Male zustande gekom¬ menen umfassenderen Plane jedenfalls festgehalten werden müsse. Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle erlaubt sich darauf hinzuweisen, daß zunächst den Regierungen nur die Aufgabe zufalle, die bezüg¬ lichen Anträge an die Vertretungskörper zu stellen. In den Delegationen herr¬ sche zwar die Ansicht, daß eine Delegation die nächstfolgende durch ihre Beschlüsse nicht binden könne, doch sei kein Fall vorhanden, daß, wenn einmal seitens einer Delegation die erste Rate für eine Anschaffung bewilligt worden, die Fortsetzung von einer späteren Delegation verweigert worden wäre. <pb/>Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 593 Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe erklärt, daß jede Re¬ gierung nur für sich den vereinbarten Plan als bindend anerkennen könne, daß es aber in den Händen der Krone liege, jedes neue Kabinett mit der Regierung nur unter der Bedingung zu betrauen, daß es auch die getroffene Vereinbarung für sich übernehme. Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer bemerkt, daß auch er die Absicht habe, in den bevorstehenden Delegationen wenigstens in allgemeinen großen Zügen ein Bild der für die nächsten Jahre beabsichtigten Maßnahmen zu geben. Der k. k. Landesverteidigungsminister FZM. Graf Wel- sersheimb erlaubt sich, daraufhinzuweisen, daß, nachdem er genötigt sein werde, eine neue Gesetzvorlage einzubringen, für ihn um so mehr die Notwen¬ digkeit vorliegen werde, Aufschlüsse über die Tragweite derselben und die ge¬ planten Maßnahmen zu geben; er werde sich diesfalls auch auf die von der Heeresverwaltung in den Delegationen abgegebenen Erklärungen berufen müs¬ sen. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen darauf aufmerksam zu ma¬ chen, daß sich diesfalls der Kriegsminister und die beiderseitigen Landesvertei¬ digungsminister im engsten Einvernehmen zu halten haben werden, damit kein Widerspruch zwischen ihren Erklärungen zutage trete. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen noch wegen des Termines der Einberu¬ fung der Delegationen anzufragen. Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky erlaubt sich zu erwidern, daß bisher Ende Mai hiefür in Aussicht genommen worden sei. Für die endgültige Feststellung der Vorlagen für die Delegationen werde noch eine weitere gemeinsame Ministerkonferenz in Aussicht genommen. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hierauf die Antwort zur Sprache zu bringen, welche der k. u. k. Kriegsminister auf die in der letzten Session der ungarischen Delegation gefaßte Resolution, betreffend die Behand¬ lung der in ungarischer Sprache an die Behörden, Kommanden und Anstalten des Heeres einlangenden Zuschriften und Privateingaben, zu erteilen gedenkt.2 Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen darauf hinzuweisen, daß mit Rücksicht darauf, daß es sich um die gemeinsame Institution des Herres handelt Und durch das für Ungarn zuzusagende Vorgehen möglicherweise auch Rückwirkungen auf die analogen Verhältnisse in der diesseitigen Reichshälfte geübt werden könnten, es wünschenswert sei, daß eine Besprechung der Beantwortung der fraglichen Resolution in der gemeinsamen Ministerkonferenz erfolge. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hinzuzufügen, daß, soweit es sich um die in Ungarn auf Grund des VI. Gesetzartikels vom Jahre 18403 bestehenden gesetzli¬ chen Vorschriften über die Korrespondenz der k. u. k. Armee in der ungari¬ schen Sprache handele, diesfalls bereits vollständig Vorsorge getroffen wurde, A közös ügyek tärgyalasära kiküldött es 1892 Oktober 4-re Budapestre összehIvott MAGYAR ORSZÄGOS BIZOTTSÄG HATÄROZATAI 4. 3 Magyar Törvenytär 1836-1868 91-92. <pb/> 594 Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 und daß daher die neu beabsichtigten weiteren Zugeständnisse über das Gesetz hinausgehen und sich ausschließlich als die Erfüllung der in einer einseitig gefaßten Resolution der ung. Delegation ausgesprochenen Wünsche der letzte¬ ren darstellen. Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe präzisiert zunächst die Ansicht der k. k. Regierung dahin, daß dieselbe von der Auffassung ausgehe, daß in dieser Angelegenheit die Entscheidung ausschließlich von der Krone als Kriegsherrn zu treffen sei. Aber wenn Se. k. u. k. apost. Majestät Ag. den Wunsch ausspreche, auch diesfalls die Ansicht der k. k. Regierung zu hören, so erwachse der letzteren hieraus das Recht, sich über die Rückwirkung zu äußern, welche die der ungarischen Delegation zu erteilende Zusage in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Ländern haben werde. Diese Rückwirkung kön¬ ne eine sehr gefährliche sein, da dieselben Ansprüche, welche für Ungarn aus dem Titel der ungarischen Staatssprache geltend gemacht werden, für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder auf Grund der Bestimmungen des Art. 19 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 18674 für alle ,,landesüb¬ lichen Sprachen" erhoben werden können. - Bis nun habe die k. k. Regierung alle solchen Forderungen mit Erfolg dadurch abzuwehren vermocht, daß sie sich konsequent auf den Standpunkt gestellt habe, daß die deutsche Sprache als ausschließliche Dienstprache der k. u. k. Armee, u. zw. in der ganzen Monar¬ chie, anzusehen sei, und daß daher von diesem Prinzip nicht abgegangen werden könne. Wenn nun aber für die ungarische Sprache weittragende Ausnahmen von diesem Prinzip gemacht würden, dann werde wohl weder die jetzige noch irgendeine andere Regierung den genügenden Rückhalt haben, um auf dem Staatsgrundgesetze basierende Forderungen, welche die gemeinsame Dienst¬ sprache der Armee zugunsten der mehreren, diesseits landesüblichen Sprachen zu beeinträchtigen beabsichtigen, in den Vertretungskörpem vollkommen abzu¬ weisen, und wären die hieraus insbesondere im Falle der Mobilisierung sich ergebenden Nachteile und Gefahren wohl in Berücksichtigung zu ziehen. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zu bemerken, daß auch der Einfluß nicht außer acht gelassen werden dürfe, den infolge der besonderen staatsrechtlichen Lage Kroatiens Zugeständnisse an die ungarische Staatsspra¬ che daselbst haben würden. Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle bemerkt, daß er nicht in der Lage sei, die Rückwirkung zu beurteilen, welche die beabsichtigte Annah¬ me der Resolution der vorjährigen ungarischen Delegation in der diesseitigen Hälfte der Monarchie ausüben könne, er erlaube sich nur darauf hinzuweisen, daß die ursprüngliche Textierung der Resolution in der Kommission der ungari¬ schen Delegation eine viel weitergehende war, und daß die jetzt vorliegende restringierte Fassung auf einem nach Verhandlungen mit dem damaligen kgl. ung. Ministerpräsidenten Grafen Szapäry und mit Zustimmung des letzte¬ ren gestalteten Vermittlungsantrag des Delegierten Szell beruht. Es handele sich Stourzh, Die Gleichberechtigung der Volksstämme als Verfassungsprinzip 1014. <pb/>Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 595 also um eine mit dem damaligen kgl. ung. Ministerpräsidenten getroffene Ver¬ einbarung, und es wäre ganz unmöglich, in der ungarischen Delegation jetzt mit Erfolg die Nichteinhaltung dieser Vereinbarung bzw. die Herabminderung der in derselben gemachten Zusagen zu vertreten. - Was Kroatien betrifft, so existiert daselbst keine gesetzliche Bestimmung, wodurch die kroatische Sprache im allgemeinen als Staatssprache anerkannt wurde, sondern sind diesbezüglich in den Gesetzen die Dienstzweige taxativ festgestellt, in welchen die kroatische Sprache zu gebrauchen ist. Es besteht daher keine gesetzliche Handhabe, um ein Hinausgreifen über diesen Rahmen zu begründen. Der k. k. Landesverteidigungsminister FZM. Graf Wel- sersheimb erlaubt sich zu erwähnen, daß er bereits anläßlich der ihm vom gemeinsamen Finanzministerium zugekommenen Mitteilung der Resolution der ungarischen Delegation vom Jahre 1891 mit Zustimmung des k. k. Ministerrates an den Kriegsminister eine Note gerichtet habe, mit welcher er demselben den grundsätzlichen Standpunkt der k. k. Regierung angedeutet und die Konse¬ quenzen auseinandergesetzt habe, welche von einem Verlassen dieses Stand¬ punktes von seiten der Heeresleitung auch für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder vorauszusehen sind. Es sollte hiemit der Heeresleitung die notwendige Stütze geboten werden, um schädlichen einseitigen Anforderun¬ gen widerstehen zu können, und hätten auch die nachfolgenden Ausführungen, zu denen sich Redner das Wort erbeten habe, nur den gleichen Zweck für das gemeinsame Kriegsministerium und die kgl. ung. Regierung zu erfüllen. - Er sehe die deutsche Sprache durchaus nicht vom nationalen Standpunkt an, sondern lediglich als notwendige Verkehrssprache. Wenn eine solche nicht aufrechterhalten werde, so werde die allgemeine Folge sein, daß die Kenntnis und Übung der in gemeinsamen Angelegenheiten unentbehrlichen Verkehrs¬ sprache bei den nichtdeutschen Behörden und Parteien noch mehr abnehme und schließlich nicht mehr zu finden sein wird, und daß demzufolge auch für die in der Antwort auf die Resolution gar nicht enthaltenen und im Verordnungsent- wurfe vorgesehenen dringenden Ausnahmsfalle die Möglichkeit der Verständi¬ gung fehlen wird. Und wo selbst wunderlicherweise vielleicht noch eine Spur deutscher Sprachkenntnis vorhanden wäre, wird keine Gewähr bestehen, ob auch der gute Wille, sie anzuwenden, da sein wird. Es ist vielmehr zu besorgeif, daß in den nichtdeutschen Ländern bald überhaupt deutschen Korresponden¬ zen nicht mehr Folge gegeben werden würde, namentlich wo es nicht im unmit¬ telbar eigenen Interesse läge - ob man da jetzt noch interne Vorbehalte mache oder nicht. Was von den Korrespondenzen gilt, werde sich auch in betreff der von den Heeresbehörden auszufertigenden Dokumenten, z. B. Militärpässen, Einberufungskarten, Widmungsscheinen etc., geltend machen. Man denke sich nun die zahllosen Korrespondenzfälle, wenn ungarische Zuschriften bei Militärbehörden außer Ungarn einlangen, von denen vielleicht viele schon auf der Post Irrefahrten gemacht haben, dann bringe man bei der Behörde vielleicht nicht einmal heraus, wohin der Akt zur Übersetzung zustän¬ dig wäre, endlich gehe er wohin, gelange vielleicht auf Umwegen ans erste Ziel, würde mit der Zeit übersetzt, geht an die erste militärische Behörde zurück, <pb/>596 Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 werde dort erledigt, gehe zur Übersetzung wieder an die zweite Behörde retour, welche schließlich nach Zeit und Möglichkeit die Sache ausgefertigt an den Eingeber expediert. Von der Marine gar nicht zu sprechen, wo diese Amtierung manchmal zwischen verschiedenen Weltteilen würde stattfinden sollen. Das würde eine merkwürdige Geschäftsführung schon in gewöhnlicher Zeit sein, in ernsten Zeiten wird sich aber, allerdings zu spät, die völlige Unmöglichkeit derselben zeigen. Unter Umständen, wo man sehr häufig gar nicht bestimmt voraussehen kann, wo eine Weisung dem Betreffenden zukömmt, eine solche die verschiedensten Sprachgebiete durchwandert, sei es absolut nicht abzusehen, was aus der Wehrpflicht, der Heeresorganisation und militärischen Leitung werden würde, wenn die Leistung der öffentlichen Behörden sowie der einzelnen Individuen von dem jeweihgen Gebrauche der verschiedenen eigenen Sprachen abhängen gelassen würde. Man müsse wissen, was ein Krieg ist, insbesondere in Zukunft sein wird. Da müsse von der obersten Leitung hinab bis zu den Millionen der einzelnen Individuen alles in jedem Moment auf jedem Punkte entsprechend zusammengreifen. Wenn da Telegramme nicht verstanden, Zu¬ schriften nicht erledigt, Weisungen nicht befolgt werden, dann würden die staatsrechtlichen Fragen eine böse Lösung finden. Wenn selbst Konzessionen begrenzt nach einer einzigen Richtung möglich wären, so wären sie unmöglich wegen der Konsequenzen, welche selbe unvermeidlich im allgemeinen nach sich ziehen würden. Bei einer gemeinsamen Institution kann und muß verlangt werden, daß selbe von allgemeinen Gesichtspunkten behandelt werde, und diese stehen einem einseitigen Abweichen vom notwendigen militärischen Stand¬ punkte unbedingt entgegen. Die k. k. Regierung hat immer daran festgehalten, daß nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 21. Dezember 1867 über die gemeinsamen Angelegenheiten der Monarchie, wonach die Anordnungen in betreff der Leitung, Führung und inneren Organisation der gesamten Armee ausschheßlich dem Kaiser zustehen, die Regelung des dienstlichen Sprachenge¬ brauches der Armee nach den militärischen Erfordernissen unabhängig von staatsrechtlichen und sonstigen politischen oder nationalen Momenten lediglich der Heeresleitung zukomme. Dieser Standpunkt wurde den zahlreichen natio¬ nalen Aspirationen gegenüber in der Öffenthchkeit, unter schwierigen Umstän¬ den und auch bei Gesetzesvorlagen im Parlamente, wo die nationalen Strömun¬ gen in der Majorität waren, mit Erfolg vertreten. Es ist dies der einzige Stand¬ punkt, von welchem die Legalität der Aufrechterhaltung der militärischen Erfordernisse und Zweckmäßigkeitsrücksichten vertreten, letztere zur Geltung gebracht werden können und die Konsequenz verhindert wird, .daß sonst in der gemeinsamen, eine einheitliche Leitung und Dienstführung unumgänglich erhei¬ schenden Armeeinstitution eine unaufhaltsame Sprachenverwirrung einreiße. Bisher war es gelungen, diesen Standpunkt mit Erfolg zu vertreten, indem daraufhingewiesen werden konnte, daß die Legahtät und vernünftige Notwen¬ digkeit allseits und auch in Ungarn anerkannt wurde. Von dem Momente aber, wo die Heeresleitung selbst in diesen Standpunkt eine Bresche machen läßt und einseitig gegen den mihtärischen Zweckmäßigkeitsstandpunkt staatsrechtlichen <pb/>Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 597 Postulaten Konzessionen macht, wird die Sache nach allen Seiten unhaltbar und geht die Armee dem Schicksale des babylonischen Turmbaues entgegen. Selbst wenn die in Frage stehende Konzession auf die ungarische Sprache beschränkt zu werden vermöchte, würde es nicht bei dieser Konzession bleiben, sondern unaufhaltsam zur ungarischen Dienstsprache für die ungarische Armee kommen. Jede Konzession beschleunige erfahrungsgemäß nur das Tempo und kompromittiere den Rückhalt. Ob die ungarische Regierung immer die Macht und auch den Willen haben werde, hintanzuhalten, daß in Kroatien nicht auch dasselbe Postulat bezüglich der kroatischen Sprache zur Geltung komme, könne in keiner Weise verbürgt werden. Damit wäre aber die Bewegung noch nicht abgetan. Dieselben staatsrechtlichen Ansprüche wie in Ungarn und in Kroatien können und werden in den im Reichsrate vertretenen Königreichen und Län¬ dern für die Landessprachen geltend gemacht werden, welchen laut Art. 19 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 die Gleichberechtigung in Schule, Amt und öffentlichem Leben zugestanden wurde. Es sei ein Irrtum gewesen, beim Ausgleiche zu glauben, daß die Monarchie in zwei Gebiete - der Herr¬ schaft der deutschen und der ungarischen Sprache - geteilt werden könne. Die deutschliberale Regierung selbst habe alsbald die Herrschaft der deutschen Sprache in einer Anzahl Länder aufgegeben und den oben zitierten § 19 des Staatsgrundgesetzes gemacht. Wenn selbst die k. k. Regierung auf dem bisher mit Erfolg vertretenen Standpunkt verharren und den Vorgängen in Ungarn gegenüber den Vogel Strauß spielen wollte, so würde in den Vertretungskörpem dies nicht akzeptiert und von den autonomen Behörden dem sich nicht unterworfen werden. Die Abgeordneten in den Delegationen haben das Recht, die gemeinsamen Minister für ihre Verfügungen im gesamten Bereiche der gemeinsamen Institutionen zur Verantwortung zu ziehen, zu verlangen, daß sie nicht nur einseitig der Resolu¬ tion der ung. Delegation willenlos gehorchen, sondern daß nach gemeinsamen Grundsätzen vorgegangen und allseits mit gleichem Maße gemessen bzw. Kon¬ zessionen nach einer Seite auch in der Weise nach den anderen Richtungen gemacht werden. Man vergegenwärtige sich nun aber die weitere Geltendma¬ chung der nationalen Postulate in der ganzen Monarchie. Bereits sind solche nicht nur in den Vertretungskörpern gestellt worden, sondern es haben schon autonome Behörden und Gemeinden diesbezügliche Forderungen gestellt und erklärt, ihren Verpflichtungen in bezug aufdie Evidenthaltung, Vermittlung von Weisungen an die Mihtärpflichtigen etc. nur unter solchen Bedingungen nach¬ zukommen. In Ungarn gibt es einen kräftigen Staatsgedanken, ob er auch stark genug wäre, sich ohne den Schutz der Gesamtmonarchie zu behaupten und zu entwik- keln, möge dahingestellt bleiben - es wäre vielleicht am besten, wenn die ganze Monarchie von Ungarn aus mit starker Hand regiert würde - das wäre eine Kräftfrage-; einen Staatsgedanken der ,,im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder" gibt es aber kaum. Wenn die österreichischen Delegationen bisher verhältnismäßig zahm gewe¬ sen, so täusche man sich nicht mit der Hoffnung, daß dies so bleiben werde. Man <pb/>598 Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 hat hier noch - wenigstens in den alten Generationen - ein gewisses Maß von Anhänglichkeit und Respekt für die gemeinsamen Institutionen als imponieren¬ des Ganzes. Wenn aber von denselben nichts mehr übrigbleibt als die gemeinsa¬ men Kosten, dann wird das letzte Band, das die Völker der Monarchie staatlich zusammenhält, zum Reißen kommen, dann wird man nicht mehr mit ihnen rechnen, sondern sie werden sich untereinander und in Europa wird man sich um die Herrschaft über sie befehden. Das sei die schiefe Ebene und das Steinchen auf derselben, welches, wenn man sich nicht entschließe, es bei Zeiten aufzuhalten, zu einer alles zermalmenden Lawine werde: und wenigstens die Regierungen Sr. Majestät seien verpflichtet, sich dem, selbst auf die Gefahr ihres Daseins, entgegenzustellen. Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle weist darauf hin, daß die verschiedene Behandlung Ungarns in diesen Fragen schon aus dem Jahre 1840 datiere, indem durch den VI. GA. von diesem Jahre die Korrespon¬ denz der ungarischen Regimenter mit den ungarischen Munizipien in ungari¬ scher Sprache zugestanden worden sei, während zu jener Zeit noch, als Regel wenigstens, bei den ungarischen Zentralbehörden die deutsche oder lateinische Amtssprache geherrscht habe. Ebenso sei bei den Einberufungskarten, Wid¬ mungsurkunden etc. schon seit langer Zeit in Ungarn der Gebrauch, daß dem deutschen Texte eine ungarische Übersetzung beigefügt werde. In Ungarn be¬ steht gesetzlich eine Staatssprache, welche nicht den landesüblichen Sprachen in dem anderen Teile der Monarchie gleichgesetzt werden könne, das müsse eben berücksichtigt werden. Es sei ja in den ungarischen Vertretungskörpem die stehende Klage, daß man Ungarn nicht anders ansehe als die einzelnen König¬ reiche und Länder, die im Reichsrate vertreten sind, und diese Annahme habe gewiß auch mit zu den fortwährend weitergehenden Forderungen in Armeefra¬ gen beigetragen. Der kgl. ung. Ministerpräsident erklärt, daß er wohl die Ver¬ antwortung übernehmen wolle, daß in der in Rede stehenden Frage nicht mit Zugeständnissen über das in der vorigjährigen Delegation in Aussicht gestellte Ausmaß hinausgegangen werde, daß aber auch diese Zusage nicht ganz erfüllt werde, dafür einzutreten, wäre er nicht imstande. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zu bemerken, daß ja dem Prinzip der ungarischen Staatssprache Rechnung getragen sei, indem ausgespro¬ chen wurde, daß alle Kommanden ungarischen Regimenter und Heeresergän- zungs-Bezirkskommanden die ungarischen Zuschriften der ungarischen Behör¬ den und die ungarischen Privateingaben in ungarischer Sprache erledigen. - Was den jetzt proponierten, darüber hinausgehenden Modus der Erledigung der an die übrigen Behörden, Kommanden und Anstalten in ungarischer Sprache gerichteten Zuschriften und Eingaben betreffe, so sei allerdings, wenn man die Sache zunächst vom praktischen Standpunkte betrachte, anzunehmen, daß sich diese Modalität schon durch die Nachteile, die sie den Interessenten zufüge, von selbst ad absurdum führen werde; noch muß unbedingt und unzweifelbar erklärt werden, daß im Falle der Mobilisierung alle diese Zugeständnisse einge¬ stellt werden. Der k. u. k. Chef des Generalstabes FZM. Freiherr v. <pb/>Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 599 Beck erlaubt sich das Wort zu erbitten, obwohl es für ihn sehr schwer sei, in einer Frage in die Erörterung einzutreten, in der er keine Verantwortung zu tragen habe, und da er auch begreife, daß der Kriegsminister bestrebt ist, durch die Befürwortung einer oder der andern von seiten der ungarischen Delegation gestellten Anforderungen Hindernisse zu beseitigen, welche sich der Beratung des Budgets erschwerend in den Weg stellen. Wenn er aber, von seiner indivi¬ duellen Auffassung ausgehend, den Entwurf der Resolutionsbeantwortung be¬ trachte, müsse er erstens die praktische Durchführbarkeit der geplanten Verfü¬ gungen in Zweifel ziehen. Bei dem in der Armee herrschenden Mangel an vollkommen der ungarischen Sprache Kundigen wird es in vielen Fällen schwer fallen, auch dem Sinne nach richtige Übersetzungen der Zuschriften und Erledi¬ gungen zu erhalten. Die Zusendung der Eingaben und Beantwortungen an die Ergänzungsbezirkskommanden muß nebst der Gefahr einer unrichtigen Über¬ setzung unausweichlich auch Verschleppungen zur Folge haben; bei den Korps¬ kommanden aber wird der notwendige Apparat ein unverhältnismäßig großer sein und werden zahlreiche Komplikationen bei der Erledigung der Dienststük- ke verkommen. Zweitens könnte man Kroatien, wenn auch der kgl. ung. Mini¬ sterpräsident sich dahin ausgesprochen hat, daß dort gleiche Ansprüche nicht erhoben werden dürften, doch eintretendenfalles das gleiche Recht innerhalb des eigenen Bereiches auch nicht absprechen, sobald man den im ungarischen Reichstage vorgebrachten diesfälligen Wünschen nachkommt. Drittens muß der k. u. k. Generalstabschef seiner bereits in der Sitzung unter dem Vorsitze des k. u. k. Ministers des Äußern ausgesprochenen Befürchtung Ausdruck geben, daß mit der Befriedigung eines Punktes der vielfachen Wünsche einer Aktions¬ partei des ungarischen Reichstages lange nicht die Reihe der Forderungen abgeschnitten, sondern vielmehr so weit gefördert würde, daß wohl zunächst für dieses Zugeständnis auch die Gesetzeskraft verlangt werden dürfte. Die seit Jahren immer von neuem aufgeworfene Frage der Mihtärakademie mit ungari¬ scher Unterrichtssprache weist auf das Bestreben hin, die deutsche Sprache als Dienstsprache aus der Armee zu verdrängen und bei den Truppen aus den Ländern der ungarischen Krone, exclusive Kroatien, die ungarische Dienstspra¬ che, gleichwie bei den Honveds, einzuführen. Schon dieser gegenwärtig beste¬ hende Unterschied zwischen der gemeinsamen Armee und den Honveds macht es der Heeresleitung sehr schwierig, der für die Schlagfertigkeit der Armee unbedingt notwendigen Forderung einheitlicher Führung stets gerecht zu wer¬ den; diese Schwierigkeit würde aber vollkommen unüberwindlich werden und, sich zur heillosen Konfusion steigern, wenn in Hinkunft auch in der Armee mit zwei oder drei Dienstessprachen zu rechnen wäre. Bei dieser Gelegenheit müsse der Redner auch auf seine schon wiederholt zum Ausdruck gebrachte Anschauung zurückkommen, daß er es für sehr wünschens¬ wert und wichtig hielte, daß zumindestens die mit dem telegraphischen Dienste betrauten Beamten der ungarischen Bahnen auch der deutschen Sprache mäch¬ tig wären. Wenn sich bei einer künftigen Mobilisierung die Bahntransporte gegen den Friedensverkehr verzehnfachen und die Bahnämter mit der Wagendi- rigierung zur Regelung dieses riesigen Verkehres zumeist auf telegraphischem <pb/>600 Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 Wege korrespondieren müssen, kann es von jetzt nicht leicht zu ermessenden Folgen sein, wenn alle diesbezüglichen Telegramme aus Ungarn nur in ungari¬ scher Sprache nach Galizien oder in andere Länder mit deutscher Umgangs¬ sprache gelangen und dort erst in aller Hast - vielleicht unrichtig - übersetzt werden. Diejenigen, welche die Zurücksetzung der deutschen Sprache auch in dieser Richtung beantragt haben, würden dann freilich nicht die Verantwortung für die aus diesem Übelstande möglicherweise entstehenden Eisenbahnunfalle und Stockungen im Verkehre tragen, wohl aber werden dies jene tun müssen, welche dann in erster Linie in Aktion treten; und aus diesem Grunde sieht sich der k. u. k. Chef des Generalstabes zufolge seiner Stellung gezwungen, abermals auf die dringende Notwendigkeit der Kenntnis der deutschen Sprache bei den Telegraphenbeamten der ungarischen Bahnen hinzuweisen. Der Redner resü¬ miert schließlich seine Ausführungen dahin, daß er sich gegen die Gewährung der in dem Entwürfe zur Resolutionsbeantwortung zum Ausdrucke gebrachten Konzession aussprechen müsse. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FZM. Freiherr v. Fejerväry erlaubt sich darauf hinzuweisen, daß weder von einer Militär¬ akademie mit ungarischer Unterrichtssprache noch von einer Beeinträchtigung der deutschen Sprache als innerer Verkehrssprache des gemeinsamen Heeres und als Kommandosprache die Rede sein könne. Es handele sich dermalen ausschließlich um die Korrespondenz der Heeresbehörden mit Zivilbehörden und Privatparteien, und soferne die bezüglichen Zugeständnisse auf das ungari¬ sche Territorium beschränkt bleiben, sei wohl kein Anstand dagegen. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zu bemerken, daß eben die Ausdehnung der Erledigung solcher Zuschriften und Eingaben in ungarischer Sprache auf die übrigen außerhalb Ungarns befindlichen Behörden, Komman¬ den und Anstalten des Heeres angestrebt werde. Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle erlaubt sich darauf aufmerksam zu machen, daß man bisher im Interesse der Erhaltung der Ge¬ meinsamkeit der Armee immer daran festgehalten, daß kein Truppenkörper durch seine Dislozierung nach Ungarn einen besonderen Charakter trage; es wäre doch zu erwägen, ob diesem Prinzip nicht entgegengearbeitet werde, wenn, wenigstens mit Rücksicht auf den Gegenstand, der dermalen in Frage steht, zwischen den Behörden, Kommanden und Anstalten des Heeres je nach ihrem Sitze ein Unterschied gemacht werde. Im übrigen dürfe doch nicht übersehen werden, daß es sich doch nur um eine äußerst beschränkte Anzahl von Geschäftsstücken handele, äüfwelche die heute in Aussicht genommene Korrespondenzmodalität sich beziehe. Der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Tisza be¬ merkt, daß er sich durchaus nicht den praktischen Umzukömmlichkeiten ver¬ schließe, welche der zur Erfüllung des in der Resolution der ungarischen Delega¬ tion gestellten Begehrens in Aussicht genommene Korrespondenzmodus nach sich ziehen werde. Es handele sich aber dämm, in der heurigen Delegation einen auf eine längere Reihe von Jahren berechneten Plan zur Ausgestaltung unserer Wehrmacht durchzubringen, und er müsse sehr bezweifeln, xiaß es gelingen <pb/>Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 601 werde, die Delegierten für einen solchen Plan zu gewinnen, wenn damit begon¬ nen würde, die Zusage, die vor kaum einem Jahre seitens der ungarischen Regierung gegeben wurde, nicht oder wenigstens nur unvollkommen zu erfüllen. Als Präsident der vorigjährigen ungarischen Delegation wisse er aus eigener Erfahrung sehr gut, wie außerordentlich schwierig es gewesen sei, den von dem Delegierten Szell beantragten vermittelnden Text der Resolution durchzusetzen. Wenn jetzt dieser Resolution nicht entsprochen werden wollte, würden nicht nur die Mitglieder der Opposition, sondern auch jene Mitglieder der Regierungspar¬ tei, die Szell ihre Unterstützung geliehen, unzufrieden gemacht werden. Von irgendeiner Änderung der deutschen Armeesprache sei, wenigstens seitens der Regierungspartei, keine Rede; hier handele es sich lediglich um den Verkehr der Armeebehörden mit den Zivilbehörden und Privatparteien, welche die Antwor¬ ten auf ihre Zuschriften und Eingaben in der Staatssprache zu erhalten wün¬ schen. Durch eine Konzession in dieser Richtung könnte mancher unheilvolle¬ ren Aspiration vorgebeugt werden. Die Rücksichten auf die Interessen der Gesamtmonarchie müssen bei jedem Mitglied der Regierung Sr. Majestät den Ausschlag geben, aber es sei fraglich, ob es im Interesse eben der Gesamtmonar¬ chie gelegen sei, wegen der unzweifelhaft bestehenden Manipulationsschwierig¬ keiten der proponierten Korrespondenzart die großen und wichtigen Postulate zu gefährden, mit denen man dieses Jahr an die Delegationen zu treten beab¬ sichtige. Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe macht darauf aufmerk¬ sam, daß nach seiner Auffassung die Armeesprache nicht lediglich als die Kommandosprache und als die interne Verkehrssprache der Armee, sondern auch als die Verkehrssprache der Armeebehörden mit den Zivilbehörden und Privatparteien verstanden werden müsse. Bis jetzt sei es, wie gesagt, nur unter Berufung auf die gemeinsame Armeesprache gelungen, den aufdas Staatsgrund¬ gesetz fundierten Ansprüchen auf Änderungen in dieser Hinsicht mit Erfolg entgegenzutreten; wenn dieser Rückhalt geschwächt werde, sei es kaum mög¬ lich, auf die Dauer diese gesetzlichen Aspirationen hintanzuhalten. Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky erlaubt sich, seine Ansicht dahin auszusprechen, daß es kaum möglich sein werde, in der Beantwortung der fraglichen Resolution hinter der im vorigen Jahre erteil¬ ten Zusage zurückzubleiben, und daß es sich daher nur handeln könne, die relativ günstigste Textierung der Antwort zu wählen. Da die Diskussion über die Vorlagen des gemeinsamen Kriegsministeriums in der Regel mit der Bera¬ tung der auf die letztjährigen Resolutionen erteilten Antworten beginnen, so könne wohl nicht verkannt werden, daß der Eindruck, der durch die Nichtein¬ haltung der vorjährigen Zusage hervorgerufen würde, leicht eine den Mehran¬ forderungen der Heeresverwaltung ungünstige Stimmung in der Delegation erzeugen dürfte. Wenn aber auch diese Konzession nicht mehr zu umgehen sei, so müßte jedes weitere Fortschreiten auf dieser Bahn höchst gefährlich sein und nun fest und bestimmt dabei beharrt werden, nicht mehr weiterzugehen. Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer erbittet sich noch das Wort, um vorerst die Entstehung des Textes der vorliegen- <pb/>602 Nr. 63 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 3. 1893 den, Resolution zu rekapitulieren. Die Fassung der letzteren war ursprünglich eine viel schärfere, und den Bemühungen des kgl. ung. Ministerpräsidenten Grafen Szapäry sei es gelungen, einen Vermittlungsantrag durchzubringen, zu dem der Kriegsminister zwar nicht in dem Falle gewesen sei, seine Zustimmung zu geben, den er aber auch nicht abgelehnt habe. Bei einer Ablehnung der Resolution sei zu befürchten gestanden, daß die Sache in den Vertretungskör¬ pern weiter gesponnen und schließlich in die Form eines Gesetzartikels gebracht werden würde, während das jetzt beabsichtigte Zugeständnis sich in praxi als ziemlich belanglos herausstellen dürfte. Um eine Alterierung der Armeesprache handelt es sich nicht, sondern lediglich um eine Erweiterung der ungarischen Korrespondenz der Armeebehörden mit den ungarischen Zivilbehörden und Privaten, u. zw. in einer sehr geringfügigen Anzahl von Fällen. Die Hauptkon¬ zession in dieser Hinsicht, das dürfe nicht vergessen werden, sei bereits unabän¬ derlich durch die umfassende Durchführung des VI. Gesetzartikels vom Jahre 1840 geschehen. Was die heute wiederholt vorgebrachten Schwierigkeiten be¬ treffe, welche dadurch im Telegraphenverkehr etc. entstehen dürften, daß in Ungarn nicht genug Individuen sind, die deutsch können, so sei dies allerdings höchst bedauerlich, analoge Verhältnisse herrschten aber auch in andern Län¬ dern der Monarchie, z. B. in Galizien, haben aber keinen Zusammenhang mit den Maßregeln bezüglich der Korrespondenz, sondern in ganz anderen Verhält¬ nissen, auf welche einzugehen dermalen nicht der Anlaß sei. Der Kriegsminister betont schließlich, daß er keine Zusage erteilt habe, welche ihn nun persönlich irgendwie binden würde, die Antwort auf die Resolution im Sinne der letzteren zu geben, und wenn tatsächlich alle die Nachteile für die Armee, die heute dargestellt wurden, aus der von ihm entworfenen Beantwortung zu befürchten wären, so wäre er weit entfernt, auf der letzteren zu beharren und dadurch die gefürchteten Schäden hervorzurufen. Eine Beantwortung müsse aber die Reso¬ lution erhalten, und er bitte um die Feststellung derselben. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen zu erklären, daß heute eine endgültige Entscheidung in der Sache nicht getroffen werden könne. Jedenfalls müsse für Aufnahme von ausreichenden Kautelen für den Mobilisierungsfall in der Beantwortung Sorge getragen werden. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen schließlich noch zu ernäh¬ ren, daß die Marinesektion die Ah. Bewilligung zur Einstellung einer Post von 40 000 fl. für den Ausbau einer Kirche in Pola angesucht habe. Da es sich hier um ein Novum handelt, wünschen Se. Majestät zu wissen, ob gegen eine solche Einstellung vom gesetzlichen Standpunkte ein Anstand vorliege. Der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stern¬ eck gibt nähere Details über die Bestimmung der fraglichen Kirche, deren Baugeschichte und die bisher für dieselbe aufgebrachten Summen. Der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle erklärt, daß er zwar nicht dafür einstehen könne, daß die Post nicht in der ungarischen Delegation zur Sprache gebracht werden würde, da aber die Kirche nicht unter die Ubika- <pb/>Nr. 64 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 4. 1893 603 tionen gehöre, auf welche das Einquartierungsgesetz5 sich beziehe, stehe der Einstellung der fraglichen Post in das gemeinsame Budget kein Bedenken entge¬ gen. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hierauf die Sitzung zu schlie¬ ßen. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 9. Mai 1893. Franz Joseph. Nr. 64 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. April 1893 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. k. Ministerpräsident Graf TaaflFe (22. 4.), der kgl. ung. Ministerpräsident Wekerle (23. 4.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (24. 4.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer (24. 4.), der k. k. Finanzminister Steinbach (o. D.), der kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Tisza (23. 4.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stemeck (27.4.), der k. u. k. Sektionschef Ritter v. Röckenzaun, der k. u. k. Marinegene¬ ralkommissär Fehr. Protokollführer: Hof- und Ministerialrat v. Khu. Gegenstand: Voranschlag über die gemeinsamen Ausgaben und Einnahmen der österreichisch¬ ungarischen Monarchie für das Jahr 1894. KZ. 25 - RMRZ. 380 Protokoll des zu Wien am 21. April 1893 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern Grafen Kälnoky. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, indem er zunächst den Voran¬ schlag des gemeinsamen Kriegsministeriums zur Sprache bringt. Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer weist darauf hin, daß die Zusammenstellung des Voranschlages mit genauer Berücksichtigung der in den letzten Ministerkonferenzen1 gefaßten Beschlüssen erfolgt sei. In den in den Händen der Konferenzteilnehmer befindlichen Darstel¬ lungen seien die Anträge der Kriegsverwaltung für das Ordinarium und Ex- traordinarium detailliert aufgeführt und ermöglichen die denselben beigefügten Besprechungen eine vollkommene Einsicht in die Motive, welche die Kriegsver¬ waltung bei Stellung ihrer Anträge geleitet haben. Die postenweise Besprechung dieser Anträge gibt dem Reichskriegsminister Anlaß, diese Begründung noch weiter auszuführen und mit Bezug auf Anfragen aus dem Schoße der Konferenz zu erläutern. GA. XXXVI vom Jahre 1879 über die Einquartierung der gemeinsamen Armee (Kriegsmarine) und der Landwehr. Magyar TörvSnytär 1879-1880 148-178. GMR. v. 2. 2.1893, RMRZ. 377, GMR. v. 19. 2. 1893, RMRZ. 378 und GMR. v. 28. 3.1893, RMRZ. 379. <pb/>