Gemeinsamer Ministerrat, 5. 5. 1890
I. Delegationsvorlagen
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z51.pdf.
Nr. 51 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. 5. 1890 507 Nr. 51 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. Mai 1890 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky (o. D.), der k. k. Ministerpräsi¬ dent Ural Taaffe (15. 5.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapdry (27. 5.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (16. 5.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Frei- · V',f,a,Uer,(16' der k' k' Finanzminister Ritter v. Dunajewski (21. 5.), der kgl. ung. Finanzmi¬ nister Wekerle (o. D.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Sterneck (215) der k u. k. Generalintendant Ritter v. Röckenzaun. Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu. Gegenstand: Delegationsvorlagen. KZ. 35 - RMRZ. 367 Protokoll des zu Wien am 5. Mai 1890 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Nach Eröffnung der Sitzung durch Se. k. u. k. apost. Majestät erbittet sich der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapäry das Wort, um zu erklären, daß die Vertreter der kgl. ung. Regierung, indem sie auf die Herabminderung des Heereserfordernisses gedrungen hätten, von der Über¬ zeugung ausgegangen wären, daß es nicht nur vom Standpunkte der finanziellen Leistungsfähigkeit der Monarchie, sondern auch im Interesse der eventuellen Schlagfertigkeit der Armee geboten sei, die erst nach großen Opfern hergestellte Ordnung des Staatshaushaltes nicht neuerdings in Frage zu stellen. Von diesem Prinzip aus hätten dieselben auch die Herabminderung der Mehrforderungen der Kriegsverwaltung über die bereits zugestandenen Abstriche hinaus um einem Betrag von 562 000 fl. gewünscht; nachdem jedoch nach den erhaltenen Aufklärungen hervorgehe, daß diese Summe aus den Posten des vorliegenden Präliminars nicht mehr hereinzubringen sei, müßten sie auf diesen weiteren, von ihnen noch in der heutigen Konferenz unter Vorsitz des k. u. k. Ministers des Äußern festgehaltenen Abstrich verzichten. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen diese Erklärung genehmi¬ gend mit dem Bemerken zur Kenntnis zu nehmen, daß es tatsächlich kaum abzusehen sei, bei welchen Posten noch Abstriche zur Hereinbringung der obigen Summe möglich gewesen wären. Se. k. u. k. apost. Majestät müßten übrigens auch, indem Allerhöchstdieselben den in den Ministerkonferenzen bereits vereinbarten bedeutenden Abstrichen an den Anforderungen der Kriegs- yerwaltung die Genehmigung erteilen, ausdrücklich hervorheben, daß dies nur im Hinblicke auf die seitens der beiderseitigen Finanzminister dargelegte Un¬ möglichkeit, die Befriedigung der Ansprüche der Kriegsverwaltung mit der Leistungsfähigkeit der Monarchie in Einklang zu bringen, geschehe, daß aber Allerhöchstdieselben die Verantwortung für die militärischen und politischen Konsequenzen, die diese Abstriche zur Folge haben könnten, ablehnen müßten. Es sei unzweifelhaft, daß unter den Maßnahmen, deren Verschiebung bzw. Effektuierung in einem längeren Zeiträume in Aussicht genommen würde, sich solche befänden, die geeignet seien, unmittelbar auf die militärische und politi- <pb/>508 Nr. 51 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. 5. 1890 sehe Situation der Monarchie Einfluß zu üben. Se. k. u. k. apost. Majestät hätten bereits in der letzten unter Ah. Vorsitz abgehaltenen Konferenz auf den Zusammenhang hingewiesen, der zwischen den Leistungen für die Entwicklung der Armee und der Stellung der Monarchie nach außen bestehe, und können nicht verhehlen, daß es infolge der vorgenommenen Herabminderung des Hee¬ reserfordernisses schwer werden würde, die äußere Politik immer mit der wün¬ schenswerten Energie zu führen. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen sohin auf einzelne Punkte des Präliminars einzugehen und diesfalls vorerst bezüglich der in Aussicht genommenen Erspa¬ rung durch Konsumtion vorhandener Verpflegsvorräte zu betonen, daß im Falle, als die politischen Verhältnisse sich drohender gestalten sollten, diese Vorräte jedenfalls wieder vollständig ergänzt werden müßten. Bezüglich der Fortsetzung der Beschaffung von Repetiergewehren habe bereits der k. u. k. Reichskriegsminister an die Zustimmung zum Abstriche bei dieser Post die Voraussetzung geknüpft, daß die ununterbrochene Forterzeugung der neuen Waffen durch die Fabrik in Steyr eventuell ä conto des nächsten Budgets sicherzustellen sei. Ferner wäre aber die Notwendigkeit ins Auge zu fassen, bei Eintreten einer gefährlichen pohtischen Konstellation sofort mit der Beschaf¬ fung der nötigen neuen Waffen auch über das jetzt für 1891 in Aussicht genom¬ mene Ausmaß vorzugehen; - endlich hätten die beiderseitigen Landesverteidi¬ gungsminister, welche unter den gegenwärtigen Umständen auf eine Aushilfe aus den Gewehrbeständen des gemeinsamen Heeres nicht mehr rechnen könn¬ ten, Sorge zu tragen, die Fabrik in Steyr rechtzeitig von den größeren Anforde¬ rungen, die sie an dieselbe werden stellen müssen, zu avisieren. Was schließlich den Abstrich bei der pro 1891 einzustellenden Rate für Einführung des rauchlo¬ sen Pulvers anbelange, so müßten Se. k. u. k. apost. Majestät, mit Rücksicht auf die großen Inkonvenienzen und Gefahren, die für die Armee durch Verlänge¬ rung des Übergangszustandes in der Munitionsausrüstung herbeigeführt wür¬ den, auf das entschiedenste darauf dringen, daß von dem Zeitpunkte an, wo mit der Herausgabe der neuartigen Patronen an die Truppe begonnen werde, die vollständige Versehung der letzteren mit dieser Munition im Laufe zweier Jahre durchgeführt werde. Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski erlaubt sich anzufragen, ob diese Ah. Verfügung so aufzufassen sei, daß die gesamte für Einführung des rauchlosen Pulvers angesetzte Summe in den nächsten zwei Jahren aufgebracht werden müsse? Se. k. u. k. apost. Majestät beantwortete diese Anfrage dahin, daß es sich vorerst nur um die Munition handle, welche für die in Händen der Truppen befindlichen Handfeuerwaffen nötig sei, und geruhen die Beratungen über das Präliminare für die gemeinsamen Ausgaben pro 1891 mit der Aufforde¬ rung an die beiden Regierungen zu schließen, ihrerseits dahin wirken zu wollen, damit seitens der Delegationen die nun festgestellten Anforderungen der Kriegs¬ verwaltung anstandslos angenommen werden. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hierauf die Frage der Verle- <pb/>Nr. 51 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. 5. 1890 509 gung bosnisch-herzegowinischer Infanteriebataillone in die Monarchie zur Sprache zu bringen. Der k u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky berichtet, daß, nachdem in den letzten Konferenzen festgestellt worden sei, daß nach der ungarischen Gesetzgebung auch die Heranziehung bosnisch-herzegowinischer Truppenteile zu Manövern nach Ungarn, u. zw. selbst in den auf ungarischem Gebiete liegenden Teil des Brücker Lagers, ohne vorherige Einbringung einer Gesetzvorlage im ungarischen Reichstage untunlich sei, in der letzten Konferenz die Zuziehung bosnischer Truppen zu Übungen, welche auf ausschließlich österreichischem Territorium stattfinden, eventuell zu den Korpsmanövern in Linz angeregt worden sei, daß der k. k. Ministerpräsident aber noch eine endgiltige Erklärung über diese Anregung bis nach Beratung der Sache im k k Ministerrate sich Vorbehalten habe. Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapäry erlaubt sich hiezu zu bemerken, daß die kgl. ung. Regierung ihrerseits keinen Anstand nehmen würde, eventuell ein Gesetz, welches die Verlegung bosnisch-herzegowi¬ nischer Truppenteile nach Ungarn ermöglicht, im Reichstage einzubringen, daß aber von der Einbringung eines solchen Gesetzes, abgesehen von dem Stande der Gesetzgebung, auch aus dem Grunde nicht abgegangen werden könnte, als sowohl der frühere kgl. ung. Ministerpräsident von Tisza als der kgl. ung. Justizminister Szilägyi in der Lage waren, im Reichstage zu erklären, daß eine Verlegung bosnisch-herzegowinischer Truppenteile nach Ungarn nicht ohne vorherige Zustimmung der Legislative erfolgen werde.1 Auf eine Anfrage des k. u. k. gemeinsamen Finanzministers v. Källay, ob gegen den Durchtransport der bosnisch-herzegowinischen Truppe durch Ungarn ein Anstand sei, erwidert der kgl. ung. Mini¬ sterpräsident Graf Szapäry, daß dies nicht der Fall sei. Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe spricht sich dahin aus, daß nach seiner persönlichen Ansicht die Zuziehung bosnischer Truppen¬ teile zu Übungen auf dem Territorium der im Reichsrate vertretenen Königrei¬ che und Länder kein Anstand sein dürfte, obwohl zu fürchten sei, daß diese verschiedene Behandlung der beiden Teile der Monarchie in der ungarischen Publizistik aufgegriffen werden wird und die Diskussion hierüber auch hierlands eine Verstimmung hervorrufen könnte. Jedenfalls müsse er sich noch die Ah. Genehmigung zur Beratung der Sache im k. k. Ministerrate erbitten. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hiezu die Genehmigung zu erteilen und stellen mit Bezug auf die in der letzten Ministerkonferenz unter Vorsitz des k. u. k. Ministers des Äußern besprochene Änderung des Einquartie¬ rungsgesetzes2 die Frage, ob diesfalls bereits Verhandlungen zwischen den bei¬ den Regierungen beständen? 20IMT. Ung.MR. v. 26. 6. 1886. 1. Über die Frage der Unterbringung bosnischer und herzegowinischer Truppen auf dem Gebiet der Ungarischen Krone, OL., K. 27, Karton 41. GA. XXXVI vom Jahre 1879 über die Einquartierung der gemeinsamen Armee (Kriegsmarine) und der Landwehr. Magyar Törv£nytAr 1879-1880 148-178. <pb/>510 Nr. 51 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. 5. 1890 Derkgl. ung. Finanzminister Wekerle berichtet, daß diese Ver¬ handlungen sich vorläufig nur auf die Umwandlung des fünfjährigen Einschät¬ zungstermines in einen solchen von 25 Jahren beschränkt hätten, daß aber anläßlich der Anwesenheit des k. k. Ministerpräsidenten in Budapest bei Eröff¬ nung der Delegationen weitere Abmachungen über die Fortsetzung der Ver¬ handlungen in Aussicht genommen seien. Nachdem noch der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Frei¬ herr v. Bauer eine Reihe von Übelständen des obigen Gesetzes hervor¬ gehoben und insbesondere auch die Notwendigkeit der Austragung der bezüg¬ lich der Erbauung militärischer Unterkünfte auf den Territorien der beiden Teile der Monarchie bestehenden Differenzen betont hat, geruhen Se. k. u. k. apost. Majestät die baldtunlichste Finalisierung der Ver¬ handlungen bezüglich der Ausdehnung des Witwen- und Waisenversorgungsge¬ setzes3 auf die Hinterbliebenen der bei Erlassung des Gesetzes bereits pensio¬ niert gewesenen Militärs zu befürworten. Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer berichtet, daß er in dieser Frage, welche er als eine Gerechtigkeitssache be¬ trachte, die übrigens auch ohne Lasten für den Staat durchgeführt werden könnte, ja durch Wegfall vieler Gnadengehalte Ersparungen herbeiführe, zuge¬ stimmt habe, daß seine letzte Note in der Sache jedoch noch vom kgl. ung. Finanzministerium nicht beantwortet sei. Derk. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski bemerkt, daß auch er bereits der beabsichtigten Ausdehnung des Pensionsgesetzes zugestimmt habe, doch müsse er darauf hinweisen, daß die Angelegenheit nur insoweit vorläufig ohne besondere Auslage für den Staat erfolge, als der Militärtaxfond herangezogen werde. Wenn aber dieser Fond einmal für den Zweck, zu dem er eigentlich bestimmt ist, werde aufkommen müssen, würden die Kosten der in Aussicht genommenen Maßnahmen den Staatsfinanzen zufallen. Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle berichtet, daß im Scho¬ ße der kgl. ung. Regierung noch die Frage, was zu geschehen hätte, wenn der Taxfond seinerzeit zu seinem eigentlichen Zwecke aufgebraucht würde, sowie darüber Erörterungen im Zuge seien, in welcher Höhe die Gnadengaben nach. Annahme der beantragten Ausdehnung des Pensionsgesetzes entfallen würden.4 Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen hierauf die Sitzung zu schlie¬ ßen. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 28. Mai 1890. Franz Joseph. In Österreich das Gesetz vom 27. April 1887, in Ungarn der GA. XX vom Jahre 1887. 22/MT. Ung. MR. v. 20. 6.1890. 1. In Angelegenheit der Modifizierung des Gesetzes über die militärische Einqartierung, die Militärwitwen und Waisen, die Alkoholsteuer, sowie in Ange¬ legenheit des österreichisch-ungarischen Lloyd. OL., K. 27, Karton 47. <pb/>