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Gemeinsamer Ministerrat, 28. 4. 1890

I. Fortsetzung der Beratungen über die Delegationsvorlagen

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z48.pdf.

488 Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 4. 1890

für einen Dispositionsfond um 100 000 fl. daher auf 600 000 fl. zu erhöhen, daß
aber, einem Anträge des k. k. Finanzministers gemäß, bei der kommissionellen
Beratung dieser Post in den Delegationen darauf aufmerksam zu machen wäre,
daß vielleicht in nicht ferner Zeit eine weitere Erhöhung angesprochen werden
müßte. Die Aufteilung der Erhöhung auf die beiderseitigen Regierungen wird
dem Einvernehmen der beiderseitigen Ministerpräsidenten mit dem Minister des
Äußern überlassen.

   Die Sitzung wird hierauf geschlossen und die Fortsetzung der Beratungen für
morgen 111/2 Uhr v[or]m[ittag] anberaumt.

                                                                                       Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 7. Mai 1890. Franz Joseph.

Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. April 1890

    RS. (und RK.)
_ Gewärtig6: der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (6. 5.), der kgl. ung. Ministerpräsident
Graf Szapary (5. 5.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (7. 5.), der k. u. k. gemeinsa¬
me Kriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer (7. 5.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski
(o. D.), der kgl. ung. Finanzminister Wekerle (5. 5.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral
Freiherr v. Sterneck (8. 5.), der k. u. k. Sektionschef v. Szögyeny-Marich, der k. u. k. Generalinten¬
dant Ritter v. Röckenzaun, der k. u. k. Marinegeneralkommissär Kleemann.

    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Fortsetzung der Beratungen der Delegationsvorlagen.

   KZ. 30-RMRZ. 364
   Protokoll des zu Wien am 28. April 1890 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Ministers des Äußern Grafen Kälnoky.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, indem er den k. u. k. Marine¬
kommandanten ersucht, die Abstriche am Präliminar der Kriegsmarine be¬
kanntzugeben, welche er im Sinne der in der gestrigen Sitzung getroffenen
Vereinbarung vorzuschlagen bereit wäre.

   Der k. u. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v.
Sterneck bezeichnet zu diesem Zwecke die nachfolgenden Posten und
Summen:

   im Ordinarium:                                            20 000 fl.

   bei Titel VI, C3 Minenlegungsschiff zweite Rate            2 600 fl.
   bei Titel VIII, B12 Dachherstellung an der Blockmacher-,  11 820 fl.
Banktischler-, Schlosser- und Schmiedewerkstätte             60 000 fl.

   bei Titel X, Versorgungsauslagen im Extraordinarium:
   bei Titel VI, Q Rammkreuzer C
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   bei Titel VI, C6 Torpedofahrzeug                           24 000 fl.
   bei Titel VII, Q Munition für die Turmschiffe ,,Kronprinz
Rudolf1 und ,,Kronprinzessin Stefanie&quot;                        30 000 fl.
   bei Titel VII, E2 Anschaffung von Telegraphenkabel          5 000 fl.
   bei Titel VII, F2 Anschaffung von Torpedoschutznetzen       4 000 fl.
   bei Titel VIII Gebäude für das Marinetechnische Komitee     5 000 fl.

   Es würden darnach die Abstriche im Ordinarium 34 420 fl., im Extraordina-
rium 128 000 fl. ausmachen und das Mehrerfordernis in dem gesamten Marine¬
voranschlag nur 100 456 fl. betragen.

   Der Voranschlag für die Kriegsmarine pro 1891 wird sohin

im Ordinarium mit                                             9 334 933 fl
im Extraordinarium mit                                        1 g60 500 fl&quot;

festgestellt.

    Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky erklärt nun
 bezüglich der gestern noch vorbehaltenen Frage, ob nicht die für die Aufbesse¬
rung der Bezüge der Missionschefs in Aussicht genommene Summe auf zwei
Jahre zu teilen wäre, daß er nach neuerlicher Prüfung dieser Frage sich nicht

für eine solche Aufschiebung aussprechen könne, da einerseits es höchst mißlich
sei, der einen Hälfte der Missionschefs die Aufbesserung zu gewähren, die
andere aber noch ein Jahr hinzuhalten, andererseits aber auch eine zweite
Modalität, wodurch derselbe Zweck erreicht wird, nämlich die Aufbesserung
erst im Juli k. J. eintreten zu lassen, sich aus dem Grunde nicht empfehle, weil
die meisten Auslagen der Missionschefs gerade in die Wintermonate fallen.

   Nachdem jedoch sowohl seitens des kgl. ung. Ministerpräsiden¬
ten Grafen Szapäry als des k. k. Finanzminister Ritter v.
Dunajewski eine möglichste Beschränkung aller Mehrforderungen befür¬
wortet wird, erklärt sich der k. u. k. Minister des Äußern Graf

Kälnoky bereit, um den finanziellen Rücksichten Rechnung zu tragen, die
in Rede stehende Aufbesserung erst im Juli k. J. eintreten zu lassen, so daß pro
1891 nur ein Mehrerfordemis von 52 000 fl. nötig wäre.

   Der k. u. k. Sektionschef v. Szögyeny berichtet, daß dem in
der gestrigen Konferenz gefaßten Beschlüsse betreffend Vermehrung der Kon¬
sularvertretung in Serbien in der Weise Rechnung getragen wird, daß im Budget
pro 1891 umgestellt werden:

   1. Salär des Kanzleidirektors in Belgrad                   1200 fl.
   2. Honorar für den Konsularagenten in Radujevac
(Negotin)                                                     1000 fl.
   3. Honorar für den Konsularagenten in Semendria            1000 fl.

   Die Konferenz nimmt dies genehmigend zur Kenntnis, und wird unter Be¬

rücksichtigung der gestern und heute gefaßten Beschlüsse der Voranschlag des
Ministeriums des Äußern betragen:
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im Ordinarium                                                    4 514 500 0.
im Extraordinarium                                                   91 400 fl.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapäry ergreift nun¬
mehr das Wort, um im allgemeinen den Standpunkt der kgl. ung. Regierung
bezüglich der in dem gemeinsamen Voranschläge pro 1891 beantragten Mehrer¬
fordernisse zu präzisieren. Der Redner erwähnt, daß, bevor sich die Vertreter
der kgl. ung. Regierung zu den gegenwärtigen Ministerkonferenzen begeben
haben, der kgl. ung. Ministerrat in die Beratung der mitgeteilten Vorlagen der
gemeinsamen Regierung eingetreten sei1 und dabei pflichtmäßig auch die gesam¬
te wirtschaftliche und finanzielle Situation Ungarns in Erwägung gezogen habe,
um sich darüber klar zu werden, wieweit ohne Schädigung der finanziellen
Leistungsfähigkeit des Landes den Anforderungen für die gemeinsamen Ausga¬
ben entsprochen werden könnte. Bei diesen Beratungen sei man zu der Überzeu¬
gung gelangt, daß nicht über die Bewilligung pro 1890 hinausgegangen werden
solle. In den Konferenzen der letzten Tage hätten die Vertreter der kgl. ung.
Regierung allerdings den Eindruck gewonnen, daß an dieser Grenze nicht ganz
festgehalten werden könne, die nach den Abstrichen der letzten Konferenzen
erübrigenden Mehrforderungen in den einzelnen Voranschlägen betrügen zu¬
sammen noch immer zirka 4 500 000 fl.; auf eine so hohe Mehrforderung wären
die Vertreter der kgl. ung. Regierung mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit
des Landes absolut nicht in der Lage einzugehen, dagegen wären sie bereit, eine
Mehrforderung von zirka 2 000 000 fl. zu vertreten, so daß noch ein Abstrich
von 21/2 Millionen am Kriegsbudget vorzunehmen wäre; der kgl. ung. Finanz¬
minister würde einzelne Posten angeben, bei denen ein Abstrich noch als tunlich

erachtet werde.
   Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle bemerkt vor allem, daß

er sich durchaus nicht für kompetent erachte, die Details des Heereserfordernis¬
ses zu beurteilen, daß er aber der Überzeugung sei, daß wenn man ernstlich an
dem Prinzip festhalte, daß tatsächlich nur jene Mehrforderungen zu bewilligen
seien, deren Verschiebung auf eine spätere Zeit in erster Linie und unmittelbar
die Schlagfertigkeit der Armee beeinträchtigen würde, gewiß noch Posten gefun¬
den werden könnten, wodurch ein weiterer Abstrich von 21/2 Millionen Gulden
ermöglicht würde. Nach seiner Ansicht wäre diese Summe hereinzubringen
durch Streichung

     1. des Mehrerfordernisses                                     1 358 fl.
   a) infolge Systemisierung von zwei Majoren statt von zwei       2 800 fl.
Hauptleuten als Eisenbahnlinien-Kommandanten per                 116 596 fl.
   b) an Reisepauschale für 14 Eisenbahnlinien-Kommandan¬

ten per
     2. des Mehrerfordernisses für Reorganisation der Festungs¬

artillerie per

i 14!MT. Ung.MR. v. 14. 4. 1890. 1. In Angelegenheit des gemeinsamen Budgets vom Jahre
        1891, OL., K. 27, Karton 47.
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     3. die Kosten für die Aufstellung eines 42. Kavallerieregi¬  20 894 fl.
mentes im Ordinarium und Extraordinarium,

     4. des Erfordernisses für Standeserhöhung der Traintruppe
und Bewaffnung der Trainsoldaten mit Karabiner per

     5. durch weitere Verminderung des Erfordernisses infolge
Einführung des rauchlosen Pulvers, und zwar von 2 auf
1 1/2 Millionen,

     6. durch Streichung der Hälfte des einmaligen Erfordernis¬
ses zur Beschaffung von Pferden, dann von Montur, Armatur
und Rüstung für die im Jahre 1890 errichteten schweren Batte¬
rien,

    7. des Erfordernisses für den Neubau von Munitionsmaga¬
zinen in Krakau,

    8. des Erfordernisses für Neubau eines Militärverpflegse-
tablissements (erste Rate) in Kaschau,

    9. des nach den gestrigen Abstrichen noch restlichen Erfor¬

dernisses zur Hebung der Widerstandsfähigkeit der beiden gali-
zischen Festungen,

   10. des Mehrerfordernisses, welches deshalb angefordert
wurde, weil die bei gewissen Abteilungen der Feldartillerie
durchgeführte Standeserhöhung an Mann und Pferden noch
auf weitere Abteilungen ausgedehnt werden soll.

   Diese Abstriche würden zusammen 2 593 981 fl. ausmachen. Der kgl. ung.
Finanzminister erneuert übrigens seine Bemerkung, daß er durch diese einzelnen
Vorschläge durchaus nicht der Kriegsverwaltung präjudizieren wolle, eventuell
andere Posten anstatt der bezeichneten heranzuziehen und die letzteren dadurch
zu erhalten - wenn nur der Gesamtabstrich erreicht werde.

   Derk. k. Ministerpräsident Graf Taaffe bemerkt, daß vor al¬
lem klargestellt werden sollte, ob die in den letzten Konferenzen festgestellten
einzelnen Abstriche im Gesamtbeträge von 8 699 896 fl. als definitiv vereinbart
anzusehen seien, so daß die Diskussion dermalen nur über Abstriche zur Errei¬
chung einer noch weiteren Herabminderung von 2 1/2 Millionen Gulden zu
führen sei.

   Der Vorsitzende erwidert, daß allerdings davon auszugehen sei, daß
über die Abstriche von 8 699 896 fl. eine Einigung der Konferenzmitglieder
bereits erzielt wurde und es sich nur um die Beratung der noch darüber hinaus¬
gehenden Abstriche handelt.

   Was die letzteren anbelange, so sei es außerordentlich schwer, die Grenze zu
bestimmen, bei der angelangt, bereits die Schlagfertigkeit der Armee tangiert
werde. Er könne seinerseits auch bei diesem Anlasse, wie eingangs der gegen¬
wärtigen Konferenzen, nur auf das entschiedenste betonen, daß nach der allge¬
meinen europäischen Situation die dringende Notwendigkeit noch immer vor¬
liege, die Armee effektiv zu erhalten und in keiner Weise in der Ausbildung und
Fortentwicklung derselben zu erlahmen. Wenn auch, wie er schon bemerkt, eine
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Strömung zu konstatieren sei, welche angesichts gewisser innerer und sozialer
Bewegungen einen größeren Wunsch der Regierungen nach Erhaltung des
Friedens zeige, so sei doch auch weiter noch die Strömung vorhanden, welche
sich in den fortdauernden ganz außerordentlichen Armierungen und Kriegsvor¬
bereitungen der großen Mächte, insbesondere unserer Nachbarn, manifestiere.
Es lasse sich daher auch heute noch durchaus nicht sagen, welche Strömung die
Oberhand gewinnen und ob nicht die jetzige Spannung ihre Lösung in einem
Kriege finden werde.

   Der k. u. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
erneuert seine bereits gestern gemachten Bemerkungen, daß er nur mit Rück¬
sicht auf die von den beiderseitigen Finanzministern geltend gemachte absolute
Unmöglichkeit, die finanziellen Mittel für die geforderten Mehrauslagen aufzu¬
bringen, sich bezüglich der vereinbarten Abstriche der zwingenden Notwendig¬
keit gefügt habe, daß er aber ganz außerstande wäre, ohne die Ah. Befehle Sr.
Majestät eingeholt zu haben, in weitere Abstriche einzugehen. Er könne nur
wiederholen, daß mit allen in Aussicht genommenen Aufschiebungen durchaus
keine Abhilfe geschaffen sei, indem nicht zu erwarten wäre, daß die nächstjähri¬
gen Budgets eine Verminderung der neuen Ansprüche und damit die Erleichte¬
rung der Bedeckung der aufgeschobenen Posten bieten würden.

   Der Vorsitzende erachtet, daß bei dem Stande der Beratungen eine
Einigung der Konferenz über die weiter beantragten Abstriche nicht zu errei¬
chen sei und daher nichts erübrige, als Sr. k. u. k. apost. Majestät Bericht zu
erstatten und die Ah. Entscheidung zu erbitten.

   Der Vorsitzende bringt hierauf die Frage der Verlegung von einigen bosnisch-
herzegowinischen Infanteriebataillonen in das Innere der Monarchie zur Spra¬
che, indem er hervorhebt, daß dieselbe angesichts des naturgemäßen dauernden
Anwachsens der Anzahl der bosnisch-herzegowinischen Truppen als eine immer
dringlichere sich erweise und wenigstens die theoretische Lösung der Vorfragen
notwendig mache, um noch mit den beabsichtigten Maßnahmen in ruhigen
Zeiten zu beginnen, da wenn man erst bei eingetretener Gefahr hiezu greife, das
ganze Vorgehen eine andere Interpretation finden und lediglich als ein Akt des
Mißtrauens aufgefaßt werden könnte. Aus den bisher im schriftlichen Wege
zwischen den gemeinsamen Ministerien und den beiderseitigen Regierungen
gepflogenen Verhandlungen gehe hervor, daß die kgl. ung. Regierung mit Bezug
auf einen Gesetzartikel aus dem Jahre 1608a2 ihre Zustimmung zur Verlegung
bosnischer Truppen nach dem Gebiete der Stefanskrone nur unter der Bedin¬
gung geben könne, daß diesfalls ein besonderes Gesetz erlassen werde, während
nach dem Stande der Gesetzgebung in den im Reichsrate vertretenen Königrei¬
chen und Ländern ein besonderes Gesetz hiezu nicht erforderlich sei, und daß
daher nichts entgegenstehe, daß solche Truppenteile in diesem Staatsgebiete
Garnison beziehen, falls sie ausschließlich in ärarischen Kasernen untergebracht

        Korrektur Szapäry aus 1640.

2 GA. II vom Jahre 1608, Magyar Törvenytär 1606-1657 11.
<pb/>Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 4. 1890  493

 werden. Es wurde aber von dem k. k. Ministerpräsidenten hervorgehoben, daß
 wenn es zur Einbringung eines Gesetzes in Ungarn käme, auf Grund der Parität
 in den diesseitigen Vertretungskörpern auch die Vorlage eines Gesetzes verlangt
 werden würde. Nachdem nun die Einbringung einer ähnlichen Gesetzesvorlage
 sowohl nach Ansicht des k. k. Ministerpräsidenten als des Redners nicht für
 opportun erachtet werden könne, da anläßlich der Beratung desselben die
 bosnische Frage aufgerollt werden würde und manche der hiebei zutage treten¬
 den Äußerungen von unseren Feinden im Auslande gegen unsere Interessen
 ausgenützt werden dürften, so wäre die weitere Frage zu erörtern, ob vorerst
 nicht wenigstens bosnisch-herzegowinische Truppenteile zu den Lagerübungen
 in Bruck a. d. Leitha und Piliscsaba herbeigezogen werden könnten, ohne daß
 hiezu ein besonderes Gesetz eingebracht werden müßte.

    Der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Szapäry bemerkt, daß
 diese Angelegenheit bisher speziell von dem kgl. ung. Justizminister behandelt
 worden sei und daß letzterer ihn vor der letzten Phase der Verhandlungen noch
 nicht unterrichtet habe; nach seiner persönlichen Auffassung sei aber das unga¬
 rische Gesetz, welches verbiete, fremde Truppen ins Land zu bringen, so allge¬
mein gefaßt, daß auch die nur temporäre Beiziehung bosnisch-herzegowinischer
Truppenteile zu Lagerübungen auf ungarischem Gebiete ohne Einbringung
eines besonderen Gesetzes ganz ausgeschlossen sei, was nicht nur auf Pilicsaba,
sondern auch auf den auf ungarischem Gebiete liegenden Teil des Brücker
Lagers Bezug habe.

   Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe bestätigt die Darle¬
gung des Vorsitzenden, daß nach dem Stande der österreichischen Gesetzge¬

bung die Garnisonierung bosnischer Truppenteile in diesem Staatsgebiete der
Monarchie, falls sie ausschließlich in ärarischen Kasernen untergebracht wer¬
den, eines besonderen Gesetzes nicht bedürfte, daß aber die Einbringung eines
solchen aus Paritätsgründen unausweichlich wäre, wenn in Ungarn ein solches
eingebracht würde. Man könnte, was die Beiziehung bosnischer Truppenabtei¬
lungen ins Brücker Lager anbelange, daran denken, dieselben eventuell nur in
österreichischen Teilen des Lagers unterzubringen, wenn darauf zu rechnen
wäre, daß diese Tatsache unbesprochen bliebe, aber es sei vielmehr zu erwarten,
daß die ungarischen Oppositionsblätter dieselbe sofort hervorheben, die ver¬
schiedene Behandlung der beiden Teile der Monarchie betonen und Diskussio¬
nen hieran knüpfen würden, welche naturgemäß hierlands den Eindruck man¬
gelnder paritätischer Behandlung hervorrufen müßten.

   Der k. u. k. Reichsfinanzminister v. Källay glaubt, daß es
vielleicht nicht ausgeschlossen wäre, die Wirkung des Gesetzartikels vom Jahre
1608b teils durch Interpretation, teils mit Rücksicht auf die Analogie mit einigen
inzwischen eingetretenen Vorgängen zu paralysieren. So könnte wohl nicht
ohne Grund behauptet werden, daß eine Truppe, welche den Eid wie die k. u. k.
Armee dem Kaiser und König leiste, nicht eigentlich als fremdländische zu

b Korrektur Szapärys aus 1640.
<pb/>494 Nr. 48 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 28. 4. 1890

betrachten sei. Bezüglich der Beiziehung bosnischer Truppen zu den Lager¬
übungen könnte auf die Analogie der Teilnahme fremder Flotten an Flotten¬
übungen unserer Marine in ungarischen Gewässern, eventuell auch per inver-
sum darauf aufmerksam gemacht werden, daß bei Manövern wiederholt der
Übertritt ungarischer Landwehr auf österreichisches Territorium und umge¬
kehrt stattgefunden habe. Jedenfalls sei es höchst notwendig, zu der Maßregel
zu schreiten, um den möglichen Gefahren, die das Anwachsen der bosnisch-
herzegowinischen Truppen herbeiführen könnte, zuvorzukommen. Von der
unter Waffen stehenden Truppe sei allerdings nicht die geringste Gefahr zu
besorgen, dieselbe sei ausgezeichnet diszipliniert und geführt, so daß auf deren
Zuverlässigkeit jeder Versuchung gegenüber bestimmt gerechnet werden könne;
dagegen sei allerdings die Besorgnis nicht ausgeschlossen, daß in dem Falle, als
aus Serbien oder Montenegro Einbrüche zur Anzettelung von Unruhen stattfin¬
den sollten, die vollkommen militärisch geschulten Reservisten, die nur im
Lande selbst gedient und dermalen überall zerstreut wohnen, den Anhaltspunkt
zur Bildung von sehr tüchtigen Guerillabanden abgeben könnten. Dieser Besor¬
gnis wäre nur vorzubeugen, wenn die Truppen während der Dienstzeit aus der
Atmosphäre der Heimat einige Zeit herausgebracht und in der Monarchie
gamisonieren würden. Dieselben dürften dann mit solchen Gesinnungen zu¬
rückkehren, daß Versuche, dieselben zu Pflichtverletzung zu verführen, ganz
aussichtslos wären.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski wirft die
Frage auf, ob die bosnischen Truppen mit Rücksicht auf die geschilderten
Gefahren einerseits wirklich einen genügenden Vorteil fürs Land bilden, ande¬
rerseits der Größe der k. u. k. Armee gegenüber als eine ernstlich beachtenswer¬
te Hilfskraft der letzteren anzusehen sind. Zu allen Maßnahmen im Interesse
der beiden Länder, deren Wichtigkeit er für die Monarchie seinerzeit auf das
wärmste im Parlament0 vertreten habe, werde man sich übrigens leichter ent¬
schließen, wenn endlich die wichtige Frage der staatsrechtlichen Stellung dersel¬
ben zur Monarchie klargestellt sein werde.

   Der k. u. k. Reichsfinanzminister v. Källay erwidert, daß es
möglich sei, zu kontestieren, ob man mit der Rekrutierung in den okkupierten
Ländern überhaupt hätte beginnen sollen, was er übrigens seinerseits auch
vollkommen bejahen müsse; darüber könne jedoch kein Zweifel sein, daß jetzt
nach acht Jahren die Rekrutierung nicht mehr eingestellt werden könne. Aber
abgesehen hievon sei der Militärdienst in Bosnien eines der wichtigsten und
besten Kulturmittel und repräsentiere ein neues festes Band der Bevölkerung an
die Monarchie. Auch für Ernstfälle sei eine zuverlässige Truppe in Bosnien nicht
zu unterschätzen, jedenfalls würde aber die Bildung einer ansehnlichen einhei¬
mischen Truppe die Verminderung der k. u. k. Truppen im Okkupationsgebiete
und daher eine Verminderung der Okkupationskosten zur Folge haben können.
Wenn auch dermalen an die formelle Annexion der beiden Länder an die

       Randbemerkung Dmajewskis in der Delegation.
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Monarchie nicht gedacht werde, so müsse das Publikum überall daran gewöhnt
werden, den faktischen Besitz dieser Provinzen als einen dauernden und endgil-
tigen anzusehen, wozu eben die Heranziehung der bosnischen Truppen nach der
Monarchie sehr beitragen werde. Der Redner schließt hieran noch den Aus-
druck des Bedauerns, daß man sich im Publikum noch immer über die wirt¬
schaftlichen Vorteile der okkupierten Länder für die Monarchie nicht genügend
klar sei und noch geneigt sei, dieselben als eine bloße Last zu betrachten, von
der man möglichst wenig spreche. Redner führt als Gegenbeweis einige Daten
insbesondere den Handelsverkehr der Monarchie mit den okkupierten Ländern!

    Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky betont
 auch seinerseits, daß man sich im Publikum viel zu wenig die hohe Wichtigkeit
 eingedenk halte, welche der Besitz Bosniens und der Herzegowina für die
 politische Stellung unserer Monarchie habe, indem es zunächst diesem Besitze
 zu verdanken sei, daß jene Änderungen, welche sich in der jüngsten Vergangen¬
 heit auf der Balkanhalbinsel vollzogen haben, ohne nachteilige Folgen geblieben
 sind und unsere Autorität im Balkangebiete auch ohne direkte Machtentfaltung
unsererseits zugenommen hat. Übrigens werde wahrscheinlich die politische
 Seite der Okkupation Bosniens diesmal in den Delegationen zur Sprache kom¬
 men und hiebei Gelegenheit gegeben werden, diese Punkte klarzustellen.

    Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle regt die Frage an, ob
nicht, da man die Einbringung eines besonderen Gesetzes, welches die Verle-

       . bosnischer Truppenteile in die Monarchie gestattet, perhorresziert, es
vielleicht opportun erachtet würde, ohne weitere Bezugnahme auf Bosnien ein
Gesetz einzubringen, das einfach im allgemeinen das alte Gesetz unter der
Bedingung aufhebt, daß die ins Land zu ziehenden fremden Truppen unter Ah.
Oberbefehl stehen.

   Gegen diese Anregung wird von mehreren Seiten die Einwendung erhoben
daß eine solche allgemeine Verfügung, welche auf die Absicht, deutsche oder
italienische Truppen heranzuziehen, gedeutet werden könnte, geeignet wäre, die
Besorgnis vor unmittelbar bevorstehenden kriegerischen Ereignissen zu wecken.

   Nachdem noch von dem Vorsitzenden erneuert die Notwendigkeit be¬
tont wird, baldigst über die zur Ermöglichung der Verlegung von bosnisch-
herzegowinischen Truppenteilen in die Monarchie zu lösenden Vorfragen eine
Einigung zu erzielen, wird die Verhandlung über diese Angelegenheit abgebro¬
chen.

   Es wird sonach vereinbart, Ah. Ortes die Einberufung der Delegation für den
4. Juni 1. J. zu beantragen, und die Sitzung geschlossen.

                                                                                      Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.

Wien, 12. Mai 1890. Franz Joseph.                  ~
<pb/>