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Gemeinsamer Ministerrat, 30. 4. 1889

I. Vorlagen für die Delegationssession 1890

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_z41.pdf.

Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 4. 1889  451

Sitzung für morgen zur Beratung des Voranschlages der Marine und Entgegen¬
nahme der Schlußanträge der beiderseitigen Regierungen anberaumt.

                                                                                               Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 6. Juni 1889. Franz Joseph.

Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. April 1889

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (1. 6.), der k. k. Ministerpräsident Graf
Taaffe (6. 5.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (7. 5.), der k. u. k. gemeinsame
Kriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer (10. 5.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski
(o. D.), der kgl. ung. Finanzminister Wekerle (3. 6.), der k. u. k. Marinekommandant Admiral
Freiherr v. Stemeck (29. 5.), der k. u. k. erste Sektionschef v. Szögyeny, der k. u. k. Sektionschef
Lambert, der k. u. k. Marinegeneralkommissär Kleemann.
    Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu.
    Gegenstand: Vorlagen für die Delegationssession 1890.

   KZ. 30 - RMRZ. 357
   Protokoll des zu Wien am 30. April 1889 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen
Minister des Äußern Grafen Kälnoky.

   Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit Beratung des Voranschlages
der Marine pro 1890.

   Derk. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stern¬
eck bespricht zunächst die für das Jahr 1890 gegenüber dem Jahre 1889
präliminierten Etaterhöhungen und Verminderungen des ordentlichen Erfor¬
dernisses, indem er darauf hinweist, daß das Ordinarium pro 1890 zwar auf
9 428 777 fl., also um 347 830 fl. höher als die Bewilligung pro 1889 veranschlagt
sei; diese Erhöhung sei jedoch nur eine scheinbare, da sich in dieser Erhöhung
an Fortsetzung der Quoten für bereits von der Delegation bewilligte Titel und
Posten der Betrag von 230 030 fl. befinde, nach dessen Ausscheidung sich nur
ein Mehrerfordernis von 142 360 fl. ergebe, das noch ein Mehrerfordernis von
20 670 fl. für Versorgungsauslagen in sich schließe.

   Das Extraordinarium beläuft sich auf 2 270 700 fl., also auf 133 420 fl. mehr
als die Bewilligung des Vorjahres; die hauptsächlichsten Anforderungen bezö¬
gen sich auf die Beistellung der Munition für die nun fertigwerdenden Schiffe,
dann auf den Beginn des Baues einiger neuer Schiffe. Der Redner bespricht
eingehend die Notwendigkeit des Baues des neuen Rammkreuzers, für welchen
von dem Gesamterfordernisse von 3 1/2 Millionen, das er aber auf 3 Millionen
herabzumindern hoffe, die erste Rate per 550 000 fl. angesprochen werde. Dieser
Bau sei zur Durchführung des Systems der Torpedoflotte, die durch solche
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große Schiffe unterstützt werden müsse, unerläßlich, und wäre eine Hinausschie¬
bung des Beginnes des Baues eine direkte Schädigung des Systems, auf dem die
 Entwicklung unserer Marine beruhe. Der k. k. Marinekommandant geht hier¬
 auf in die Besprechung aller einzelnen Positionen des Extraordinariums ein. Bei
Titel VII, Post 6 bemerkt er, daß er nach seinen jüngsten Erfahrungen in Pola
anstatt eines Schöpfens auf der Oliveninsel Baracken zu bauen gedenke, so daß
diese Post sich auf 12 000 fl. erhöhe.

    Derk. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski weist darauf
hin, daß in den letzten Jahren die Staatsfinanzen in unverhältnismäßiger Weise
für die Heereszwecke in Anspruch genommen worden seien, und daß nun ein
Stillstand nötig sei, um auch für die andern staatlichen Erfordernisse vorzusor¬
gen. Ein Stillstand sei aber nur zu erreichen, wenn geplante Neuschöpfungen
vorläufig aufgeschoben würden, er müsse sich daher entschieden gegen die
Bewilligung der im Extraordinarium der Marine angeforderten 1. Raten, insbe¬
sondere der neuen Schiffsbauten erklären.

   Derk. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stern¬
eck betont neuerlich die Nachteile, die sich durch Sistierung der Schiffsbau¬
ten ergeben, und erklärt sich bereit, im Ordinarium 142 000 fl., dann das
Mehrerfordernis von 133 000 fl. im Extraordinarium zu streichen und auf die
Inanspruchnahme der Nachtragskredite von 75 000 fl. ganz zu verzichten, da
er, falls der k. k. Kriegsminister zustimme, bereit sei, die aus den letzteren zu
bestreitenden, zunächst zu Heereszwecken dienenden Anforderungen aus den
der Marine zu Gebote stehenden Mitteln zu bestreiten.

   Der Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer gibt un¬
ter letzterer Voraussetzung seine Zustimmung zur Abstehung von der Forde¬
rung der Nachtragskredite.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza bemerkt, daß er mit
den von dem Marinekommandanten beantragten Abstrichen sich nicht zufrie¬
dengeben könne, umso weniger, als er gerade darauf Wert legen müsse, daß an
den Neubau großer Schiffe nicht vor dem Fertigwerden der noch im Bau
befindlichen großen Schiffe, für welche in diesem Jahre noch die letzten Raten
eingesetzt seien, gegangen werde. Er beantrage daher zu dem vom Marinekom¬
mandanten vorgeschlagenen Abstrich vom Ordinarium per 142 000 fl. und in
den Nachtragskrediten per 75 000 fl. noch den Abstrich der ersten Rate für den
Rammkreuzer C per 550 000 fl., im ganzen also 767 000 fl. Der k. k. Fi¬
nanzminister Ritter v. Dunajewski schließt sich diesem Anträge
an.

   Derk. k. Marinekommandant Admiral Freiherr v. Stern¬
eck erklärt, daß er nach neuerlicher Beratung eventuell im ganzen Budget
einen Gesamtabstrich von 622 000 fl. ermöglichen könne. Die Differenz zwi¬
schen dieser Summe und den Anträgen des kgl. ung. Ministerpräsidenten betra¬
ge 145 000 fl., sei also nicht bedeutend, und er wäre doch nicht genötigt, einen
die Schlagfertigkeit der Marine schädigenden Stillstand in der Entwicklung des
angenommenen Systems eintreten zu lassen.

   Eine Einigung der Konferenz über diese differenten Anträge erfolgt nicht.
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   Der Vorsitzende lenkt nunmehr die Beratung wieder auf das Budget
des Kriegsministeriums zurück und ersucht den Reichskriegsminister, die Ab¬
striche bekannt zu geben, denen er zustimmen könnte.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
führt als solche an:

   1. im Ordinarium:                                               21 000 fl.
   das Mehrerfordemis infolge der öfteren Einberufung einzel¬     150 000 fl.
ner Reserveoffiziere zu den Waffenübungen                          27 673 fl.
   von der Erhöhung des Erfordernisses für Waffenübungen
und Konzentrierungen per 300 000 fl. die Summe von                100 000 fl.
   die Aufstellung der fünften Militär-Unterrealschule in Mar¬
burg

   die Präliminierung des Erfordernisses für bauliche Herstel¬
lungen infolge von Elementarschäden, dann für die Desinfek¬
tion der Militärgebäude und für sonstige unvorhergesehene
Auslagen der Geniedirektionen

   2. im Extraordinarium:                                          44 000 fl.
   Titel 3, P. 3 Peterwardein, Assanierung der Festung
und                                                                80 000 fl.
   Titel 9, P. 2 Budapest, Bau von Magazinen                      195 000 fl.
   Titel 9, P. 3 Kaschau, Militärverpflegsetablissement           240 000 fl.
   Titel 10, P. 2 Przemysl, Permanierung der Festung
   Titel 26 Aufstellung einer fünften Militär-Unterrealschule in  126 368 fl.
Marburg
                                                                   50 000 fl.
   3. im Okkupationskredite:
   Fortifikatorische Sicherung von Sarajevo

    4. in den Nachtragskrediten:                                  200 000 fl.
   die in Post 5 einbegriffene Anforderung für ein Korpskom¬
mandogebäude in Przemysl per

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza glaubt, daß vor al¬
lem die prinzipielle Fragen bezüglich der Gebäude in Przemysl und Jaroslau,
die er in der gestrigen Sitzung angeregt, zu besprechen wäre.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski erklärt, daß
nach nun genommener Einsicht in den Wortlaut des Gesetzes1 er der Ansicht
sei, daß diese Gebäude aus gemeinsamen Mitteln herzustellen seien, sowie
übrigens ja auch der Zins für zu diesem Zwecke gemietete Gebäude aus gemein¬
samen Mitteln zu leisten wäre. Der Redner zitiert für seine Auffassung den §
7 des Gesetzes vom 11. Juni 1879, wo als Bequartierungsobjekte, deren Beistel¬
lung die Militärverwaltung auf Grund dieses Gesetzes zu beanspruchen berech¬
tigt sei, in lit. 2 genannt werden ,,jene sonstigen Räumlichkeiten und Nebener-

i GA. XXXVI vom Jahre 1879 über die Einquartierung der gemeinsamen Armee (Kriegsmarine)
       und der Landwehr. Magyar Törv£nytär 1879-1880 148--178.
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fordernisse, welche für die Truppenkörper oder für die mit denselben verbunde¬
nen Kommanden und Stäbe benötigt werden&quot;. Die Durchführungsverordnung
vom 1. Juli 1879 erläutere diesen § dahin, daß ,,für die Unterbringung der
bleibend systemisierten, mit der Truppe nicht in unmittelbarem Verbände ste¬
henden Militärbehörden, Ämter, Anstalten, Depots und überhaupt für alle
Räumlichkeiten, welche kein unmittelbares Erfordernis der Truppe, sondern
eigentlich ein allgemeinses Staatserfordernis sind, von der Militärverwaltung
selbst, durch Miete, Ankauf, oder Bau gesorgt werden&quot;. Da nun der Korpskom¬
mandant nicht unter die mit der Truppe in unmittelbarem Verbände stehenden
Militärbehörden gezählt werden könne, falle die Herstellung des Korpskom¬
mandogebäudes jedenfalls nicht unter die Ubikationen, die auf Grund des
Einquartierungsgesetzes, sondern unter diejenigen, die aus gemeinsamen Mit¬
teln herzustellen sind.

   Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle weist darauf hin, daß
der Text des § 7 nur dahin ausgelegt werden müsse, daß für Truppenkomman¬
den überhaupt die im Gesetze vom Jahre 1879 bezeichneten Verbände zu sorgen
haben, und daß gar kein Grund vorhanden sei, gerade den Korpskommandan¬
ten als nicht mit der Truppe verbundenen Kommandanten anzusehen. Übrigens
beweise die Aufführung der Unterkünfte für die höchsten Offiziere, die ja in der
Regel als Korpskommandanten fungieren, im Anhänge A zu obigem Gesetze
hinreichend, daß auch an die Beistellung der Ubikationen für so hohe Komman¬
danten gedacht worden sei.

   Der k. k. Sektionschef Lambert bemerkt, daß dieser Ausweis sich
nur auf die persönliche Wohnungskqmpetenz der höheren Offiziere beziehe.

   Der k. u. k. Minister des Äußern Graf Kälnoky konstatiert,
daß die Differenz in der prinzipiellen Frage nur den Ankauf von Gebäuden zu
dem in Frage stehenden Zwecke hindern, daß die Miete solcher Gebäude zu
Lasten des gemeinsamen Budgets keinem Anstande unterliege.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
erklärt, daß er die Austragung der aufgeworfenen Rechtsfrage den beiderseiti¬
gen Regierungen anheimstellen müsse, daß er aber sich verpflichtet halte, auf
das nachdrücklichste darauf aufmerksam zu machen, welche schwere Schädi¬
gung die gemeinsamen Finanzen erleiden würden, wenn man sich auf die Miete
von Gebäuden in Przemysl einließe; in Jaroslau sei gar kein geeignetes Objekt
aufzutreiben. Der Kriegsminister illustriert diese Ausführung durch Belege aus
den bisherigen Verhandlungen und weist schließlich auf die unwürdige Art hin,
in welcher jetzt selbst die höchstgestellten Offiziere untergebracht sind und die
eine baldige Abhilfe unabweislich mache.

   Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erwidert, daß bei
dem Wortlaute des Gesetzes von 1879 keine ungarische Regierung auch bei
Anerkennung aller Opportunitätsgründe in der Lage wäre, dem Bau der Gebäu¬
de aus gemeinsamen Mitteln zuzustimmen, und daß übrigens auch die ungari¬
sche Delegation eine solche Anforderung nie akzeptieren würde.

   Der k. k. Reichsfinanzminister v. Källay weist darauf hin,
daß die angeregte Frage, die die Auslegung eines in beiden Reichshälften
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erlassenen und beide Regierungen bindenden Gesetzes zur Voraussetzung habe,
nicht im Schoße der gemeinsamen Ministerkonferenz, sondern direkt zwischen
den beiden Regierungen auszutragen wäre.

   Der Vorsitzende fordert nunmehr die beiderseitigen Finanzminister
auf, die von ihnen vorbehaltenen Anträge zum Budget des Kriegsministeriums
zu stellen.

   Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski weist darauf
hin, daß er im Verlaufe der Verhandlungen selbst bereits eine große Anzahl von
Posten bezeichnet habe, bei denen nach seiner Ansicht Abstriche möglich seien,
daß er aber, wie er bemerkt habe, die Einzelheiten dem Urteil der Kriegsverwal¬
tung anheimstelle. Mit Rücksicht darauf, daß im Jahre 1890 an die k. k. Finanz¬
verwaltung seitens der k. k. Landwehr eine Anforderung von 6 000 000 fl.
bevorstehe, müsse er den Antrag stellen, daß er um den gleichen Betrag im
gemeinsamen Budget entlastet und so in die Lage versetzt werde, den Ansprü¬
chen der k. k. Landwehr nachkommen zu können.

   Der kgl. ung. Finanzminister Wekerle erklärt, daß auch nach
seiner Ansicht eine sehr bedeutende Entlastung des gemeinsamen Kriegsbudgets
erfolgen müsse, die dadurch erreicht werden könne, wenn die Anschaffung der
Kavalleriekarabiner um ein Jahr verschoben würde. Er müsse diese Verschie¬
bung umsomehr beantragen, als einerseits im Jahre 1891 voraussichtlich die
Herstellung der Repetiergewehre für Infanterie und Landwehr abgeschlossen
sein werde, andererseits aber gerade im Jahre 1890 die beiderseitigen Finanzen
durch Forderung für die beiderseitige Landwehr sehr empfindliche Lasten zu
tragen hätten, die nur durch die beantragte Verschiebung einigermaßen erleich¬
tert werden könnten.

   Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Freiherr v. Bauer
wiederholt die von ihm in der gestrigen Sitzung gegebenen Gründe, aus welchen
er auf eine Inangriffnahme der Karabinerherstellungen im nächsten Jahre beste¬
hen müsse, und erklärt schließlich, daß er zwar die finanziellen Erwägungen der
beiderseitigen Regierungen durchaus nicht verkenne, daß er aber mit Rücksicht
auf seine Verantwortung für die Schlagfertigkeit der Armee nicht mit eigenem
Willen über die von ihm bereits beantragten Abstriche von zirka 1 240 000 fl.
hinausgehen könne.

   Der Vorsitzende konstatiert, daß eine so weitgehende Differenz zwi¬
schen den Anträgen der beiderseitigen Regierungen und jenen des Reichskriegs¬
ministers bestehe, daß vorerst eine Einigung nicht zu erwarten stehe, und vorerst
nur erübrige, in der unmittelbar bevorstehenden Ministerkonferenz unter Ah.
Vorsitze Ah. Ortes über den Stand der Verhandlungen Bericht zu erstatten.

   Die Sitzung wurde hierauf geschlossen.
                                                                                      Kälnoky

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 6. Juni 1889. Franz Joseph.
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