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Anhang Gemeinsamer Ministerrat, 30. 10. 1887

I. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes zur Beschleunigung des Aufmarsches der Armee im Kriegsfalle gegen Rußland

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_IV/pdf/oe_hu_mrp_IV_zusatz2.pdf.

 692 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

der dem Entwürfe zuliegenden statistischen Daten verlangt, obschon durch die
vorhandenen Daten alles geklärt ist.

   Finanzminister Ritter von Dunajewski hat au. angeführt, daß die Vervoll¬
ständigung der Daten zu dem Zwecke gewünscht wurde, um eine verläßlichere
als die bisher gelieferte Grundlage für die Berechnung jener Kosten zu gewin¬
nen, welche das projektierte Versorgungsgesetz nach sich ziehen wird.

   Nach einer hierüber stattgehabten Debatte geruhten Se. Majestät den
Wunsch auszusprechen, daß die diesbezüglichen Verhandlungen bald zum Ab¬
schlüsse gelangen.

   Das Reichskriegsministerium hat im Mai d. J. die Drucklegung der neuredi¬
gierten statistischen Begründung zum Gesetzentwürfe angeordnet und im Juli
d. J. dieselbe an die beiden Landesverteidigungsministerien mit dem Ersuchen
geleitet, die Zustimmung der betreffenden Regierungen zu dem Gesetze mit
tunlichster Beschleunigung mitteilen und eröffnen zu wollen, ob das Reichs¬
kriegsministerium die Ah. Genehmigung zur verfassungsmäßigen Behandlung
dieses Gesetzes in beiden Reichshälften erbitten soll, oder ob sich die Landesver¬
teidigungsministerien die Erstattung des Gesetzes bei der Legislative der betref¬
fenden Reichshälfte Vorbehalten.

   In der Zuschrift wurde auch hervorgehoben, daß ungeachtet der Kalkül auf
breiteste Basis gestellt wurde, das Ergebnis der neuen Berechnung als ein sehr
günstiges bezeichnet werden muß, daher nunmehr weder finanzielle noch sonsti¬
ge Bedenken dem Inslebentreten des allseits so dringend erwarteten Gesetzes
entgegenstehen.

   Am 8. August d. J. hat das k. k. Ministerium für Landesverteidigung drei
Exemplare des umgearbeiteten Gesetzentwurfes samt einer Abschrift der Zu¬
schrift des Reichskriegsministeriums zur Abgabe der Wohlmeinung dem Fi¬
nanzminister Ritter von Dunajewski übersendet und ersucht, eventuelle Beden¬
ken im Ministerrate zur Sprache zu bringen, damit bei Zusammentritt der
Reichsvertretungen diese Angelegenheit dem Ziele zugeführt werden könne.

Nr. II Konferenz, Wien, 30. Oktober 1887

    RS.
    Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister der Äußern Graf Kälnoky (o. D.), der k. u. k.
gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (9. 11.), der k. u. k. gemeinsame Finanzmi¬
nister v. Källay (10. 11.), der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (10. 11.), der k. k. Ministerpräsi¬
dent Graf Taaffe (IM 1). der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski (11.11.), der k. k. Minister
für Landesverteidigung FML. Graf Welsersheimb (13. 11.), der kgl. ung. Landesverteidigungsmini¬
ster FML. Freiherr v. Fejerväry (14. 11), der k. k. Handelsminister Marquis de Bacquehem (12.11.),
der kgl. ung. Minister für öffentliche Bauten und Kommunikationen v. Baross (17.11.), der Chef
des k. u. k. Generalstabes FML. Freiherr v. Beck (17.11.), der Vorstand der Militärkanzlei Sr.
Majestät Freiherr v. Popp (o. D.), der Chef des k. u. k. Eisenbahnbureaus Obst. Ritter v. Gutten-
berg(17. 11.).
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887  693

    Protokollführer: Obstlt. v. Koller der Militärkanzlei Sr. Majestät.

    Gegenstand: Der Ausbau des Eisenbahnnetzes zur Beschleunigung des Aufmarsches der Armee
im Kriegsfälle gegen Rußland.1

   Protokoll über die unter Ah. Vorsitze Sr. k. u. k. apost. Majestät am 30.
Oktober 1887 in Wien stattgehabte Konferenz.

    Se. Majestät der Kaiser geruhen in Ag. Eröffnung der Konferenz
Ah. zu bemerken, daß der Gegenstand der heutigen Beratung allen Anwesenden
durch das hinausgegebene Memoire2 vollkommen bekannt sein werde. Aller-
höchstdieselben empfehlen die zur Besprechung gelangende Frage, als politisch
wie militärisch gleich wichtig, der besonderen Würdigung. Se. Majestät fordern
hierauf den Chef des Generalstabes Ag. auf, den Gegenstand in großen Zügen
zu beleuchten.

    Der Chef des Generalstabes FML. Baron Beck. Die Auf¬
marscharbeiten für den Kriegsfall gegen Rußland geben mir genügendeAnhalts-
punkte, um auch rücksichtlich der Eisenbahnen, welche in jedem modernen
Kriege eine große Rolle spielen werden, im bezeichneten Falle aber eine Lebens¬
frage des ganzen Aufmarsches bilden, jene Wünsche zu präzisieren, welche die
Armeeleitung für die nächsten Jahre hinsichtlich des Ausbaues und der Vervoll¬
ständigung unserer nördlichen Eisenbahnen hegt. Se. Majestät haben mir Ag.
zu gestatten geruht, die aus erwähnter Ursache in einem au. Vortrag zusammen¬
gefaßten Anträge in ein Memoire zu übertragen, welches bei der Heiklichkeit
der Frage, welche die möglichste Geheimhaltung erfordert, nur in einer sehr
beschränkten Zahl vervielfältigt wurde und von welchem alle hier anwesenden
Herren Kenntnis haben.

   Bevor ich die gestellten Anträge in großen Zügen zu begründen wage, erlaube
ich mir nur hervorzuheben, daß sich die im vorliegenden Memoire gestellten
Forderungen von den im verflossenen Winter unter dem Druck der Kriegsge¬
fahr gestellten Anforderungen sehr unterscheiden. - Die Frühjahrsarbeiten an
den Aufmarschbahnen repräsentieren große Leistungen, welche wir nicht hoch
genug anschlagen können, ebenso wie die damit verbundenen namhaften Opfer
und das der großen Sache so förderliche Entgegenkommen von seiten der beiden
Kommunikationsministerien. Aber diese Arbeiten und Herstellungen hatten
doch vorherrschend nur den Zweck, die Durchführung der gegenwärtigen
Kriegsfahrordnung zu ermöglichen und die Gefahren für den Betrieb großen¬
teils zu beseitigen; zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit selbst konnten diese
Herstellungen nur wenig beitragen. Diese wird eben erst durch die vorliegenden
Anträge beabsichtigt und mit ihr zugleich eine mögliche Sicherheit der Kriegs¬
fahrordnung, welche bei großem Zugsverkehr auf Hauptbahnen doch nur durch
Doppelspurigkeit der Bahn zu erzielen ist.

1 KA., MKSM. 20-1/9-2 ex 1887.
2 K. k. Chef des Generalstabes. Memoire betreffend den Ausbau des Eisenbahnnetzes zur

        Beschleunigung des Aufmarsches der Armee im Kriegsfälle gegen Rußland. Wien, im August
        1887, KA., MKSM., Separatfaszikeln, Fase. 69, Nr. 12.
<pb/>694 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

   Die Schwierigkeiten unseres Aufmarsches sind so oft schon hervorgehoben
worden, daß ich mich wohl nur auf wenige Andeutungen beschränken darf; vor
sechs Jahren noch war der Aufmarsch beinahe ausschließlich auf die Nordbahn
und Karl-Ludwig-Bahn beschränkt, weil den damals bestandenen zwei Karpa¬
tenbahnen nur eine minimale Leistungsfähigkeit zuerkannt werden konnte. Die
Gefahren dieses Aufmarsches von einem Flügel, nahe der Grenze, die leichte
Unterbrechung etc. waren zu einleuchtend, um nicht alles aufzubieten, dieselben
abzuwenden, um künftighin möglichst senkrecht auf die Aufmarschlinie, d. i.
aus dem Zentrum von Ungarn in den Mittelraum von Galizien zu gelangen.3

   Zwei Momente sind es hauptsächlich, welche ungeachtet alles dessen, was seit
den letzten Jahren im Eisenbahnwesen geschehen, unseren Aufmarsch so sehr
beeinflussen:

   1. die Stärke der russischen Truppen in den an unsere Monarchie angrenzen¬
den Länderteilen und

   2. der schwierige Verkehr auf unseren Karpatenbahnen.
   ad 1. Ich sehe von den mehr gegen Deutschland bestimmten Truppen im
Wilnaer Gouvernement ganz ab und betrachte und vergleiche nur die Truppen
im Warschauer und Kiewer Gouvernement. Es liegen daselbst gegenwärtig
schon fünf Armeekorps, zwölf Infanteriedivisionen, siebeneinhalb Kavalleriedi¬
visionen - inklusive der aus dem Moskauer Militärbezirke verlegt werdenden
13. Kavalleriedivision -, dann drei Schützen- und zwei Sappeurbrigaden oder
229 Infanterie- und Schützenbataillone, 182 Eskadrons und 93 Batterien. Unse¬
re Friedensgamisonen sind dagegen in Galizien und in der Bukowina sehr
schwach.
   Noch deutlicher sprechen folgende Ziffern:
   Im Gouvernement Warschau und Kiew stehen: 102 000 Mann Infanterie,
27 000 Reiter und 616 bespannte Geschütze.
   Die Ziffern unserer Truppen verschwinden dagegen.
   In diesen Zahlen liegt die große Gefahr. Wir können die Truppen in Galizien
nur geringfügig vermehren: Mangel an Unterkünften, Schwierigkeit der Ausbil¬
dung bei der kurzen Dienstzeit, endlich unsere auf dem Territorialprinzip basie¬
rende Mobilisierung machen es unmöglich, ohne große Nachteile und große
Kosten den Truppenstand wesentlich zu erhöhen. Nur in der Sicherheit, mög¬
lichst rasch und ungefährdet viele Truppen nach Galizien zu bringen, kann die
teilweise Abhilfe gegen das Mißverhältnis gefunden werden.
   ad 2. Damit komme ich auf den zweiten Punkt, auf die ungenügende Lei¬
stungsfähigkeit unserer Gebirgsbahnen, auf die Gefährlichkeit des Betriebes,
auf die unvermeidlichen Stockungen, welche sich auf eingleisigen Bahnen sofort
auf die ganze Transportlinie ausdehnen, auf die ungenügende Zahl von Maschi¬
nen, von welchen den Aufmarschbahnen im Kriegsfälle gegen Rußland allein
459 Maschinen aus dem Innern der Monarchie zugeschoben werden müssen, auf

3 Protokoll des am 4. Februar 1883 unter Ah. Vorsitze Sr. k. u. k. apost. Majestät in der
       Hofburg zu Wien abgehaltenen gemeinsamen Ministerrates über mehrere Fragen militäri¬
       schen Inhaltes, KA., MKSM. 20-1/6-4 von 1883.
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887  695

den Mangel an Betriebspersonal, Maschinenführern usw. Die Details hierüber
wird Oberst von Guttenberg besprechen, welcher übrigens durch eine erst
kürzlich bewirkte Bereisung der russischen Eisenbahnen in der Lage ist, auch
über deren Zustand und Erweiterung Auskunft zu geben.

   Wenn auch die gegenwärtige Zeitperiode den Anschein hat, daß in Rußland
militärischerseits vollständige Ruhe herrsche, so bitte ich dem entgegen mir zu
glauben, daß die Rüstungen und Vorbereitungen für den Krieg in unveränderter
Weise in den westrussischen Gouvernements fortgesetzt werden und daß sich
dieselben aus den hohen Präsenzständen der daselbst bereits garnisonierenden
Truppenmassen, den vermehrten Magazinen und Vorräten, den mit allen Mit¬
teln beschleunigten Festungsbauten und den Arbeiten an den Eisenbahnen
erkennen lassen. Die TruppenverSchiebungen dauern, wenn auch im kleinen,
fort. Laut Konfidentenberichten wurde erst in jüngster Zeit wieder ein fliegender
Munitionspark von Kiew gegen Lublin in Marsch gesetzt.

   Wir können diesen Gefahren nur durch einen möglichst raschen Aufmarsch
begegnen, um wenigstens vor dem Eintritte der vollständigen Operationsbereit¬
schaft der russischen Armee das numerische Gleichgewicht auf kurze Zeit zu
erlangen und um vor allem hintanzuhalten, daß die russische Kavallerie in
Galizien in Massen einbricht und unseren Aufmarsch dortselbst, wenn nicht
unmöglich macht, doch sehr erschwert. Es ist vielleicht möglich, daß uns die
rechtzeitige Organisation des galizischen Landsturmes einige Vorteile gewährt.
Hauptsache bleibt es aber doch, daß die Bahnen es möglich machen, in der
kürzesten Zeit unsere gesamte Kavallerie und Teile der übrigen Truppen aschon
in den ersten Tagen der Mobilisierung3 in den Aufmarschraum zu bringen.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen hierauf den Oberst von Gutten¬
berg zu beauftragen, den Gegenstand en Detail zu besprechen.

   Obst. v. Guttenberg. Vide Beilage (von I bis I) Seite 1 bis 15.
   Se. Majestät bestimmen hierauf Ag., daß zur Besprechung der einzel¬
nen Linien übergegangen werden möge, und bringen die Linie Budapest-Lup-
köw-Przemysl zur Beratung.
   Obst. v. Guttenberg. Vide Beilage Seite 15 bis 17 (von II bis II).

   Minister v. Baross führt aus, daß das Doppelgleis auf der Teilstrek-
ke Aszöd-Hatvan im Jahre 1888 zur Ausführung gelangen werde, man überdies
die Absicht habe, bezüglich Ausdehnung der Doppelspur von Hatvan bis Mis¬
kolc die nötigen Vorstudien zu machen. Außerdem werde die ungarische Regie¬
rung sich bemühen, über die Details der auf der Linie Miskolc-Mezölaborc
auszuführenden Neuherstellungen genaue Orientierung zu gewinnen. Ehe in der
besprochenen Frage eine Entscheidung getroffen werden kann, sei es vor allem
notwendig, über die Wichtigkeit der im Memoire beantragten neuen Linien und

Ergänzungsbauten vollkommen im klaren zu sein. Was speziell die Linie Büda-
pest-Miskolc-Lupköw-Przemysl anbelangt, so bestehe bezüglich der Wichtig¬
keit der verschiedenen Teilstrecken dieser Aufmarschlinie eine Differenz zwi-

a-a Einfügung Becks.
<pb/>696 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

sehen den Anschauungen der Kriegsverwaltung und seinen eigenen. Redner
betont, daß er zwar den ganzen Aufmarschkalkül nicht kenne, er aber von der
Ansicht ausgehen müsse, daß die Teilstrecke Budapest-Miskolc für den Auf¬
marsch größere Bedeutung besitze als Miskolc-Lupkow.

   Se. Exzellenz denkt sich nämlich den Aufmarsch von dem Zentrum Budapest
nach Mittelgalizien auf zwei großen Linien, welche von Budapest bis Miskolc
zusammen laufen, dann aber sich teilen, indem die eine Linie die Richtung
Szerencs-Legenymihäly-Lupköw-Przemysl, die andere jedoch die Richtung
Kaschau-Abos-Eperies-Leluchöw-Tarnöw (respektive Rzeszöw) einschlägt.

   Dementsprechend müßte daher die Teilstrecke Budapest-Miskolc, um beide
Aufmarschlinien speisen zu können, doppelgleisig hergestellt werden. Auf der
Strecke Miskolc-Mezölaborc und Abos-Leluchöw könnte man sich dagegen
behufs Hebung ihrer Leistungsfähigkeit mit einigen Ergänzungsbauten begnü¬
gen. Der Ausbau des Doppelgleises auf der ganzen 391 Kilometer langen Linie
Budapest-Mezölaborc würde - die doppelgleisige Strecke Budapest-Aszöd (53
Kilometer) abgerechnet - mindestens 7 Millionen Gulden kosten. Zu diesen
Kosten wären aber noch die Kosten für die Stationserweiterungen und neuen
Betriebseinrichtungen hinzuzurechnen. Würde man sich dagegen darauf be¬
schränken, das Doppelgleis nur von Aszöd bis Miskolc zu legen, was zirka
2 500 000 fl. ausmachen dürfte, und auf der Strecke Miskolc-Mezölaborc drei¬
vier Ausweichen herzustellen, was zirka 200 000 fl. kosten dürfte, so könnte die
ganze Aufmarschlinie Budapest-Lupköw - inklusive der Kosten der Erweite¬
rung einiger Stationen - mit 3 Millionen Gulden zu einer ganz leistungsfähigen
und den militärischen Forderungen entsprechenden adaptiert werden. Dabei
käme aber auch noch der zweite große Vorteil in Betracht, daß die Teilstrecke
Budapest-Miskolc imstande wäre, auch die Aufmarschlinie Miskolc-Ka-
schau-Leluchow etc. vollkommen zu speisen. Redner führt schließlich noch an,
daß die ungarische Regierung die große Bedeutung der Eisenbahnen für die
rasche Mobilisierung und Konzentrierung der Armee vollkommen würdige und
auf den Ausbau des Eisenbahnnetzes den größten Wert lege; nur glaube sie, daß
die Vervollständigung des Bahnnetzes allein das Mißverhältnis gegenüber Ru߬
land nicht ausgleichen könne und nur im Verein mit anderen Verfügungen das
angestrebte Ziel zu erreichen sei.4

   Die ungarische Regierung sei seit Jahren bestrebt, den Wünschen der Kriegs¬
verwaltung bezüglich der Eisenbahnen entgegenzukommen, und habe bereits
große Opfer gebracht. Nun es sich um neue Opfer handelt, müsse wohl erwogen
werden, ob das von der Kriegsverwaltung angestrebte Ziel sich nicht auf einfa¬
chere und wenig kostspieligere Weise erreichen lasse. Se. Exzellenz rekapituliert
seine Anträge bezüglich der Linie Budapest-Lupköw und plädiert für deren
Annahme.

   Obst. v. Guttenberg erlaubt sich zu bemerken, daß Se. Exzellenz
der ungarische Kommunikationsminister von einer nicht ganz zutreffenden

4 Vgl. 29/MT. Ung.MR. v. 25. 10. 1887. 3. In Angelegenheit der aus strategischer Hinsicht
       erwünschten Ergänzung des Eisenbahnnetzes, OL., K. 27, Karton 43.
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887      697

Voraussetzung ausgegangen sei. Die Linie Abos-Leluchow-Tarnöw sei in voll¬
stem Maße beim Aufmärsche in Anspruch genommen, indem selbe einen inte¬
grierenden Teil der Aufmarschlinie Preßburg-Sillein-Ruttka-Abos-Lelu-
chöw-Neusandez-Gryböw-Zagorz-Przemysl bildet. Die von Sr. Exzellenz vor¬
geschlagene Aufmarschlinie Budapest-Miskolc-Kaschau-Abos-Leluchöw etc.
sei allerdings kürzer als die vorgenannte, doch müsse in Erwägung gezogen
werden, daß die im westlichen Ungarn mobilisierten Truppen eine eigene Auf¬
marschlinie bedürfen und nicht über Budapest instradiert werden können. -
Was die Anträge Sr. Exzellenz bezüglich der Linie Budapest-Miskolc-Sze-
rencs-Mezölaborc etc. betrifft, so könnte die Kriegsverwaltung daraus keinen
Gewinn für die Besserung der Aufmarschverhältnisse ableiten. Das beantragte
Doppelgleis Budapest-Miskolc wäre nahezu wertlos, wenn es nicht auch auf die
Fortsetzungsstrecke Miskolc-Mezölaborc ausgedehnt werden könnte. Würde
die Strecke Budapest-Miskolc doppelgleisig hergestellt, die Leistungsfähigkeit
der Linie Miskolc-Mezölaborc aber nur durch Einschaltung von Ausweichen
erhöht werden, so betrüge der ganze Gewinn für die gesamte Aufmarschlinie
zwei Züge per Tag. Die Linie Budapest-Miskolc würde zur Hälfte brachliegen,
da von ihr nur 16 Züge auf die eingleisige Strecke Miskolc-Mezölaborc hinüber¬
geleitet werden könnten und eine Speisung der Linie Miskolc-Kaschau-Abos
keinen Vorteil brächte, weil wie schon erwähnt, in Abos die Züge der Auf¬
marschlinie Preßburg-Sillein-Abos-Leluchow etc. auf die Linie Abos-Lelu-
chöw etc. übergehen. Alle von Budapest über Miskolc und Kaschau nach Abos
instradierten Transporte müßten daher in Abos auswaggoniert und mittels
Fußmärschen15 über die Karpaten nach Galizien dirigiert werden.

   Die Kriegsverwaltung betrachtet im Gegensatz zu der von Sr. Exzellenz dem
ung. Kommunikationsminister zum Ausdrucke gebrachten Ansicht die Teil¬
strecke Miskolc-Mezölaborc als die weitaus wichtigere und muß ausdrücklich
betonen, daß in dem Falle, als die ungarische Regierung nicht in der Lage wäre,
die ganze Linie Budapest-Mezölaborc doppelgleisig herzustellen, vor allem das
Doppelgleis auf der Strecke Miskolc-Mezölaborc oder wenigstens von Legeny-
mihäly bis Mezölaborc zu legen wäre. Die Linie Budapest-Legenymihäly führt,
die kurze Strecke nächst Gödöllö ausgenommen, fast durchwegs in der Ebene
und hat die günstigsten Betriebsverhältnisse. Die schwierigere Strecke beginnt
erst in Legenymihäly. Es ist daher naturgemäß, das in erster Linie für die am
wenigsten leistungsfähige und für den Betrieb minder günstige Strecke etwas
getan werde. Wäre die Linie Legenymihäly-Mezölaborc (und dadurch die ganze
Strecke bis Przemysl) doppelgleisig, so könnte diese auf eine Leistungsfähigkeit
von 24 fünfzigachsigen Doppelzügen in jeder Richtung und per Tag gebrachte
Strecke durch die 16 hundertachsigen Züge der Linie Budapest-Legenymihäly
und durch weitere Züge auf den Hilfslinien Hatvan-Fülek-Miskolc-Legenymi-
häly und Budapest-Szolnok-Nyiregyhäza-Szerencs (letzere Linie bildet wohl
einen Teil der Aufmarschlinie Budapest-Nyiregyhäza-Csap-Munkäcs-Lem-

b Streichung Guttenbergs bzw. per Wagen.
<pb/>698 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

berg, `welche aber durch die Hilfslinie Debreczin-Kirälyhäza-Bätyu teilweise
gespeist werden kannc) alimentiert werden.

   Minister v. Baross führt an, er habe die Ausführung des Doppel¬
gleises auf der Strecke Budapest-Miskolc nur in der Voraussetzung vorgeschla-
gen, daß von Miskolc an eine Teilung des Verkehrs, einerseits in die Richtung
Szerencs-Legenymihäly-Lupköw, andererseits in der Richtung Kaschau-Or-
lö-Tarnöw stattfinden könne. Se. Exzellenz sieht in der beabsichtigten Teilung
des Verkehrs nur einen Vorteil für den Aufmarsch, denn selbst nach bewirkter
Legung des Doppelgleises auf der I. ungarisch-galizischen Bahn würden die
Betriebsverhältnisse schwierige bleiben. Die Bahn habe Steigungen von 25
Promille, und die von den Anschlußbahnen kommenden hundertachsigen Züge
müssen immer in je zwei fünfzigachsige geteilt werden.

   Obst. v. Guttenberg erlaubt sich hierauf zu bemerken, daß der Kal¬
kül Sr. Exzellenz vollkommen richtig wäre, wenn die Möglichkeit bestünde, von
der Linie Budapest-Miskolc aus auch die Linie Miskolc-Kaschau-Abos-Lelu-
chow-Tamöw zu speisen. Dies sei jedoch, wie schon früher nachgewiesen, nicht
tunlich. Redner hebt nochmals hervor, wie umso wichtiger die Strecke Legeny-
mihäly-Mezölaborc im Vergleich zur Linie Budapest-Miskolc sei, und erklärt,
die Kriegsverwaltung würde um den Preis des Doppelgleises auf der I. unga¬
risch-galizischen Bahn andere beantragte sehr wichtige Linien, z. B. die Grantal-
Bahn, zum Opfer bringen. Obst. Guttenberg bemerkt weiters, daß die Betriebs¬
verhältnisse auf der I. ungarisch-galizischen Bahn dauf ungarischem Gebieted
nicht so ungünstige sind, wie dies Se. Exzellenz Minister von Baross berührt hat.
Man könne ohne Anstand mit 100 Achsen bis Mezölaborc fahren, und erst von
dort aus müssen die Züge geteilt werden. Einige Schwierigkeiten bestünden
allerdings auch am Beginn der Linie nächst Terebes, weil seinerzeit die Trasse,
statt im Tale weiterzuführen, künstlich abgelenkt wurde.

   Minister Baross bemerkt, daß er von seiner Anschauung, die Auftei¬
lung des Verkehrs auf zwei getrennte Linien biete große Vorteile, nicht zurück¬
kommen könne. Se. Exzellenz führt auch an, daß die ungarische Regierung mit
edem Kriegsminister betreff der bereits besprochenen Ausweichen auf der I.
ungarisch-galizischen Bahn6 bereits in Verhandlung getreten sei.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen Ag. zu bemerken, es bestehe bezüg¬
lich der Linie Budapest-Lupköw die Meinungsverschiedenheit darin, daß die
Kriegsverwaltung die Strecke Miskolc- bzw. Legenymihäly-Mezölaborc, die
ungarische Regierung dagegen die Linie Budapest-Miskolc für die wichtigere
halte. Allerhöchstdieselben glauben, daß der Bau des Doppelgleises auf der
Linie Legenymihäly-Mezölaborc nicht viel mehr kosten würde als auf der
Strecke Aszöd-Miskolc, und geben es dem Minister v. Baross zu erwägen, ob

c`c Korrektur Guttenbergs aus ist aber nur mit 15 Zügen in Anspruch genommen, während jetzt
        schon 22 verkehren können.

d&quot;d Einfügung Guttenbergs.
e&#39;e Einfügung von Minister Baross.
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887  699

die militärischen Wünsche in dieser Richtung nicht berücksichtigt werden könn¬
ten.

    Minister Baross erlaubt sich anzuführen, daß die Strecke Aszöd-Mis-
kolc 132 Kilometer, jene Miskolc-Mezölaborc aber 206 Kilometer, die Linie
Legenymihäly-Mezölaborc allein 106 Kilometer lang sei, und gibt der Ansicht
Ausdruck, daß die sogenannte untere Strecke viel billiger herzustellen sei als die
obere.

    Se. Majestät der Kaiser leiten nun die Diskussion auf die Linie
Jaslo-Rzeszow.

    Obst. v. Guttenberg. Vide Beilage Seite 17 bis 18 (von III bis III).
    Minister Marquis Bacquehem. Bezüglich der Linie Jaslo-Rze-
szöw wurden im vertraulichen Wege Erhebungen gepflogen. Die Baukosten der
zirka 71 Kilometer langen Linie würden approximativ 5 200 000 fl. betragen.
Als Bauzeit müßten zwei Jahre angenommen werden. Im Vergleich zu der in
kaum acht Monaten fertiggestellten Lokalbahn Debica-Rozwadow erscheint
die Bauzeit vielleicht zu lang angenommen. Es muß jedoch bemerkt werden, daß
für die letztgenannte Linie bereits eingehendere Vorstudien getroffen waren, für
die Linie Jaslo-Rzeszöw aber bisher keine Projekte verfaßt wurden, überdies
größere Terrainschwierigkeiten zu überwinden sind. So sehr die Regierung die
militärische Wichtigkeit dieser Linie würdigt, so muß sie doch andererseits auch
hervorheben, daß die erwähnte Bahn auf das finanzielle Ergebnis der nordöstli¬
chen Staatsbahnen einen nichts weniger als günstigen Einfluß nehmen würde.
Die im Memoire angedeutete Möglichkeit, die Privatunternehmer für den Bahn¬
bau zu interessieren, trifft nicht ganz zu. Bei der geringen Ertragsfähigkeit der
projektierten Linie ist kaum anzunehmen, daß sich ein ernster Bewerber fände,
welcher ohne Staatsgarantie oder namhafte Subvention die Bahn ins Leben
rufen würde. Abgesehen davon müßte aber für den Staatsbau, weil zeitgemäßer
und billiger, plädiert werden.
   Se. Majestät der Kaiser bringen hierauf Ag. die Linie Oderberg-
Oswi^cim-Podgorze (Doppelgleis) zur Besprechung.

   Obst. v. Guttenberg. Vide Beilage Seite 18 und 19 (von IV bis IV).
Sollte es absolut nicht möglich sein, die ganze Strecke Oderberg-Podgorze in
nächster Zeit doppelgleisig herzustellen, so könnte vielleicht wenigstens die
wichtigste Strecke Oswi§cim-Podgorze die Doppelspur erhalten, damit die in
Oswi^cim anlangenden 35 Züge der Nordbahn - bei Vermeidung der gefährde¬
ten Linie über Trzebinia - bis Krakau gebracht werden können.

   Unerlässig notwendig ist aber das Doppelgleis auf der zwei Verkehrsrelatio¬
nen dienenden Strecke Skawina-Podgorze (15 Kilometer).

   Se. Majestät geruhen Ag. zu fragen, weshalb die Nordbahn das Dop¬
pelgleis nur bis Oderberg ausgebaut habe.

   Minister Marquis Bacquehem erlaubt sich anzuführen, daß gele¬
gentlich der Verhandlungen der Regierung mit der Nordbahn wegen des neuen
Übereinkommens einmal auch die Forderung auf Legung des zweiten Gleises
bis Oswi?cim gestellt, diese Forderung aber später fallengelassen wurde, weil das
<pb/>700 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

Zustandekommen der sogenannten mährisch-schlesischen Städtebahn wichtiger
erschien.

   FML. Baron Beck bemerkt hiezu, daß die Nordbahn kein besonde¬
res Interesse und kein Bedürfnis habe, das Doppelgleis über Oderberg hinaus
zu verlängern, da ihr großer Verkehr in der Richtung von und nach Wien erst
in Oderberg - dem Einmündungspunkte der schlesischen Bahnen - aufhört bzw.
beginnt. Se. Exzellenz plädiert hierauf auf das wärmste für die Anlage des
Doppelgleises wenigstens zwischen Oswiqcim und Podgorze und bemerkt, der
k. k. Handelsminister habe sich erbötig gemacht, im Jahr 1888 die Teilstrecke
Skawina-Podgorze doppelgleisig herzustellen.

   Minister Marquis Bacquehem bestätigt, daß im Budget pro 1888
für das Doppelgleis in der Strecke Skawina-Podgorze 400 000 fl. eingestellt
erscheinen. Das Doppelgleise auf der Linie Oswiqcim-Skawina würde weitere
11/2 Millionen, das zweite Gleis von Oderberg nach Oswiqcim 2 840 000 fl.
kosten. Se. Exzellenz anerkennt die Notwendigkeit des zweiten Gleises auf der
Linie Oswiqcim-Podgorze und Oderberg-Oswiqcim. Was erstgenannte Linie
betrifft, dürften die Kosten in nächster Zeit nicht aufbringbar sein. Was die
zweite Linie anbelangt, so wäre die Nordbahn zweifellos in der Lage, das
Doppelgleis herzustellen; leider ist der günstige Moment versäumt, wo die
Nordbahn dazu gezwungen werden könnte. Es erscheint sehr fraglich, ob diese
Bahn freiwillig und ohne eine Kompensation zu verlangen, auf diese Forderung
eingehen wird. Vielleicht wird sie die Inbetriebnahme von einigen dem Staate
gehörenden Linien verlangen. Übrigens stößt die Anlage eines zweiten Gleises
zwischen Oderberg und Oswiqcim auch auf bauliche Schwierigkeiten (z. B. die
Seibersdorfer Schleife).

   Se. Majestät geruhen Ag. zu bemerken, es sei von der Nordbahn viel¬
leicht doch ein Entgegenkommen zu erwarten; sie habe ja auch die Bereitwillig¬
keit gezeigt, die Strecke Wadowice-Kalavarya zu bauen, ohne eine Kompensa¬
tion zu verlangen.

   FML. Baron Beck hebt hervor, wie wichtig es für den ungestörten
Aufmarsch sei, die in Oswiqcim anlangenden 35 Züge der Nordbahn weiter bis
Krakau zu führen, ohne auf die von den Russen sehr gefährdete Linie Oswiq-
cim-Trzebinia-Krakau angewiesen zu sein.

   Se. Exzellenz vergleicht die beiden Linien Oderberg-Oswi?cim und Oswi?-
cim-Podgorze miteinander und bemerkt, daß beide Linien, trotzdem beide
eingleisig sind, doch eine sehr verschiedene Leistungsfähigkeit besitzen.. Die
erstgenannte Linie sei eine Bahn ersten Ranges mit eng aneinander gereihten
Stationen, weitläufigen, einem großen Verkehr genügenden Gleisanlagen und
Betriebseinrichtungen in den Stationen, die zweite Linie aber eine Bahn zweiten
Ranges mit sehr bescheidenen Betriebsanlagen. Trotz der Vorzüge der Linie
Oderberg-Oswiqcim sei aber auch diese nicht imstande, die in Oderberg einlan¬
genden 55 Züge der Hauptbahn Wien-Oderberg weiterzuführen. Dermalen
stünden zwar für den Aufmarsch einige Bahnen in Preußisch-Schlesien zur
Verfügung, auf welche im Notfall ein Teil der in Oderberg ankommenden Züge
hinübergelenkt werden könnte, doch sei auf diese Aushilfe nicht unter allen
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887  701

Verhältnissen zu rechnen. Redner führt weiters aus, daß sich die Verhältnisse
auch nach Fertigstellung der mährisch-schlesischen Städtebahn (Kojetein-Hul-

lein--Meseritsch--Friedek--Teschen--Bielitz--Kalavarya) nicht viel bessern wer¬
den. Diese Bahn habe eine sehr ungünstige Trasse und schwierige Betriebsver¬
hältnisse.

    Se. Exzellenz betonen schließlich noch einmal, daß die Legung des zweiten
Gleises auf der Linie Oderberg-Oswi^cim höchst erwünscht, auf der Strecke
Oswi^cim--Skawina dringend notwendig und auf der Strecke Skawina--Podgor-
ze unaufschiebbar sei.

    Obst. v. Guttenberg führt aus, daß die relativ geringe Leistungsfä¬
higkeit der Linie Oswiqcim-Podgorze in der zu großen Entfernung der Stationen
voneinander und der ungenügenden Stationseinrichtung liege. &#39;Die Bahn seif nur
für einen Maximalverkehr von 18 hundertachsigen Zügen per Tag und in jeder
Richtung eingerichtet worden; grichtig gestellt.8

    Dermalen haben die einzelnen Zwischenstationen nur je drei Gleise. Wolle
man nun die Leistungsfähigkeit der Linie bis auf 34 Züge erhöhen, so müsse
zwischen je zwei Stationen eine neue Station eingeschoben und es müssen in
allen Stationen vierte Gleise angelegt werden. Diese Arbeiten dürften nicht viel
weniger kosten als die ganze Doppelspur. Schließlich erwähnt Obst, von Gut¬
tenberg, daß die genannte Linie im breiten Weichseltal geführt sei und bei
Anlage des zweiten Gleises gar keine Terrainschwierigkeiten zu überwinden
wären.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen nun auf die Grantal-Bahn über¬
zugehen und die projektierte Linie Popräd-Orlö der Besprechung zuzuführen.

   Obst. v. Guttenberg. Vide Beilage Seite 19 und 20 (von V bis V).
Redner führt noch weiters aus, daß es auch notwendig sei, die Leistungsfähig¬
keit der Kaschau-Oderberger Bahn zwischen Sillein und Abos von 14 auf 15
Züge zu erhöhen, da dermalen von den 14 Zügen drei Fakultativzüge sind und
je ein Zug für den Personenverkehr und für den Verpflegstransport reserviert
sind; es bleiben daher nur neun Züge für den Aufmarsch. Ein Zug mehr per Tag
ergibt aber in 14 Tagen eine Mehrleistung von 14 beförderten Bataillonen, was
gewiß nicht zu unterschätzen ist. Wenn die Linie Popräd-Orlö nicht gebaut
werden würde, so müßten zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Kaschau-
Oderberger Bahn fünf Ausweichen, darunter drei unter sehr schwierigen Ver¬
hältnissen, hergestellt werden.

   Minister v. Baross spricht sich gegen den Bau der Grantal-Bahn
und der Linie Popräd-Orlö aus und stellt für die projektierten zwei Linien
folgende Baukosten auf.

   Umwandlung der Lokalbahn Gran-Nana-Leva in eine Hauptbahn
150 000 fl., Fortsetzung dieser Bahn von Leva in der Richtung Garamberzence
per Kilometer 65 000 fl., macht für 52 Kilometer=3 400 000 fl., in Summa also

f&quot;f Korrektur Guttenbergs aus Ursprünglich sei die Bahn.
8-8 Korrektur Guttenbergs aus nach und nach habe man die Leistungsfähigkeit bis auf 22 Züge

        gesteigert.
<pb/>702 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

3 550 000 fl. Die Linie Popräd-Orlö mit 63 Kilometer würde zirka 5 300 000 fl.
kosten.

   Es wären daher im ganzen rund 10 Millionen Gulden auszugeben, um die
Aufmarschlinie Budapest-Gran-Nana-Ruttka-Popräd-Orlö etc. nach dem
Wunsche der Kriegsverwaltung einzurichten.

   Redner kommt wieder auf die Vorteile einer Aufmarschlinie Budapest-Mis-
kolc-Kaschau-Orlo etc. zurück, betont, daß die Grantal-Linie auch aus ver¬
kehrspolitischen Gründen nicht zu empfehlen sei, indem es der Öster.-Ung.
Staatseisenbahngesellschaft gelingen könnte, in das Verkehrsgebiet der Ung.
Staatsbahnen einzudringen und den Verkehr von Budapest abzulenken, und
bemerkt schließlich, daß die von Oberst von Guttenberg beantragten fünf
Ausweichen zirka 250 000 fl. kosten würden.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen nun die Frage der Anlage des
zweiten Gleises auf der Linie Krakau-Lemberg der Beratung zuzuführen.

   Obst. v. Guttenberg. Vide Beilage Seite 20 und 21 (von VI bis VI).
Redner führt weiter aus, daß die Herstellung des Doppelgleises auf der Linie
Krakau-Lemberg umso notwendiger erscheint, als diese Bahn nach bewirktem
Aufmärsche eine überaus wichtige und dem größten Verkehre dienliche Trans¬
versalbahn bildet. Dermalen können von den mittels Nordbahnen und k. k.
Staatsbahnen nach Krakau gebrachten Zügen kaum zwei Drittel nach Osten
weiterbefördert werden. Die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Karl-
Ludwig-Bahn, wenigstens vorerst in der Strecke Krakau-Tamow, von 30 auf
48 Züge ist daher dringendst geboten.

   Minister Marquis Bacquehem. Die Herstellung des zweiten Glei¬
ses in der Strecke Krakau-Tamöw würde 3 620 000 fl., in der Strecke Tarnow--
Lemberg 10 850 000 fl. kosten. Es scheint ganz ausgeschlossen, daß die Karl-
Ludwig-Bahn ohne der ausgiebigsten Staatshilfe imstande und willens wäre,
diese Herstellungen zu bewirken. Für die Regierung gäbe es nur zwei Wege, um
den Forderungen der KriegsVerwaltung zu entsprechen: 1. Entweder sie läßt auf
Staatskosten das zweite Gleis aus strategischen Rücksichten hersteilen oder sie
stellt der Karl-Ludwig-Bahn das nötige Geld zur Verfügung, was in bezug der
Belastung des Staatsschatzes dasselbe bedeutet. Hiezu kämen aber noch die
fortlaufenden Kosten der Erhaltung der neuen Anlage durch den Staat. 2. Der
Staat bewilligt der Karl-Ludwig-Bahn eine bezüglich der normalen Verzinsung
garantierte Investierungsanleihe, analog der der I. ung.-galizischen Bahn gestat¬
teten.

   Im ersten Falle würde der Staat unerschwingliche Opfer zu bringen haben,
und im anderen Falle würde die Regierung im Parlamente bei den Linken und
bei den Polen auf die hartnäckigste Opposition stoßen. Man würde sofort
wieder die Frage der Verstaatlichung der Karl-Ludwig-Bahn aufrollen und
speziell die Polen würden sich auf die alljährlich vom galizischen Landtag
gefaßte Resolution bezüglich Verstaatlichung dieser Bahn berufen.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen hierauf die Notwendigkeit der
Überbrückung der Donau bei Komorn oder Preßburg hervorzuheben und
die mißlichen Verhältnisse des 5. Korps zu beleuchten, welches durch die Donau
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887  703

in zwei Gruppen geteilt ist, die ihre Vereinigung nur über Wien oder Budapest
bewerkstelligen können.

   Minister v. Baross erlaubt sich anzuführen, daß die ung. Regierung
die volle Berechtigung dieser Forderung würdige.5 Eine Brücke bei Komorn
würde allein zirka 2 Millionen, die etwa 30 Kilometer lange Bahnverbindung
Ujszöny-Neuhäusel 1 500 000 fl. kosten. Brücke und Bahn müßten vom Staat
erbaut und betrieben werden, wozu auch verkehrspolitische Rücksichten nöti¬
gen würden. Die Brücke könnte gleichzeitig dem Eisenbahn- und Straßenver¬
kehr dienen. Was die Brücke bei Preßburg anbelangt, so ist die Frage bereits
in ein vorgeschritteneres Stadium getreten. Die Bewerber um die Konzession der
Eisenbahn Parndorf-Preßburg einerseits, die Stadt Preßburg anderseits wollen
eine Lösung der Frage im günstigen Sinne herbeiführen. Am 16. November d. J.
werden die Interessenten mit der Regierung über diese Angelegenheit beraten.

   Se. Majestät der Kaiser bringen nun Ag. die Frage bezüglich der
projektierten neuen Karpatenbahn von Märamarossziget nach Stanislau zur
Besprechung.

   Obst. v. Guttenberg. Vide Beilage Seite 23 und 24 (von VII bis
VII). Redner erörtert noch die Frage, ob es sich empfehlen würde, statt der
angetragenen neuen Karpatenlinie auf der Beskidenbahn das Doppelgleis her¬
zustellen, und kommt zu dem Schlüsse, daß eine neue Linie zweckentsprechen¬
der sein dürfte.

   Minister Marquis Bacquehem. Die Kosten der auf galizischem
Boden befindlichen Teilstrecke der beantragtenten Linie würden sich auf zirka
9 600 000 fl. belaufen. Se. Exzellenz bemerkt weiter, daß der Bau dieser Linie
ein schwieriger zu nennen wäre, bisher für dieselbe noch nie eine Vorkonzession
erbeten wurde, daher die Kosten auch weit größer sein könnten als die auf
Grund einer Rekognoszierung der wahrscheinlichen Trasse berechneten, führt
ferner an, daß die Bauzeit mit zirka drei Jahren berechnet wurde, und bringt
schließlich zur Ah. Kenntnis, daß die Realisierung des Bahnprojektes nur
schädigend auf die Prosperität der galizischen Staatsbahnen wirken würde.

   Minister v. Baross. Die Kosten der auf ungarisches Gebiet fallen¬
den 91 Kilometer langen Teilstrecke würden sich ä Kilometer auf 110 000 fl.,
in Summa auf 11 Millionen Gulden stellen. Die Bahn würde durchaus schwieri¬
ges Terrain durchziehen. Se. Exzellenz würdigt die strategische Bedeutung der
projektierten Linie, bemerkt aber, daß vom rein volkswirtschaftlichen und
verkehrspolitischen Standpunkte eine andere Karpatenlinie, etwa in der Rich¬
tung auf Kimpolung vorzuziehen wäre. Redner führt sodann an, daß in jüngster
Zeit eine Vorkonzession für eine Vizinalbahn Märamarossziget-Bocskö erteilt
wurde, welche wohl als Teilstrecke der beantragten neuen Aufmarschlinie zu
betrachten wäre, welche aber nur bescheidenen Zwecken dienen könnte. Für die
Fortsetzung dieser Lokalbahn, gegen die galizische Grenze zu, existieren nicht
[die] geringsten Aussichten. Minister von Baross spricht schließlich die Ansicht

5 Siehe Anm. 4.
<pb/>704 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

aus, daß die Anlage eines zweiten Gleises auf der Beskidenbahn bei weitem nicht
soviel kosten würde als eine neue Karpatenlinie.

   Se. Majestät geruhen hierauf Ag. zu bemerken, daß im Zusammen¬
hang mit der neuen Karpatenlinie auch die Verbindungsbahn aus dem nördli¬
chen Siebenbürgen in der Richtung gegen Szatmärnemeti zu besprechen wäre.

   Minister v. Baross erlaubt sich zur Ah. Kenntnis zu bringen, daß
die ungarische Regierung sich mit der Kriegsverwaltung dahin geeinigt habe,
die gewünschte Bahn von Des nach Zilah, im Anschlüsse an die Szilägysäger
Eisenbahn Nagykäroly-Zilah, zu führen. Während die Linie Apahida-Des
schon längere Zeit fertig ist und die Szilägysäger Bahn sich in der Bauausfüh¬
rung befindet, konnte bisher für die Verbindungslinie Des-Zilah nur die Vor¬
konzession erteilt werden. Ihre Baukosten sind mit 3 Millionen Gulden berech¬
net. Die Interessenten verlangen nun, daß der Staat sich an der Finanzierung
der zu bauenden Linie mit 900 000 fl. beteiligt. Se. Exzellenz spricht die Hoff¬
nung aus, daß das erwähnte Projekt sich in nächster Zeit realisieren lassen
werde.

   Obst. v. Guttenberg erlaubt sich anzuführen, daß die Kriegsverwal¬
tung eine Verbindungslinie von Des im Szamostale abwärts, in der Richtung
gegen Szatmämemeti vorgezogen hätte, da aber indessen das Projekt der Szil¬
ägysäger Bahn realisiert wurde und mehr Hoffnung vorhanden war, einen
Anschluß in der Richtung auf Zilah, statt der vom Kriegsministerium ursprüng¬
lich in Aussicht genommenen, zu erhalten, so hat man sich mit dem Projekte
Des-Zilah befreundet. Die neue Linie wird den Charakter einer Bahn zweiten
Ranges haben und für einen Maximalverkehr von zehn fünfzigachsigen Zügen
per Tag und in jeder Richtung eingerichtet sein. Diese Leistung ist zwar keine
große, immerhin wird ein Teil des 12. Korps auf dieser Linie nach Norden
transportiert werden können. Obst, von Guttenberg erörtert bei dieser Gelegen¬
heit auch die Notwendigkeit, die Leistungsfähigkeit der Linie Debreczin-Kir-
älyhäza-Märamarossziget von 13 neunzigachsigen Zügen auf 15 hundertachsi-
ge zu heben, was durch Einschaltung von vier Kriegsweichen und Erweiterung
einiger Stationen ohne große Kosten zu bewerkstelligen wäre.

   Minister Baross macht die Zusage, diese Wünsche berücksichtigen zu
wollen.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen Ag. zu bemerken, daß nun die
Hebung der Leistungsfähigkeit der galizischen Staatsbahnen und der Kaschau-
Oderberger Bahn zu besprechen wäre.

   Obst. v. Guttenberg Vide Beilage Seite 21 bis 23 (von VIII bis

VH!).
   Se. Majestät der Kaiser geruhen hierauf die Frage der Erhöhung

der Zahl der schweren Lokomotiven der Beratung zuzuführen und Ag. zu
bemerken, daß diese Frage eigentlich die wichtigste sei. Die Monarchie habe
relativ weniger Lokomotiven als Deutschland und Rußland, und in letzter Zeit
habe sich die Zahl der schweren Maschinen eher vermindert als vermehrt.

   Obst. v. Guttenberg. Vide Beilage Seite 24 bis V 27 (von IX bis
IX). Redner fügt noch bezüglich der Bremswagen hinzu, daß die beiden Regie-
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887  705

 rungen der Kriegsverwaltung die Zusage gemacht haben, künftighin bei Neuan¬
 schaffungen darauf zu dringen, daß mindest die Hälfte der Waggons Bremsen
habe.

    Minister Marquis Bacquehem führt aus, daß die österreichischen
 Staatsbahnen auf 5500 Kilometer nur 992 Maschinen, also 0,179 per Kilometer
haben. Die österreichischen Privatbahnen haben durchschnittlich 0,27 Maschi¬
nen per Kilometer, weisen also ein ähnliches Verhältnis wie die russischen
Bahnen auf. Se. Exzellenz gibt nun einige Details über die Zahl der Maschinen
bei den österreichischen Privatbahnen und führt schließlich an, daß Österreich,
um Deutschland gleichzukommen, 1300 Lokomotiven (darunter auf den Staats¬
bahnen 831), um Rußland gleichzukommen, 504 Lokomotiven anschaffen mü߬
te. Die Beschaffung von 504 Lokomotiven würde allein 15 Millionen Gulden
kosten.

   Minister v. Baross führt aus, daß auch in Ungarn das Verhältnis
bezüglich der Zahl der schweren Lokomotiven nicht günstig sei. Mit Deutsch¬
land könne man nicht in Konkurrenz treten, und was Rußland betrifft, so hat
dasselbe wohl mehr Maschinen, 0,27 per Kilometer gegen 0,20 in Ungarn dafür
müsse man aber die kolossalen Distanzen in Betracht ziehen, welche die russi¬
schen Transporte bei einem Aufmarsch zu durchlaufen haben. Ungarn hat
inklusive der gemeinsamen Bahnen 1523 Lokomotiven, darunter 84 Eilzugsma-
schinen, und 214 Maschinen zweiten Ranges, somit bleiben 1228 Lokomotiven
für die Kriegszüge. Die ungarischen Staatsbahnen allein haben 719 Maschinen,
darunter 569 für Kriegszwecke.

   Obst.  v. Guttenberg erlaubt sich auf eine Anfrage Sr. Majestät au.
anzuführen, daß bei den Bergstrecken zwei, bei der Beskidenbahn sogar drei
Lokomotiven per Zug gebraucht werden.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen hierauf Ag. den Ah. Wunsch aus¬
zusprechen, die Frage der Vermehrung der schweren Lokomotiven möge unaus¬
gesetzt im Auge behalten werden.

   FML. Baron Beck erlaubt sich, das bisher Besprochene teilweise re¬
kapitulierend, folgendes hervorzuheben:

   Was die von Sr. Exzellenz dem Minister von Baross berührten großen Entfer¬
nungen in Rußland betrifft, so hat es damit seine Richtigkeit, nur sei zu beden¬
ken, daß Rußland bereits einen großen Teil seiner Armee in den westlichen
Gouvernements disloziert hat. In der Anhäufung dieser Truppenmassen nahe
an unserer Grenze liegt eben für uns die große Gefahr. Rußland kann mit
überlegenen Kräften in Galizien zu einer Zeit einbrechen, wo wir erst mit dem
Aufmärsche beginnen, und unseren Aufmarsch hindern oder doch sehr emp¬
findlich stören. Es muß daher das Streben der Kriegsverwaltung dahin gerich¬
tet sein, unsere Aufmarschlinien nicht nur leistungsfähiger zu machen, sondern
auch abzukürzen. Dermalen sind einzelne Truppen sechs-sieben Tage unter¬
wegs, bis sie in den Aufmarschraum gelangen.

   Nach den geographischen und strategischen Verhältnissen haben die aus
Ungarn nach Galizien führenden Bahnen bei einem Aufmarsch den weitaus
größeren Teil der Armee zu befördern. Es wurden daher im Aufmarschelaborate
<pb/>706 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

alle Linien bis an die äußerste Grenze ihrer Leistungsfähigkeit ausgenützt. Die
Ansicht Sr. Exzellenz des Ministers von Baross, die Linie Abos-Orlö-Tarnöw
sei für den Aufmarsch nicht in Anspruch genommen worden, basiert demnach
auf einem Mißverständnisse. Würde die Linie Budapest-Miskolc doppelgleisig
hergestellt werden, so könnte allerdings auch die Aufmarschlinie Abos-Orlö-
Tamöw (Rzeszöw) teilweise von Budapest aus über Miskolc und Kaschau
alimentiert werden, unbedingt notwendig erscheint das aber nicht, denn wird
die Grantal-Bahn nicht gebaut, so kann sich die Kriegsverwaltung nach wie vor
mit der Waagtal-Linie, Kaschau-Oderberger Bahn und der Linie Budapest-
Hatvan-Losonc-Ruttka behelfen.

   Für die Kriegsverwaltung ist es übrigens gar nicht wünschenswert, daß sich
in Budapest so große Massen behufs Abtransportierung konzentrieren; deshalb
legt sie auch gar keinen besonderen Wert auf die Herstellung des Doppelgleises
auf der Linie Budapest (Aszöd)-Miskolc, wenn nicht auch die Fortsetzung bis
Mezölaborc das Doppelgleis erhält. Im Interesse der Monarchie und der Armee
kann ich nicht oft genug betonen, wie überaus dringend und notwendig es
erscheint, die Leistungsfähigkeit unserer Bahnen zu erhöhen und dadurch unse¬
ren Aufmarsch zu beschleunigen. In voller Berücksichtigung der von den beiden
Herren Kommunikationsministern gegen die militärischen Anträge vorge¬
brachten Bemerkungen und gemachten Einwendungen und bei aller Bemühung,
die mihtärischen Wünsche den Rücksichten auf die finanzielle Situation der
Monarchie unterzuordnen, könnte die Kriegsverwaltung von folgenden Forde¬
rungen nicht ablassen:

   1. Doppelgleis auf der Linie Budapest-Lupkow (Przemysl). Mit der Anlage
des zweiten Gleises wäre auf der Strecke Legenymihäly-Mezölabore zu begin¬
nen, mit der Legenymihäly-Miskolc fortzusetzen und zuletzt die Strecke Hat-
van-Miskolc in Bau zu nehmen.

   2. Neubau der Linie Jaslo-Rzeszöw, um einen neuen Auswaggonierungs-
punkt an der Karl-Ludwig-Bahn zu gewinnen und zu vermeiden, die Transporte
schon auf der galizischen Transversalbahn auszuwaggonieren. Die Kriegsver¬
waltung hält nicht starr an den Punkten Jaslo und Rzeszöw fest und würde auch
eine andere Verbindungslinie zwischen den beiden Aufmarschlinien Gryböw-
Tamöw und Zagörz-Przemysl dankbarst entgegennehmen.

   3. Doppelgleise zwischen Oswiqcim und Podgorze und wenn erreichbar auch
zwischen Oderberg und Oswiqcim.

   Se. Exzellenz führt schließlich an, daß hiezu noch kleinere Ameliorierungsar-
beiten kommen, welche relativ nicht viel kosten dürften.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen Ag. den Wunsch auszusprechen,
daß die vom Chef des Generalstabes bezeichneten drei Linien Budapest-Lup-
köw (Przemysl), Oswiqcim-Podgorze und Jaslo-Rzeszöw zum Gegenstände
eingehendster Studien gemacht werden.

   Se. Majestät betonen nochmals die eminente Wichtigkeit dieser Linien.
   Ministerpräsident v. Tisza erlaubt sich auszuführen, daß das Me¬
moire des Chefs des Generalstabes den Zweck verfolgt, die Bedeutung der
Eisenbahnen für den Aufmarsch der Armee darzutun und den Nachweis zu
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887             707

liefern, daß je mehr Bahnen hierfür zur Verfügung stehen, desto besser dies sei.
Die ungarische Regierung würdigt im vollen Maße die Anträge der Kriegsver¬
waltung und ist nach wie vor bereit, Opfer zu bringen. Alles das zu leisten, was
im Memoire beantragt wird, ist aber leider unmöglich: Hiezu wären hohne die
Lokomotiven in Betracht zu ziehen11 zirka 34 Millionen nötig. Üie kgl. ung.
Regierung ist auch überzeugt davon, daß mit zweckmäßiger Benützung dessen,
was heute schon ausgebaut ist, der Zweck mit unverhältnismäßig geringeren
Opfern zu erreichen ist.1 Von den im Memoire angeführten neuen Linien sind
einige, wie die Grantal-Bahn und die neue Karpatenlinie Märamarossziget-Sta-
nislau, den ungarischen Interessen in nationalökonomischer und verkehrspoliti¬
scher Beziehung eher schädlich als nützlich. So z. B. würde die letztgenannte
Linie nur eine Konkurrenzbahn der Beskidenlinie werden, einer Verkehrsader,
welche sich in 100 Jahren noch nicht mit 2% verzinsen wird.

   Se. Exzellenz stellt an Se. Majestät die ehrerbietigste Bitte, Ag. gestatten zu
wollen, daß die ungarische Regierung, nach reiflicher und eingehender Erwä¬
gung der im Memoire ausgesprochenen Wünsche, einen diesbezüglichen Gegen¬
antrag stelle und denselben in Form eines au. Vortrages Sr. Majestät unterbrei¬
te. Se. Exzellenz erklärt weiter, die Regierung werde sich bemühen zu leisten,
was möglich ist, und auch trachten, die einzelnen Linien nach der Reihe ihrer
Wichtigkeit einzuteilen. Schon jetzt aber müsse erklärt werden, daß das Budget
pro 1888 absolut keine neue Belastung verträgt. In den kommenden Jahren wird
man sich bemühen, bei anderen Titeln des Budgets Ersparungen zu machen und
die unerläßlichen Eisenbahnbauten auszuführen. Die Realisierung der übrigen
Wünsche der Kriegsverwaltung auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens muß der
ferneren Zukunft Vorbehalten bleiben.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen dem Ministerpräsidenten von
Tisza die au. erbetene Ermächtigung wegen Erstattung eines Vortrages. Ag. zu
erteilen, finden es ganz richtig und nützlich, daß die beiden Regierungen sich
in der besprochenen Frage genau orientieren und darüber etwas positives be¬
schließen, und erwarten Ag., daß wenn einmal Klarheit in die Sache gebracht
sein wird, es möglich sein werde, ein Programm aufzustellen, nach welchem in
den nächsten Jahren vorgegangen werden kann. Allerhöchstdieselben hoffen
auch, daß die Meinungsverschiedenheiten über den Wert der einzelnen militäri¬
schen Linien sich ausgleichen und der Vortrag der ungarischen Regierung Anlaß
geben werde, die Diskussion über die Eisenbahnen bei Erreichung eines Endre¬
sultates fortzusetzen.

   Minister v. Dunajewski erlaubt sich zu erklären, daß die Realisie¬
rung der vom Generalstabe gestellten Anträge Österreich allein 50 Millionen
Gulden kosten würde. So viel für eine einzige Provinz auszugeben, um sie zu
schützen, sei nicht jmöglich, ohne die Beschützung anderer zu vernachlässigenj.
Se. Exzellenz der Handelsminister habe bereits gesagt, daß er vorerst nur im

h&#39;h Einfügung Tiszas.
w Einfügung Tiszas.

        Korrektur Dunajewskis aus zu empfehlen.
<pb/>708 Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887

vertraulichen Wege und mit Hilfe seiner Beamten Erhebungen gepflogen habe.
Vielleicht ergeben die weiteren Studien und Verhandlungen günstigere Resultate
und gestatten, ohne zu großen finanziellen Opfern für den Staat, einen oder den
anderen Wunsch zu realisieren. Bei den Bahnen in Galizien kommt zweierlei in
Betracht, je nachdem die zu erbauende oder zu ameliorierende Linie dem Staate
gehört oder Privatbesitz ist. Was die erstbezeichnete Kategorie betrifft, so muß
konstatiert werden, daß speziell die Linie Jaslo-Rzeszow wirtschaftlich wertlos
ist. Die Gegend zwischen den genannten zwei Orten hat weder Industrie noch
Handel; das investierte Kapital wäre wirtschaftlich hinausgeworfen. Vielleicht
ist es möglich, eine nützlichere Trasse zu finden. Was die Privatbahnen anbe¬
langt, so ist die Frage noch schwieriger als bei den Staatsbahnen. Soll man Geld
an die Karl-Ludwig-Bahn verschenken? Ohne Entgelt wird dieselbe aber sicher
sich nicht herbeilassen, neuerdings zu bauen. Insolange die Regierung mit den
Privatbahnen nicht verhandelt hat, ist es ihr nicht möglich, klar zu sehen.
Vielleicht wird dies in drei-vier Wochen möglich sein. Schon heute kann jedoch
erklärt werden, daß es ganz ausgeschlossen erscheint, noch im Jahr 1888 seitens
des Staatsschatzes finanzielle Opfer zu bringen. Wir haben jetzt eine sehr ge¬
spannte Finanzlage und sehr schwierige Kreditverhältnisse, und Nachtragskre¬
dite wären kaum durchzubringen. Was soll man dem Vertretungskörper sagen?

   Se. Majestät geruhen hierauf Ag. zu bemerken: ,,Die Wahrheit&quot;.
Auch mit der letzten Forderung bezüglich des Rüstungskredites sei man ganz
offen hervorgetreten.

   Minister v. Dunajewski erlaubt sich weiter anzuführen, man habe
schon im laufenden Jahre die Privatbahnen zu Ergänzungsbauten gedrängt, nun
soll man von neuem drängen. Auf die Dauer sei dies nicht möglich. Se. Exzellenz
hebt hervor, daß er mit seinen Forderungen an die Bahnen ohnehin schon auf
der Schneide des Gesetzes stehe. Die Sachlage wäre eine ganz andere, wenn die
Regierung nach einem fixen Programme vergehen könnte. So z. B. sei noch vor
Erbauung der galizischen Transversalbahn das Einvernehmen mit der Kriegs¬
verwaltung gepflogen worden. Kaum sei jedoch die Bahn fertiggestellt gewesen,
habe die Kriegsverwaltung neue Forderungen erhoben. Die Regierung hätte
diesen Forderungen viel leichter entsprechen können, wenn sie früher gestellt
worden wären.

   Mit der Nordbahn steht die Frage ebenso. Seinerzeit wäre es möglich gewe¬
sen, das Doppelgleis auf der Linie Oderberg-Oswiqcim durchzuführen, jetzt
dürfte es schwer sein, die Nordbahn dazu zu bewegen. Se. Exzellenz bittet noch
einmal, ein fixes Programm zu entwerfen.

   Se. Majestät geruhen hierauf Ag. zu bemerken, es sei der Zweck des
Memoires, ein Programm festzustellen.

   FML. Baron Beck bemerkt, er wolle durchaus nicht in Abrede stel¬
len, daß die Kriegsverwaltung immer mehr fordere. Leider sei sie gezwungen,
bei ihren Forderungen eine gewisse Politik zu beobachten: wenn zuviel auf
einmal gefordert werden würde, so würde man nichts erhalten, darum ist man
genötigt, öfter mit kleineren Forderungen hervorzutreten. Se. Exzellenz führt
weiters an, daß seit Jahren militärischerseits der Antrag gestellt wurde, gewisse
<pb/>Nr. II Konferenz, Wien, 30. 10. 1887                                     709

 Kommunikationen in Galizien zu bauen oder zu verbessern. Nach vergeblichen
 Drängen sei es endlich heuer unter dem Hochdurck der Kriegsgefahr gelungen,
die verlangten Bauten hergestellt zu sehen. Was die Bemerkung Sr. Exzellenz
des Finanzministers betreffs der galizischen Transversalbahn betrifft, so bedür¬
fen dieselben einiger Aufklärung:

    Die Linie Stanislau-Husiatyn war bereits vollkommen fertiggestellt, als die
Kriegsverwaltung gehört wurde. Wenigstens zehnmal wurde sich militärischer-
seits gegen die Art des Baues und der Anlage der Transversalbahn verwahrt.
Statt gut, aber teuer wollte man billig bauen und hat schlecht gebaut. Ähnlich
verhalte es sich auch mit anderen Bahnen. Wir sind stets gezwungen, mit neuen
Forderungen hervorzutreten, weil wir dazu durch die Rüstungen und Vorkeh¬
rungen der fremden Staaten gedrängt werden. Noch vor 15 Jahren glaubten wir
den Krieg gegen Rußland mit 400 000 Mann führen zu können ;6 heute müssen
wir in Galizien fast 1 Vz Millionen Soldaten konzentrieren. Naturgemäß haben `
sich auch die Forderungen an die Eisenbahnen ins enorme gesteigert. Se. Exzel¬
lenz führt als Beispiel Italien an, welches sein Eisenbahnnetz in jüngster Zeit in
militärische Hände gebracht hat und jetzt alte Sünden sühnt. Wir beschränken
uns ohnehin nur auf die Sicherung unserer Nordostfront.

   Se. Majestät der Kaiser geruhen Ag. zu bemerken, Allerhöchstdie-
selben sehen Ah. ein, daß nicht alle Forderungen sogleich berücksichtigt werden
können. Es sei ja auch möglich, daß wir einmal gezwungen werden, gegen eine
andere Front Stellung zu nehmen. Im jetzigen Zeitpunkt müssen wir aber unsere
volle Aufmerksamkeit der Nordostfront zuwenden.

   Minister v. Dunajewski wendet sich gegen die Methode der
Kriegsverwaltung ,,viel zu verlangen, um etwas zu erlangen&quot;.

   Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt kommt auf die Be¬
merkungen Sr. Exzellenz des Finanzministers zurück und führt aus, daß an eine
Stabilität der militärischen Wünsche nicht gedacht werden kann, weil sie sich
mit der Sachlage ändern. Wenn andere Staaten Maßnahmen treffen, die uns
bedrohen, so können wir nicht Zurückbleiben. Wir können heute noch nicht
wissen, was wir in zehn Jahren verlangen werden. Unsere Forderungen bezüg-
lich der Gestaltung und Leistungsfähigkeit unserer Aufmarschbahnen gegen
Nordosten sind jetzt ganz andere als früher. Vor noch nicht allzulanger Zeit
haben die russischen Aufmarschlinien ihre Hauptrichtung gegen Krakau ge¬
nommen; jetzt konvergieren die russischen Bahnen mehr gegen Ostgalizien. Der
Vorwurf der Instabilität unserer Anschauungen ist daher kein gerechter. Die
Verhältnisse diktieren, und wir müssen gehorchen.

   Hieraufentspinnt sich noch eine kurze Diskussion bezüglich der projektierten
Linie Rzeszöw-Jaslo, welche zum Teil das bereits zu Protokoll Gebrachte
wiederholt.

   Se: Majestät der Kaiser geruhen nochmals, die Wichtigkeit der Li¬
nie Jaslo-Rzeszöw hervorzuheben, und betonen, wie notwendig es sei, eine neue

Vgl. Lutz, Politik und militärische Planung in Österreich-Ungarn 23-44.
<pb/>710 Nr. Ha Vortrag, Wien, Oktober 1887

Auswaggonierungsstation an der Karl-Ludwig-Bahn zu gewinnen und diese
Bahn durch stärkere Kräfte gegen Zerstörungen durch den Gegner zu schützen.

   Allerhöchstdieselben geruhen ferner Ag. zu bemerken, daß wir in Galizien in
Friedenszeiten aus wiederholt erörterten Gründen nicht Truppen anhäufen
können und gezwungen sind, dies in den kritischen Tagen vor Ausbruch des
Krieges zu tun. Rußland ist in dieser Beziehung nicht gebunden. Wir können
auch nicht vorzeitig die Garnisonen in Galizien durch Truppenzuschübe aus
dem Innern der Monarchie verstärken; dies gäbe den Russen das Signal, in
Galizien einzurücken.

   Hierauf geruhen Se. Majestät die Beratung Ag. zu schließen.

Das Protokoll beendet: Wien, 2. November 1887.

Nr. Ha Vortrag betreffend den Ausbau der Eisenbahnen gegen Rußland, Wien,
             im Oktober 1887

    Beilage zum Prot. v. 30. 10. 1887

   I Welch hervorragenden Einfluß die Eisenbahnen auf die Kriegsführung
überhaupt und insbesondere auf die Konzentrierung der Armee zu Beginn des
Krieges ausüben, ist im Memoire,7 den Ausbau des Bahnnetzes gegen Rußland
betreffend, in kurzen Worten dargelegt und bedarf, glaube ich, keiner näheren
Begründung. Wohl aber bedarf es zur Veranschaulichung der Aufmarschver¬
hältnisse der öster.-ung. Monarchie und Rußlands, welche im Memoire nur
oberflächhch berührt werden konnten, einer eingehenden Erörterung der gegen¬
seitigen Wehrverhältnisse und jener Mittel, welche zur Ansammlung der Streit¬
kräfte an der Grenze erforderlich sind, nämlich der zum Aufmärsche dienenden
Eisenbahnen.

   Rußland vermag zu einem Krieg in Europa ein Heer von 1326 Bataillonen
mit 1 156 300 Gewehren, 1005 Eskadronen mit 148 000 Reitern, 448 Batterien
mit 3462 Geschützen aufzustellen, in welchen Zahlen die zur europäischen
Armee gehörigen, dermalen in Asien dislozierten Truppen nicht inbegriffen
sind. Eigenthche Operationsarmee: 1024 Bataillone = 914 000 Gewehre, 910
Eskadronen =136 000 Reiter, 404 Batterien = 3112 Geschütze.

   Dementgegen ist der Maximalkriegsstand unserer Armee ein unverhältnismä¬
ßig geringer.

   Von dieser Truppenzahl sind in den Grenzbezirken im Frieden disloziert:
   in den Militärbezirken Warschau und Kiew:

7 Siehe Anm. 2.
<pb/>Nr. Ha Vortrag, Wien, Oktober 1887  711

229 Bataillone mit                  102 000 Mann Friedensstand
182 Eskadronen mit                   27 000 Reitern Friedensstand
 93 Batterien mit
                                        616 bespannten Geschützen.

Die beiden genannten russischen Militärbezirke allein formieren im Kriege:

339 Bataillone mit                  295 600 Gewehren
182 Eskadronen mit                   27 000 Reitern
105 Batterien mit
                                         836 Geschützen,

   wobei bemerkt wird, daß die Kavallerie schon im Frieden auf vollem Kriegs¬
stande steht.

   Der Friedensstand der russischen Truppen in den Grenzbezirken beträgt
demnach ein Vielfaches an Infanterie, Artillerie und Kavallerie von jenem der
k. u. k. Truppen, und ganz ähnlich ist die Verhältniszahl der Kriegsstände in
den beiderseitigen Grenzländern.

   Die angeführten Ziffern sind ein erdrückender Beweis, wie ungleich die
Machtverhältnisse beider Staaten überhaupt und insbesondere in den Grenzlän¬
dern sind, daher das Gleichgewicht und umso mehr die Überlegenheit für die
Monarchie nur durch die rascheste Vermehrung der Truppen in Galizien und
durch praktische Operationen gleich nach vollendetem Aufmarsch erreicht
werden kann.

   Wenn auch zugegeben werden muß, daß die Militärbezirke Warschau und
Kiew eine viel größere Ausdehnung und insbesondere größere Tiefe haben als
jene von Krakau und Lemberg, so vermag dies doch die ungeheuere Differenz
umso weniger auszugleichen, als die russischen Truppen von ihren Hauptgarni¬
sonen Warschau, Ivangorod, Brest-Litowsk, Radom, Luck, Dubro, Maschi-
busch, Zitomir, Kiew etc. - von denen ein Teil ganz nahe an der Grenze gelegen
ist - acht leistungsfähige Bahnlinien zur TruppenverSchiebung gegen Galizien
zu Gebote stehen; vier derselben führen unmittelbar zur Grenze selbst.

   öster.-ungarischerseits hingegen könnten in der ersten Phase der Mobilisie¬
rung nur schwache Kräfte entgegengestellt werden.

   Betrachtet man nun die Aufmarschverhältnisse näher, so findet man - wie im
Memoire erörtert ist -, daß Rußland zum Aufmärsche seiner Streitkräfte
- abgesehen von kleinen Nebenlinien - sechs große Eisenbahnlinien benützen
kann, u. zw.:

   1. Petersburg-Warschau-Ivangorod oder Granica
   2. Moskau-Warschau-Ivangorod
   3. Bialystok-Brest-L.-Rowno
   4. Wilna-Baranovnice-Rowno
   5. Kiew (Charkow)-Zdolbunov
   6. Odessa-Zmerinka-Proskurow.
   Hiezu kommt noch durch die in neuester Zeit erfolgte Betriebseröffnung der

Strecke Gomel-Brjansk bis Brest-L. die
   7. Linie Orel-Gomel-Brest-L.
<pb/>712 Nr. Ha Vortrag, Wien, Oktober 1887

   Alle diese Linien haben sehr günstige Betriebsverhältnisse, indem größere
Steigungen als 8%o nicht Vorkommen und alle Stationen, von denen keine unter
1,2 Kilometer lang ist, eine derartige Ausdehnung haben, daß bei eventuellen
Verkehrsstockungen mehrere Züge in einer Station zurückgehalten werden
können, ohne hiedurch den durchgehenden Verkehr zu hemmen, was von ganz
bedeutender Wichtigkeit ist, außerdem ist nahezu jede Station Wasserstation.
Diese Verhältnisse bilden einen großen Sicherheitskoeffizienten für einen unge¬
störten regelmäßigen Verkehr, von welchem der sichere, zielbewußte Aufmarsch
der Truppen wesentlich abhängt, weil sonst jede Vorausbestimmung bezüglich
Ansammlung und Verwendung der im Aufmarschraum eintreffenden Truppen
illusorisch wird.

   Nicht unerwähnt kann ich hiebei lassen, daß, wie ich mich vor kurzem
persönlich überzeugt habe, der Dienst sehr exakt gehandhabt wird und daß die
Bahnen in sehr gutem Bauzustand sind. Überhaupt herrscht in Rußland seit den
letzten zwei Jahren eine fieberhafte Tätigkeit im Eisenbahnwesen, wovon schon
die Höhe der Budgets pro 1886 und 1887 Zeugnis gibt, welches für Eisenbahn-
und Hafenbauten im Jahre 1886 52 643 000, im Jahre 1887 48 414 000 Rubel
aufweist. Die meisten der neuerbauten Bahnlinien dienen hauptsächlich militä¬
rischen Zwecken, wie z. B.: Melkin-Siedlec, Bialystok-Baranovnice, Brest-
Chelm, Gomel-Brjansk. In neuester Zeit wurde über militärische Anforderung
der Bau der Linie Zmerinka-Mogilev-Novoselica angeordnet, um eine neue
Zufahrtslinie bis zur Grenze zu. erhalten.

   Für die bestehenden, den Aufmarschzwecken dienenden Bahnen wurde im
laufenden Jahre eine eingehende Untersuchung des Bauzustandes und die Aus¬
wechslung aller schadhaften Schienen und Schwellen angeordnet, welche letzte¬
re in großem Umfange vollzogen wurde; außerdem wurden auf allen wichtigen
Linien zwischen je zwei Stationen Kriegsausweichen von 11/2 Kilometer Länge
eingeschaltet und derart eingerichtet, daß sie nur der Besetzung mit Personal
bedürfen, um als Stationen funktionieren zu können. Die Blindbahnen der im
Unterbau doppelspurig angelegten Linien sind so vorbereitet, daß das Legen des
zweiten Gleises sofort erfolgen kann. In den einspurigen Strecken der Linie
Petersburg-Warschau sind alle Objekte auch in der Eisenkonstruktion doppel¬
gleisig und liegen zwischen Warschau und Landrowo die Schienen für das zweite
Gleis kilometerweise bereit.

   Um auch bezüglich der Fahrbetriebsmittel die Kriegsfahrordnung rasch
einführen und insbesondere die Truppen der Militärbezirke Warschau und
Kiew ehestens abschieben zu können, wurde vom Staat eine große Zahl von
Lokomotiven angekauft, welche in Warschau, Brest und Kiew ausschließlich
für Kriegszwecke in Reserve gehalten und im Bedarfsfälle von den Eisenbahn¬
truppen bedient werden. In allen Stationen der Aüfmarschlinien sind ungeheue¬
re Vorräte von Brennmaterial aufgehäuft, welche für einen monatelangen
Kriegsverkehr hinreichen.

   Aus alledem geht hervor, daß man die Vorbereitungen Rußlands in keiner
Weise unterschätzen darf, und daß es unsererseits der größten Anstrengung
bedarf, eine russische Invasion hintanzuhalten, was - wie nachfolgende Darle-
<pb/>Nr. Ha Vortrag, Wien, Oktober 1887  713

gung zeigen wird - bei den dermaligen Aufmarschverhältnissen der Monarchie,

wenn nicht besondere Umstände, wie z. B. ein mächtiger Bundesgenosse, uns
helfend zur Seite stehen, nahezu unmöglich ist.

   Die aufliegenden generellen Längenprofile unserer Aufmarschlinien zeigen
deutlich, daß außer der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn alle Linien höchst ungün¬

stige Niveauverhältnisse haben, u. zw. beschränken sich die ungünstigen Stei¬
gungen und Gefalle nicht auf einzelne Stellen, sondern dehnen sich meist auf
lange Strecken, wenn nicht über die ganzen Linien aus. So wechseln z. B. bei
der galizischen Transversalbahn Anstieg und Gefalle bis 25 %o kontinuierlich
ab; dieselbe Maximalsteigung befindet sich bei der I. ung.-galizischen Eisen¬
bahn; die Kaschau-Oderberger Bahn hat lange Strecken mit 14 %o Steigung; bei
beiden Bahnen wechseln ebenfalls wiederholt Steigung und Gefalle. Die Beski¬
denbahn ist insoferne etwas günstiger, als sie einerseits kontinuierlich steigt,
andererseits ebenso fällt, dafür aber beträgt die Maximalsteigung in kurzer
Strecke 29 %o.

   Bezüglich der Stationseinrichtungen läßt auch nur die Nordbahn einen Ver¬
gleich mit jenen der russischen Bahnen zu. Bei allen übrigen Bahnen waren sie
bis in jüngster Zeit derart, daß der beanspruchte Kriegsverkehr überhaupt nicht
möglich war. Erst im heurigen Jahr wurden sie - dank der gütigen Einflußnahme
der Herren Ressortminister - bei den Hauptaufmarschlinien entsprechend er¬
weitert, was auch bei den übrigen Bahnen in den nächsten Jahren geschehen
wird. Selbstverständlich mußte man sich hiebei, um die Auslagen möglichst zu
beschränken, nur mit dem für die fahrplanmäßigen Zugskreuzungen unbedingt
Notwendigen begnügen und blieb bei der Festsetzung der Stationslängen und
Gleiszahl bedeutend unter jenen Ausmaßen, welche bei anderen Staaten nor¬

miert sind.
   Alle diese Verhältnisse üben den ungünstigsten Einfluß sowohl auf die Lei¬

stungsfähigkeit der Bahnen als auch auf die Sicherheit des Betriebes. Ich war
selbst wiederholt Zeuge, daß im gewöhnlichen Friedensverkehr kaum normal
belastete Lastzüge mit dem geschulten Zugsbegleitungspersonal größere Stei¬
gungen nicht bewältigen und im Gefalle nicht aufgehalten werden konnten.
Bedenkt man nun, daß im Kriegsfälle zur Durchführung der Kriegsfahrordnung
der Maschinenstand der galizischen Staatsbahnen von 145 auf 394, jener der
I. ung.-galizischen Bahn von 29 auf 137, der Kaschau-Oderberger Bahn von 88
auf 190, jener des ungarischen Teiles der Beskidenbahn von 8/29 auf 45/77
Lokomotiven gebracht werden muß, daß somit der überwiegend größere Teil
des Lokomotivenpersonals mit den Streckenverhältnissen ganz unvertraut ist,
so läßt sich leicht ermessen, daß auf solchen Linien Verkehrsstörungen nahezu
unvermeidlich sind, welche aber unberechenbar rückwirken können auf das
gesamte Aufmarschkalkül. Und bei diesen höchst ungünstigen Verhältnissen
muß noch die Heeresleitung die schwere Verantwortung auf sich nehmen,
Doppelzüge verkehren zu lassen, um eine halbwegs entsprechende Leistungsfä¬
higkeit herauszubringen, denn würde dies nicht geschehen, so könnten z. B. auf
der galizischen Transversalbahn oder I. ung.-galizischen Eisenbahn täglich

höchstens vier Bataillone Infanterie oder ein Kavallerieregiment befördert wer-
<pb/>714 Nr. Ha Vortrag, Wien, Oktober 1887

den. Der Transport einer Infanterie- oder Kavallerietruppendivision würde
somit allein fünf Tage in Anspruch nehmen.

   Nach den gegenwärtigen Verhältnissen und vorausgesetzt, daß der Auf¬
marsch des k. u. k. Heeres ohne Störung vor sich geht, gestaltet sich der Auf¬
marsch in den einzelnen Zeitabschnitten beiläufig folgender Art:

Am 10. Mobilisierungstag sind in den Grenzbezirken kriegsbereit:

in Rußland

329 Bataillone mit          285 500 Gewehren
451 Eskadronen mit           68 000 Reitern
128 Batterien mit                974 Geschützen

   Von dieser Truppenzahl kann der größte Teil der Kavallerie und beiläufig die
Hälfte der Infanterie nahe der Grenze stehen.

   Am 15. Mobilisierungstag operationsbereit:

402 Bataillone mit          347 000 Gewehren
451 Eskadronet mit           68 000 Reitern
175 Batterien mit
(hiezu eigentlich noch         1 350 Geschützen

 87 Bataillone mit          80 000  Gewehren     Festungstruppen)
 13 Batterien mit              104  Geschützen

Am 20. Mobilisierungstage:  495 000 Gewehren
                             72 500 Reitern
562 Bataillone mit             1 830 Geschützen
481 Eskadronen mit
235 Batterien mit

Am 25. Mobilisierungstage:

722 Bataillone mit          627 000 Gewehren
511 Eskadronen mit           77 000 Reitern
295 Batterien mit             2 310 Geschützen

   Am 36. Mobilisierungstage kann die ganze russische Operationsarmee im
Aufmarschraume konzentriert sein.

   Die öster.-ung. Armee ist in keiner Phase der Mobilisierung der russischen
Armee numerisch auch nur annähernd gewachsen.

   Diese Zahlen, bei deren Feststellung die Leistungsfähigkeit der Bahnen,
Kriegsbereitschaft der Truppen und die Transportdauer von den Gamisonsor-
ten genauestens berücksichtigt wurden, zeigen, daß Rußland bei den dermaligen
Verhältnissen in jedem Stadium des Aufmarsches bedeutend im Vorteile ist,
welcher Vorteil bei der überwiegenden Leistungsfähigkeit der russischen Bah¬
nen - trotz der großen Entfernungen, welche die Truppen der rückwärtigen
Provinzen zurückzulegeri haben - sich naturgemäß von Tag zu Tag steigert.
<pb/>Nr. Ila Vortrag, Wien, Oktober 1887  715

   Der Kampf mit Rußland kann daher nur dann mit Aussicht auf Erfolg an
der Reichsgrenze aufgenommen werden, wenn dem k. u. k. Heere die Möglich¬
keit geboten wird, seine Operationsarmee zu konzentrieren und die Offensive
zu beginnen, bevor Rußland in der Lage ist, von seiner großen numerischen
Überlegenheit Gebrauch zu machen. Das einzige Mittel, dieses für die Verteidi¬
gung der Monarchie so hochwichtige Ziel zu erreichen, liegt - da bezüglich der
raschen Erlangung der Kriegsbereitschaft der Truppen schon bis zur äußersten
Grenze der Möglichkeit gegangen wurde und eine wesentliche Vermehrung der
Truppen des Grenzgebietes im Frieden aus mancherlei Gründen untunlich ist
- in der Vermehrung und Verbesserung der Aufmarschlinien.

   Das Memoire weist alle jene Bahnbauten und Ameliorierungen auf, durch
welche das angestrebte Ziel erreicht werden könnte, und es wurde bei der
Zusammenstellung desselben genau erwogen, wie dem militärischen Bedürfnisse
mit möglichster Schonung der Staatsfinanzen entsprochen werden könnte.
Durch die Vermehrung der Aufmarschlinien und Erhöhung der Leistungsfähig¬
keit derselben von 76 auf 107 Züge pro Tag könnte das k. u. k. Heer mit
überlegenen Kräften an der Reichsgrenze auftreten und hätte viel früher seine
Streitmacht konzentriert. I

   II Übergehend auf die einzelnen Linien erlaube ich mir dieselben in der
Reihenfolge ihrer Wichtigkeit aufzuführen, muß daher in erster Linie die Not¬
wendigkeit des Doppelgleises auf der Linie Budapest-Miskolc-Legenymihäly--
Mezölaborc hervorheben. Die Notwendigkeit, wenigstens eine leistungsfähige,
betriebssichere Aufmarschlinie zu besitzen, welche in das Zentrum des Auf¬
marschraumes führt, erscheint wohl im Memoire und auch in den heutigen
Ausführungen begründet.

   Der Lage nach entspricht diesen Bedingungen die I. ung.-galizische Eisen¬
bahn am besten, weil sie in das Zentrum Galiziens führt und durch die Festung
Przemysl gedeckt ist, wo Truppen und Kriegsmaterial vollkommen geschützt
ausbarkiert werden können. Sie ist aber dermalen nicht leistungsfähig und kann
es, insbesondere als Gebirgsbahn, überhaupt nur durch die Doppelspur werden;
denn nur bei doppelspurigen Bahnen ist der Verkehr nach beiden Richtungen
voneinander unabhängig, können somit die Züge in regelmäßigen Intervallen,
ohne Rücksicht auf Kreuzungen einander folgen und involvieren Zugsverspä¬
tungen nach einer Richtung nicht auch Störungen im Verkehre der Gegenrich¬
tung. Die wichtigste Strecke ist hiebei naturgemäß die Bergstrecke, und es wäre
höchst erwünscht, daß - nachdem das Doppelgleis auf öster. Gebiete schon im
Bau ist - womöglich Szerencs-Mezölaborc, mindestens aber die Strecke Lege-
nymihäly--Mezölahorc im künftigen Jahre doppelspurig hergestellt würde. In
den folgenden Jahren wären dann die Strecke Szerencs bzw. Legenymihäly-
Miskolc und Miskolc-Hatvan zu bauen, wobei vorausgesetzt wird, daß der Bau
der Strecke Aszöd-Hatvan für künftiges Jahr eine beschlossene Sache ist.

   Mit größeren Kosten dürfte nur die Bergstrecke verbunden sein, da im
übrigen Teile die Erdarbeiten für den Unterbau gering sind und der Grund
<pb/>716 Nr. Ha Vortrag, Wien, Oktober 1887

streckenweise schon Bahneigentum ist. In der Strecke Miskolc-Szerencs sind
sogar schon sämtliche Objekte im Unterbau, dann streckenweise Einschnitte
und Dämme für die Doppelspur hergestellt. II

   HI Hand in Hand mit der Herstellung des Doppelgleises Legenymihäly-
Mezölaborc müßte der Bau der Linie Jaslo-Rzeszow erfolgen, weil sonst die auf
der galizischen Transversalbahn kommenden Truppen von Zagörz nicht mehr
weitergeführt werden könnten; auch wird durch diese Linie die Möglichkeit
geboten, bei Rzeszöw ehebaldigst eine größere Truppenmacht zum Schutze
dieses Punktes und der Karl-Ludwigs-Bahn auswaggonieren zu können.

   Diese Linie sollte daher ebenfalls womöglich im kommenden Jahre gebaut
werden, und bieten auch hier die Terrainverhältnisse dem Bahnbau keine
Schwierigkeiten. Wenn die Detailstudien der Trasse es wünschenswert machen,
könnte als Abzweigungspunkt anstatt Jaslo eine andere nahegelegene Station
gewählt werden. HI

   FV Der nächst wichtigste Teil ist die Herstellung des Doppelgleises von
Oderberg über Oswiqcim nach Podgorze, um die Leitungsfähigkeit der Nord¬
bahn, wie sie dermalen von Wien bis Oderberg besteht, bis Krakau auszudeh¬
nen, wobei mit der Strecke Oswi^cim-Podgorze begonnen werden sollte, um
ehebaldigst wenigstens alle Züge, welche jetzt die der feindlichen Einwirkung
sehr ausgesetzte Strecke Oswi^cim-Trzebinia-Krakau passieren müssen, gesi¬
chert bis Krakau fortführen zu können, was gegenwärtig wegen der viel geringe¬
ren Leistungsfähigkeit der Strecke Oswiqcim-Skawina-Podgorze (22 Züge ge¬
gen 35) nicht möglich ist. Auch diese Herstellungen unterliegen bezüglich des
Terrains keinen besonderen Schwierigkeiten. IV

   V In weiterer Folge wäre die im Memoire sub 3. genannte Verbindung
durch das Grantal, dann von Popräd direkte nach Orlö zu bauen; für beide
Strecken sind keine besonderen Bauschwierigkeiten. Mit dem Bau der Grantal-
Bahn müßte gleichzeitig das schon bestehende Stück derselben in eine Haupt¬
bahn umgestaltet werden. Durch die direkte Verbindung Popräd-Orlö würde
der große Umweg und die schwierige Bergstrecke von Popräd über Abos nach
Orlö sowie die den Betrieb erschwerende, enge Kopfstation Abos vermieden
werden; diese Verbindung würde beiläufig 60,7 Kilometer lang, gegen 165,6
wirklicher, oder 217 Kilometer virtueller Länge beim Wege über Abos, und
könnte mit einem stetigen Gefalle von 3-5 %o hergestellt werden. Wird die
Doppelspur Hatvan-Miskolc ehestens gebaut, so kann die Ausführung der
Grantal-Linie einem späteren Zeitpunkte Vorbehalten werden, weil die durch
das Doppelgleis sehr leistungsfähig werdende Linie Budapest-Miskolc mit Hilfe
der Linie Hatvan-Ruttka die Aufmarschlinie 3 und 4 (nach Rzeszöw und
Przemysl) speisen kann, wenngleich es immerhin mißlich ist, hiezu auf eine Linie
beschränkt zu sein. V
<pb/>Nr. Ha Vortrag, Wien, Oktober 1887  717

   VI Die Legung des Doppelgleises Krakau-Lemberg könnte - wie im Me¬
moire angedeutet - im künftigen Jahre mit der Strecke Krakau--Tarnöw begon¬
nen und alljährlich auf eine angemessene Strecke fortgesetzt werden. Beifügen
muß ich, daß gegenwärtig in der Strecke Tarnöw-Jaroslau die Kriegsfahrord¬
nung sogar Drillingszüge enthält, was, obwohl die Karl-Ludwigs-Bahn günstige
Betriebsverhältnisse hat, immerhin bedenklich ist. VI

   VIII Bezüglich der Hebung der Leistungsfähigkeit einzelner Strecken der
galizischen Staatsbahnen und der Kaschau-Oderberger Bahn erlaube ich mir
zu erwähnen, daß das Bedürfnis hiefür bei den Staatsbahnen für die Strecken

Zwardön-Suche-Neusandez-Orlö, dann Stroze-Tarnöw und Stroze-Jaslo bzw.
Abzweigung nach Rzeszöw, bei der Kaschau-Oderberger Bahn, je nachdem die
Linie Popräd-Orlö gebaut wird oder nicht, für Ruttka-Popräd oder Ruttka-
Abos-Orlo besteht. Bei den Staatsbahnen ist durch die heuer ausgeführten
Erweiterungsbauten die angestrebte Leistung für die Strecken Zwardön-Su-
cha-Neusandez-Orlö und Stroze-Tarnöw bereits ermöglicht. Es erübrigt daher
nur noch die Einschaltung zweier Ausweichen zwischen Stroze und Jaslo, u. zw.
zwischen den Stationen Stroze und Wola-Uzanska, dann dieser Station und
Zagorz.

   Bei der Kaschau-Oderberger Bahn beschränken sich die Arbeiten - den Bau
der Linie Popräd-Orlö vorausgesetzt - auf die Herstellung einer Ausweiche
zwischen Liptöüjvär und Vazsecz.

   Sollte jedoch die Poppertal-Bahn nicht gebaut werden, so müßten außer der
genannten noch weitere drei Ausweichen hergestellt werden, u. zw. zwischen
Popräd und Käposztafalu, zwischen Margitfalu und Kisladna und zwischen
Hethärs und Pusztamezö. Zwei derselben bedingen aber, da sie in sehr große
Steigungen fallen, besonders konstruierte kostspiehge Anlagen. VIII

   Die Wünsche der Heeresleitung wegen einer Donauüberbrückung bei Ko-
morn oder Preßburg wurden dem kgl. ung. Kommunikationsministerium schon
wiederholt mitgeteilt und bedürfen keiner näheren Erörterung.

   VII Was endlich die angestrebte neue Aufmarschlinie gegen Ostgalizien
betrifft, so erscheint ihre Notwendigkeit im Memoire und durch die vorbespro¬
chenen Aufmarschverhältnisse beider Staaten eingehend begründet. Der Wert
der Linie ist so groß, daß ohne Zögern vorläufig mit der Trassierung derselben
begonnen werden sollte. Die angegebene Richtung derselben gegen Stanislau
wird dadurch bedingt, daß sie vor der feindlichen Einwirkung gesichert sein
muß, was durch ein Anknüpfen der Linie gegen Kolomea oder gar gegen
Czernowitz oder Suczawa nicht erreicht würde, u. zw. umso weniger, sobald
russischerseits die Linie Zmerinka-Nowoselica ausgebaut ist.

   Der Bau der Linie Maramarossziget-Stanislau könnte, um die Ausgaben
großer Summen in kurzer Zeit zu vermeiden, in mehreren Jahresabschnitten
sukzessive erfolgen. Selbst kleine Abschnitte jährlich - beiderseits an die beste¬
henden Bahnen anbindent - gebaut, würden in nicht zu ferner Zeit zum Ziele
<pb/>718 Nr. Ila Vortrag, Wien, Oktober 1887

führen, und wäre das Reichskriegsministerium gewiß gerne bereit, die Arbeit
durch Beigabe von Militärarbeitsdetachements des Eisenbahnregiments zu un¬
terstützen. Selbstverständlich müßte auf die längerwährenden Arbeiten des
Gebirgsüberganges gehörig Rücksicht genommen werden. VII

   IX Zum Schlüsse erlaube ich mir nur noch einige Worte in betreff des
Fahrparkes der öster.-ung. Monarchie beizufügen. Wie im Memoire dargelegt,
steht in der Monarchie das Verhältnis der Maschinenzahl zu den Bahnlängen
ziffernmäßig weit hinter jenem Deutschlands und Rußlands zurück, wobei noch
bemerkt werden muß, daß sich die im Memoire angegebenen Daten bezüglich
Rußlands auf das Jahr 1885 beziehen, seither aber der Fahrpark der neueröffne¬
ten Linien und die eingangs erwähnten Maschinenreserven zuzuzählen sind, daß
somit das Verhältnis dermalen jedenfalls noch bedeutend günstiger ist, als im
Memoire angegeben; dies wurde in demselben nur deshalb nicht berücksichtigt,
weil positive Daten über den jetzigen Lokomotivstand in Rußland noch fehlen.

   In der Praxis ist aber das Verhältnis in Österreich-Ungarn noch viel ungünsti¬
ger, als die Zahlen darstellen, weil wir bei den vielen Gebirgsbahnen zu den
Zügen, welche in Deutschland und Rußland mit einer schweren oder zwei
leichten Lokomotiven fortgebracht werden, in den Gebirgsstrecken drei und
vier schwere Maschinen brauchen, der Lokomotivbedarf daher ein verhältnis¬
mäßig viel größerer ist. Wie groß der Unterschied zwischen dem Maschinenbe¬
darf im Frieden und im Kriege für jene Linien ist, auf denen die volle Kriegs¬
fahrordnung eingeführt werden muß, läßt sich schon aus den früher angeführten
Beispielen einiger Bahnen entnehmen.

   Der Grund, daß sich das Verhältnis der Lokomotivzahl zur Bahnlänge in den
letzten Jahren eher ungünstiger als besser gestaltet, liegt darin, daß alle neuen
Bahnen zur möglichsten Verminderung der Anlagekosten stets ein Minimum
von Fahrbetriebsmitteln und die in neuerer Zeit entstehenden vielen Sekundär¬
bahnen überdies nur Lokomotiven beschaffen, die für den großen Militärtrans¬
port ganz ungeeignet sind.

   Wie dringend notwendig aber eine Besserung der Verhältnisse auch in dieser
Richtung ist, geht daraus hervor, daß selbst die deutsche Heeresverwaltung bei
den günstigen Betriebsverhältnissen und dem Reichtum an Lokomotiven die
Zahl derselben für ungenügend hält und eine stete Vermehrung anstrebt.

   Bezüghch des Wagenparkes möchte ich nur das dringende Bedürfnis der
Vermehrung der Bremswagen betonen, weil die gegenwärtige Zahl derselben,
ebenfalls mit Rücksicht auf die vielen Gebirgsbahnen, unzureichend ist. IX
<pb/>