Gemeinsamer Ministerrat, 29. 1. 1887
I. Militärische Vorkehrungen aus Anlaß der politischen Lage
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Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1887 323 Se. Majestät der Kaiser die Billigkeit dieses Ansinnens mit dem Bemerken anzuerkennen, daß die ungarische Landsturmkavallerie gleich den Angehörigen der Spezialwaffen auf Kosten des gemeinsamen Budgets auszurü¬ sten wäre, weil einer Reichshälfte, wenn sie schon ein größeres Menschenmate¬ rial beistellt, nicht auch noch eine größere Zahlung zugemutet werden kann. Es wurde übrigens dem ungarischen Landesverteidigungsminister Freiherrn von Fejerväry übertragen, diesfalls eine Note an die österreichische Regierung zu richten. Nach Beendigung der Tagesordnung geruhte Se. Majestät der Kaiser, noch einige Fragen der Aufmerksamkeit und Fürsorge der Regierung zu empfehlen. Es sind dies: a) die Geheimhaltung der Presse im Falle von Truppenbewegungen im Inlande; b) das Zustandekommen einer Kriegsleistungsverordnung;4 c) das Gesetz wegen Nichtbefolgung der Einberufungsorder,5 d) "die Verwendung außer Landes und Mobilisierung der eingeborenen bosni¬ schen Truppen und daher die Anschaffung der notwendigen Augmentationsvor¬ räte3; e) die Anforderungen der Kommunikationsminister für einen Mobilisierungs¬ fall und f) die Finanzfrage für den Kriegsfall. Nachdem die betreffenden Minister Sr. Majestät Auskunft über den Stand dieser Fragen gegeben hatten, geruhten Se. Majestät der Kaiser die Sitzung zu schließen. Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 4. Februar 1887. Franz Joseph. Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. Januar 1887 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (11.2.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (4.2.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (1.2.), der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay (1.2.), der kgl. ung. Finanzminister Graf Szapäry (o. D.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski (o. D.), der k. k. Landesverteidigungsminister FML. Graf 3-3 Korrektur Kälnokys bzw. des Kaisers aus die Unschädlichmachung der eingeborenen bosni¬ schen Truppen im Falle eines Konfliktes auf der Balkanhalbinsel. 4 2IMT. Ung.MR. v. 14. 1. 1887. 8. Der Gesetzantrag und die Verordnung bezüglich der Kriegsleistungen, OL., K. 27, Karton 41. 5 32/MT. Ung.MR. v. 4.12.1886.6. Betreffend den Gesetzentwurf über die Bestrafung derjeni¬ gen, welche den Militäreinberufungsbefehlen nicht gehorchen, OL., K. 27, Karton 41. <pb/>324 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1887 Welsersheimb (o. D.), der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Freiherr v. Fejerväry (o. D.). Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu. Gegenstand: Militärische Vorkehrungen aus Anlaß der politischen Lage. KZ. 12 - RMRZ. 337 Protokoll des zu Wien am 29. Januar 1887 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des k. u. k. gemeinsamen Ministers des Äußern Grafen Kälnoky. Der Vorsitzende bringt zunächst die in der letzten unter Vorsitz Sr. k. u. k. apost. Majestät abgehaltenen Ministerkonferenz noch offengelassene Frage bezüglich der Einbringung einer Vorlage über die Kosten des Landstur¬ mes an die beiderseitigen Vertretungen zur Sprache. Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza präzisiert den Stand¬ punkt der königlich ungarischen Regierung dahin, daß dieselbe zwar, wenn eine unumgängliche Notwendigkeit vorliege, bereit sei, eine solche Vorlage einzu¬ bringen, daß sie aber der Ansicht sei, daß im Falle, als die Gefahr nicht eine unmittelbare und imminente sei, schon etwas und im Vergleiche mit dem, was ursprünglich für Aktivierung des Landsturmes in Aussicht genommen worden, sehr Bedeutendes mit einer geringeren Summe als der in der letzten Sitzung von den Landesministerien beantragten Beträgen geschehen könne. Bekanntlich habe man im vorigen Jahre in Aussicht genommen, für das laufende Jahr gar keine Post und dann in zehn nachfolgenden Jahren je 700 000 fl. zur Ausrüstung des Landsturmes einzustellen. Demgegenüber wäre es immerhin eine schon beträchtliche Leistung, wenn für dieses Jahr für Ungarn eine Summe von zirka 2 1/2 Millionen beansprucht würde. Ein solcher Anspruch brauchte dann aber nicht mit einer besonderen Vorlage eingebracht zu werden, sondern könnte, da das Präliminare des Landesverteidigungsministeriums noch nicht zur Beschlu߬ fassung im Reichstage gelangt sei, bei der Beratung dieses Budgets dem Reichs¬ tage zur gleichzeitigen Erledigung vorgelegt werden. Auf die Frage des Vorsitzenden, was mit der von dem Vorredner in Aussicht genommenen Summe geleistet werden könne, erwidert der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Freiherr v. Fejerväry, daß hiemit ungefähr die Hälfte des von dem Kriegsministe¬ rium beanspruchten Landsturmes ohne Kavallerie ausgerüstet werden könne. Für den Landsturm sei 6 300 000 fl. in Aussicht genommen, nach Abzug der Kosten der Kavallerie per 700 000 bleibt ein Erfordernis per 5 600 000 fl., und die Hälfte davon mache eben 2 800 000 fl. aus. Der Minister des Äußern Graf Kälnoky ergreift nun das Wort, um die auswärtige Situation zu besprechen. Was die Kriegsgefahr anbelangt, so habe sich der Zustand im allgemeinen seit den letzten Konferenzen eigentlich nicht verändert. Durch die in Kpnstantinopel eingeleiteten Verhandlungen1 sei Vgl. Jas Tagebuch des österreichisch-ungarischen Generalkonsuls in Sofia Istvän Buriän. Eintra¬ gungen vom 23.-29. Januar 1887. <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1887 325 zwar die Möglichkeit der Lösung der bulgarischen Frage in Aussicht gestellt und hiedurch die Gefahr im Osten wohl vermindert, dagegen sei die Gefahr im Westen viel akuter geworden. Wir seien da zwar nicht direkt tangiert, aber bei der Wechselwirkung zwischen den einzelnen Staaten, die durch die fortdauernde Beunruhigung im Oriente an Bedeutung gewinne, würden wir doch, wenn zwischen Deutschland und Frankreich ein Krieg ausbricht, immerhin auch in Kriegsgefahr stehen. Er sei somit durchaus nicht in der Lage, bezüglich der äußeren Situation eine Beruhigung zu geben. Die Gefahr eines Krieges zwischen Frankreich und Deutschland sei da, und die letzten aus Berlin eingelangten Nachrichten melden solche Maßnahmen, welche schwer anders als mit Rück¬ sicht auf den Ausbruch eines Krieges erklärt werden können.2 Wir seien nun allerdings nicht verpflichtet da mitzutun, allein es lasse sich nicht voraussehen, zu welchen Entschlüssen man in Rußland beim Eintritte solcher Eventualitäten gelangen oder was bei der gefährlichen Situation im Oriente da zum Ausbruche kommen werde. Die Kriegsgefahr ist also vorhanden, und wenn vom Land¬ sturm noch gar nichts vorhanden sei, werde auch im letzten Augenblicke die Bewilligung der größten Summen nichts nützen, um ihn für die Kriegsverwal¬ tung nützlich zu machen. Derkgl. ung. Finanzminister Graf Szapäry weist auf die La¬ ge des Geldmarktes hin und auf die Deroute, welche eintreten würde, wenn so große Summen, wie sie in Aussicht genommen sind, plaziert werden sollten. Es wäre nicht abzusehen, wie dann im Moment der wirklichen Gefahr die bedeu¬ tenden Summen, die notwendig würden, aufgebracht werden sollen. Redner betont daher die Notwendigkeit, daß man dermalen die aufzubringende Summe auf das Minimum des Erfordernisses beschränkt und dieses auch nur im wirkli¬ chen Notfälle verwendet werde. Er schließt sich dem Anträge des königlich ungarischen Ministerpräsidenten an. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Frei¬ herr v. Fejerväry erklärt, daß er zu sehr die Richtigkeit der finanziellen Erwägung des königlich ungarischen Ministerpräsidenten und des königlich ungarischen Finanzministers anerkenne, um nicht seinerseits denselben Rech¬ nung tragen zu wollen. Inwieweit aber letzteres tunlich sei, hänge für ihn ausschließlich von der Beantwortung der Frage ab, ob die politische Lage derart sei, daß ein langsameres Tempo bei Effektuierung der Ausrüstung gestattet sei. Es handle sich darum, ob die Möglichkeit vorliege, daß wir noch heuer in einen Krieg verwickelt werden, oder ob die Wahrscheinlichkeit vorhanden sei, daß dies nicht geschieht. Ist die Wahrscheinlichkeit da, daß es zu einem Kriege komme, dann müsse, so bedauerlich dies vom finanziellen Standpunkte ist, rechtzeitig vorgesorgt werden, da im letzten Augenblicke mit Geld nicht gehol¬ fen sei, sondern eine ganz bestimmte Zeit jedenfalls zur Effektuierung der Ausrüstung nötig sei. Der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe spricht sich dahin Canis, Bismarck und Waldersee 181. <pb/>326 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1887 aus, daß die k. k. Regierung die Schwierigkeiten, die sich der Anforderung so bedeutender Summen entgegenstellen, selbst vollkommen gegenwärtig gehabt, aber in der Voraussetzung der Notwendigkeit und Dringlichkeit der Sache der Ansicht sei, daß man den Landesverteidigungsminister in die Lage versetzen müsse, den an ihn gestellten Ansprüchen der Kriegsverwaltung vollständig und in möglichst kurzer Zeit zu entsprechen. Wenn auch die von dem königlich ungarischen Ministerpräsidenten angeregte Idee, von einer besonderen Vorlage abzusehen und das Erfordernis beim Budget des Landesverteidigungsministe¬ riums pro 1887 zu beanspruchen, gewiß viel für sich habe, so setze sie aber einerseits voraus, daß in der Höhe der Erfordernisziffer bedeutend herabgegan¬ gen würde, da sonst der Nachtragskredit in gar keinem Verhältnisse zur Ziffer des Budgets stünde, andererseits biete sie den großen Nachteil, daß der Landes¬ verteidigungsminister an die nötigen Bestellungen erst gehen könnte, bis im Verlaufe der noch gar nicht begonnenen Budgetverhandlung die bezügliche Post wenigstens im Budgetausschusse durchgegangen sei. Da aber die k. k. Regie¬ rung sich für die Einbringung eines solchen Erfordernisses nur eben unter Voraussetzung der Dringlichkeit derselben entschlossen habe, so glaube sie eben auch einen Modus wählen zu sollen, der die dringliche Erledigung am besten zu sichern scheint und der ihr auch aus parlamentarischen und finanziellen Gründen der praktischere scheine. Im übrigen sei es ja nicht notwendig, daß diesfalls in beiden Reichshälften ein gleichmäßiger Vorgang beobachtet werde. Was die Höhe der einzusetzenden Ziffer anbelangt, so beruht dieselbe lediglich auf den Ansprüchen der Kriegsverwaltung an die Landesverteidigungsminister. Wenn die letzteren herabgesetzt, wenn z. B. der Landsturm in geringerer Höhe oder nur in einigen Provinzen aufgeboten werden sollte, so würde die Ziffer selbstverständlich auch geringer werden. Der k. k. Landesverteidigungsminister FML. Graf Wel- sersheimb schließt sich den Ausführungen des k. k. Ministerpräsidenten vollkommen an, indem er die Verhältnisse schildert, aus welchen die Notwen¬ digkeit einer gewissen Zeitdauer bis zur wirklichen Effektuierung der Bestellun¬ gen hervorgeht und die daher eine rechtzeitige Ermächtigung zur Einleitung der Bestellungen bedingen. FML. Graf Welsersheimb weist weiter im einzelnen nach, daß, wie der Vorredner bereits hervorgehoben, die von ihm in Aussicht genommene Ziffer für das Erfordernis der Landwehr und des Landsturmes nur den Anforderungen der Kriegsverwaltung in dieser Hinsicht nachkomme, und spricht sich dafür aus, daß die zur Befriedigung der letzteren nötige Summe auf einmal und in einer besonderen Vorlage angesprochen werde. Derk. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski bemerkt, daß die Darlegungen über die auswärtige Lage und den Rückschlag, den eventuell ein Krieg zwischen Deutschland und Frankreich auf uns üben könnte, auf ihn den Eindruck gemacht habe, als ob wir möglicherweise bald einen Krieg zu besorgen hätten. Für diesen Fall werden aber außer den schon von der Kriegs¬ verwaltung angesprochenen Summen noch weitere erforderlich sein, und wenn man hiezu die in Verhandlung stehenden Auslagen für Landwehr und Land¬ sturm, dann die in den beiderseitigen Reichshälften zur Deckung des Defizits <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1887 327 nötigen Begebungen rechne, stünden für die nächste Zeit sehr bedeutende Kreditoperationen in Aussicht. Es sei nun nach seinen Erfahrungen entschieden besser, eine große Summe auf einmal zu beschaffen, als in kurz aufeinander folgenden Zwischenräumen wiederholt an den Geldmarkt zu appellieren. Wenn die Kriegsgefahr wirklich imminent sei, so sei es wohl an der Zeit, sich mit der Frage der Einberufung der Delegationen zu beschäftigen. Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza glaubt, daß vor al¬ lem nötig wäre zu konstatieren, welches Erfordernis die Kriegsverwaltung für das Heer beanspruche. Der Kriegsminister FLM. Graf Bylandt-Rheidt hebt vorerst hervor, daß alles, was für die Ausrüstung eines streitbaren Heeresstandes von 800 000 Mann nötig sei, gewissenhaft vorgesorgt sei; aber es gebe gewisse Vorkehrungen, die in vollem Frieden und ohne Kenntnis der Kombinationen, unter denen ein Krieg ausbrechen sollte, nicht ausführbar seien, wie z. B. die Herstellung transportabler Eisenbahnen, dieaVerteidigungsinstandsetzunga der Festungen usw. Solche Maßnahmen könnten nun unmöglich bis zur Kriegser¬ klärung aufgeschoben werden, da sie dann zu spät kämen, sondern müßten sofort, wenn ein Krieg in Sicht sei, in Angriff genommen werden. Was die Anforderungen anbelange, die an die Landwehr und den Landsturm gestellt würden, so erklären sich dieselben durch die Tatsache, daß wir bezüglich der Armee an der ursprünglichen Ziffer von 800 000 Mann festgehalten haben, während in allen unseren Nachbarstaaten dauernd mit einer Verstärkung des Standes der Armee vorgegangen worden sei. Um nun dieses Mißverhältnis auszugleichen, habe man auf den Landsturm greifen müssen, und zwar zu doppeltem Zwecke; erstens als Ersatz der Reserve, zweitens durch Aufstellung von Bataillonen, denen die Ausführung von Aufgaben zufallen würde, welche sonst der Landwehr, die nun in erster Linie herangezogen werden müsse, zugefallen wären. Zur Erreichung dieses Zieles hat der präsumtive Armeekom¬ mandant3 im Einvernehmen mit dem Generalstabe die Aufstellung von 104 Bataillonen in der diesseitigen Reichshälfte und von 106 Bataillonen und 50 Kavallerieeskadronen in Ungarn in Anspruch genommen. Dieser Anforderung haben auch die beiderseitigen Landesverteidigungsminister in der Konferenz, wo sie besprochen wurde, zugestimmt,4 und repräsentiere dieselbe tatsächlich das Minimum unter der dermalen gegebenen kriegerischen Kombination. Die obigen Bataillone können aber im Augenblicke der Gefahr nur von Nutzen sein, wenn sie bereits vollständig ausgerüstet und organisiert sind. Der Begriff der Kriegsgefahr sei aber ein sehr labiler und bei der Art, wie die Staaten sich i"a Korrektur Bylandt-Rheidts aus letzte Armierung. 3 FM. Erzherzog Albrecht. 4 Protokoll der am 17. Dezember 1886 unter Ah. Vorsitze Sr. k. u. k. apost. Majestät stattge¬ habten kommissionellen Beratung über jene Maßnahmen, welche behufs Formationen von Lahdsturmabteilungen im Falle eines im Frühjahr 1887 eintretenden Krieges in nächster Zeit zu treffen wären, KA., MKSM. 20-1/11-2 de 1886. <pb/>328 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1S87 gegenseitig ihre Kriegsabsichten verhehlen, der Moment des gewissen Eintrittes derselben kaum zu fixieren. Der Redner erörtert die Gründe, welche es ihm wahrscheinlich erscheinen lassen, daß Deutschland tatsächlich die Absicht ha¬ be, jetzt den Krieg mit Frankreich zu führen, und betont, daß im Hinblicke darauf die große Verantwortung vorliege, so schwer auch die Opfer sein mögen, nichts zu verabsäumen, um der Kriegsverwaltung jene Mittel zu gewähren, die notwendig seien, um eventuell einen Krieg aufzunehmen. Es müsse somit daran gedacht werden, nicht nur die Mittel für die Landwehr und den Landsturm, sondern auch die für die Vorsorgen der Heeresverwaltung nötigen Mittel aufzu¬ bringen. Sofort nach der letzten Konferenz wurden Bestellungen in der Höhe der bewilligten 15 Millionen bzw. 16,2 Millionen eingeleitet, von denen zwischen 5 und 6 Millionen im Laufe des Monats Februar und der Rest im März zur Bezahlung gelangen. Damit könnten aber die Vorkehrungen nicht abgeschlos¬ sen werden, sondern sie müßten fortgesetzt werden, wozu die nötigen Dotatio¬ nen erforderlich seien. Über eine Anfrage des königlich ungarischen Minister¬ präsidenten bemerkt FZM. Graf Bylandt, daß auch bei Aufstellung des von ihm in der Konferenz vom 5. Jänner in Aussicht genommenen zweiten, für eine spätere Zeit bestimmten Erfordernissatzes von 26 Milhonen gewisse Vorkehrun¬ gen wie die Einberufung der Reservisten nicht einbezogen, sondern auf eine suppletorische Maßregel für letztere, die vielleicht nicht ausführbar sein werde, gedacht worden sei, überhaupt müsse dieser zweite Erfordemissatz auch mit Rücksicht auf die geänderten Verhältnisse einer besonderen Revision unterzo¬ gen werden. Der Minister des Äußern Graf Kälnoky macht darauf auf¬ merksam, daß man sich dermalen noch in der vorbereitenden Phase befinde, wo man nur von der Möglichkeit des Ausbruches eines Krieges spreche; wenn man sich in der zweiten Phase von schon nahe imminenter Gefahr, die allerdings jeder Zeit eintreten könne, befinden werde, einer Phase, wo man schon an Einberufung von Reservisten denke, dann werde an die Einberufung der Dele¬ gationen ja ohnehin geschritten werden müssen. Heute sollte man sich an jene Sachlage halten, die die Grundlage der in der letzten Sitzung erfolgten Ermäch¬ tigung zur Ausgabe der 16,2 Millionen gebildet habe. Der Reichskriegsminister FLM. Graf Bylandt-Rheidt be¬ merkt, daß es bei der Ausgabe der letzteren Summe nicht sein Bewenden haben könne. Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erklärt, daß, wenn die Summe von 16,2 Millionen, zu deren Ausgabe der Kriegsminister in der letzten Konferenz ermächtigt wurde, überschritten, sowie wenn die teilweise Bedeckung der obigen Summen aus den Zentralaktiven als unzulässig erkannt würde, zur Berufung der Delegationen geschritten werden müßte. Derk. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski weist auf sei¬ nen in der letzten Sitzung gestellten Antrag hin, daß die ungarische Regierung für ihren Teil die Verpfändung der Zentralaktiven hach Maßgabe der auf sie entfallenden Quote an obigen 16,2 Millionen und auf ihre eigenen Kosten sowie gegen nachträgliche Refundierung vornehme. Die k, k. Regierung müsse bei <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1887 329 dem von ihr gewählten Bedeckungsmodus, nämlich der Antizipandoleistung der pragmatischen Quote Österreichs für die Monate November und Dezember beharren, da nach seiner Auffassung die k. k. Regierung nur hiezu gesetzlich berechtigt sei. Der kgl. ung. Finanzminister Graf Szapäry erklärt, daß er seitens der königlich ungarischen Regierung die Annahme dieses Vorschlages ablehnen müsse. Es wurden hierauf von verschiedenen Seiten die Höhe der anzusprechenden Geldmittel sowie die Schwierigkeit der Bedeckung derselben besprochen und wurde insbesondere von dem k. k. Finanzminister Ritter v. Du- najewski hervorgehoben, wie nötig zur günstigen Beschaffung der Geld¬ mittel die rechtzeitige Einleitung der Verhandlungen mit den betreffenden Geld¬ kräften sei. Der k. u. k. gemeinsame Finanzminister v. Källay resü¬ miert sodann das Ergebnis der bisherigen Verhandlung dahin, daß die Erledi¬ gung des in Beratung stehenden Gegenstandes zunächst von der Beantwortung der zwei Fragen abhänge, ob erstens die Mittel für die Landwehr und den Landsturm in der in der letzten Konferenz in Aussicht genommenen Höhe absolut nötig sind und zweitens, welche Geldmittel der Reichskriegsminister noch für die Heeresverwaltung beansprucht. Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt- Rheidt erklärt, daß er dasjenige, was für Ausrüstung des Landsturmes und für Beschaffung der Ergänzungen der Ausrüstung für die Landwehr bean¬ sprucht wurde, als ein Minimum ansehe und daß er auch jedenfalls den über die bereits bewilligte Summe von 16,2 Millionen erübrigenden Rest von der für die erste Periode der Vorbereitungen in Aussicht genommenen Summe von 23 Millionen für die Heeresverwaltung beanspruchen müsse. Nachdem noch von dem Minister des Äußern Grafen Kälno- ky auf die Perturbation, die möglicherweise durch die Einberufung der Dele¬ gationen hervorgerufen würde, sowie insbesondere auf die Nachteile einer Diskussion der finanziellen Verhältnisse der Monarchie in diesen Vertretungs¬ körpern aufmerksam gemacht und diesen Bedenken sowohl von seiten des k. k. als des königlich ungarischen Ministerpräsidenten unter Hinweis auf das Aufse¬ hen, das ohnehin bei Einbringung von Vorlagen solcher Höhe wie die Land¬ sturmvorlage unvermeidlich sei, sowie auf die Erleichterung der Durchbringung der letzteren bei gleichzeitiger Einbringung der Erfordernisse des gemeinsamen Heeres entgegengetreten wurde, erkennt die Konferenz allseitig die Notwendig¬ keit an, mit Rücksicht darauf, daß seitens der Kriegsverwaltung die Bedeckung der gesamten Summe von 23 Milhonen angesprochen wird, zur Berufung der Delegationen zu schreiten, und wird zugleich in Aussicht genommen, in letzte¬ rem Falle von der Delegation eine weitere, für die zweite Phase der Vorbereitung nötige Summe zur eventuellen Verwendung in Anspruch zu nehmen. Ein Beschluß in diesem Sinne wird jedoch nicht gefaßt, da der kgl. ung. Ministerpräsident sich vorbehält, noch in der morgigen unter Ah. Vor- <pb/>330 Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1887 sitze stattfindenden Konferenz die Argumente erneuert zur Geltung zu bringen, welche für den Antrag der ungarischen Regierung auf Einsetzung einer geringe¬ ren Summe für die Ausrüstung des Landsturmes sprechen. Es wird nunmehr zur Beratung der in der letzten Konferenz vorbehaltenen Frage der Übernahme der Ausrüstungskosten der Kavallerie des ungarischen Landsturmsb auf das gemeinsame Budget übergegangen und eine Note des FZM. Grafen Bylandt an den königlich ungarischen Ministerpräsidenten verle¬ sen, welche den Standpunkt der k. k. Regierung in dieser Frage präzisiert. Zur Motivierung des letzteren weist der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe darauf hin, daß der k. k. Regierung dermalen jede gesetzli¬ che Grundlage fehle, an einer Auslage für den Landsturm der Länder der königlich ungarischen Krone zu partizipieren, und daß die k. k. Regierung sich nur zur Übernahme der entsprechenden Quote der Auslagen bereit er¬ klären könnte, wenn eine Form gefunden würde, in welcher die aufgestellten Kavalleriedivisionen als ein Bestandteil des gemeinsamen Heeres anzusehen wären. Nachdem der Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt die Schwierigkeiten eines derartigen Auskunftsmittels dargelegt hat, stellt der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Freiherr v. Fejerväry einen Vermittlungsantrag, der die Kompensation der von den beiden Reichshälften für den Landsturm zu tragenden finanziellen Lasten be¬ zweckt. Diesem Anträge zufolge würde die diesseitige Reichshälfte über die ihr bisher zukommenden 104 Bataillone des Landsturmes um 14 Infanteriebataillone mehr und Ungarn von seinen 106 Infanteriebataillonen um 14 weniger aufstel¬ len, dagegen werde aber Ungarn 50 Kavallerieeskadronen ausrüsten, für welche gegebenen Falles der Kriegsminister für die Pferde Vorsorgen würde. Der Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt er¬ klärt sich zu letzterem eventuell bereit, behält sich aber vor, noch Berechnungen über die Grundlagen des ganzen Antrages anzustellen. In gleicher Weise werden seitens der Konferenz die beiderseitigen Landesverteidigungsminister ersucht, über die finanzielle Seite der Angelegenheit sich ins Einvernehmen zu setzen, und bleibt die Beschlußfassung in suspenso. Der k. k. Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt- Rheidt bringt nun die Frage der freien Einfuhr von Leder und Wolle aus Rumänien zur Sprache und weist darauf hin, daß ihm seitens der k. k. Regie¬ rung eine im Prinzip zustimmende, aber mit solchen Kautelen versehene Ant¬ wort zugekommen sei, daß er von der Zusage kaum Gebrauch machen könne. Von Ungarn stehe die Antwort noch aus. b Korrektur Bylandt-Rheidts aus Landwehr. <pb/>Nr. 21 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 1. 1887 331 Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza bemerkt, daß über die Sache bereits im Prinzip im Ministerrate verhandelt,5 aber noch das Gutach¬ ten des Handelsministeriums eingeholt worden sei. Die Erledigung werde aber in wenigen Tagen erfolgen. Als einen weiteren Gegenstand der Besprechung regt der Minister des Äußern Graf Kälnoky das in Aussicht genommene Pferdeausfuhrver¬ bot an. Der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski bemerkt, daß er bereits, soweit es sich um die k. k. Regierung handle, die Zustimmung ausgesprochen habe, daß das bezügliche Verbot über die Anzeige der gemeinsa¬ men Regierung von der Notwendigkeit desselben erlassen werde. Der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza erklärt, daß auch die königlich ungarische Regierung nicht widerstreben wolle, daß dieses Verbot, das das Land schwer belaste, in dem Falle, als er sich als absolut notwendig heraussteilen sollte, erlassen werde.6 Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt gibt so¬ nach der Besorgnis Ausdruck, daß mit Rücksicht auf den in einer Note des k. k. Landesverteidigungsministeriums in Aussicht genommenen Zusammentritt von Delegierten die Fertigstellung des Kriegsleistungsgesetzes bzw. der kaiserlichen Verordnung über die Kriegsfuhren neuerlich Verzögerungen erfahren dürfte. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Frei¬ herr v. Fejerväry gibt die Aufklärung, daß ungarischerseits gegen die meritorischen Bestimmungen der obigen Verordnung keinerlei Anstände mehr vorhanden seien,7 daß nur eine Schwierigkeit bezüglich der Unterstellung der Fuhrleute unter das militärische Strafgesetz bestehe, weil Ungarn kein analoges Gesetz über die Militärgerichtsbarkeit wie Österreich besitze; nach einer Erklä¬ rung des königlich ungarischen Justizministers werde aber auch in diesem Punkte bald Abhilfe geschaffen werden. Der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Frei¬ herr v. Fejerväry ersucht noch mit Rücksicht auf eine in Ungarn im Gange befindliche Bewegung zur Errichtung einer Gewehrfabrik den Reichs¬ kriegsminister um Erteilung von Auskünften darüber, welchen Termin eventuell die Kriegsverwaltung für die Lieferung der Gewehre, deren Herstellung sie obiger Fabrik zu übertragen geneigt wäre, in Aussicht nehmen würde, und in welchem Zeitpunkte sie die Bewaffnung der Landwehr bzw. der kgl. ung. Hon- veds mit den neuen Gewehren beabsichtige? 3/MT. Ung.MR. v. 27. 1. 1887. 4. Über die Versorgung vom Tuch- und Lederbedarf, OL., K. 27, Karton 41. Ebd. 3. In Angelegenheit des Pferdeausfuhrverhotes, OL., K. 27, Karton 41. 2jMT. Ung.MR. v. 14. 1. 1887. 8. Der Gesetzantrag und die Verordnung bezüglich der Kriegsleistungen, OL., K. 27, Karton 41. <pb/>332 Nr. 22 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 1. 1887 Reichskriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt bemerkt, daß er in Beantwortung dieser Anfrage nur vorläufig darauf hinweisen könne, daß die Fabrik in Steyr sich bereit erklärt habe, den gesamten Bedarf bis Mai 1889 herzustellen. Ob die Landwehren gleichzeitig mit den Korps der Armee, denen sie eventuell zugeteilt werden, oder erst nach Ausrüstung der gesamten aktiven Armee mit den neuen Waffen versehen werden, hänge noch von der Entscheidung Sr. Majestät über einen demnächst zu erstattenden au. Vortrag ab. FZM. Graf Bylandt weist bei diesem Anlasse auf die Schwierigkeit hin, die für ihn durch die teilweise Bewilligung der Kosten für die Bewaffnung der Armee mit den nötigen Gewehren gegenüber den Fabriken erwachsen [sei]. Der kgl. ung. Finanzminister Graf Szapäry macht auf die Größe der Anforderungen aufmerksam, die für die Herstellung der Waffen nötig sein werden, und stellt das Ersuchen, daß über die Verteilung der zur Rückzahlung der betreffenden Summen einzustellenden Raten in das Budget rechtzeitig mit den beiderseitigen Regierungen das Einvernehmen gepflogen werde. Hierauf wird die Sitzung geschlossen. Kälnoky Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 31. Jänner 1887. Franz Joseph. Nr. 22 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. Januar 1887 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der k. u. k. gemeinsame Minister des Äußern Graf Kälnoky (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident v. Tisza (26. 2.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (o. D.), der k. u. k. gemeinsame Kriegsminister FZM. Graf Bylandt-Rheidt (8.2.), der k. u. k. gemeinsame Finanzmini¬ ster v. Kdllay (8. 2.), der kgl. ung. Finanzminister Graf Szapäry (o. D.), der k. k. Finanzminister Ritter v. Dunajewski (o. D.), der k. k. Landesverteidigungsminister FML. Graf Welsersheimb (o. D.), der kgl. ung. Landesverteidigungsminister FML. Freiherr v. Fejerväry (o. D.). Protokollführer: Hof- und Ministerialrat Ritter v. Khu. Gegenstand: Militärische Vorkehrungen aus Anlaß der politischen Lage. KZ. 22 - RMRZ. 338 Protokoll des zu Wien am 30. Jänner 1887 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Se. k. u. k. apost. Majestät geruhen die Sitzung zu eröffnen, in¬ dem Allerhöchstdieselben anknüpfend an das Ergebnis der am 7.1. M. abgehal¬ tenen Ministerkonferenz die damals noch offengelassenen Punkte bezüglich der Einbringung einer Vorlage über die Kosten des Landsturmes zur Beratung stellen. Se. Majestät fordern im Hinblicke auf den Verlauf der gestrigen Mini¬ sterberatung zunächst den kgl. ung. Ministerpräsidenten auf, sich diesfalls zu äußern. <pb/>