Gemeinsamer Ministerrat, 19. 10. 1871
I. Ah. Reskript auf die Adresse des böhmischen Landtages
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z54.pdf.
362 Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 10. 1871 anderer Faktoren sowie einer Immatrikulierung in die betreffenden Landesgeset¬ ze in keiner Weise bedürftig bezeichnet werden müsse; 2. daß nicht minder un¬ zweideutig hervorzuheben sei, daß jede Abänderung der für die Gesamtmonar¬ chie geltenden Gesetze, insbesondere also des für die Behandlung der gemeinsamen Angelegenheiten Österreich-Ungams festgestellten Gesetzes vom 21. Dezember 1867 und des XII. Gesetzartikels vom Jahre 1867 nur in der Art und Weise, wie diese Gesetze zustande gekommen seien, also durch das Überein¬ kommen der beiderseitigen Legislativen nach vorausgegangener Beratung ihrer Ministerien und des gemeinsamen Ministeriums, endlich durch die Sanktion der Krone erfolgen könne, die einseitige Genehmigung der Vertretungskörper der ei¬ nen oder der anderen Reichshälfte für einen derartigen Abänderungsvorschlag daher als ausreichend nicht betrachtet werden könne. 3. Der gemeinsame Mini- sterrat hält es endlich vom Standpunkte der allgemeinen Interessen der Gesamt¬ monarchie für höchst wünschenswert, daß das kaiserliche Reskript, falls ein sol¬ ches erlassen werden sollte, den Deutschen die Möglichkeit ihrer ferneren Teilnahme an der Verfassungsrevision für die im Reichsrate vertretenen König¬ reiche und Länder eröffne. Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust [Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 21. Oktober 1871. Franz Joseph. Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. Oktober 1871 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident GrafAndrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Hohenwart (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzmini- ster Graf Lönyay (o. D.). Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Ah. Reskript auf die Adresse des böhmischen Landtages. KZ. 3780-RMRZ. 120 Protokoll des zu Wien am 19. Oktober 1871 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanz¬ lers Grafen Beust. Reichskanzler Graf Beust eröffhete die Sitzung, indem er mit Hinweis auf die bei Seiner Majestät dem Kaiser stattzufindende Beratung über die Beantwortung der böhmischen Landtagsadresse die Resultate einer Vorbe¬ sprechung darlegte, zu welcher das gemeinsame Ministerium sich unlängst verei¬ nigt hatte, um die eigene Stellung gegenüber der im Zuge befindlichen staats- <pb/>Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 10. 1871 363 rechtlichen Aktion zu fixieren.1 Man habe hiebei zweierlei vor Augen gehabt, a) die prinzipielle Seite der böhmischen Frage und b) die faktische Lage. In ersterer Beziehung habe man für nötig erkannt, daß der verfassungsmäßige Standpunkt, welchen ja auch die cisleithanische Regierung betone, strenge ge¬ wahrt und daher auch im Ah. Reskript auf die böhmische Landtagsadresse präzi¬ se zum Ausdruck gebracht werde, damit der legale Grund für Abstinenzen entfal¬ le. Es scheine dies aber auch mit Rücksicht aufdie ungarische Regierung geboten, welche darauf halte, daß der 1867er Ausgleich als unzweifelhaft zu Recht beste¬ hend und perfekt hingestellt werde. Für Vortragenden als Minister des Äußern ergebe sich noch die weitere leitende Rücksicht, daß durch die Abstinenz der deutschen Bevölkerung die dermalige äußere Politik, welche die Billigung beider Delegationen fand, gestört werden würde, wofür als Beleg die neuesten äußeren Nachrichten, namentlich jene aus Berlin, wo man sich mit unseren Zuständen ernstlich zu beschäftigen anfängt, dienen mögen. Neben diesen theoretischen Bedenken gegen die unbeanstandete Zulassung der Adresse komme aber auch die faktische Lage in Betracht, welche so beschaf¬ fen sei, daß sich zwei Parteien, die eine im Gefühle des Sieges zu weitgehend, die andere durch die Gefährdung ihrer Interessen beunruhigt und zu passivem Wider¬ stande entschlossen - feindlich gegenüberstehen. Diese Lage erheische eine Kundgebung, welche geeignet ist, nach der einen Seite ernüchternd, nach der anderen ermutigend zu wirken und auf diese Weise die Beteiligung gemäßigter Elemente zu ermöglichen und herbeizuführen. In diesem Anbetrachte habe das gemeinsame Ministerium nachstehende Punk¬ tationen entworfen, die im Ah. Reskript zum Ausdruck zu bringen wären, näm¬ lich a) daß der Ausgleich mit Ungarn als unzweifelhaft zu Recht bestehend und in Böhmen weder einer landtäglichen Ratihabierung noch einer Inartikulierung bedürftig bezeichnet, ferner hervorgehoben werde, daß jede Abänderung der Ausgleichsgesetze nur in der Art und Weise, wie sie zustande gekommen sind, also durch Übereinstimmung des Reichsrates und ungarischen Reichstages und durch die Sanktion der Krone erfolgen könne; b) daß den Böhmen der gesetzliche Weg zur Geltendmachung ihrer Ansprüche offengehalten, aber gleichwohl auch den Deutschen die Möglichkeit ihrer ferneren Teilnahme an der Verfassungsrevi¬ sion nicht benommen werde; c) daß jedem Zweifel über den Rechtsbestand der Verfassung und die Legalität des Reichsrates entgegentreten und das bedingende Moment in dem Landtagseröffhungsreskripte vom 12. September d. J. scharf be¬ tont werde.2 Ministerpräsident Graf Hohenwart stellte in bezug auf letzteren Punkt in Abrede, daß das Ah. Reskript vom 12. September d. J. eine prinzipielle Anerkennung des böhmischen Staatsrechtes ausspreche, es sei daher GMR. v. 16. 10. 1871, RMRZ. 119. Siehe weiter Leitfaden zum Reskript an böhmischen Land¬ tag. Beilage zu MR. v. 20. 10. 1871, [MRZfehlt], HHStA, PA. XL, Karton 286. 695-699. 2 GMR. v. 16. 10. 1871. RMRZ. 119. Anm. 2. <pb/>364 Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 10. 1871 auch kein Grund vorhanden, in dem nun folgenden zweiten Reskript von einer Restringierung jener Anerkennung zu sprechen. Wohl enthalte das Reskript vom 12. v. M. den Passus ,,eingedenk der staatsrechtlichen Stellung Böhmens", diese lasse sich aber nicht leugnen, da ja kein Königreich ohne aeine bestimmte staats¬ rechtliche Stellung3 bestehen könne. Demgegenüber bemerkte Reichskanzler Graf Beust, daß er auch nicht eine förmliche Interpretation des früheren Reskriptes, sondern nur überhaupt eine Emanation vor Augen habe, welche dartue, daß die Auffassung, wie sie von deutscher Seite verkündet wurde und trotz der Ausführungen der Wiener Abendpost auch in den böhmischen Blättern und im Landtage in Prag zum Ausdruck gelangte, mit den Intentionen des Reskriptes nicht übereinstim¬ me. Ministerpräsident Graf Andrässy schloß sich den Ausfüh¬ rungen des Reichskanzlers an und legte den Ton auf die Definierung dessen, was man unter Staatsrecht verstehe. Hierüber müsse man sich zunächst im Schoße der Regierung selbst klar werden. Nach diesen einleitenden Bemerkungen brachte Ministerpräsident Graf Hohenwart den Entwurfdes Reskrip¬ tes auf die böhmische Adresse zur Verlesung3 und bemerkte sodann erläuternd, daß sich der Entwurf den Fundamentalartikeln des böhmischen Landtages an¬ schließe und der Reihenfolge der letzteren entsprechend zuerst das Verhältnis Böhmens zu Ungarn, dann jenes zu den übrigen Ländern erörtere. In betreff der Verfassung konstatierte er, daß der Entwurf die Rechtswirksamkeit derselben auch für Böhmen, solange sie nicht abgeändert werde, andeute. - Was dagegen den Passus über Ungarn betreffe, so müsse bedacht werden, daß der böhmische Landtag den ungarischen Ausgleich gar nicht anerkennen wollte. Nun, da er es getan, gehe es nicht wohl an, seine Anerkennung im Sinne der Punktationen des gemeinsamen Ministeriums zurückzuweisen. Reichskanzler Graf Beust bemerkte zur Kritik dieses Entwur¬ fes vor allem, daß das Staatsrecht Böhmens als selbständiger Faktor gegenüber den anderen Ländern der Monarchie auch hier zu sehr in den Vordergrund gestellt erscheine,während Reichsfinanzminister Graf Lönyay den Unterschied zwischen dem Entwurf und der Formulierung des gemeinsamen Mi¬ nisteriums hervorhob. Nach den Intentionen des letzteren soll Böhmen verfas¬ sungsmäßig behandelt, d. h. die diesem Lande zu machenden Konzessionen von dem Ergebnisse der verfassungsmäßigen Behandlung abhängig gemacht werden, dagegen präjudiziere der Entwurf die Entscheidung der Legislative, indem er sich die böhmischen Forderungen a priori aneigne. a Korrektur aus ein bestimmtes früheres Staatsrecht. Hohenwarts Antwortsentwurf auf die Fundamentalartikel: siehe Beilage A. zum Minister¬ ratsprotokoll I v. 20. 10. 1871, MRZ. 111. <pb/>Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 10. 1871 365 Ministerpräsident Graf Hohenwart bestritt das behauptete Präjudiz mit der Entgegnung, daß die Regierung, wenn sie die böhmischen For¬ derungen als Vorlage vor den Reichsrat bringen wolle, sich dieselben als Basis notwendig aneignen müsse. Dies hindere nicht, daß die Vorlage nicht ganz im Sinne des Landtagsbeschlusses ausfalle. Ministerpräsident Graf Andrässy wendete sich in längerer Auseinandersetzung zunächst gegen die prinzipielle Seite des Reskriptentwurfes, der auch nach seiner Impression eine Anerkennung des böhmischen Standpunktes involviere. Vortragender könne aber unmöglich den Ausgangspunkt akzeptieren, als ob es sich um ein abgesondertes Verhältnis Böhmens zu Ungarn handle. Der zu Recht bestehende Ausgleich mit Ungarn gestattet keinen böhmischen Standpunkt, sondern es stünden die Reichsratsländer zusammen den Ländern der ungarischen Krone zusammen gegenüber. An dieser Demarkationslinie zwischen Dualismus und Föderalismus müsse streng festgehalten und daher im Reskript, ohne die An¬ erkennung des ungarischen Ausgleiches durch Böhmen schrotf zurückzuweisen, doch betont werden, daß nur die zwei Faktoren Cis- und Transleithanien bestehen, was auch der Titel des Gesetzes vom 21. Dezember 1867 bekundet. Deshalb sei Vortragender gegen die vorliegende Fassung des auf Ungarn bezüglichen Passus und wünsche, daß das Ausgleichsgesetz für beide Teile als bindend und gar nicht diskutierbar bezeichnet werde. In dieser Erwägung müsse Vortragender sich auch gegen die im Entwurf des Reskripts ausgedrückte Anerkennung der Bemühungen Böhmens für die Berücksichtigung der Verhältnisse aussprechen und sich gegen die Auffassung, als ob Böhmen dem Gesamtreiche durch Anerkennung des 1867er Ausgleiches irgendwelche Opfer bringe, verwahren. Ein weiteres Bedenken habe er dagegen, daß im Reskripte die Bemühungen Böhmens wegen Vereinbarung der Ansprüche des Landes mit den Anforderungen der Machtstellung des Reiches hervorgehoben werden, und er finde, daß vielmehr der rechtliche Besitz der Ah. Dynastie und die dadurch bedingte Zusammengehö¬ rigkeit der Länder maßgebend sei. Endlich wendete sich Redner gegen die Auf¬ nahme des die Zukunft antizipierenden Wortes ,,Fundamentalartikel" in das Re¬ skript und wünschte dasselbe durch den Ausdruck ,,Wünsche oder Vorschläge", der seinerzeit auch in den ungarischen Reskripten zur Anwendung gelangte, zu substituieren. Reichskanzler Graf Beust besprach hierauf gleichfalls die vom Reichsfinanzminister angeregte Frage der Aneignung der böhmischen Proposi¬ tionen durch die Regierung und wies darauf hin, daß die Aneignung auch die Vertretung bedinge. Nachdem mm sowohl der Reichsfinanzminister als auch der Reichskriegsminister vom Standpunkte ihrer Ressorts gewichtige Anstände ge¬ gen die böhmischen Forderungen vorgebracht hätten, so müsse im Reskriptent¬ wurfjedenfalls die Änderung Vorbehalten werden. Vortragender wiederholte sodann mit Hinweisung auf den verfassungsmäßi¬ gen Zusammentritt des 1867er böhmischen Landtages die Unzulässigkeit des in der Adresse hervortretenden böhmischen Standpunktes, indem er betonte, daß <pb/>366 Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 10. 1871 der im Jahr 1870 aufgelöste böhmische Landtag, der von allen Parteien, auch von der nationalen beschickt worden war, eben aufgrund der durch den ungarischen Ausgleich bedingten Dezember-Verfassung tagte. Es sei also schon aus diesem Grunde unzulässig, daß der 1871er Landtag sich eine Kompetenz bezüglich des ungarischen Ausgleiches vindiziere. Vortragender besprach ferner die Notwendigkeit der Abschwächung des Re¬ skriptentwurfes in dem die Gleichberechtigung Böhmens gegenüber den Reichs- ratsländem berührenden Passus. Wenn der Entwurf in seiner jetzigen Fassung, die der Akzeptierung des böhmischen Standpunktes bloß mit der Ermahnung zur Mäßigung gleichkommt, hinausgegeben werde, so werde die Erbitterung der deutschen Partei nicht abnehmen. Die im Entwurf vorkommende Anerkennung der versöhnlichen Bemühungen Böhmens sei eben nicht geeignet, nach der einen Seite ernüchternd, nach der anderen ermutigend zu wirken, wie es geboten er¬ scheine. Ministerpräsident Graf Hohenwart machte auf die Ver¬ schiedenheit seines und des Standpunktes der übrigen Mitglieder der Konferenz aufinerksam. Wenn man, wie es in der Absicht der letzteren zu liegen scheine, den Böhmen im Reskript dasselbe wiederhole, was man ihnen während der letz¬ ten zehn Jahre stets entgegenhielt, so würde man auch dasselbe Resultat herbei- führen, nämlich ihr Fernbleiben vom Reichsrat. Wenn nun auch Böhmen für sich allein für die Beschlußunfähigkeit des Reichs¬ rates noch nicht ausschlaggebend sei, so werde die Abstinenz der Böhmen vom Reichsrat doch das Ausbleiben der Abgeordneten aus den ausgleichsfreundlich gesinnten Landtagen zur unmittelbaren und somit die Beschlußfähigkeit des Reichsrates zur mittelbaren Folge haben, und man gelange auf diese Weise wieder in die durch den Petrinoschen Austritt geschaffene Situation.4 Es frage sich, was dann zu geschehen habe und ob etwas andere übrig bleibe als der Absolutismus? Reichskanzler Graf Beust gab die Möglichkeit zu, daß die Ver¬ fassung zum Stillstand gebracht werde, dies müsse aber durch eine von der Re¬ gierung ganz unabhängige Bewegung geschehen. Sie selbst dürfe nicht durch das Abweichen vom verfassungsmäßigen Weg eine Abstinenz hervorrufen. Ministerpräsident Graf Hohenwart bemerkte noch weiter, die Böhmen würden sich ohne bestimmte Garantien nicht herbeilassen, aufs Un¬ gewisse in den Reichsrat zu gehen und auf die Gefahr hin, daselbst mit ihren Ansprüchen nicht durchzudringen, ihren jetzigen Standpunkt aufzugeben. Ministerpräsident Graf Andrässy setzte hierauf auseinan¬ der, wie die Böhmen allen Grund hätten, im Reichsrat zu erscheinen, nicht nur Petrino, Alexander Freiherr von (1824-1889), 1861-1875 Landtagsabgeordneter in Buko¬ wina, 1867--1873 Reichstagsabgeordneter, am 31. März 1870 einer der Anreger derfödera¬ listischen Opposition, die die Tätigkeit des Reichsrates lähmt und damit zum Sturz der libe¬ ral-zentralistischen Regierung Hasnerführt. In der aufHasnerfolgenden Regierung Potocki Ackerbauminister. <pb/>Nr. 54 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 19. 10. 1871 367 weil sie im Reskript vom 12. September eine Satisfaktion erblicken müssen, son¬ dern auch in Berücksichtigung dessen, was die Krone und das Ministerium be¬ reits für Böhmen taten, indem sie eine ausgleichsffeundliche Majorität zustande brachten. Auch fernerhin könne die Regierung, wenn sie es mit ihrer Verantwort¬ lichkeit vereinbarlich halte, den böhmischen Bestrebungen ihre Unterstützung Zusagen, ohne sich jedoch mit dem böhmischen Standpunkt zu identifizieren. Die Anerkennung im vorhinein für das, was Böhmen verlange, gehe nicht an und mache die Verfassung illusorisch, es werde dadurch aber auch die Krone in einer Weise engagiert, die zu schweren Kompromissionen führen könne. Reichsfinanzminister Graf Lönyay knüpfte an die böhmi¬ sche Landtagsadresse an um nachzuweisen, daß der böhmische Standpunkt im Reskripte nicht unerwähnt gelassen werden dürfe. Indem die Adresse des böhmi¬ schen Landtages den ohne sein Zutun zustande gekommenen Ausgleich mit Un¬ garn akzeptiert und zugleich durch Hinweis auf Inartikulierung und Fortbildung des Ausgleiches denselben gleichsam amendiere, während derselbe durch die Ge¬ nehmigung der beiden Legislativen und der Krone perfekt geworden sei, habe sich der Landtag auf einen ganz unzulässigen Standpunkt gestellt, der notwendig nach den Andeutungen des gemeinsamen Ministeriums korrigiert werden müsse. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn schaltete ein, daß wie immer das Reskript ausfalle, die Zusammenstellung des Reichsrates eine solche sei, welche die Annahme der böhmischen Propositionen erwarten lasse, was dem Ministerpräsidenten Graf Andrässy Anlaß zu der Entgegnung bot, daß es sich heute zunächst um das Reskript handle und die Fun¬ damentalartikel, von welchen ihm einige allerdings als zu weitgehend und un¬ durchführbar erscheinen, nur in zweiter Linie in Betracht kommen. Vortragender besprach sofort das Wesen des Dualismus, welches ihm den Gedanken an ein Eingreifen in die Stellung des Grafen Hohenwart ferne lege. Inwieweit es sich aber bei der schwebenden Frage um Kardinalpunkte der für beide Reichsteile geltenden Verfassung handle, halte er sich wegen der daraus für Ungarn resultie¬ renden Konsequenzen als Rat der Krone zu einer Ingerenz jetzt schon berufen und glaube daraus auch seine Berechtigung zur Einflußnahme auf die Fassung des Reskriptes folgern zu können. Er beantragte daher, da die Amendierung des vorliegenden Entwurfes nicht recht tunlich sei, die Abfassung eines Gegenent¬ wurfes, über welchen sich sodann Graf Hohenwart nach eigener Beratung auszu¬ sprechen hätte, um auf diese Weise leichter zu einer Verständigung zu gelangen. Ministerpräsident Graf Hohenwart erklärte sich mit die¬ sem modus procedendi sowie mit der schärferen Betonung des ungarischen Aus¬ gleiches im Reskriptentwurfe einverstanden, worauf die Sitzung geschlossen wurde. Beust [Ah. E.] Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 27. Oktober 1871. Franz Joseph. <pb/><pb/>