Gemeinsamer Ministerrat, 2. 2. 1871
I. Das Militärbudget
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z37.pdf.
256 Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. Februar 1871 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (o. D.), der kgl. ung. Finanzminister v. Kerkäpoly (o. D.). Protokollführer: Sektionsrat v. Teschenberg. Gegenstand: Das Militärbudget. KZ. 81 -RMRZ. 103 Protokoll des zu Ofen am 2. Februar 1871 abgehaltenen Ministerrates für ge¬ meinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Seine Majestät der Kaiser geruht die Sitzung mit dem Hinweis darauf zu eröffnen, daß die Vorbesprechungen mit den Siebnerkommissionen1 der Delegationen eine neuerliche Beratung des Ministeriums über die von der Regierung anzunehmende Haltung erforderlich machen, und erteilt dem Reichs- fmanzminister zur Darlegung des Sachverhaltes das Wort. Reichsfinanzminister v. Lönyay: Die ersten Verhandlun¬ gen mit den Kommissionen seien nicht von einem besonderen Erfolge begleitet gewesen. Diese Verhandlungen hätten sich auf Pourparlers beschränkt, in wel¬ chen im allgemeinenjeder Teil auf seiner Meinung verharrte, doch habe jetzt eine größere Annäherung stattgefünden, und nach Mitteilungen des Präsidenten Hop¬ fen2 sei Geneigtheit in der deutschen Delegation vorhanden, in gewissen Punkten nachzugeben. Er legt sodann die einzelnen Posten der Beurteilung des Minister¬ rates vor. Im Ordinarium 1.1 Zentralleitung ergibt sich noch zwischen beiden Kommissionen eine Differenz von 47 000 fl. Seine Majestät der Kaiser faßt den Ah. Beschluß, daß in diesem Punkte auf den neuen Stand¬ punkt der deutschen Delegation eingegangen werden könne. In der Rubrik ,,Kommanden und Stäbe" hat die deutsche Delegation eine Kon¬ zession von 150 000 fl. gemacht, es bleibt somit noch eine Differenz von 90 000 fl. Reichsfinanzminister v. Lönyay weist daraufhin, daß der Ausfall zwei Perzent des ganzen Anspruches betrage, hier könne durch die Inter- kalarien abgeholfen werden. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn schließt sich dieser Auffassung an. Seine Majestät der Kaiser faßt den Ah. Beschluß, daß hier gleichfalls dem Standpunkte der deut¬ schen Delegation eine Konzession gemacht werden könne. In der Rubrik ,,Geniewesen" hat die ungarische Delegation um 93 000 fl. we¬ niger bewilligt als die reichsrätliche. Die Kommission der letzteren schließt sich dem Votum der ungarischen Delegation an. Reichskriegsminister Siehe GMR. v. 31. 1. 1871, RMRZ. 102. Anm. 15. Hopfen, siehe GMR. v. 14. 11. 1870, RMRZ. 91. Anm. 5. <pb/>Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 257 Freiherr v. Kuhn: Es handle sich in dieser Rubrik hauptsächlich um die Erhaltung der Gebäude. Die sei nun allerdings als ein verlorener Posten zu betrachten. Seine Majestät der Kaiser geruht sodann, die besondere Wich¬ tigkeit der Ansätze für die Reservisteneinberufung hervorzuheben. Hier betrage die Differenz nach Mitteilungen des Reichsfinanzministers noch 900 000 fl. Die Einberufung und Einexerzierung der Reservisten sei eine Notwendigkeit und ent¬ spreche der gesetzlichen Vorschrift. Endlich müsse das Gesetz doch zur Wahrheit werden, hier empfehle sich unbedingtes Festhalten. Reichskriegsmi¬ nister Freiherr v. Kuhn entwickelt seine Auffassung in gleicher Richtung. Das Ganze der Organisation werde illusorisch, wenn hier eine Lücke eintrete. Seine Majestät der Kaiser geruht dementsprechend den Befehl zu erteilen, daß in diesem Punkte an dem höheren Ansatz unbedingt fest¬ zuhalten sei. Im I (gewöhnlichen) Extraordinarium sind die Posten Wagenschluß, Spital in Ofen, Pulvermagazin in Cattaro und Komom, Tierspital in Wien, (von der reichs- rätlichen Delegation votiert, der ungarischen abgelehnt) Kriegsentschädigung im Gesamtbeträge von 288 000 fl. wechselseitig akzeptiert worden. Im Titel 5 1-6 ergibt sich rücksichtlich der Befestigung der Lissagora bei Krakau eine Differenz von 100 000 fl. Reichsfinanzminister v. Lönyay ist der An¬ sicht, daß der höhere Ansatz hier schwerlich durchgehen werde. Reichs- kriegsminister Freiherr v. Kuhn teilt nicht ganz diese Mei¬ nung. Der betreffende Beschluß der reichsrätlichen Delegation sei hauptsächlich durch den Delegierten Zyblikiewicz3 herbeigeführt worden. Graf Wodzicky4 habe mitgeteilt, daß seit dieser Zeit eine gewisse Verschiebung der Auffassungen bei den Polen selbst eingetreten und daß die Ansicht vorhanden sei, sie für den Regierungsantrag zu gewinnen. Finanzminister v. Kerkäpoly glaubt, daß sich dies gleich beim Nuntienwechsel zeigen werde. Wenn die Polen die Befestigung der Lissa¬ gora wünschen, sollen sie die Ungarn auch wünschen. Seine Majestät der Kaiser befiehlt, daß an dem vollen Betrag des Ansatzes für die Befestigung der Lissagora festgehalten werde. (Siehe unten beim 2. Extraordinarium) Bei der Rubrik ,,Herstellung und Erweiterung der Schießplätze und Exerzier¬ plätze und Reitplätze" ergibt sich eine Differenz von je 100 000 fl., die deutsche Delegation motiviert ihre Haltung mit der Rücksicht auf die bevorstehende Ver¬ änderung der Dislokation. Seine Majestät der Kaiser macht auf das Irrige dieses Argumentes aufmerksam. Nicht die Dislokationen werden ver¬ ändert, sondern andere Truppen kommen in dieselben Dislokationen. Reichs- 3 Zyblikiewicz, Nicolaus Dr (1823-1887), Reichsratsabgeordneter (Polenklub), greift in der Delegation am heftigsten die Befestigungsbauten bei Krakau an. 4 Wodzicky, Ludwig Graf(1834-1894), Reichsratsabgeordneter (Polenklub). <pb/>258 Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 finanzminister v. Lönyay teilt mit, daß die ungarische Delegation an ihrem Standpunkt festhalten werde, wenn es als notwendig erachtet werden würde. Finanzminister v. Kerkäpoly ist entschieden der An¬ sicht, daß zur Vermeidung aller Konflikte [daran] festgehalten werden müsse. Die beiden Landesministerien würden gegen sich selbst sündigen, wenn sie nicht die¬ sen Standpunkt einnehmen würden. Seine Majestät der Kaiser bemerkt, daß es nicht schwer sein werde, die Auffassung der Regierung aus na¬ tionalökonomischen und anderen Gründen zu rechtfertigen. Die Verhältnisse hät¬ ten sich total geändert. Früher sei es nicht schwer gewesen, derartige Plätze zu erwerben, jetzt, wo alles angebaut sei, seien Geldmittel erforderlich. Allerhöchst- derselbe erteilte den Befehl, daß an dem höheren Ansätze festzuhalten sei. Zum 2. (außerordentlich) Extraordinarium macht Reichsfinanzmi¬ nister v. Lönyay die Mitteilung, daß bezüglich des Punktes der ,,Artil¬ lerieverwahrung" sich die deutsche Delegation geneigt zeigen werde, zwei Mil¬ lionen als ,,Kriegsreservevorrat" unter der Bedingung einzustellen, daß die Ebersche Motion nicht zum Vorschein komme.5 Ministerpräsident Graf Andrässy findet durchaus wün¬ schenswert, daß die eventuelle Bestimmung für die Landwehr ersichtlich gemacht werde. Reichsfinanzminister v. Lönyay fuhrt an, daß die ganze Angelegenheit wegen einer voraussichtlichen Inkompetenzerklärung der reichs- rätlichen Delegation nicht ganz unbedenklich sei. Trete diese ein, so werde die gemeinsame Abstimmung unmöglich. Finanzminister v. Kerkäpoly glaubt nicht, daß eine Änderung in der bisherigen Bezeichnung ,,Feldgeschützmaterial" notwendig sei. Seine Majestät der Kaisen hebt hervor, daß die Frage haupt¬ sächlich durch die Motion Eber6 bezüglich der Verteilung der Geschütze in die Landwehrdistrikte und Evidenzhaltung in denselben verwirrt und verdorben wor¬ den sei. Ministerpräsident Graf Andrässy stellt die Anfrage, ob die Landwehr bei den Herbstübungen mit Artillerie werde versehen werden? Seine Majestät der Kaiser geruht zu antworten, daß dies kei¬ nem Anstand unterliegen werde. Im vergangenen Jahr habe es wegen der Aug- mentierung der Artillerie nicht stattgefunden. Reichsfinanzminister v. Lönyay: Die Deutschen halten den Ausdruck ,,Kriegsreservevorrat" als den dem gesetzlichen Stand der Sache am meisten entsprechenden. Ministerpräsident Graf Andrässy findet den Ausdruck un- präjudizierlich und glaubt, daß derselbe, wenn die Deutschen Wert darauf legen, akzeptiert werden könne. Siehe Interpellation von Eber GMR. v. 31. 1. 1871, RMRZ. 102. Anm. 5. Eber, ebd. <pb/>Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 259 Seine Majestät der Kaiser geruht zu gestatten, daß im Sinne des deutschen Antrags vorgegangen werde. Gleichen Beschluß faßt Allerhöchst- derselbe bezüglich des Punktes ,,Pferdemontierungen". In den Posten ,,Monturen" ist die reichsrätliche Delegation um 500 000 fl., im Posten ,,Genie" um 22 000 fl. hinaufgegangen. Im Posten ,,Festungsgeschütze" ergibt sich eine Differenz von 1 300 000 fl. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn glaubt, daß man den höheren Ansatz hier nicht fallen lassen könne, man müßte mit der Forderung wiederkommen, und es empfehle sich, jetzt alles auf einmal abzutun. Finanzminister v. Kerkäpoly hält gegenüber dem etwas bela¬ steten diesjährigen Budget eine gewisse Einteilung und ein Zurückkommen auf den Gegenstand bei Gelegenheit der nächsten Delegation für rätlich. Diese Dele¬ gation werde ohnedies schon im Mai oder Juni tagen, und eine allzustarke Verzö¬ gerung der Anschaffung sei somit nicht zu besorgen. Reichsfinanzminister v. Lönyay ist gleichfalls der Ansicht, daß man der reichsrätlichen Delegation etwas bieten müsse, als Ersatz für die Zugeständnisse, zu denen sie sich anschicke. Seine Majestät der Kaiser geruht zu beschließen, daß hier eine Konzession an den Standpunkt der reichsrätlichen Delegation eintreten könne. Dafür sei der Betrag von 12 000 fl. für Handpressen zur Füllung von Patronen trotz seiner Geringfügigkeit unter allen Umständen auftechtzuerhalten. Bezüglich des Postens ,,Genietruppen", bei welchem 22 000 fl. statt 38 000 votiert sind, geruhte Seine Majestät zu befehlen, daß es bei der erste- ren Summe sein Bewenden haben möge. In der Abteilung der ,,Befestigungen" hat die reichsrätliche Delegation 2 500 000 fl. weniger bewilligt als die ungarische.7 Reichskriegsmini¬ ster Freiherr v. Kuhn hält für zweifelhaft, ob die Ungarn an dem Votum bezüglich Eperies festhalten werden. Der Berichterstatter Bujanovic8 sei als Abgeordneter von Eperies selbst schwankend geworden. Es ergebe sich über¬ all dieselbe Erscheinung, daß die Abgeordneten nur den zur Befestigung vorge¬ schlagenen Orten [sic!] gegen die Befestigungsprojekte auftreten. Finanzminister v. Kerkäpoly glaubt eine entschlossenere Haltung der ungarischen Delegation verbürgen zu können, als der Reichskriegs- minister annimmt. Ministerpräsident Graf Andrässy regt die Frage an, ob nicht, wie vielfach geltend gemacht worden, sich die Befestigung von Tokaj oder eines anderen Punktes aus der Theiß statt Eperies empfehle. Seine Maje¬ stät der Kaiser bemerkt, daß in dieser Beziehung allerdings von alters- 7 Zur Befestigungsfrage GMR. v. 7. 8. 1870, RMRZ. 74; GMR. v. 31. 1. 1871, RMRZ. 102. Gegenstand: VIII. Bujanovics, Sändor (1837-1918), ung. Reichstagsabgeordneter (Eperjes), 1868-1872 Schriftführer des Hauses und Referent der Delegation. <pb/>260 Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 her verschiedene Ansichten bestanden haben. Auch Miskolc sei unter den zu be¬ festigenden Orten genannt worden. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn entwickelt das strategische System, dessen Durchführung mit den Befestigungsprojekten des Kriegsministeriums in Angriff genommen worden sei. Bei der Befestigung von Eperies handle es sich darum, den Aufmarsch einer Armee zu verhindern, welche durch die Karpatenpässe eingedrungen sei. Eperies repräsentiere die Vereinigung der Hauptstraßenzüge, alle anderen seien strategische Nebenlinien. Die Befesti¬ gung jedes anderen Punktes würde die Vereinigung und den Aufmarsch der ein¬ gedrungenen feindlichen Truppen nicht zu verhindern vermögen. In Verbindung damit stehe die Befestigung von Krakau. Letzteres bedrohe jeden in die Karpaten vordringenden Feind mit 50 000 Mann in der Flanke. Deshalb sei auch die Voll¬ endung der Befestigung von Krakau, insbesondere der Lissagora, von besonderer Wichtigkeit. Letztere biete den Punkt, von welchem Krakau bombardiert werden könne. Was Komom anbelangt, so seien die Befestigungsanlagen der Höhen von Nagy-Igmänd bewilligt, von besonderer Bedeutung sei die Befestigung des Waagbrückenkopfes und die Anlagen detachierter Forts. Nur die letztere entspre¬ che dem Geiste der modernen Befestigungskunst, und neuerliche Erfahrungen hätten in Straßburg sowohl als in Paris die Notwendigkeit solcher Forts erwiesen. In Paris seien wirksame Ausfälle durch den Mangel detachierter Forts im Süden der Stadt unmöglich gemacht und dadurch hauptsächlich der Fall der Hauptstadt herbeigeführt worden. Seine Majestät der Kaiser weist darauf hin, daß Krakau ohne die Befestigung der Lissagora dem feindlichen Bombardement ausgesetzt sei und seine wichtige strategische Bedeutung in bezug auf die Karpatenpässe kaum be¬ haupten könne. Finanzminister v. Kerkäpoly hält eine völlig entschiedene Haltung für das einzig Wünschenswerte. Man müsse sich völlig klar werden über alle diese Fragen. Man gebe 100 Millionen aus für die Armee und wolle zwei Millionen für die Befestigungen sparen. Seien die Deutschen nicht zu kapazitie- ren, und es habe den Anschein, daß dies der Fall sei, dann sei ihnen auch das Niedergestimmtwerden nicht zu ersparen. Seine Majestät der Kaiser geruht zu befehlen, daß an den An¬ sätzen für Komarom festzuhalten sei. Bezüglich Eperies sei der Versuch zu ma¬ chen, die Einstellung durchzubringen. Bei Krakau sei die Forderung von 500 000 fl. fallenzulassen, dagegen die Forderung der 200 000 fl. für die Lissagora auf¬ rechtzuerhalten. Die Befestigung von Heiligenberg bei Olmütz ist im Betrage von 300 000 fl. von der deutschen Delegation bewilligt, von der ungarischen durch ein Versehen abgelehnt. Die reichsrätliche Siebnerdelegation hat sich dem ungarischen Votum angeschlossen. Seine Majestät der Kaiser stellt die Frage, ob der Posten als ein verlorener zu betrachten sei? Reichsfinanzminister v. Lönyay: Das kom¬ me darauf an, welches Nuntium zuerst in die andere Delegation gelange. <pb/>Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 261 Finanzminister v. Kerkäpoly: Man müsse auf die Forderung jedenfalls in der nächsten Delegation zurückkommen. In der ungarischen Delega¬ tion sei ihm die Majorität gewiß, und die reichsrätliche könne aus Konsequenz nicht gegen einen einmal gefaßten Beschluß stimmen. Bezüglich der Rubrik ,,Monturwesen" ist die deutsche Kommission auf 3 500 000 fl. hinaufgegangen. Gegenüber dem ungarischen Votum von sechs Mil¬ lionen ergibt sich eine Differenz von 2 1/2 Millionen. Die ungarische Delegation will an ihrem Beschlüsse bis zur gemeinsamen Votierung festhalten. Seine Majestät der Kaiser geruht dem die Ah. Zustimmung zu erteilen. Zur Frage der Truppendivisionen Art. 3 ,,Magazine", dann Titel 2 ,,Ergänzung des Feldausrüstungsmaterials" besonders rücksichtlich der Divisionsstäbe spricht Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn die Besorgnis aus, daß die Ungarn von ihrem früheren Votum abgehen würden. Demnach sei gerade in allen diesen Punkten die höhere Bewilligung dringend nötig. Die Organisation sei auf elf Korps veranschlagt gewesen, jetzt seien 13. Die Divisionsstäbe seien ungarischerseits selbst angeregt worden. Dem Erfordernis entspreche eine An¬ zahl von 168 Generalen, vorhanden seien nur 96 - es ergebe sich also die Not¬ wendigkeit, im Falle einer Mobilisierung 71 Obriste zu Generalen zu ernennen. Was das hieße, unmittelbar vor einem Kriege 71 Regimenter ihrer Kommandan¬ ten zu berauben und diese durch neue zu ersetzen, müsse jedermann einleuch¬ ten. Seine Majestät der Kaiser lenkt die Auftnerksamkeit darauf, daß jetzt 34 Divisionen, also um zehn Divisionen mehr als bei der früheren Orga¬ nisation seien. Ministerpräsident Graf Andrässy will gar keine Konzessi¬ on in allen Punkten, welche für die Territorialdivisionen nötig seien. Ergebe sich aber irgendwo die Möglichkeit einer gewissen Einteilung durch eine Nachforde¬ rung bei der nächsten Delegation, da möge man der herrschenden Stimmung Rechnung tragen und nicht auf der Forderung bestehen. Seine Majestät der Kaiser macht geltend, daß die Errichtung der Division ganz unmöglich sei ohne Kopf; jetzt gehe die Organisation bis zum Regimentskommandanten, weder Brigadiere noch Divisionäre seien vorhanden. Auch seien die Abstriche im Ordinarium größtenteils durch eine Bewilligung hier gedeckt. Eine doppelte Streichung sei also unmöglich und unstatthaft. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn macht geltend, daß eine solche Streichung sich im alleräußersten Falle auf die Hälfte des Ansat¬ zes für die Generalsemennungen erstrecken könne, wodurch eine Summe von circa 150 000 fl. entfallen würde. Seine Majestät der Kaiser geruht, auf die Geringfügigkeit die¬ ser Summe zu verweisen. Auch handle es sich gar nicht um die Generalsemen¬ nungen, wohl aber um die Besetzung der Posten; sonst werde, wie schon der Reichskriegsminister angedeutet, gerade im Momente der Mobilisierung die Per¬ sonalfrage in den Vordergrund treten. Das Beispiel Preußens zeige, wie sehr dies <pb/>262 Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 zu vermeiden sei. Es sei aber ganz unmöglich, in die neue Organisation einzutre¬ ten, wenn in diesem Punkte nachgegeben werde. Finanzminister v. Kerkäpoly stellt in Aussicht, daß man, wenn auch durch derartige Gründe die Ausführung der Organisation verhindert würde, nachträglich dem Vorwurfe nicht entgehen werde, ,,es sei nichts gesche¬ hen". Ministerpräsident Graf Andrässy will doch Konzessionen in Fällen nicht von der Hand weisen, in welchen den Ungarn von Seite der unga¬ rischen Kommission bewiesen werden könnte, daß ein Aufschub möglich sei. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn betont, daß im Mai das Budget für 1872 votiert werde. Es trete dadurch faktisch ein Verlust von zwei Jahren ein. Im Jänner, Feber und März könne er Bauten beispielsweise nicht vornehmen. In einem solchen Falle müßte er weit eher geneigt sein. Ah. Orts die Bitte zu unterbreiten, die ganze Organisation fallenzulassen. Seine Maje¬ stät der Kaiser hebt gleichfalls hervor, daß eine solche Maßregel ganz, aber nicht halb gemacht werden könne. Ministerpräsident Graf Andrässy hält für notwendig, der ungarischen Delegation Aufklärung über alle diese Punkte, insbesondere über die durch eine Votierung im nächsten Mai eintretenden schweren Nachteile zu geben. Reichsfinanzminister v. Lönyay bemerkt, dies könne sowohl bei Gelegenheit des Nuntienwechsels als gegenüber der ungarischen Siebner- kommission erfolgen. Letztere tage morgen um drei Uhr und werde die Eröffnun¬ gen des Kriegsministers entgegennehmen. Seine Majestät der Kaiser geruht demAntrage, daß der Kriegs¬ minister für die volle Aufrechthaltung des votierten höheren Betrages einzutreten habe, die Ah. Zustimmung zu erteilen. Zur Militärgrenzfrage erinnert Reichsfinanzminister v. Lönyay, daß die Deutschen ursprünglich nichts bewilligen wollten. Das Hauptargument, auf welches sie sich dabei noch stützten, sei, daß, als noch dem Reichstage die Votierung für die Militärgrenze oblag, die Aktiva derselben die Passiva gedeckt hätten und die Notwendigkeit der Bedeckung eines Ausfalles nicht eingetreten sei.9 Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn hält diese Angabe für falsch, will sich aber telegrafisch Aufklärung ver¬ schaffen. Seine Majestät der Kaiser zweifelt gleichfalls an der Richtig¬ keit der Angabe. Die geänderten Verhältnisse könnten höchstens eine günstigere Entwicklung herbeigeführt haben. Damals seien die Grenztruppen noch durch die Übungen, den Kardendienst, Stabsdienst in Anspruch genommen worden. Mitt¬ lerweile [sei] auch eine namhafte Erhöhung der Besteuerung der Holzpreise etc. eingetreten. Über die Frage der Militärgrenze siehe auch GMR. v. 15. 1. 1871, RMRZ. 99. Gegen¬ stand: I. <pb/>Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 263 Reichsfinanzminister v. Lönyay führt weiter aus, daß die ungarische Kommission infolge dieser Argumente etwas schwächer geworden sei. Dagegen zeige sich bei der deutschen Delegation Geneigtheit, die Summe von 200 000 fl., d. i. die im Vorjahre bewilligte Summe, zu votieren. Die gemein¬ same Abstimmung habe Bedenken, weil einstimmige Beschlüsse auf beiden Sei¬ ten Vorlagen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn hebt die Schwierigkeiten hervor, die es haben werde, mit der Summe das Aus¬ kommen zu finden. Ministerpräsident Graf Andrässy betont die politische Seite der Frage. Die Ungarn müßten auf ihrem Standpunkt wegen des Prinzips verharren und um in Kroatien nicht die Vorstellung aufkommen zu lassen, daß gemeinsame Zwecke aus speziell kroatischen Mitteln gedeckt wür¬ den. Reichskanzler Graf Beust: Es sei nicht unbedenklich, bei der gemeinsamen Abstimmung jemand zuzumuten, daß er seine Stimme gegen sein früheres Votum abgebe. Auch sei die Quotenfrage im Auge zu behalten. Seine Majestät der Kaiser ist der Ansicht, daß eine höhere Summe als die von 200 000 fl. nicht zu erreichen sein werde. Mit ihrer Bewilli¬ gung sei wenigstens das Prinzip gewahrt. Es empfehle sich, die Sache wegen der Quotenfrage nicht zu erbittern. Allerhöchstderselbe resolviert in diesem Sinne. Zur Frage des Stellvertreterfonds bemerkt Reichsfinanzminister v. Lönyay, es sei der Ausweg gefunden worden, die Formel bei schließli- cher Übereinstimmung mit einer ferneren Diskussion des Gegenstandes anzuneh¬ men.10 Die ungarische Delegation stehe auf dem Standpunkte, die Bedeckungs¬ frage nach § 40 des 12. Gesetzart. 1867 als von der Kompetenz der Delegationen als ausgeschlossen zu betrachten.11 Die deutsche Kommission hatte jetzt den Ent¬ wurf einer Resolution vorgelegt. Der gemeinsame Finanzminister werde aufge¬ fordert, seinen Einfluß geltend zu machen, daß die Vorlagen in diesem Sinne von den beiden Landesfinanzministerien3 gemacht werden. Auch die Resolution sei nicht unbedenklich,b es handle sich daher, um eine gemeinsame Resolution zu verhindern. Ministerpräsident Graf Andrässy ist in jeder Richtung für die Aufrechterhaltung des Fonds. Ein Fallenlassen wäre ein Triumph der Nicht¬ wehrfähigkeit der Monarchie und der Gegensatzjeder rangierten Staatswirtschaft. Randbemerkung Lönyays: den betreffenden Legislativen. Randbemerkung Lönyays: nach dem Standpunkte der ungarischen Delegation wird es aber zu keiner gemeinsamen Resolution kommen. Über den BegriffStellvertretung: GMR. v. 23. 7. 1870, RMRZ. 69. Anm. 6. ii XII/1867. § 40: Die Feststellung des gemeinsamen Budgets wird den jährlichen wiederkeh¬ renden wichtigsten Teil der Aufgabe dieser Beschlüsse [nämlich der Delegationen] bilden. Dieses Budget, welches sich bloß aufjene Ausgaben erstrecken darf, die in dem gegenwärti¬ gen Beschlüsse als gemeinsam bezeichnet sind. <pb/>264 Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 2. 2. 1871 Man müsse keinen Zweifel darüber übrig lassen, daß man in eine Verwendung des Fonds zur Bedeckung nicht eingehen werde. Reichsfinanzminister v. Lönyay gibt auf eine Anfrage die Aufklärung, daß von den Fonds vier Millionen einkuliert, 23 Millionen frei seien. Die vier Millionen seien bestimmt, die Reengagierten nach dem früheren System (1200 fl. für jeden) auszuzahlen. Im Falle des Verbrauches des Fonds müßten die betreffenden Zinsen alljährlich in das Budget eingestellt werden. Seine Majestät der Kaiser geruht zu befehlen, daß an dem Posten als einem der wichtigsten festgehalten werde. Bei einer gemeinsamen Resolution sei darauf zu achten, daß dieselbe nicht ungünstig ausfalle und nicht etwa eine Kompromis¬ sion des kgl. ung. Finanzministers gegenüber seiner Landesvertretung herbei¬ führe. Seine Majestät der Kaiser stellt die Anfrage: ob die ungarische Delegation davon unterrichtet sei, wieweit sie im Marinebudget herabgehen dür¬ fe, welche Anfrage von Reichsfinanzminister v. Lönyay mit dem Bemerken bejaht wird, daß Vizeadmiral v. Tegetthoff12 auf 625 000 fl. ver¬ zichtet habe. Auf eine weitere Ah. Anfrage erwidert Reichsfinanzminister v. Lönyay, daß die verfassungsmäßige Erledigung des Budgets Dienstag, den 7. d. M. zu erwarten sei, womit die Sitzung geschlossen wurde.13 Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 9. März 1871. Franz Joseph. Vizeadmiral v. Tegetthoff, siehe GMR. v. 19. 4. 1871, RMRZ. 108. Anm. 1. Über die verfassungsmäßige Erledigung des Budgets: Kolmer, Parlament und Verfassung in Österreich Bd. 2 110: Nachfast dreimonatlicher Tagung schloß die Delegation am 18. Fe¬ bruar 1871 ihre Sitzungen, nachdem sie viele der beantragten Abstriche an dem Kriegsbud¬ get, die im ganzen 24 Millionen betragen hatten, wieder hatte fallen lassen. Am 6. und 8. Februar 1871 behandelt und akzeptiert die ungarische Delegation die Botschaft der Reichs¬ ratsdelegation. A közös ügyek targyalasära a magyar orszäggyüles ältal kiküldött s Öfelsege ältal 1870. november 24-re Festen összehtvott bizottsäg naplöja 220 ff., 241 ff. Am 22. Februar beendet die ungarische Delegation ihre Sitzung. Ebd. 246 ff. Siehe auch Stenogra¬ phische Sitzungs-Protokolle der Delegation des Reichsrates. Dritte Session 590-595. <pb/>