MRP-2-0-01-2-18710115-P-0033.xml

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Gemeinsamer Ministerrat, 15. 1. 1871

III. Antrag der cisleithanischen Delegation auf Einsetzung einer Enquêtekommission behufs Aufstellung eines Normalbudgets

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z33.pdf#page=8.

Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871  225

sierung des Schwarzen Meeres der Dignität Rußlands. Letzteres sei an sich nicht
anzuerkennen, habe man es aber einmal als Prinzip aufgestellt, so biete es von
selbst den Anknüpfungspunkt für die Haltung Österreichs. Hier liege der Kausal¬
nexus zwischen beiden Fragen, und dieser Nexus sei eben zu benützen und aus¬
zubeuten.

   Sektionschef Freiherr v. Orczy: Es sei keineswegs allzu
sehr zu bedauern, wenn nichts zustande komme, Österreich werde durch die Wie¬
dererlangung seiner Souveränität nur Vorteile erreichen. England habe ein unge¬
heures Interesse an der Fortdauer der europäischen Kommission und werde die¬
sem Interesse unzweifelhaft Ausdruck geben.

   Ministerpräsident Graf Andrässy pflichtet dieser Auffas¬
sung bei und fugt hinzu, daß sich England gerade mit Rücksicht auf sein Interes¬
se zu Gegenkonzessionen an Österreich-Ungarn veranlaßt sehen müsse.

   Nach einigen weiteren Bemerkungen, welche im wesentlichen den Inhalt der
Debatte rekapitulieren, wird Hof- und Ministerialrat Freiherr v. Gagem eingela¬
den, vorläufig den Entwurf einer formellen Instruktion für die österreichisch¬
ungarischen Bevollmächtigten auf der Londoner Konferenz im Sinne der
Verhandlung und als Beratungsbasis für die nächste Ministerkonferenz festzu¬
stellen.

   Womit die Sitzung geschlossen wird.
                                                                  [Unterschrift von Beust fehlt.]

[Ah. E. fehlt.]

         Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. Jänner 1871

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf
Andrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Potocki (17. 2.), der Reichskriegsminister Frei¬
herr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (4. 2.), der k. k. Finanzminister Freiherr v.
Holzgethan(ll. 2.), der kgl. ung. Kommunikationsminister v. Gorove (o. D.), der kgl. ung. Finanz¬
minister v. Kerkäpoly (o. D.), Oberst König.
    Protokollführer: Sektionsrat v. Teschenberg.
    Gegenstand: I. Militärgrenze. II. Stellvertreterfond. III. Antrag der cisleithanischen Delegation
aufEinsetzung einer Enquetekommission behufs Aufstellung eines Normalbudgets.

   KZ. 84 - RMRZ. 99
   Protokoll des zu Ofen am 15. Jänner 1871 abgehaltenen Ministerrates für ge¬
meinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.
<pb/>226 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871

   I. Seine Majestät der Kaiser geruhte die Sitzung zu eröffnen,
indem Allerhöchstderselbe zunächst dem Kriegsminister das Wort zur Entwick¬
lung der Sachlage in der Militärgrenzffage erteilte.1

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn legt dar, daß ein
Betrag von 955 000 fl. für die Erhaltung der Truppenausgeschiedenen von den
Kosten der Administration der Grenze von Seite der reichsrätlichen Delegation
gestrichen und die Bedeckung dieses Ausfalls durch Ausschlagung der Holzbe¬
stände und durch Holzverkäufe vorgeschlagen worden sei. Das Letztere unterlie¬
ge für das Jahr 1871 bereits gewissen Schwierigkeiten und sei überdies auch nach
anderen Richtungen nicht unbedenklich, weil das Geld für jene Verkäufe bereits
eine andere Bestimmung zur Hebung der Kultur des Landes und ähnliche Zwek-
ke habe. Außerdem sei auch die Bewilligung des Nachtragskredites von 600 000
fl., der mit Rücksicht auf die durch Überschwemmung herbeigeführten Zerstö¬
rungen angesprochen wurde, abgelehnt worden. Alle Bemühungen seien mit Hin¬
weis darauf, daß die Sache nicht oder nicht mehr gemeinsam sei, abgelehnt wor¬
den. Es entstehe die Frage, wie dies doppelte Erfordernis, auch wenn man von
den Verwaltungskosten absehe, zu decken sei.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay: Die von der reichsrätli¬
chen Delegation vorgeschlagenen Modalitäten würden von Seite des Kriegsmini¬
sters schwerlich auszuführen sein. Die ganze Frage der Militärgrenze werde leicht
zum Abschluß zu bringen sein, wenn einmal das von beiden Häusern des ungari¬
schen Reiches als angenommenes Gesetz über dieselbe werde der Ah. Sanktion
unterbreitet werden können; dies sei zur Zeit unmöglich, weil der Reichsrat die¬
sem Gesetze noch nicht seine Zustimmung gegeben habe. Das Hauptaugenmerk
sei somit hierauf zu richten. So viel gelte für die Zukunft. Für die Gegenwart sei
eine Wiederholung dessen anzubahnen, was bereits dreimal geschehen sei. Die
circa zwei Millionen Militärausgabe, getrennt von den Kosten der Zivilverwal¬
tung, sei unleugbar eine gemeinsame, und die reichsrätliche Delegation werde
sich wohl herbeilassen, einen Beitrag für dieselbe zu votieren. Allein die Summe
der Beitragsquote sei vielleicht zu hoch gegriffen, und es empfehle sich, dieselbe
zu reduzieren. Dies könne nicht sowohl durch außerordentliche Verkäufe gesche¬
hen als durch eine Antizipation der Zahlungen für bereits abgeschlossene Verkäu¬
fe. Oberst König bestätige die Existenz solcher Verkäufe, nur meine er, daß die
Antizipierung auf Schwierigkeiten stoßen werde. Auf die ungarische Delegation
sei einzuwirken, daß sie den Beschluß fasse, die deutsche Delegation aufzufor-
dem, einen Beitrag zu votieren, vielleicht sei gleichzeitig die Summe dieses Bei¬
trages angemessen zu ermäßigen.

         Über diese Fragefrüher: GMR. v. 5. 11. 1870, RMRZ. 89. Gegenstand: VII; bzw. GMR. v. 4.
         8. 1870, RMRZ. 73. Über die weiterreichenden Zusammenhänge der Entmilitarisierung der
         Militärgrenze: Somogyi, Einleitung. In: Dm Protokolle des gemeinsamen Ministerrates der
         ÖSTERREICHISCH-UNGARISCHEN MONARCHIE 1/1 XXVIII-XXX.
<pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871  227

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Die ganze Frage sei
nicht unbedenklich. Werde die angesprochene Summe nicht bewilligt, so werde
man zu der unzulässigen Konsequenz gedrängt werden, den Truppenstand zu re¬
duzieren. Er halte für wichtig, daß eine gemeinsame Abstimmung nicht stattfinde,
und spreche sich deshalb für den Gedanken der Reduktion3 aus, falls diese sich als
möglich herausstellen sollte.

   Reichskanzler Graf Beust: Man habe sich die Möglichkeit des
Mißlingens sehr vor Augen zu halten. In der reichsrätlichen Delegation herrsche
offenbar Voreingenommenheit. Man fuße dort auf dem unentschiedenen Charak¬
ter der staatsrechtlichen Frage und weigere sich, eine Zahlung zu übernehmen,
deren Wirkungen dem anderen Teile zugute kommen müßten. Darauf beruhe die
Schwierigkeit der ganzen Frage.

   Seine Majestät der Kaiser stellt die Frage, wie es sich eventu¬
ell mit der Bewilligung des Nachtragskredites verhalten werde? R e i c h s f i -
nanzminister v. Lönyay antwortete, daß man die Nachtragskredite
ganz gewiß als für zivile Zwecke angesprochen ansehen, daher nicht bewilligen

werde.
   Seine Majestät der Kaiser geruht darauf aufinerksam zu ma¬

chen, daß sich entsprechende Anforderungen auch für dies Jahr heraussteilen
würden. Die Überschwemmungen hätten injüngster Zeit nicht minder starke Ver¬
heerungen nach sich geführt.

   Finanzminister v. Kerkäpoly teilt die Hoffnung des Reichsfi¬
nanzministers nicht, daß auch ein reduzierter Betrag angenommen werden wür¬
de. Die Differenz zwischen dem diesjährigen Budget bestehe nicht in der wirkli¬
chen Erhöhung derAusgabe, sondern in der Verminderung der Einnahmesummen.
Man habe eine Fiktion eintreten lassen, größere Einnahmen als die wirklichen
supponiert und diese in das Budget eingestellt. Die Kenntnis davon sei in die
Delegation gedrungen, habe ein gewisses Mißtrauen erzeugt, und dies Argument
werde vielleicht für sie bestimmend sein, auch auf die herabgeminderte Summe
nicht einzugehen. Hier empfehle sich nur ein gründliches Vorgehen, eine gründ¬
liche Abhilfe der Beschwerden, die ungarische Delegation zögere, den Ausfall zu
decken, wenn nicht auch der Überschuß Ungarn gehöre, in gleicher Weise denke
Kroatien. Man würde bereit sein, für den Ausfall zu sorgen, wenn die Grenze zu
einen größerem Körper geschlagen würde. Ähnlich wäre es um die Sache be¬
stellt, wenn man etwa einen Komplex von zwei oder drei der nördlichen Komita-
te Ungarns herauslöste und selbst für seine Bedürfnisse sorgen ließe. Auch dieser
Komplex wäre den Bedürfnissen eben nicht gewachsen. Im Falle der Einfügung
in den größeren Körper würde Ungarn keinen Anstand nehmen, dem Ausfälle
durch den Beitrag zu entsprechen.

Randbemerkung Andrässys: Nicht Reduktion der Truppen, sondern Reduktion der militäri¬
schen Auslagen, indem man daraus alles ausscheidet, was in die Ziviladministration zu über¬
nehmen möglich wäre.
<pb/>228 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871

   Seine Majestät der Kaiser bemerkt zur Aufklärung: Der
Reichsfinanzminister habe nicht beantragt, höhere Einnahmen einzustellen, son¬
dern eine Teilung der rein militärischen und der administrativen Erfordernisse
vorzunehmen.

   Finanzminister v. Kerkäpoly bemerkt, daß er von jener Erhö¬
hung nur gesprochen habe, um seinen Zweifel an einer eventuellen Annahme des
Postens zu motivieren.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Er halte einen Rück¬
blick auf die Quotenffage nicht für ganz überflüssig. Er gestehe freimütig, bUn-
recht gehabt zu habenb, als er zu jener Zeit der Auffassung des cisleithanischen
Ministeriums allzu bereitwillig nachgegeben habe. Dieses habe die Ausführung
des Befehls bezüglich der Provinzialisierung der zwei Regimenter von der ver¬
fassungsmäßigen Austragung der Angelegenheit abhängig gemacht. Nach dem
Gesetze sei Seine Majestät berechtigt gewesen, die Quotenffage als unpartei¬
ischer Richter über beide Teile zu entscheiden, es sei also kein Grund zur Verta¬
gung vorhanden gewesen. Nun sei die Rechtsfrage im zweiten Jahre in suspenso.
Aus dem Erlös für die Lichtungen der Wälder werde sich die Differenz nicht be¬
streiten lassen. Das Einkommen für die Militärgrenze gehöre für die Grenze
selbst, höchstens für Kroatien, nicht einmal für Ungarn, daher ganz sicher nicht
für Cisleithanien. Es bleibe also die Frage, was mit dem jetzigen Defizit und der
Nachtragsforderung geschehen solle. Das Defizit könne vielleicht herabgemin¬
dert werden, aber die Bedeckung cder militärischen Auslagen0 müsse jedenfalls
im gemeinsamen Budget eingestellt werden. Äußerstenfalls müsse man es selbst
auf eine gemeinsame Abstimmung ankommen lassen.

   Eine Anfrage Seiner Majestät des Kaisers, ob nicht eine
Erleichterung der ungarischen Delegation gegenüber darin gefunden werden
könne, daß das ganze Superplus zur Deckung der militärischen Auslagen verwen¬
det und erst der Rest dem Quotenansatze von 70 und 30 % unterworfen werde,
wird von Finanzminister v. Kerkäpoly dahin beantwortet, daß eher die umgekehr¬
te Konsequenz aus diesem Verhältnisse gezogen werden würde.

    Ministerpräsident Graf Potocki bemerkt, daß die deutsche
Delegation in unerwarteter Weise durch ihren Beschluß die Provinzialisierung
der Militärgrenze zugestehe, also die staatsrechtliche Frage präjudiziere.

    Reichskanzler Graf Beust erwidert, daß man sich keinen allzu
sanguinischen Hoffiiungen in dieser Beziehung hingeben dürfe. Jetzt wird die
Frage als präjudiziert betrachtet, um die Ausgaben zu verweigern, auf dem
Reichsrate werde sie als intakt hervortreten.

    Ministerpräsident Graf Andrässy: Es sei der besondere
Ton darauf zu legen, daß es sich nicht um versteckt ungarische oder kroatische,
sondern um gemeinsame Fragen handle.

b_b Korrektur aus nicht ganz im Recht gewesen zu sein.
M Einfügung.
<pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871  229

   Seine Majestät der Kaiser weist daraufhin, daß eine Trennung
der rein militärischen von den zivilen Fragen nicht leicht möglich sein werde.

   Ministerpräsident Graf Andrässy glaubt, ohne einen förm¬
lichen Antrag zu stellen, auf ein Expediens bezüglich der Summen vielleicht auf¬
merksam machen zu können. Aus kroatischen Mitteln könnten gemeinsame Un¬
kosten unmöglich gedeckt werden, wohl aber kroatische Zwecke befriedigt. Man
könnte also die Ansätze für die Zivilauslagen erhöhen, um eine entsprechende
Herabminderung der rein militärischen Ansätze zu erhalten. Die Obriste seien
beispielsweise auch als Administrativbeamte anzusehen, und in diesem Sinne sei
ein zweifacher Ansatz für ihre Bezahlung wohl zu rechtfertigen.

   Seine Majestät der Kaiser geruht zu akzentuieren, daß die fik¬
tive Einstellung von höheren Einnahmen jedenfalls vermieden werden müsse.

   Ministerpräsident Graf Andrässy hebt hervor, daß der Ver¬
kaufder Grenzwaldungen zu gemeinsamen Zwecken ohne Zweifel Mißstimmung
hervorrufen werde.

   Ministerpräsident Graf Potocki stellt die Frage, welchen
Wert die Waldungen der Militärgrenze repräsentieren. Reichskriegsmi¬
nister Freiherr v. Kuhn präzisiert den Wert auf etwa 30 Millionen,
worauf Reichsfinanzminister v. Lönyay auf die noch nicht
gelöste Servitutenfrage in der Militärgrenze verweist.

   Finanzminister Freiherr v. Holzgethan findet das Vor¬
gehen der Reichsratsdelegation völlig unerklärlich. Es beruhe auf einer vollstän¬
digen Vermischung der Gegenwart mit der Zukunft. Weil möglicherweise im Jah¬
re 1872 eine Änderung in den Verhältnissen der Militärgrenze eintreten könnte,
so sorge sie in der Gegenwart nicht mehr für die gemeinsamen Bedürfnisse. Die
Zukunft ändere aber nicht das Mindeste an der rechtlichen und faktischen Lage
der Gegenwart.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Die Provin-
zialisienmg sei zudem erst bezüglich zweier Regimenter angeregt. Die Grenzre¬
gimenter bildeten einen Teil der ganzen Armee. Außer den Grenztruppen bilden
800 000 Mann die Armee, heiße es im Wehrgesetze, daraus gehe hervor, daß er-
stere ein Teil der Armee seien.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay weist nochmals darauf
hin, daß die Bewilligung drei Jahre lang eingetreten sei und daher wohl auch in
diesem Jahre zu erreichen sein werde.

   Seine Majestät der Kaiser geruht hervorzuheben, daß die An¬
sätze damals geringer waren, weil ein Plus von Einnahmen fiktiv eingestellt wor¬
den sei.

   Ministerpräsident Graf Andrässy regt in Wiederholung der
Verwahrung gegen einen förmlichen Antrag an, ob nicht doch in der Übertragung
eines Teiles der rein militärischen Auslagen auf die Administrationskosten ein
Expediens gefunden werden könne. Die Form der Bedeckung wechsle damit. Die
<pb/>230 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871

Waldungen könnten verkauft und die Erlöse zu kroatischen, nicht zu Reichszwek-
ken benützt werden.

   Finanzminister v. Kerkäpoly ist derAnsicht, daß das Resultat
dasselbe bleiben werde.

   Finanzminister Freiherr v. Holzgethan bedauert, daß
die Ansätze im Ausweise für 1870 nicht vollständig richtig gewesen seien. Eine
derartige Taktik strafe sich immer. Nun sei in der Delegation die Meinung ver¬
breitet, daß man es mit willkürlichen Gruppierungen zu tun habe. Es gelte zu¬
nächst, die Ziffern auf die Wahrheit zurückzufuhren. Ministerpräsi¬
dent Graf Potocki wendet ein, daß die Ziffern jetzt der Wahrheit
entsprechen. Finanzminister Freiherr v. Holzgethan
meint, daß doch vielleicht einige Verschiebungen eingetreten seien.

   Oberst König gibt die Aufklärung, daß damals ein Plus von 700 000 fl.
mit Rücksicht auf eventuelle Verkäufe eingestellt worden sei. Diese Summen sei¬
en auch der Erwartung nach eingegangen. Der Ausfall, welcher zur Ansprechung
eines Nachtragskredites geführt, sei durch die Elementarereignisse herbeigeführt
worden, nicht aus einem Entgange der Einnahmen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy stellt die Frage, ob es
nicht möglich sei, Posten aus dem Etat des Militäraufwandes auf das Konto der
Zivilverwaltung zu stellen? Oberst König beantwortet die Frage dahin,
daß dies nur bezüglich weniger Punkte der Fall sein könne, u. zw. bezüglich der
Auditore, der Ärzte und einiger unerheblicher Posten der Zivilverwaltung im
Zentrum.

   Finanzminister v. Kerkäpoly: Das sei nur sehr unbedeutend,
und woher wolle man dann die Zivilverwaltung decken? Ungarn und Kroatien
würden gewiß nicht dafür einstehen, denn dort argumentiere man, daß die Mili¬
tärgrenze, wenn sie ein Land für sich sein wolle, selbst ihre Bedürfnisse bestrei¬
ten sollte. In dieser Frage sei es immerhin noch besser, die 60 Abgeordneten der
Delegationsvertretung als die 500 der Landesvertretung vor sich zu haben.

   Aufeine weitere Frage des R e i c h s f i n an zm i n i s t e r v. Lönyay,
in welcher Weise die Einnahme der Grenze erhöht werden könnte, erwiderte
Oberst König, daß dies nur durch eine rationelle Bewirtschaftung der
Waldungen möglich und also für 1871 kaum mehr ausschlaggebend sei; endlich
auf eine Frage, ob durch Antizipierung der Beträge für bereits abgeschlossene
Verträge Abhilfe geschaffen werden könne, daß allerdings derartige Verträge auf
mehrere Jahre abgeschlossen sind, aber keine Zahlung im vorhinein stipuliert
wurde, vielmehr letztere nur bei Lieferung des Holzes zu erfolgen habe. Wenn
übrigens gipfeldürre Bäume in der Grenze gefallt würden, so ergebe dies ein Re¬
sultat von 300 000 fl. Dazu müßte aber ein ganzer großer Wald durchgeforstet
werden, und dies Vorgehen käme einem Raubbau sehr nahe.

    Finanzminister Freiherr v. Holzgethan macht darauf
auftnerksam, daß das Jahr 1871 nicht sehr weit vorgeschritten sei und man im¬
merhin noch rationell Holzschläge vornehmen könne, wenn man den Winter noch
<pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871  231

energisch benütze. Es sei der reiche Waldstand in Berücksichtigung zu ziehen.
Man solle nicht wüsten, keinen Angriff aufdas Kapital vornehmen, wohl aber mit
der rationellen Bewirtschaftung sofort beginnen.

   Graf Andrässy bezeichnet als unzulässig, daß rein kroatische Mittel
für Reichszwecke verwendet würden.

   Oberst König glaubt, daß nur die Erweiterung der Kommunikations¬
mittel und die Anlagen großer Kapitalien eine rasche Verwertung der Hilfsquel¬
len des Landes ermöglichen werde.

   Finanzminister Freiherr v. Holzgethan: Nicht für die
Heranziehung und Anlage des großen Kapitals, nicht für Gründungen u. dgl.,
vielmehr für die Heranziehung und zweckmäßige Placierung des kleinen Kapi¬
tals sei zu sorgen. Die administrative Klugheit fordere, das Geschäft zu verteilen,
in kleine Partien zu zerlegen und diese wirtschaftlich zugänglich zu machen.

   Nachdem noch Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn
hervorgehoben, daß bis jetzt immer die Ansicht vorherrschend gewesen, daß das
kleine Kapital ohne Assoziation desselben nicht leicht für diese Zwecke verwend¬
bar sei, geruhte Seine Majestät der Kaiser im Sinne der Anträge
des Reichsfinanzministers v. Lönyay den Beschluß dahin zu fassen, daß es der
ungarischen Delegation zu überlassen, bzw. auf sie einzuwirken sei, die einge¬
stellten Beträge zu votieren, wie sie eingestellt sind, und dies Votum mittels Nun-
tium an die reichsrätliche Delegation gelangen zu lassen.

   II. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn ergreift
demnächst das Wort zur Entwicklung der Lage in der Frage des Stellvertreter¬
fonds.2 In der reichsrätlichen Delegation sei die Aufzahlung auf die Prämien für
Unteroffiziere im Betrage von 134 000 fl. bewilligt, jedoch hinzugefügt worden,
daß der Stellvertreterfond jedenfalls in die Verwaltung des gemeinsamen Finanz¬
ministeriums gestellt werden müsse. Delegierter Dr. Brestl3 habe erklärt, es sei
nur dann möglich, in die Beratung des außerordentlichen Extraordinariums des
Militärbudgets einzugehen, wenn der Stellvertretungsfond dazu benützt werde.
Der Reichskriegsminister habe sich dagegen ausgesprochen, weil dieser Fond
eine Widmung habe. Anderer Auffassung sei jedoch der Delegierte Herbst.4 Wer¬
de der Stellvertretungsfond in dem angegebenen Sinne verwendet, dann seien
allerdings die Interessen bewilligt, aber künftiges Jahr würde vielleicht auch die¬
se Bewilligung eingestellt. Der geheime Gedanke sei dabei vielleicht eine Abzie-
hung der Auslagen und eine Verminderung der Armee. Dieser Gedanke tauche
auch und nicht mehr ganz vereinzelt in der Idee einer Revision des Wehrgesetzes

        Über das Problem des Militärstellvertretungsfonds siehe GMR. v. 23. 7. 1870, RMRZ. 69.
        Anm. 6.
        Brestei (Brestl), Rudolf (1816-1881), deutschliberaler Politiker, 1867-1870 k. k. Finanzmi¬
        nister.
4 Herbst, Eduard (1820-1892), deutschliberaler Politiker, 1867-1870 k. k. Justizminister
<pb/>232 Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871

auf. Es sei jedenfalls fatal, den Stellvertreterfond zu verlieren und keine Gewi߬
heit zu haben, daß die Interessen fortbewilligt würden. Delegierter Brestl sei der
Meinung, eine Einbeziehung des Fonds sei immerhin noch vorteilhafter als eine
Anleihe, aber gewiß sei auch mit jener Einbeziehung kein günstiges Geschäft
verbunden.

   Seine Majestät der Kaiser geruht zu bemerken, daß gegen die
Übertragung des Stellvertreterfonds in die Verwaltung des Reichsfinanzministers
kein gegründetes Bedenken obwalte. Die Frage sei nur, ob der Fond festzuhalten
sei.

   Ministerpräsident Graf Potocki betont entschieden, daß in
ein System der Verschleuderung und des Verkaufs nicht einzugehen sei.

   Finanzminister v. Kerkäpoly ist gleichfalls der Ansicht, daß
vor allem zu untersuchen sei, ob nicht in anderer Weise Abhilfe getroffen werden
könne.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Ein derartiger Fond
entspreche nur dann, wenn er für jedes Jahr gesichert sei, sonst sei er wertlos.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay: Die Auffassung der
Reichsratsdelegation enthalte einen Fehler im Prinzip. Die Delegation habe nicht
für die Bedeckung zu sorgen, dies falle der Kompetenz der beiden Landesvertre¬
tungen zu.

   Seine Majestät der Kaiser geruht zu bemerken, daß diese Ar¬
gumentation nur mit Vorsicht zur Anwendung gebracht werden könne. Der Stell¬
vertreterfond sei entschieden ein gemeinsamer Fond und daher die Delegation
zunächst berufen, über ihn zu sprechen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy verweist auf die Not¬
wendigkeit, gleich in der Reichsratsdelegation eine bündige Erklärung abzuge¬
ben, daß die gewünschte Verwendung des Stellvertreterfonds unmöglich sei, weil
sonst ein Beschluß gefaßt und eine Rückwirkung auf die Beschlüsse der ungari¬
schen Delegation üben werde [sic!].

   Finanzminister Freiherr v. Holzgethan fuhrt aus, daß
der Delegation entgegenzutreten sei, wenn sie auch für die Bedeckungsmittel
sorge. Die Delegation habe zu bewilligen oder zu verweigern, sie beurteile das
Quantum, nicht aber das Quäle. Es sei ein Übergriff, wenn sie sich zu einer Be¬
willigung nur unter der Voraussetzung oder vollends unter der Bedingung verste¬
he, daß auf den Stellvertreterfond gegriffen werde. Es sei übrigens ein anerkann¬
ter Grundsatz, daß über die Reichsaktiven auch nur die Landesvertretungen
entscheiden.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte hierauf, der Debatte ent¬
sprechend den Ah. Beschluß dahin zu fassen, daß der Stellvertreterfond zwar in
die Verwaltung des Reichsfinanzministeriums zu stellen, aber aufrechtzuerhalten
und eine entschiedene Bemerkung in diesem Sinne im Plenum der Delegation
vorzubringen sei.
<pb/>Nr. 33 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 15. 1. 1871  233

   III. Bezüglich des dritten Gegenstandes der Beratung, betreffend die Einset¬
zung einer mit sechs Mitgliedern beider Delegationen verstärkten Enquetekom¬
mission zur Feststellung eines Normalbudgets für die Armee, resümiert Seine
Majestät der Kaiser die gewichtigen Bedenken, welchen der Antrag bereits in
einer früheren Sitzung des Ministerrats begegnet sei.5 Diese Bedenken seien im
wesentlichen doppelter Natur. Sie beruhten einmal aufder Zugestehung der Mög¬
lichkeit eines Eingriffes in die Organisation, d. i. eines Eingriffes in ein dem Ah.
Kriegsherrn vorbehaltenes Souveränitätsrecht; dann auf dem staatsrechtlichen
Grundsätze, daß die nachfolgende Delegation durch die Beschlüsse der vorausge¬
henden nicht gebunden sei. Von letzterem Standpunkte sei die Aufstellung eines
Normalbudgets verfassungsmäßig eine Unmöglichkeit. Es sei auch daraufhinzu¬
weisen, in welche schwierige Lage der Kriegsminister geraten werde, wenn er die
eventuellen Beschlüsse der Enquetekommission nicht akzeptiere.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn stellt die Erwä¬
gung anheim, ob nicht doch irgendein Modus gefunden werden könne, um den
wiederkehrenden Debatten ein Ende zu machen.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay wendet sich gegen den
rechtlichen Charakter des Beschlusses der Delegation. In dieser Form sei er
schlechthin inakzeptabel. Möglich wäre nur, der Delegation anheimzugeben, ob
sie nicht vor ihrem Zusammentritte eine Enquetekommission aus ihrer Mitte be¬
stimmen wolle, welche in die Prüfung der betreffenden Frage eingehe und dann
einen Antrag stellen könnte. Das widerspreche wenigstens der Verfassung nicht.

   Seine Majestät der Kaiser geruht seine Zustimmung für diese
Form auszudrücken.

   Finanzminister Freiherr v. Holzgethan knüpft an die
Zusammensetzung der Kommission an. Dieselbe soll nicht bloß aus Mitgliedern
der Delegation bestehen und der Kriegsminister gehalten sein, den Beschluß vor
die Delegation zu bringen. Die gültige parlamentarische Usance kenne nur ein
Doppeltes, den Antrag im Hause oder die Regierungsvorlage. Der Charakter der
Anträge im Hause sei ausgeschlossen, weil der Beschluß der Delegation unter der
Intervention auch von Nichtdelegierten zustande gekommen, und ebensowenig
könne er als Regierungsvorlage betrachtet werden, denn der Kriegsminister sei
an seiner Einbringung von vomeher gebunden.

   Kommunikationsminister v. Gorove formuliert gleichfalls
konstitutionelle Bedenken gegen den Beschluß.

   Reichskanzler Graf Beust: Was der Kriegsminister brauche,
sei ein Normalbudget, wie es in anderen konstitutionellen Staaten bestehe; ein
Budget, dessen Ansätze als etwas Gegebenes und Indiskutables betrachtet wer¬
den, dergestalt, daß nur eventuelle Erhöhungen neuer Erörterung unterzogen
würden. Ein solches Budget könnten aber gerade jene nicht brauchen, welche den

5 Betreffend die Einsetzung einer Enquetekommission zur Feststellung eines Normalbudgets
        siehe GMR. v. 11. 12. 1870, RMRZ. 95.
<pb/>234 Nr. 34 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 17. 1. 1871

Beschluß der Delegation zunächst unterstützt hätten. Ein anderes bringe keinen
Nutzen. Um dem berechtigten Wunsche des Reichskriegsministers nachzukom¬
men, bleibe daher nichts übrig, als an die vom Reichsfinanzminister vorgeschrie¬
bene Form anzuknüpfen, um in der ungarischen Delegation einen Gegenbeschluß
zu erzielen.

   Seine Majestät der Kaiser betont, daß in der ungarischen De¬
legation die Anschauung vorherrschen müsse, den Beschluß der reichsrätlichen
Delegation zu verwerfen, weil es inkonstitutionell und ungesetzlich sei und eine
Art Konstituante für die Armeeorganisation begründe.

   Finanzminister v. Kerkapoly: Der modus procedendi werde
sich ganz von selbst ergeben. Der Beschluß der Reichsratsdelegation werde in die
ungarische Delegation kommen und dort sofort amendiert, respektive durch ei¬
nen Gegenantrag ersetzt werden.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte sodann, den Ah. Beschluß
dem Anträge des Reichsfinanzministers entsprechend zu fassen.

   Allerhöchstderselbe bringt noch zur Kenntnis, daß eine Mitteilung des Reichs-
kriegsministeriums über das schlechte Einrücken der Reservisten und Urlauber
und ein Vorschlag zur gesetzlichen Regelung dieser Verhältnisse an die beidersei¬
tigen Ministerpräsidien gelangen werde,6 womit die Sitzung geschlossen wird.

                                                                                                   Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Meran, 15. Februar 1871. Franz Joseph.

        Nr. 34 Gemeinsamer Ministerrat, Ofen, 17. Jänner 1871

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Potocki
(14. 3.), der kgl. ung. Ministerpräsident GrafAndrässy (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v.
Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (20. 3.), der kgl. ung. Handelsminister v. Szlävy

        Reichskriegsminister an kk. und an kgl. ung. Ministerfür Landesverteidigung v. 30. 3. 1871.
        KA. KM. Präs. 26-8/2/1871: Instruktion über das militärische Dienstverhältniß der im Lini¬
        en- und Reservestande befindlichen Personen des k. k. Heeres und der Kriegsmarine außer
        der Zeit der aktiven Dienstleistung, die Evidenzhaltung derselben und über periodische Waf¬
        fenübungen. Vgl. GMR. v. 14. 3. 1871, RMRZ. 106. Anm. 9. Desweiteren: Ung. MR. v. 27. 11.
         1871, Gegenstand: 4-5. MOL. Sektion K-27: Honvedgesetzvorschläge, Gesetzvorschläge in
        bezug auf Mißbräuche im Zusammenhang mit der Rekrutenstellung. Ung. MR. v. 26. 12.
        1871, Gegenstand: 17, 18: Festlegung der Dienstzeit der Reservisten, Gesetzvorschlag über
        die Mißbräuche im Zusammenhang mit den Rekrutierungen.
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