Gemeinsamer Ministerrat, 6. 9. 1870
I. Militärbudget pro 1871
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z16.pdf.
II. Außergewöhnliches Militärbudget pro 1870
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z16.pdf#page=2.
III. Gesetz über die Anstellung ausgedienter Unteroffiziere
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z16.pdf#page=5.
IV. Beantwortung einiger von den früheren Delegationen geäußerten Wünsche
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z16.pdf#page=6.
V. Diverse Mitteilungen des Reichskanzlers
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z16.pdf#page=8.
Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 9. 1870 109 Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. September 1870 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident GrafAndrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident GrafPotocki (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (18. 9.), Sektionschef v. Früh. Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: I. Militärbudget pro 1871. II. Außergewöhnliches Militärbudget pro 1870. III. Gesetz über die Anstellung ausgedienter Unteroffiziere. IV. Beantwortung einiger von den früheren Delegationen geäußerten Wünsche. V. Diverse Mitteilungen des Reichskanzlers. KZ. 3517-RMRZ. 82 Protokoll des zu Wien am 6. September 1870 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanz¬ lers Grafen Beust. I. Reichsfinanzminister v. Lönyay wünschte vor allem zu wissen, ob die von dem kgl. ung. Finanzminister Kerkäpoly bei der Besprechung vom 29. August beantragte und von der Ministerkonferenz beschlossene Strei¬ chung der Ansätze im Ordinarium des 1870er Militärbudgets für Anschaffungen, die ohnehin in erhöhtem Maße im Nachtragsbudget für 1870 aufgeführt erschei¬ nen, dann der Ansätze für den Post-, Telegrafen- und Seesanitätsdienst in der Militärgrenze durchgeführt worden sei.1 Bezüglich der ,,Anschaffungen" erwiderte Sektionschef v. Früh, daß an den Remonten der Betrag von 1 070 000 fl. und bei den ,,Schuhen" der Betrag von 396 000 fl. in Abrechnung gebracht wurde; daher sich die Gesamt- summe des nächstjährigen Ordinariums um soviel geringer gestalten werde, da¬ gegen gab bezüglich der weiters erwähnten Grenzauslagen Reichskriegs¬ minister Freiherr v. Kuhn die Erklärung ab, daß dieselben deshalb noch nicht in Wegfall gebracht wurden, weil eine Punktation zwischen dem kgl. ung. Ministerium und dem Reichskriegsministerium vorliege, welche in Ver¬ bindung mit späteren Korrespondenzen dahin deute, daß die erwähnten Anstalten gleichzeitig mit der Grenzauflösung, welche wieder von der Regelung der Quo- tenfirage abhängig gemacht wurde, in die Zivilverwaltung überzugehen habe.2 Hierüber entspann sich eine kurze Diskussion, wobei Ministerpräsi¬ dent Graf Andrässy unter Berufung auf das die Grenzauflösung be¬ treffende Ah. Handschreiben aus dem August v. J.3 - worin wohl die territoriale Übergabe von der Quotenffage bedingt werde, der Posten und Telegrafen etc. GMR. v. 29. 8. 1870, RMRZ. 80. Über diese Frage siehe auch GMR. v. 4. 8. 1870, RMRZ. 73. Anm. 9. 3 Ah. Handschreiben über Auflösung der Militärgrenze v. 19. 8. 1869: Wiener Zeitung v. 22. 8. 1869. <pb/>110 Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 9. 1870 aber gar keiner Erwähnung geschehe - die Notwendigkeit der sofortigen Aus¬ scheidung der fraglichen Posten aus dem Ordinarium aus den von beiden Delega¬ tionen wiewohl aus verschiedenen Motiven gefaßten und von Seiner Majestät genehmigten Beschlüssen herleitete. Wenn die Territorialübergabe von der Quotenfrage abhängig gemacht werde, so sei dies korrekt, weil es sich hier um die Aktiva der Grenze handle, die Posten und Telegrafen stünden aber passiv, und mit ihnen übernehme Ungarn eine Last, die bisher aus gemeinsamen Mitteln getragen wurde. Finde die Übergabe dieser Verwaltungszweige an Ungarn nicht bald statt, so werde es wieder zu odiosen Verhandlungen in den Delegationen kommen, wenigstens müsse man sich von ungarischer Seite darauf gefaßt machen. Vortragender wurde von R e i c h s f i - nanzminister v. Lönyay mit Hinweis auf die von Seiner Majestät bereits im vorigen Jahre prinzipiell genehmigte Übergabe dieser seit dem Jahre 1867 nur provisorisch in den Händen des Kriegsministeriums gewesenen Verwal¬ tungszweige und vom Reichskanzler Grafen Beust unterstützt, welcher darauf hindeutete, wie es für die endliche Lösung der Quotenfrage nur forderlich und nützlich sein werde, wenn Ungarn eine Last wie die erwähnte be¬ reits übernommen habe. Sonach beschloß die Konferenz, daß der Beschluß vom 29. August auch bei den Budgetansätzen für die Militärgrenze zum Vollzug gebracht werde. II. Als Hauptaufgabe der heutigen Beratung bezeichnete R e i c h s f i - nanzminister v. Lönyay, daß über den vom Kriegsministerium nach den unter Ah. Vorsitze am 30. August gefaßten Ministerratsbeschlüssen um¬ gearbeiteten Erfordemisansatz für die dermaligen Rüstungen, wofür die Gelder in einem nachträglichen Extraordinarium für das laufende Jahr vor den Delega¬ tionen in Anspruch genommen werden sollen, vorläufig im gemeinsamen Mini¬ sterium die Übereinstimmung erzielt werde, um sofort nach Zustimmung auch der beiden Landesfinanzminister bzw. der Landesministerien die Vorlage für die Delegation vorbereiten zu können.4 Die Hauptsumme des Erfordernisses stelle sich nunmehr auf49 Millionen. Sektionschef v. Früh brachte sofort die in abschriftlich beiliegenden Ausweisen dargestellten Erfordemisansätze zur punktweisen Vorlesung.5 Gegen die Summe des Erfordernisses im einzelnen und ganzen wurden keine Einwendungen erhoben, und nur einige Posten gaben Anlaß zu nachstehenden wesentlicheren Bemerkungen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn erwähnte die Notwendigkeit von den angekauften Pferden, die ursprünglich auf 83 000 Stück präliminiert, später auf 53 000 und schließlich infolge der Beschränkung in der Ausrüstung des Fuhrwesens und der Reserve- und Ergänzungseskadronen bei der GMR. v. 30. 8. 1870, RMRZ. 81. Hauptsummar über das außerordentliche Erfordernis im Jahre 1870. HHStA., PA. XL, Kar¬ ton 285. <pb/>Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 9. 1870 111 Kavallerie, endlich infolge des Wegfallens der 14ten Batterie bei den Artilleriere- gimentem auf 24 000 Stück reduziert wurden, circa 4000 Stück wieder zu ver¬ kaufen. Der Einkauf von Zugpferden sei zwar dem Ah. Beschlüsse gemäß so¬ gleich sistiert worden,6 aber einerseits seien schon zur Zeit der Sistierung mehr Pferde angekauft gewesen, als nach dem heutigen restringierten Stand benötigt worden, andererseits hätten die mit den Lieferanten abgeschlossenen Verträge erfüllt werden müssen, nachdem die Lieferanten vom Militärärar ein so hohes Reugeld (z. B. einer im Betrage von 200 000 fl.) verlangten, daß sich die Einhal¬ tung der Verträge und der Wiederverkauf mit Verlust immerhin noch als vorteil¬ hafter fürs Militärärar herausstellte. Es frage sich nur, ob der Verkauf sofort erfolgen solle, ln letzterer Beziehung sei im Kriegsministerium angeregt worden, man solle, um bessere Preise zu be¬ kommen, die Pferde einem Konsortium mit gleichzeitiger Bewilligung der Aus¬ fuhr übergeben. Die Konferenz nahm diesen Antrag beifällig auf. Reichskanzler Graf Beust konstatierte, daß für Italien noch fort Pferde für die Armee gekauft würden. Ministerpräsident Graf Andrässy erwähnte eine Pferdebestellung für Rechnung der Türkei. Es wer¬ de also an Abnehmern nicht fehlen und komme nur darauf an, das Verkaufsge¬ schäft gut einzuleiten. Man einigte sich daher darin, daß der Reichskriegsminister die Zustandebringung eines Konsortiums, welches die Pferde zu angemessenen Preisen zu übernehmen habe, gleich versuchen und daß über diese Pferde spezi¬ elle Ausfuhrerlaubnisscheine ausgefolgt werden sollen. Es kam auch die Frage der Befestigungen wieder zur Sprache, für welche in Konformität mit dem Ah. Befehle Seiner Majestät als erste Rate vorläufig sieben Millionen eingestellt wurden.7 Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn gab dem Gesamtkostenbetrag für die nach einem bestimmten Syste¬ me herzustellenden Befestigungen der Monarchie mit 60 Millionen an. Ministerpräsident Graf Andrässy äußerte zwar das Beden¬ ken, daß dieses Erfordernis in dem gegenwärtigen Momente, wo die französi¬ schen Befestigungen die Niederlage Frankreichs nicht aufzuhalten vermochten, vielleicht auf Widerspruch stoßen könnte, aber er sowie Ministerpräsi¬ dent Graf Potocki erkannten es gleichwohl als Pflicht der Regierung, im Hinblick auf die Möglichkeit äußerer Angriffe der Vertretung einen Plan zur Versetzung der Monarchie in verteidigungsfahigen Zustand vorzulegen. Auch die Anschaffung von Revolvern für die Kavallerie gab zu nochmaliger Diskussion Anlaß. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn motivierte dieselbe unter anderen auch mit der Zustimmung des Kavalleriein¬ spektors Freiherm von Edelsheim8, der anfangs dagegen war, nun aber selbst die 6 Siehe GMR. v. 30. 8. 1870, RMRZ. 81. Ebd. Edelsheim-Gyulai, Leopold Freiherr von (1826-1893), General der Kavallerie, 1869 Kaval¬ lerieinspektor <pb/>112 Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 9. 1870 Anschaffung befürwortete; der Revolver solle anstelle derjetzigen Pistolen treten und sei vorzüglich für die melee bestimmt, während der Karabiner nur beim Vor¬ postendienst zur Verwendung komme. Die Erfahrung des amerikanischen Krie¬ ges lehre, daß bei Säbelattacken nur 8 %, bei Attacken mit Revolvern aber bis 50 % des Feindes kampfunfähig gemacht werden. Er habe es also für nötig gehal¬ ten, für die Huszaren und Dragoner ein Revolvererfordemis einzustellen. Als neue Post in dem vorliegenden Ausweis seien ferner ebenfalls in Gemä߬ heit früherer Beschlüsse dem Titel ,,Waffenwesen" die Erfordernisse für die Landwehr an Artillerie (50 Batterien) Gewehrmunition und Munitionsverfrach¬ tung eingestellt worden. Sektionschef v. Früh ergänzte diese Mitteilung mit der Eröffnung, daß auch für die Monturabnützung der Landwehr, welche im Falle eines Krieges bekanntlich aus gemeinsamen Mitteln beköstigt wird, ein Betrag in Anforderung gebracht werden mußte, nachdem die Frage, ob im Kriegsfall der Beitrag aus gemeinsamen Mitteln in Natura oder im baren Geld zu leisten sei, im letzteren Sinne entschieden wurde. Der Ansatz von 420 000 fl. für die Herstellung von Ausweichstellen auf den Eisenbahnen wurde nochmals als dringlich erkannt mit dem Bemerken, daß die Herstellung noch vor dem Zusammentritt der Delegationen einzuleiten sei, dage¬ gen wurde bezüglich der das außergewöhnliche Extraordinarium belastenden Ausgaben für die Beschleunigung gewisser Eisenbahnbauten beschlossen, dem Votum der Delegationen nicht vorzugreifen. Schließlich brachte Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn den mit 1. Oktober eintretenden Mehraufwand für die Rekrutenausbil¬ dung zur Sprache. Nach der bisherigen Übung seien bei der Rekruteneinberufung die längerdienenden Leute beurlaubt worden, so daß die Armee in der Zeit der Rekrutenausbildung, wo zumeist nur ungeschulte Soldaten präsent waren, ver¬ hältnismäßig am schwächsten war. Er habe daher mit Hinblick auf die Möglich¬ keit, daß rasch mobilisiert werden müßte, den von Seiner Majestät genehmigten Antrag gestellt, die älteren Diener diesesmal während der Rekrutenausbildung nicht zu beurlauben. Durch diese Erhöhung des Präsenzstandes ergebe sich aber ein Mehrerfordemis von 1 264 000 fl., auf dessen Bedeckung vorgedacht werden müsse. Ministerpräsident Graf Andrässy erklärte sich mit dem Anfrage des Kriegsministers einverstanden; ihm sei auch der Grund einleuch¬ tend, aber in den Delegationen solle doch eine andere Motivierung als die Hin¬ deutung aufdie Kriegsgefahr vorgebracht werden, denn man werde gewiß fragen, von welcher Seite diese Gefahr drohe. Man solle also einfach auf das Diensteser- fordemis hinweisen. Reichsfinanzminister v. Lönyay: Diese Ausgabe gehöre eigentlich in das Ordinarium, wo sie in Zukunft auch einzustellen wäre. Für heu¬ er sei im Ordinarium nichts präliminiert, und dies möge als Grund dafür ange¬ führt werden, daß nunmehr im nachträglichen Exfraordinarium eine Anforderung <pb/>Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 9. 1870 113 unter diesen Titel gestellt wird. Was die Bedeckung betreffe, so müsse diese in den bewußten 17 Millionen gefunden werden, welche das gemeinsame Ministe¬ rium in Anhoffung der Indemnität zu verausgaben beschlossen habe. Infolge der jüngst beschlossenen Reduzierung der Anschaffungen müsse der Kriegsminister an jenen 17 Millionen so viel erspart haben, daß er daraus auch die Rekrutenaus¬ bildungskosten bestreiten kann. Nachdem noch Ministerpräsident Graf Andrässy den Wunsch nach protokollarischer Konstatierung ausge¬ sprochen hatte, daß er die bindende Zustimmung zu diesem Extrabudget nicht ohne das einverständliche Einvernehmen mit dem ungarischen Ministerrate ertei¬ len könne,9 brachte. III. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn die Not¬ wendigkeit der baldigen gesetzlichen Regelung über die Unterbringung ausge¬ dienter Unteroffiziere in Zivilanstellungen zur Sprache. Im Reichsrat sei ein hier¬ aufbezügliches Gesetz eingebracht worden, aber infolge der Reichsratsauflösung nicht zur verfassungsmäßigen Behandlung gelangt. Nun sei es aber, weil ohne eine solche Fürsorge für gediente Unteroffiziere an die Erhaltung künftiger Char¬ gen, welche die Basis der Armee bilden, nicht gedacht werden könne, unerlä߬ lich, mit der Einbringung des bezüglichen Gesetzes gleichzeitig in beiden Reichs¬ hälften vorzugehen und die Pflicht zur Berücksichtigung von Unteroffizieren auch auf die Gemeinden auszudehnen.10 Das diesseitige Ministerium habe sich bisher gegen die angeblich mit der Autonomie nicht vereinbare Vorschreibung an die Gemeinden ausgesprochen, wogegen das ungarische Ministerium das Ansin¬ nen nicht zurückgewiesen habe. Ministerpräsident Graf Andrässy: Auch die ungarische Regierung könne dem Wahlrecht und der Autonomie der Gemeinden nicht vor¬ greifen; die Anstellung von Unteroffizieren im Munizipaldienst könne nur inso¬ weit beeinflußt werden, als es sich um ernannte Funktionäre, wie Panduren u. dgl. handle. Ministerpräsident Graf Potocki erklärte sich sofort bereit, das fragliche Gesetz im Reichsrat einzubringen, doch glaube er nicht, daß die imperative Bestimmung gegenüber den Gemeinden durchgehen werde. Ung. MR. v. 24. 9. 1870, Nr. 71/1870 [KZ. LV.] MOL. Sektion K-27. Über diese Fragefrüher: Au. Vortrag des Reichskriegsministers [Nr. 793] v. 3. 3. 7570 bringt jene Differenzen zur Ah. Kenntniss, welche zwischen den Anschauungen des ung. Landes- verteidigungsministers und jenen des Reichskriegsministers hinsichtlich des Gesetzentwur¬ fes über die ^Anstellung der Unteroffiziere im öffentlichen Dienste bestehen. KA. MKSM 72-4/3; au. Vortrag des k. k. Landesverteidigungsministers v. 27. 3. 1870 [Nr. 2066], den Gesetzentwurf betreffend, die Amtsstellung ausgedienter Unteroffiziere im öffentlichen Dienste der verfassungsmäßigen Behandlung zuführen zu dürfen; au. Vortrag des kgl. ung. Landesverteidigungsministers v. 1. 4. 1870 [Nr. 362], in dem der Gesetzentwurf über die Verleihung von Zivilanstellungen an ausgediente Unteroffiziere unterbreitet und um die Ah. Genehmigung der Vorlage desselben zur verfassungsmäßigen Behandlung gebeten wird. KA. MKSM. 72-4/3. Die Frage hat der ungarische Ministerrat 1870 nicht behandelt. <pb/>114 Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 9. 1870 Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Man möge sie wenigstens in der Gesetzesvorlage beantragen. [IV.] Sofort nahm Reichsfinanzminister v. Lönyay das Wort, indem er anknüpfend an mehrere von den Delegationen ausgesprochene Wünsche die Notwendigkeit betonte, denselben bei ihrem Wiederzusammentritte darüber Rechenschaft abzulegen, ob und was in dieser Beziehung geschah. Er habe die Protokolle über die Delegationsverhandlungen durchgegangen und dar¬ aus folgendes entnommen: a) Sowohl die ungarische als die Reichsratsdelegation hätte ziemlich übereinstimmende Resolutionen in der Richtung gefaßt, daß end¬ lich die Ausgleichung bezüglich jener Summen erfolge, welche sich nach dem Liquidationsakte vom 31. Dezember 1867 in der mit diesem Tage an den gemein¬ samen Finanzminister übergegangenen Staatszentralkasse befunden haben. Vor¬ tragender müsse nun bemerken, daß die Liquidation dieser Kassenreste eine voll¬ ständige Abwicklimg über den Dienst des Jahres 1867 voraussetzte, worüber sich die beiden Teile zu einigen haben. Was die verbliebenen gemeinsamen Aktivforderungen, bzw. die gegenüberste¬ henden Passiven betreffe, so sei zwar durch kommissionelle Sichtung dieser Ma¬ terie bereits ein Substrat für die Aufteilung gewonnen, doch hätten hierüber vor¬ erst noch die Finanzverwaltungen der beiden Reichshälften die endgültigen Beschlüsse zu fassen, was noch nicht geschehen sei. Solange die Einigung zwi¬ schen den beiden Landesfinanzministem noch nicht erfolgt sei, könne selbstver¬ ständlich auch der gemeinsame Finanzminister nicht Vorgehen und wäre daher den Delegationen in diesem Sinne eine Eröffnung zu machen. b) Die Delegation des Reichsrates wünsche die Veranlassung der Einbringung von Gesetzesvorlagen über die Regelung des Rechnungswesens und der Rech¬ nungskontrolle sowie insbesondere über die Organisation des gemeinsamen ober¬ sten Rechnungshofes, und ebenso habe die ungarische Delegation den gemeinsa¬ men Finanzminister aufgefordert, dahin zu wirken, daß der gemeinsame oberste Rechnungshof je eher unabhängig in einer den Ministerien koordinierten Stel¬ lung den Anforderungen des Konstitutionalismus entsprechend auf gesetzlicher Basis organisiert werde. Der Amtsvorgänger des Vortragenden habe in dieser Be¬ ziehung bereits vorgearbeitet, man sei jedoch zur Erkenntnis gelangt, daß inso- lange die beiden Legislativen über die Stellung und den Wirkungskreis der eige¬ nen Kontrollbehörden keine Beschlüsse gefaßt haben, auch für die nach gleichen Prinzipien gebotene Regelung des Kontrolldienstes im gemeinsamen Staatshaus¬ halt jeder Anhaltspunkt fehle. Mittlerweile sei zwar der Rechnungshof in Ungarn aktiviert worden, aber das Statut für den cisleithanischen Rechnungshof sei noch nicht zur verfassungsmäßigen Behandlung gelangt. Mit dem Eintritte dieses Zeit¬ punktes werde der gemeinsame Finanzminister nicht säumen, die bereits ausge¬ arbeiteten Entwürfe den Gesetzen über die Rechnungskontrolle in den beiden Reichshälften anzupassen und die verfassungsmäßige Behandlung einzuleiten. <pb/>Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 9. 1870 115 Dies solle man den Delegationen sagen. Die Konferenz stimmte diesen beiden Anträgen des Reichsfinanzministers ohne Bemerkung bei. Dagegen wurden c) die Delegationsbeschlüsse über die Einbringung eines Ge¬ setzentwurfes wegen Regelung der Pensionsgebühren und Ruhegenüsse der bei dem Ministerium des Äußern, dem gemeinsamen Finanzministerium und dem obersten Rechnungshof angestellten Beamten und Dienern eingehender bespro¬ chen. Reichsfinanzminister v. Lönyay machte die Mitteilung, es sei der betreffende Gesetzentwurf in einer gemischten Kommission bereits vereinbart und von den gemeinsamen Zentralstellen genehmigt worden. Nunmehr werde er der Begut¬ achtung der beiden Landesfinanzminister unterzogen und durch diese der verfas¬ sungsmäßigen Behandlung zugeführt werden. Die diesem Vorgänge zugrunde liegende Meinung, daß die Delegationen zur Gesetzgebung nicht berufen seien, folglich das Pensionsgesetz für die gemeinsa¬ men Zivilbeamten den beiden Legislativen vorgelegt werden müsse, sei zwar vollkommen korrekt, aber gleichwohl sei es ein eigentümliches Verhältnis, wel¬ ches auch das Zustandekommen des Gesetzes erschweren dürfte, daß die Legis¬ lativen ein Pensionsgesetz für Ressorts bringen sollen, mit welchen sie gesetzlich nichts zu tim haben. Es ergebe sich also die Frage, ob man sich nicht mit einem administrativen Statute, welches den Delegationen einfach zur Kenntnis mitzu¬ teilen wäre, behelfen könne? Vortragender betonte schließlich die Notwendigkeit, daß die dermalen in massenhaften Verordnungen zerstreut enthaltenen Pensions¬ bestimmungen in einem Normale zusammengefaßt und dadurch System und Gleichförmigkeit in der Bemessung der Versorgungsgenüsse, namentlich auch der Gnadengaben gebracht werde. Reichskanzler Graf Beust: An und für sich sei es allerdings nicht entsprechend, daß gemeinsame Beamte durch die Legislation der beiden Reichsteile behandelt werden sollen. Namentlich, was die Beamten des Ministe¬ riums des Äußern betreffe, wäre es sachgemäßer, wenn die Delegationen, welche sich allein mit diesem Ressort zu beschäftigen haben, auch die Pensionsfrage regeln würden. Bei der Verhandlung in den Legislativen ergebe sich auch noch das spezielle Bedenken, daß verschiedene mit der Pensionsffage gar nicht zusam¬ menhängende Gegenstände in die Diskussion gezogen werden könnten, wobei ein Vertreter des gemeinsamen Ministeriums des Äußern nicht einmal anwesend sein dürfe. Gleichwohl werde sich gegenüber dem abstrakten Grundsätze, daß die Delegationen zur Gesetzgebung nicht berufen sind, die Mitwirkung der Legisla¬ tiven nicht umgehen lassen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn bemerkte, die Pensionsnormen würden auch anderwärts als Gesetz den Parlamenten vorgelegt. Ministerpräsident Graf Potocki regte die Frage an, wie man es denn mit dem bevorstehenden Militärpensionsnormale zu halten gedenke. Ministerpräsident Graf Andrässy betonte, daß eine Form für die Behandlung dieser Gesetze unter allen Umständen gefimden werden müs- <pb/>116 Nr. 16 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 6. 9. 1870 se. Wenn die Form eines von Seiner Majestät zu genehmigenden und den Dele¬ gationen mitzuteilenden Statuts nicht für geeignet befunden werde, so bleibe nur die Vorlage an die Legislativen übrig, denn sobald man den Weg der Gesetzge¬ bung einschlage, müßten die Delegationen von der Mitwirkung ausgeschlossen bleiben, das Einverständnis müsse dann ebenso wie bei dem Zustandekommen des Wehrgesetzes erzielt werden. Reichsfinanzminister v. Lönyay beantragte daher, es möch¬ te das Pensionsgesetz für die gemeinsamen Zivilfunktionäre nach den Andeutun¬ gen des Grafen Andrässy zustande gebracht, bis dahin aber von den Delegationen die Einwilligung verlangt werden, daß der Gesetzentwurf, welcher in zwei Spra¬ chen zu drucken und den Delegationen zur Wissenschaft mitzuteilen wäre, anstatt der bisherigen Normalien als provisorische Norm gehandhabt werde. Die Konfe¬ renz stimmte diesem Anträge des Reichsfmanzministers schließlich zu." Ebenso seinem weiteren Anträge: d) Der Delegation des Reichsrates mit Bezug auf ihren über Motion des Frei- herm v. Pipitz gefaßten Beschluß in Ansehung der gesetzlichen Vereinbarung von Maßregeln gegen die bisherigen Schwankungen der Valuta zu eröffnen, daß man über diese hochwichtige Angelegenheit im geeigneten Moment mit den Ministe¬ rien der beiden Reichshälften das Vernehmen pflegen werde.12 V. Endlich machte der Reichskanzler Graf Beust der Konfe¬ renz noch Mitteilung von einem eben eingelangten Telegramme unseres diploma¬ tischen Agenten in Bukarest über das von ihm mit Hinweisung auf den bekannten Vorfall auf der ,,Germania" abgelehnte Ersuchen der fürstlichen Regierung, die politisch kompromittierten Herrn Rosetti und Mayer in Tum-Severin auf einem Dampfer der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft verhaften lassen zu dürfen13 und über ein Ah. Handschreiben anläßlich des au. Vortrages des Vizeadmirals v. Te- getthoff in Angelegenheit der Normierung eines fixen Flottenstandes in ähnlicher Weise, wie bereits die Bestimmung des Heeresbestandes mittels gleichmäßiger Vorlage an beide Legislativen erzielt wurde.14 Über die Sache der Pensionsregelung der gemeinsamen Beamten: Somogyi, Die Delegatio¬ nen als Verbindungsinstitution zwischen Cis- und Transleithanien 1144--1145. Pipitz, JosefRitter von, Gouverneur der Nationalbank, stellte am 11. 8. 1869 in der Delega¬ tion den Antrag, die Regierungen beider Reichshälften aufzufordern, der Regelung der Valu¬ ta ihr Augenmerk zuzuwenden, da die großen Schwankungen der Valuta bei der Feststellung des Staatsvoranschlages besonders hervortraten. Die Delegation beschloß am 28. 8. 1869 eine diesbezügliche Resolution, diefreilich ohne Wirkung blieb. Kolmer, Parlament und Ver¬ fassung in Österreich Bd. 1 387. In Bukarest besteht ein Generalkonsulat, geleitet von Generalkonsul Nikolaus Ritter Zulauf von Pottenburg. Unter den Berichten des Generalkonsuls fand ich keinen Hinweis aufdie Geschehnisse. (HHStA., PA. XXXVIII, Karton 189-192.) Au. Vortrag des Chefs der Marinesektion Vizeadmirals v. Tegetthojfüber Normierung eines fixen Flottenstandes v. 3. 9. 1870. Nr 1225. KA. MKSM. 66-7/5/1870. Vgl. Hobelt, Die Marine 701. <pb/>Nr. 17 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. 9. 1870 117 Die Konferenz billigte das ablehnende Verhalten unseres Vertreters in Buka¬ rest, beschloß aber, dem von ihm gleichzeitig einberichteten Auslieferungsver¬ langen der rumänischen Regierung bezüglich des zugleich als Deserteur rekla¬ mierten Mayer nach Möglichkeit zu entsprechen. Die Frage wegen Festsetzung eines normalen Flottenstandes nahmen die bei¬ den Ministerpräsidenten einstweilen ad referendum. Der Reichskriegs¬ minister befürwortete den Antrag des Leiters der Marine, weil er eine Basis für die weitere Entwicklung der Marine schaffe, wogegen Graf Andrässy vorläufig bemerkte, daß der Moment für eine solche Vorlage jetzt insoweit un¬ günstig gewählt wäre, weil heute die Befürchtung eines Angriffes zur See nicht bestehe und die Vertretung daher nicht geneigt sein werde, durch Zersplitterung der Geldmittel die Ausrüstung der Landarmee zu beschränken. Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 19. September 1870. Franz Joseph. Nr. 17 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 10. September 1870 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident GrafAndrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf Potocki (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v. Lönyay (18. 9.), der k. k. Finanzminister Freiherr v. Holzgethan (18. 9.), Sektionschef v. Früh. Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Außergewöhnliches Extraordinarium für das Jahr 1870. KZ. 3520-RMRZ. 83 Protokoll des zu Wien am 10. September 1870 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanz¬ lers Grafen Beust. Reichsfinanzminister v. Lönyay bezeichnete als Aufgabe der heutigen Beratung die Feststellung der bereits in der Konferenz vom 6. Sep¬ tember durchgesprochenen außerordentlichen Rüstungserfordemisse für das Jahr 1870, um die betreffende Delegationsvorlage endlich vorbereiten zu können.1 Nach den damals vorgelegenen Ausweisen habe sich das Erfordernis auf etwas über 49 Millionen gestellt. 1 GMR. v. 6. 9. 1870, RMRZ. 82. <pb/>