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Gemeinsamer Ministerrat, 30. 8. 1870

I. Außerordentliches Militärbudget, anläßlich der Armeeausrüstung

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z15.pdf.

100 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870

   Finanzminister Freiherr v. Flolzgethan: Zur Beurtei¬
lung der Budgeteinhaltung seien eigentlich die Gebarungsausweise genügend.
Die Rechnungsabschlüsse könnten stets nur im zweiten Jahre geliefert werden.

   Finanzminister v. Kerkäpoly: Wenn die vorjährige Delegati¬
on bezüglich des Nachtragskredites von 3 790 000 fl. ihr Votum dahin abgab, daß
die Bedeckung ohne Belastung der Steuerträger erfolgen solle, so müsse sie doch
einen bestimmten Gedanken vor Augen gehabt haben, wie die Bedeckung mög¬
lich sei. Ohne Grund habe sie diesen Beschluß nicht gefaßt, man könnte also
darauf rechnen, daß in dieser Richtung Fragen gestellt werden.

   Womit die Sitzung geschlossen wurde.
                                                                                                   Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 17. September 1870. Franz Joseph.

         Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. August 1870

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: Seine k. k. Hoheit Erzherzog Albrecht (o. D.), der Reichskanzler Graf Beust
(o. D.), der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident Graf
Potocki (7. 9.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v.
Lönyay (10. 9.).
     Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
     Gegenstand: Außerordentliches Militärbudget, anläßlich der Armeeausrüstung.

    KZ. 3113-RMRZ. 81
    Protokoll des zu Wien am 30. August 1870 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers.

    Seine Majestät der Kaiser geruhte im Hinblick auf den baldi¬
gen Zusammentritt der Delegationen die Notwendigkeit darzulegen, daß über das
diesen Vertretungskörpem vorzulegende außerordentliche Budget nunmehr Be¬
schluß gefaßt und sohin die Kosten der durch die Verhältnisse veranlaßten
Armeeausrüstung nicht nur was die Anschaffungen, sondern auch was die Auf¬
rechterhaltung der Anschaffungen betrifft, fixiert werden. Hiebei müsse aber vor
allem die politische Lage mit in Kombination gezogen werden.

    Reichskanzler Graf Beust: Was uns betreffe, so habe sich seit
der durch Graf Choteks mündliche Eröffnungen veranlaßten Konferenz vom 22.
August keine Änderung der politischen Lage zugetragen.1 Einstweilen erwarte er
von unserem nach Petersburg zurückgekehrten Gesandten Bericht über die Fra-

         Siehe GMR. v. 22. 8. 1870, RMRZ. 78. Über ChotekAnm. 8 dieses Ministerrates.
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870                           101

gen, welche derselbe bei dem dortigen Kabinett zu stellen beauftragt war, näm¬

lich: a) über die Beziehungen Rußlands zu Preußen, mit welchem ersteres be¬

kanntlich im Engagement steht; b) über das Verhalten, welches Rußland gegenüber

dem Sieger im gegenwärtigen Kriege zu beobachten gedenkt, und über die Mit¬

tel, welche bei einer eventuellen Mediation anzuwenden wären. Die Verantwor¬

tung dieser Fragen sei maßgebend für alle weiteren Entschlüsse der Regierung.

Da jedoch angesichts der Zusammentritte der Delegationen für den Augen¬

blick die Frage der Geldbeschaffüng für die in jedem Falle gebotenen Rüstungen

in den Vordergrund trete, so sei es nötig, einerseits über die Ausdehnung der be¬

schlossenen Maßregeln, andererseits über die Mittel, um sie den Delegationen

plausibel zu machen, Klarheit zu gewinnen. Letztere Frage werde durch erstere

bedingt und sei mehr politischer Natur. Der Schwerpunkt der heutigen Bespre¬

chung scheine ihm in der ersten, das finanzielle Gebiet berührenden Frage zu

liegen und die Beschlußfassung darüber könne nur aufgrund der Erfordemisan-

sätze des Kriegsministers stattfinden.

Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn gab den Ge¬

samtbedarf, wie er sich nach den bisherigen Verabredungen bis Ende Dezember

d. J. herausstellt, auf circa 50 Millionen an, wovon 17 Millionen für die bis 15.

September präliminierten Anschaffungen (worunter 53 000 Pferde) entfallen,

während 33 Millionen für die weitere Komplettierung des auf 83 000 Stück zu

bringenden Pferdestandes, dann für die Erhaltung der Pferde bis Ende des Jahres,

für die Verpflegung der Mannschaft und sonstige für diese Zeit verschobenen

Anschaffüngen benötigt werden; die Erhaltung bis Ende Juni 1871 werde sich auf

fernere 18 Millionen belaufen.

Seine Majestät der Kaiser geruhte zu bemerken, daß der wirk¬

liche Bedarf bis 15. September hinter den präliminierten 17 Millionen Zurück¬

bleiben werde, da bei dem anfänglich schlechten Fortgang des Pferdeeinkaufes

nicht die ganze Einkaufssumme zur Verwendung gelangte und in dem Verhältnis

auch die Unterhaltskosten entfallen.

Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Er habe die

obige auf die Voraussetzung der Mobilisierung im heurigen Jahre gegründete Be¬

rechnung beiseite lassend, eine neue Berechnung anstellen lassen, wie die Armee

ohne zu große Kosten bis Ende März auf einen solchen Fuß gesetzt werden kön¬

ne, daß die Mobilisierung wann immer in kürzester [Zeit] zu bewerkstelligen sei.

Dabei habe er sich gegenwärtig gehalten, daß mit Beschränkung des Pferdeein¬

kaufes auf das unerläßliche Maß von 53 000 Stück nur solche Gegenstände, wel¬

che wie Monturartillerie, Zwieback, Munition und Gewehre ohne weitere Kosten

erhalten werden können, angeschafft werden sollen. Nach diesem Berechnungs¬

maßstabe ergebe sich bis Ende März ein Geldbedarf und zwar:

für Pferdeeinkauf                                            9 500 000 fl.

&quot; Pferdeerhaltung                                            9 000 000 &quot;

&quot; Mannschaftskost                                            8 460 000 &quot;

&quot; Montur                                                     6 000 000 &quot;
<pb/>102 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870

&quot; Artillerie                                     3 690 000 &quot;

&quot; Rekrutenabrüstung                              1 400 000 &quot;
&quot; Zwieback                                       2 000 000

zusammen beiläufig von 40 000 000 fl., zu welchen noch weitere fünf Millio¬

nen für die in der gestrigen Ministerberatung beschlossenen 100 000 Stück

Wemdlgewehre samt Munition zuzuschlagen wären, da in diesem Gesamtbeträge

jene Anschaffungen bis zu der Höhe von 17 Millionen mitinbegriffen seien, wel¬

che das gemeinsame Ministerium in Anhoffung der Indemnität bereits beschlos¬

sen habe, so ergebe sich noch ein Rest von 28 Millionen, welcher bis Ende März

beigeschafft werden müßte.

Seine Majestät der Kaiser hatte die Gnade daraufhinzudeuten,

daß auch bei diesem Gesamterfordemisansatze, wenn derselbe in den Details ge¬

rechnet werde, eine Reduktion möglich sein dürfte. Die Hauptsache sei, zu unter¬

scheiden zwischen jenen Anschaffungen, die ein für allemal nötig, für den Mo¬

ment des Bedarfes aufbewahrt werden können, und jenen, welche wieder

verlorengehen.

Reichsfinanzminister v. Lönyay: Es wäre vielleicht zu

empfehlen, den Ausrüstungsbedarf nach drei Kategorien einzuteilen. 1. Nach Ge¬

genständen von bleibendem Werte wie Montur, Artillerie, Handwaffen, Munition

und Zwieback, wofür in Summe 15 Millionen präliminiert wurden, 2. nach An¬

schaffungen von temporärem Wert, worunter er die Pferde im beiläufigen An¬

schaffungspreise von 10 Millionen meine und 3. nach Kosten für die Erhaltung

der Pferde und Verpflegung der Mannschaft mit dem für sieben Monate auf zu¬

sammen 20 Millionen bezifferten Erfordernisse.

Ministerpräsident Graf Andrässy regte die Frage an, ob es

unerläßlich sei, vor die Delegationen im vorhinein mit einem auf sieben Monate

berechneten Sustentationserfordemisse zu treten? Er gehe hiebei von der Idee

aus, daß unsere Situation, wenn sie sich nicht verschlimmere, im Augenblicke

keinen Grund zur Befürchtung eines Angriffes von außen biete, dagegen der Fall

einer Mediation uns offensiv oder defensiv in eine Aktion verwickeln könne.

Man möge also neben der Abrichtung der Rekruten alles das anschaffen, was

bleibend und im Momente des Bedarfes nicht sogleich zu haben ist. Solche An¬

schaffungen würden sich auch in den Delegationen mit Aussicht auf Erfolg leicht

vertreten lassen, außerdem möge man aber den Delegationen nur ein nach Mona¬

ten berechnetes Erhaltungserfordemis vorlegen und sich gleichsam einen Bian-

cokredit für so lange geben lassen, als die Verhältnisse die Erhaltung des erhöhten

Armeestandes erheischen. Es sei ja eine solche Gestaltung der Dinge immerhin

möglich, daß auch Österreich, so wie es die Schweiz bereits tat, vor Ablauf von

sieben Monaten abrüsten könne.

Seine Majestät der Kaiser: Es sei eben eine Frage des Vertrau¬

ens, ob die Delegationen der Regierung die Entscheidung über die Notwendigkeit

und Dauer der Aufstellung anheimstellen wollen.
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870                                  103

   Reichsfinanzminister v. Lönyay bezeichnete den Antrag
als äußerst praktisch. Es sei viel, von den Delegationen auf einmal 20 Millionen
zu verlangen, dagegen könne man ohne weiteres darauf hinweisen, daß die Not¬
wendigkeit einer Truppenaufstellung sich in einem Moment, wo die Delegatio¬
nen nicht versammelt sind, ergeben könne, und für diesen Fall das prinzipielle
Zugeständnis eines nach Monaten berechneten Kredits auf die Dauer des Bedar¬
fes in Anspruch nehmen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Er ziehe es
vor, mit bestimmten Anträgen vor die Delegationen zu treten und sich von den¬
selben bare Beträge votieren zu lassen.

   Seine k. k. Hoheit Erzherzog Albrecht: Das Erforder¬
nis könnte auf 15 Millionen für bleibende Anschaffungen, zehn Millionen für
Pferdeeinkauf und monatlich drei Millionen für Erhaltungskosten gestellt wer¬
den.

   Ministerpräsident Graf Potocki: Die Pferdeanschaffung
möge vorläufig auf 20 000 Stück beschränkt werden.

   Seine k. k. Hoheit Erzherzog Albrecht: Bei jeder Mo¬
bilisierung sei der Pferdeeinkauf stets das Schwierigste, und die Kriegsverwal¬
tung riskiere stets aufzuliegen, wenn sie nur über den Vorrat verfügen kann, den
sie auf der Streu hat. Eine Besserung der Lage lasse sich nur von der Pferdekon¬
skription erwarten, und dann könne man darauf rechnen, in 14 Tagen dieselben
sicher zu erhalten, d. h. erst dann, wenn dieses Gesetz nicht bloß erlassen, son¬
dern auch vollkommen durchgeführt und praktisch ins Leben getreten seia. Preu¬
ßens Beispiel möge uns zur Lehre dienen.2

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Jetzt sei der Moment
für die Einbringung eines solchen Gesetzes, welches er auch seinerseits für not¬
wendig erachte.

   Seine Majestät der Kaiser: Es wäre in den Delegationen dar¬
auf hinzuweisen, daß der Mangel einer Pferdekonskription die präliminierte be¬
deutende Einkaufssumme zur Folge habe. Die Legislative würde hierin einen
Impuls zur Votierung eines solchen Gesetzes finden, mit dessen Einbringung
nicht weiter gezögert werden solle.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Obschon man sich auf
einen gewissen Widerstand in den Legislativen gefaßt machen müsse, so werde
sich das Gesetz angesichts der Erfahrungen der Gegenwart doch durchbringen
lassen, wenn die Modalitäten der Gesetzeshandhabung klug gewählt werden,
z. B. die Requirierung edler Pferde ausgeschlossen bleibe und überhaupt zur Re¬
quirierung nur nach fruchtlosem Versuch des Einkaufes geschritten werde.

Korrektur Albrechts [?] aus schlagfertig zu sein.
Gesetzentwurfüber Pferdekonskription siehe GMR. v. 27. 8. 1870, RMRZ. 79. Anm. 2.
<pb/>104 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870

   Seine k. k. Hoheit Erzherzog Albrecht: Als weitere
Modalität möge auch die sogleich bare Bezahlung aufgestellt werden, dadurch
werde die Maßregel für den Betreffenden weniger empfindlich. Im Zusammen¬
hänge mit der Pferdekonskription stehe auch die Überlassung ärarischer Pferde
an Private zur Schonung des Staatsschatzes. Die ersten Versuche, die man bei uns
in dieser Beziehung machte, seien zwar mißlungen, dennoch aber lasse sich die
Sache weiter ausbilden.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte sofort die Diskussion auf
ihren Ausgangspunkt zurückzuführen, mit der Bemerkung, daß man durch eine
punktweise Überprüfung des Erfordernisses, namentlich jenes an Pferden, am
ehesten zu einem Resultate gelangen werde. Was speziell die Pferde betreffe, so
ergebe sich die Frage, ob man nach Lage der Verhältnisse den Einkauf fortsetzen
oder sistieren, oder gar das nicht mehr benötigte Material zur Ersparung der Er¬
haltungskosten verkaufen sollte.

   Seine Majestät geruhte danach den Kriegsminister zur detaillierten Darlegung
seines Erfordernisses mit dem Beisatze aufzufordem, daß bei der Einbringung in
den Delegationen vor allem auf die von Minister v. Lönyay in die erste Kategorie
gestellten Anschaffungen unter Hinweisung auf den bisherigen Geldmangel zu
dringen sei.

   Über die vom Reichskriegsminister hierauf zur Vorlesung ge¬
brachten Erfordemisansätze entspann sich eine längere Diskussion mit folgen¬
dem Ergebnisse:

    1. Die Post: Artillerie, nämlich Festungsgeschütze, Hinterladekanonen und
kleinere Artillerie mit dem Ansätze von 3 070 000 fl. geruhte Seine Majestät zu
genehmigen. Dagegen wurden die auf 620 000 fl. veranschlagten Revolver für
die Kavallerie fallengelassen, nachdem gegen die vom Reichskriegsminister zi¬
tierten praktischen Erfahrungen aus dem letzten amerikanischen Kriege von Sei¬
ner k. k. Hoheit dem Erzherzog Albrecht, welchem auch der ungarische Minister¬
präsident beistimmte, theoretische Bedenken eingewendet wurden, welche sich
auf die Erschwerung der Leistungsfähigkeit des Pferdes bei der doppelten Be¬
waffnung des Reiters mit Karabiner und Revolver und auf die Unanwendbarkeit
der letzteren in der melee bezogen. 2. Die Post: ,,Gewehre&quot; samt Munition mit
6 000 000 und 3. ,,Montur&quot; mit gleichfalls sechs Millionen geruhte Seine Maje¬
stät zu genehmigen.

    Die bei diesem Anlaß zur Sprache gebrachte Gewehr- und Munitionserzeu¬
gung gab dem Ministerpräsidenten Grafen Andrässy
Anlaß, mit Hinweisung auf die im jetzigen Kriege infolge unzweckmäßiger Ver¬
teilung der Laboratorien auf französischer Seite zu Tage tretenden Mißstände, die
Frage aufzuwerfen, ob es nicht zweckmäßiger wäre, an gewissen Plätzen, auf
welche man sich im Falle eines unglücklichen Krieges zurückziehen würde, vor¬
läufig nur Munitionsfabriken zu errichten, anstatt jetzt schon die Munition selbst
anzuschaffen und an Orten zu deponieren, wo man sie vielleicht nicht braucht
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870  105

oder von wo man sie bei einem Rückzuge ins Innere des Landes nicht mehr be¬
ziehen kann.

    Seine k. k. Hoheit Erzherzog Albrecht machte auf das
Eigentümliche der Patronenerzeugung für Hinterladergewehre, bei welcher es
vor allem auf die Kupferblechhülsen ankomme, aufmerksam. Diese könnten im
Kriege nicht wieder gesammelt werden, und steigere sich also der Verbrauch ins
Unberechenbare. Man müsse also trachten, einen angemessenen Vorrat von sei¬
nem Kupferblech an gewissen Plätzen aufzuspeichem, wo dann die weitere Zu¬
richtung mittels Maschinen und die Füllung vorgenommen werden könne. Dies
vorausgeschickt, sei er mit der Anschaffung der erwähnten Maschinen, für wel¬
che gleich der bei den Kavallerierevolvem ersparte Betrag verwendet werden
könnte, einverstanden.

    Seine Majestät der Kaiser geruhte diese Bemerkungen zustim¬
mend aufzunehmen.

   4. Der Erfordemisansatz für Spitalsbaracken wurde als verfrüht vorläufig fal¬
len gelassen. Dagegen hatte Seine Majestät der Kaiser die Gnade, 5. das Erforder¬
nis für Spaten mit 1 420 000 fl., 6. für die Rekrutenausbildung mit 1 264 000 fl.
und 7. für Zwieback mit 2 000 000 fl. zu genehmigen.

   Bezüglich der letzten Post äußerte zwar Ministerpräsident Graf
Andrässy das Bedenken, daß es schwer fallen werde, eine solche dem Laien
unfaßliche Ausgabe in den Delegationen zu vertreten, erklärte sich jedoch nach
der von dem mittlerweile zur Beratung zugezogenen Sektionschef v. Früh erteil¬
ten Aufklärung, daß der anzuschaffende Vorrat von 10 000 000 Portionen für eine
Armee von 500 000 Mann nur auf 20 Tage hinreiche und die NachschafEung nur
langsam vor sich gehe, für befriedigt.

   Seine Majestät der Kaiser geruhte ergänzend beizufügen, daß
der Zwieback, wenn es zu keinem Kriege komme, den Truppen als Friedensration
ausgefolgt werde, daher die Ausgabe keine hinausgeworfene sei.

   Übergehend auf den Pferdebedarf machte Reichskriegsminister Freiherr
v. Kuhn folgende Mitteilung: a) für sechs Feldeskadronen per Regiment auf
den Kriegsstand ohne Ergänzungs- und Reserveeskadron dann ohne Trainsolda¬
ten und Zugpferde ergebe sich bei einem Stande von 8910 Mann und 7975 Pfer¬
den ein monatliches Erfordernis von 243 000 fl. Seine k. k. Hoheit
Erzherzog Albrecht bemerkte dazu, daß dieser Pferdestand bei der
Kavallerie, ohne welchen wir noch schwächer dastehen würden als heute die
Franzosen, unbedingt nötig erscheine, b) für die Ergänzungseskadronen im Kadre
zu acht Feldgendarmen zehn Mann und zehn Pferden stelle sich im ganzen der
Bedarf auf 416 Pferde. Dagegen wurde keine Einwendung erhoben, wohl aber
der Ansatz c) für die Reserveeskadronen im Kadre bis auf den Kommandanten
und einen Wachtmeister fallen gelassen, d) Für die Artillerie, das Regiment zu 14
Batterien, wurde der Bedarf auf 564 Reit-, 14 928 Zug- und 497 Reservepferde
angegeben mit Hinweisung darauf, daß diese Pferde im Feuer exerziert werden
müssen. Seine Majestät geruhte die Streichung der 14. Batterie anzubefehlen.
<pb/>106 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870

   e) Für das Fuhrwesen, nämlich 36 Friedens- und 21 Reserveeskadronen, ergab
sich endlich ein Pferdebedarf von 14 845 Stück. Bezüglich dieser Post geruhte
Seine Majestät, im Hinblick auf die leichtere Beischaffung und Entbehrlichkeit
der Einübung der Zugpferde zu befehlen, daß vorläufig nur ein Kadre auffechtzu-
erhalten und nach dieser Andeutung der Erfordemisaufsatz umzuarbeiten sei.

   Ministerpräsident Graf Potocki erbat sich hieraufdas Wort,
um in längerer Ausführung die Größe der Verantwortlichkeit, welche die Regie¬
rung sich gegenüber den Delegationen durch die erwähnten Anschaffungen auf¬
erlege, auseinanderzusetzen. Man solle daher mit den vor der Votierung der De¬
legationen zu machenden Anschaffungen ja nicht über die schon früher
beschlossenen 17 Millionen hinausgehen. Soviel könne die Regierung noch mit
der Dringlichkeit des Erfordernisses rechtfertigen. Im übrigen aber möge sie dem
Patriotismus der Vertretung nicht vorgreifen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn erklärte dies
nur für möglich, wenn er den Einkauf der Zugpferde sistiere, worauf Seine
Majestät der Kaiser den Ah. Beschluß dahin zu fassen geruhte, daß
der Einkauf der Zugpferde unter gleichzeitiger Entwerfung eines geringeren als
des oberwähnten Fuhrwesenstandes zu sistieren, mit dem Einkauf der Pferde für
die Kavallerie und Artillerie aber noch eine Weile fortzufahren sei.

   Reichskanzler Graf Beust: Er würdige vollkommen die Be¬
denken des Grafen Potocki in Aussicht der dem Ministerium obliegenden Vertre¬
tung in den Delegationen, aber bis noch sei die Regierung in der Lage, ihre Ma߬
regeln durch die politische Situation genügend rechtfertigen zu können. Das auf
der Börse verbreitete Gerücht von einem Anlehen von 100 Millionen deute dar¬
auf, daß man im Publikum auf mehr gefaßt sei, als die Regierung vorläufig von
den Delegationen zu beanspruchen gedenke.

   Wenn er nun auch gegen die Sistierung des Pferdeeinkaufes nichts einzuwen-
den habe, so möge man doch die Veröffentlichung der eintreffenden Beschrän¬
kung vermeiden, um nach außen nicht in den Schein zu kommen, als ob Öster¬
reich von der Linie seiner eingeschlagenen Politik zurückweiche. Man müsse
diesen Schein vermeiden, indem es einerseits nicht unsere Aufgabe sein könne,
Frankreich durch demonstrative Desarmierung zu entmutigen, andererseits wir in
Preußen nicht den Eindruck aufkommen lassen dürfen, daß wir uns durch die
Aufstellung bei Glogau, welche in Zeitungskommuniques als durch die Haltung
der Neutralen hervorgerufen hingestellt werde, einschüchtem lassen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Er sei auch dafür, daß
die Sistierung des Pferdeankaufs nicht auffällig verfügt werde. Aber selbst, wenn
derselbe in einigen Joumalartikeln besprochen werden sollte, halte er die Voraus¬
setzung des Reichskanzlers in bezug auf Preußen nicht für zutreffend, denn in
Wirklichkeit könne doch niemand glauben, daß eine Aufstellung wie die bei
Glogau Österreich imponiere.

    Seine k. k. Hoheit Erzherzog Albrecht nahm hierauf
Anlaß, die Vermehrung der Ausweichstellen auf den eingleisigen Bahnen der Re-
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870  107

gierung recht dringend ans Herz zu legen. Es sei dies eine Maßregel von eminen¬
ter Bedeutung, welche bei entsprechender Verteilung der Ausweichstellen das
Doppelte der jetzt möglichen Truppentransporte gestatte und dadurch die Be¬
schleunigung der Aufstellung in acht Tagen gestatte, was bei der heutigen Kriegs-
fuhrung für den ganzen Feldzug entscheidend werden könne. Die Bahnen, auf die
es hauptsächlich ankomme, seien die Franz Josefs- und die Karl Ludwig-Bahn,
von den ungarischen Bahnen befinde sich die ungarische Südbahn mit in Kombi¬
nation. Die Kosten seien auf 420 000 fl. veranschlagt; man könne sie aus den
Ersparungen durch Sistierung des Pferdekaufes leicht einbringen. Neben den obi¬
gen sei die Vermehrung der Ausweichstellen auch auf anderen Bahnen, nament¬
lich ungarischen Bahnen, wünschenswert.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Auf der Theißbahn und
Staatsbahn sei schon gelegentlich der Getreidetransporte der letzten Jahre einiges
in dieser Beziehung vorgekehrt worden. Die Anregung Seiner k. k. Hoheit schei¬
ne ihm aber so wichtig, daß er sich vollkommen einverstanden erkläre, wenn die
Regierung die Sache auf eigene Verantwortung in die Hand nehme, und möge
daher den beiden Kommunikationsministem ohne weiteren Verhandlung der Im¬
puls zur Ausführung gegeben werden.

   Seine k. k. Hoheit Erzherzog Albrecht brachte noch
weiter die Befestigungsffage zur Sprache, welche nach einem die ganze Monar¬
chie umfassenden Systeme in Angriff zu nehmen wäre. Die Ennslinie sollte und
müsse befestigt werden. Es wäre gut, der Delegation auch in dieser Beziehung
Vorlagen zu machen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy: Die Befestigung einer
einzigen Linie, wie sie in früheren Beratungen in Aussicht genommen wurde,
würde in den Delegationen schwerer durchzubringen gewesen sein.3 Dagegen
glaube er, daß die Vorlage eines ganzen Befestigungssystems nach dem belehren¬
den Verlauf des dermaligen Krieges nunmehr eine günstigere Aufnahme finden
werde. Es komme bei solchen Geldanforderungen viel darauf an, den rechten
Moment dazu zu finden - und den halte er jetzt fiir gekommen.

   Reichskanzler Graf Beust: Vor drei Wochen, wo die Regie¬
rung auf eigene Verantwortung Vorgehen mußte, habe die Sache ihre bedenkliche
Seite gehabt, sie stelle sich aber heute anders, wenn es sich dämm handelt, von
den Vertretungskörpem das Geld im voraus zu verlangen. Der Gegenstand wäre
übrigens auch mit den zwei Landesfinanzministem zu besprechen.

   Ministerpräsident Graf Potocki: Die Befestigungsfrage
nehme einen anderen als den bisherigen Charakter an, wenn es sich um ein Sy¬
stem handle.

3 Beratungen über die Befestigungsfrage: GMR. v. 22. 7. 1870, RMRZ. 68; GMR. v. 23. 7.
        1870, RMRZ. 69; GMR. v. 24. 7. 1870, RMRZ. 70; GMR. v. 30. 7. 1870, RMRZ. 71; GMR. v.
        7. 8. 1870, RMRZ. 74.
<pb/>108 Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 30. 8. 1870

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Er habe in den
Delegationen die Festsetzung eines Befestigungssystems schon früher in Anre¬
gung gebracht, man sei aber damals hierüber hinweggegangen. Nun sei er gerne
bereit, eine neuerliche Vorlage zu machen mit Einbeziehung der Befestigungen
der Ennslinie, dann von Eperies und Krakau.

   Reichsfinanzminister v. Lönyay: Allem Anscheine dürfte
sich die Summe der Erfordernisse im Nachtragsbudget für das Jahre 1870 auf
circa 50 Millionen belaufen, er bitte daher, daß das Budget, welches noch in zwei
Sprachen übersetzt und gedruckt werden müsse, tunlichst bald definitiv festge¬
setzt, sodann mit den beiden Landesfinanzministem vereinbart und die Frage des
Kredites mit ihnen besprochen werde. Der korrekte Weg für die Geldbeschaffung
wäre, daß die Delegationen dieses Extrabudget abgesondert votieren und hierauf
die beiden Landesfinanzminister den Legislativen die Vorlagen wegen der Kre¬
ditbedeckung machen. Wie diese einzuleiten sei, darüber bestehe noch keine
Klarheit. Soviel Vortragender über die Intentionen des Finanzministers Kerkä-
poly unterrichtet sei, wünsche dieser kein gemeinsames Anlehen, sondern die
Bedeckung mittels einer schwebenden Schuld, welche er, soweit es sich um Un¬
garns Anteil handle, binnen Jahresfrist zu restituieren hoffe.

   Seine Majestät der Kaiser hatte hierauf die Gnade, das Ergeb¬
nis der Besprechung dahin zu reassumieren, daß a) ein neuer Entwurf des Extra-
ordinariums mit Zugrundelegung der heutigen Beschlüsse, namentlich jener hin¬
sichtlich des Pferdestandes auszuarbeiten und b) hierbei der Ansatz für Erhaltung
der Pferde und Verpflegung der Mannschaft nach monatlichen Erfordernissen er¬
sichtlich zu machen sei; daß ferner c) ein den Delegationen vorzutragendes Ela¬
borat über die nötig erkannten Befestigungsarbeiten verfaßt4 und der entspre¬
chende Kostenbetrag in das 1870er Nachtragsbudget eingestellt, d) daß den
Legislativen unverzüglich ein Pferdekonskriptionsgesetz vorgelegt5 und die Her¬
stellung der Ausweichstellen auf den Eisenbahnen aus den Ersparungen an der
Dotation für Pferde sogleich eingeleitet werde.

    Womit Seine Majestät die Sitzung zu schließen geruhte.
                                                                                                   Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 11. September 1870. Franz Joseph.

        Der Reichskriegsminister über die Befestigungsarbeiten: siehe GMR. v. 7. 8. 1870, RMRZ.
         74. Anm. 9.
        Au. Vortrag des Reichskriegsministers v. 8. 9. 1870, [3344] KA. MKSM. 75-1/3/1870, in
        dem ein Gesetzentwurfwegen Deckung des Bedarfes an Pferden bei einer Mobilisierung mit
         der au. Bitte unterbreitet wird, denselben den betreffenden beiderseitigen Landesministerien
         zur weiteren verfassungsmäßigen Behandlung übergeben zu dürfen. Ah. E. 11. 9. 1870.
<pb/>