MRP-2-0-01-2-18700827-P-0013.xml

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Gemeinsamer Ministerrat, 27. 8. 1870

I. Gemeinsames Budget für das Jahr 1871

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I2/pdf/oe_hu_mrp_I2_z13.pdf.

Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 8. 1870                     87

Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. August 1870

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident GrafAndrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident
GrafPotocki (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v.
Lönyay (6. 9.), der k. k. Finanzminister Freiherr v. Holzgethan (6. 9.), der kgl. ung. Finanzminister
v. Kerkäpoly (o. D.), Sektionschef im k. k. Reichskriegsministerium v. Früh.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Gemeinsames Budget für das Jahr 1871.

   KZ. 3110-RMRZ. 79
   Protokoll des zu Wien am 27. August 1870 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanz¬
lers Grafen Beust.

Reichsfinanzminister v. Lonyay nahm das Wort, um ange¬

sichts des für den 12. September in Aussicht genommenen Zusammentrittes der

Delegationen die Notwendigkeit darzulegen, daß das gemeinsame Budget für das

Jahr 1871 zunächst im gemeinsamen Ministerrate vorbereitet, dann aber auch im

Sinne des Gesetzes der Zustimmung der beiden Landesministerien, als deren Ver¬

treter die beiden Landesfinanzminister heute erschienen, zuzuführen.

Nach der im Bürstenabzüge vorliegenden Zusammenstellung werde sich das

Budget folgendermaßen gestalten:

I. Ministerium des Äußern

a) Ordinarium                                            4 417 682 fl.

b) Extraordinarium                                                    58 245 fl.

zusammen                                                 4 475 927 fl.

II. Kriegsministerium

A. Heer und zwar:

a) Ordinarium                                            79 085 000 fl.

b) Extraordinarium                                       8 820 273 fl.

zusammen                                                 87 905 273 fl.

B. Marine

a) Ordinarium                                            8 351 000 fl.

b) Extraordinarium                                       3 882 700 fl.

zusammen                                                 12 233 700 fl.

III. Finanzministerium, mit Einschluß des Pensionsetats

zu 1 644 850 fl.

und zwar

a) Ordinarium                                            1 782 760 fl.

b) Extraordinarium                                                    1 050 fl.

zusammen                                                 1 783 810 fl.

IV. Rechnungskontrolle im ganzen                                      104 095 fl.
<pb/>88 Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 8. 1870

Im Vergleiche zu dem diesjährigen Budget erweise sich
I. bei dem Ministerium des Äußern ein Mindererfordemis von 54 044 fl., da-

gegen
   II. bei dem Kriegsministerium ein Mehrerfordemis von 11 529 351 fl., nämlich

9 428 916 beim Heer und 2 100 435 bei der Marine
   III. beim Finanzministerium infolge einer Änderung des Personalstatus durch

Wegfall eines Sektionschefs und Kreierung von Sektionsratsstellen ein Mehrer¬

fordemis von 779 fl.

und beim Pensionsetat ein solches im Betrage von 36 873 fl., endlich

IV. bei der Rechnungskontrolle ein Mindererfordemis von 836 fl.

Alles zusammengenommen belaufe sich also die Summe des Bedarfes für

nächstes Jahr auf                     106 502 805 fl.

Hievon ab die eigenen Einnahmen       3 530 987 fl.
zu

und den reinen Überschuß des          12 199 700 fl.
gemeinsamen Zollgefälles mit          15 730 687 fl..
zusammen mit

so bleibe ein nach dem pragmatischen

Quotenverhältnisse zu bedeckender

Rest von                              90 772 118 fl.,

wovon                                 63 540 482 fl.
auf die cisleithanische Reichshälfte

und auf die Länder der ungarischen    27 231 635 fl.
Krone

   entfallen.
   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Infolge von
Abstrichen, die er im Extraordinarium für das Heer mittlerweile eingeleitet habe,
stelle sich das Extraordinarium bloß mit 6 551 724 fl., der gesamte Bedarf für die

Armee somit nur mit 85 636 724 fl. heraus.
   Reichs finanzminister v. Lönyay konstatierte also, daß sich

der Ansatz im Extraordinarium des Kriegsministers um 2 268 549 fl. vermindern,
welche von dem zu bedeckenden Betrag von 90 772 118 fl. in Abzug gebracht,

die quotenmäßig zu bestreitende Budgetsumme auf
                                                                                       88 503 569 fl.

reduzieren, wonach sich auch die Beiträge der beiden Reichshälften nur auf circa
61 Millionen bzw. 26 Millionen stellen würden.

   Ministerpräsident Graf Potocki bemerkte, wie trotz dieser
Restringierung das Armeebudget pro 1871 im Vergleiche zum laufenden Jahres¬
budget doch noch ein Mehrerfordemis von sieben Millionen, nämlich fünf Mil¬
lionen im Ordinarium und circa zwei Millionen im Extraordinarium aufweise,

worüber ihm eine Aufklärung erwünscht wäre.
   Sektionschef v. Früh gab über die wichtigeren Posten des Ordi-

nariums, in welchen Erhöhungen vorgenommen wurden, nachstehende Aufklä¬

rung:
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a) An Gagenerhöhung für die Oberste und Oberstlieutenants          242 000 fl.
    habe man in Anforderung gebracht                               900 000 fl.

b) Wegen der Steigerung der Fleischpreise sei in der Rubrik         47 000 fl.
    Mannschaftskost mehr eingestellt worden um                     214 000 fl.

c) Die Erhöhung des Standes bei den Genietruppen bedinge            85 000 fl.
    einen Mehraufwand von                                           92 000 fl.
                                                                 1 580 000 fl.
d) Die notwendig gewordene Erhöhung des Remontenpreises
    erfordere einen Mehransatz von

e) Unter der Rubrik ,,Kommanden und Stäbe&quot; sei im Zusam¬
    menhang mit der Reorganisierung des Generalstabes und
    mit Rücksichtnahme auf die anzuhoffende Gagenerhöhung
    für die Obriste und Oberstlieutenants mehr eingestellt wor¬
    den um

f) endlich ergebe sich für die Militärbauverwaltung ein Mehr¬
    bedarf von
     zusammen

   Auf die Bemerkung des Ministerpräsidenten Grafen Fo¬
to c k i, daß diese Mitteilung noch nicht hinreiche, um die fünf Millionen
betragende Differenz zwischen der 1870er Budgetvotierung und dem 1871
Budgeterfordemisse zu erklären, entgegnete Reichskriegsminister
Freiherr v. Kuhn, daß er bei seinen Erfordemisansätzen ein Normal¬
budget festhalte, von welchem er im Interesse der Schlagfertigkeit der Armee
nicht abgehen könne. Wenn die Delegationen dann Abstriche vornehmen, so
müsse er sich dann wohl fügen und könne höchstens bestrebt sein, die dadurch
verursachten Ausfälle durch Ersparungen auf anderer Seite einzubringen, wie er
es heuer gegenüber dem nach einem zu hohen Abgangsperzente vorgenommenen
Abstrich bei den Pensionen auch wirklich zu tun bemüßigt war, aber es könne ihn
nicht hindern, im nächsten Jahre mit denselben Anforderungen wieder hervorzu¬
treten. So sei es denn auch mit dem 1871er Kriegserfordemisse der Fall. Ein
Unterschied zwischen den Budgets der Jahre 1870 und 1871 bestehe nur dann,
wenn man dem Erfordernisse pro 1871 das Votierungsergebnis pro 1870 entge¬
genhalte. Die Erfordemisansätze selbst seien in beiden Jahren bis auf den vom
Sektionschef Früh mitgeteilten Mehrbedarf so ziemlich gleich.

   Was das auf circa zwei Millionen berechnete Mehrerfordemis im Extraordina-
rium betreffe, so ergebe sich dasselbe durch die Notwendigkeit der Nachschaf¬
fung von Handwaffen, um den Vorrat an Wemdlgewehren mit Zugrundelegung
eines gewissen Abnützungsperzentes auf den durch die Verhältnisse gebotenen
Stand zu erhöhen. Es müßten durch eine Reihe von Jahren jährlich 35 000 Stück
Wemdlgewehre hinterlegt werden, und so werde sich dieser Erfordemisansatz
auch in den nächsten Jahren wiederholen.

   Anläßlich der Bemerkung des Reichsfinanzministers v.
L 6 n y a y, man möge dem Abnützungsperzente bei den Handwaffen immerhin
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im Extraordinarium Rechnung tragen, im übrigen aber das erhöhte Erfordernis
für Wemdlgewehre nicht in das Jahresbudget, sondern in das den Delegationen
noch abgesondert vorzulegende Erfordernis für den Kriegsfall einstellen, ent¬
spann sich nun eine längere Diskussion. Der Reichsfinanzminister betonte, wie
durch die Ausscheidung der Kosten für den Mehrbedarf an Wemdlgewehren aus
dem Jahresbudget dieses selbst bedeutend entlastet und also in den Delegationen,
wo man die Rücksicht auf die Steuerträger voranstelle, leichter durchgehen wer¬
de, während die Ausgabe, wenn man sie ins 1870er Kriegsbudget eingestellt,
bereitwilliger votiert werden würde, weil die Bedeckung im Wege einer für die
Steuerträger weniger empfindlichen Kreditoperation erfolgen dürfte.

   Ministerpräsident Graf Andrässy sprach sich dahin aus,
daß man im Hinblick auf die Möglichkeit eines großen WafFenbedarfes den Mo¬
ment benützen solle, um unter dem Einfluß der momentanen Lage von den Dele¬
gationen eine möglichst ausgiebige Votierung zu erwirken. Man möge die Anfor¬
derung in zweifacher Richtung stellen und einerseits im gewöhnlichen
Extraordinarium den Ersatz des vom Kriegsminister angedeuteten Abnützungs¬
perzentes, anderseits in dem durch die Kriegsgefahr gebotenen Extraordinarium
das zur Erhöhung der Wehrkraft nötige Quantum einstellen.

    Demgegenüber entgegnete Reichskanzler Graf Beust, daß es
aber fraglich sei, wie die Delegationen manipulieren und ob es dieselben nicht
abstumpfen werde, wenn eine Gattung von Erfordernis in zweifacher Einstellung
zum Ausdruck gebracht wird.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn erklärte, daß
ihm die erhöhte Bewilligung von Gewehranschaffüngen nur willkommen sein
könne und daß er also den Antrag des Grafen Andrässy bereitwilligst annehme.

    Schließlich gaben die beiden Landesfinanzminister Freiherr
v. Holzgethan und v. Kerkäpoly durch ihre mit Hinweisung auf
die leichtere Durchbringung in den Delegationen abgegebenen übereinstimmen¬
den Erklärungen den Ausschlag zugunsten der bloß einmaligen Einstellung, und
 zwar im Extraordinarium des Jahresbudgets vorbehaltlich weiterer Anforderun¬
 gen im Falle eines Krieges.

    Finanzminister v. Kerkäpoly machte noch darauf auftnerk-
 sam, daß im Falle eines Krieges gesetzmäßig auch die Erfordernisse für die Land¬
 wehr aus gemeinsamen Mitteln beizustellen wären, daher bei der Bemessung des
 Vorrates an Wemdlgewehren auch hierauf Bedacht zu nehmen sei.

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn setzte sonach
 die Darlegung des Bedarfes der Militärverwaltung fort. Zu den Erfordernissen
 des Jahresbudgets pro 1871 geselle sich noch die Bedeckung der dalmatinischen
 Auslagen, welche er nach Ausscheidung jener Kosten, an welchen die Partizipie-
 rung Ungarn nicht zugemutet werden könne, auf 3 947 370 fl. und mit Einschluß
 der auf 500 000 fl. bezifferten Kosten für die in einer der letzten Ministerberatun-
<pb/>Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 8. 1870  91

gen von Seiner Majestät beschlossene Verproviantierung einiger fester Plätze in
Dalmatien auf 4 447 370 fl. bezifferte.1

   Weiter komme zu bedecken der vom gemeinsamen Ministerium unter Anhof-
fung der Indemnität bis 15. September zur Verwendung bestimmte Betrag von 17
Millionen für Nachschaffungen anläßlich der Kriegsgefahr; die in die Zeit vom
15. September bis Ende d. J. verschobenen gleichnamigen Auslagen erfordern
einen weiteren Betrag von 33 Millionen, und endlich müsse man darauf Bedacht
nehmen, daß, wenn die Verhältnisse mittlerweile sich nicht friedlicher gestalten
und die Wiederreduzierung des Armeestandes ermöglichen, der jetzt eingeleitete
komplette Stand auch noch über den letzten Dezember erhalten werden müsse,
was, wenn die Militärverwaltung nicht aufliegen solle, bis Ende Juni 1871 aber¬
mals 18 Millionen erfordere.

   Finanzminister v. Kerkäpoly machte darauf auftnerksam,
daß sich die Verantwortlichkeit des Ministeriums eigentlich weiter erstrecke, als
die bis 15. September, d. i. dem Tage des Delegationszusammentrittes, in Anhoff¬
nung der Indemnität zu machenden Ausgaben reichen, nachdem die Delegationen
kaum schon am ersten Tage ihres Beisammenseins ihre die Verantwortlichkeit
des Ministeriums deckenden Beschlüsse fassen dürften.

   Ministerpräsident Graf Potocki konstatierte, daß sich die
durch die Kriegsgefahr gebotenen extraordinären Militärauslagen bis Ende Juni
auf 73 Millionen beziffern. Dies erreiche beinahe den Betrag des ganzen Jahres¬
budgets, und ergebe sich daher ein doppeltes Militärbudget, dessen Vertretung in
den Delegationen viel Mühe kosten werde.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Man müsse
wissen, was man will; wolle man schlagfertig dastehen, so müsse man auch die
finanziellen Konsequenzen hinnehmen. Allem Anschein nach werde die dermali-
ge politische Lage noch eine Weile dauern, und da gehe es nicht an, die kaum
begonnene Komplettierung des Armeestandes wieder aufzugeben.

   Finanzminister v. Kerkäpoly: Es müsse aber doch etwas ge¬
schehen, damit die angeschafften Pferde nicht während der ganzen Dauer der
Krise erhalten werden müssen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Eine Besse¬
rung in dieser Richtung wäre nur beim Vorhandensein einer Pferdekonskription
möglich gewesen. Er habe einen hierauf bezüglichen Gesetzentwurf den beiden
Ministerpräsidenten vorgelegt,2 der aber der verfassungsmäßigen Behandlung

Siehe GMR. v. 15. 8. 1870, RMRZ. 77.
Vgl. au. Vortrag des Reichskriegsministers v. 8. 9. 1870 (Nr. 3344) KA. MKSM. 75-1/3, mit
dem ein Gesetzentwurf wegen Deckung des Bedarfes an Pferden bei einer Mobilisierung mit
der ag. Bitte unterbreitet wird, denselben den betreffenden beiderseitigen Landesministerien
zur weiteren verfassungsmäßigen Behandlung übergeben zu dürfen. Ah. E. v. 11. 9. 1870.
Daraus geht übrigens hervor, daß vorerst keine Notwendigkeit zur Schaffung eines Konskrip¬
tionsgesetzes bestehe, weil die zur Verfligung stehenden statistischen Angaben zur Erhebung
des Pferdebestandes ausreichen.
<pb/>92 Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 8. 1870

bis noch nicht unterzogen werden konnte. Preußen wäre ohne diese Konskription
nie imstande gewesen, eine solche Armee ins Feld zu stellen.

   Finanzminister v. Kerkäpoly: So möge man den Gesetzent¬
wurfjetzt einbringen.

   Reichskanzler Graf Beust führte sofort die Diskussion auf ih¬
ren Ausgangspunkt zurück mit dem Bemerken, daß heute wenigstens das ge¬
wöhnliche Jahresbudget für 1871 ins Reine gebracht, die Diskussion des außer¬
gewöhnlichen Kriegsbudgets aber einer baldigen späteren Beratung Vorbehalten
werden möge, da ja immerhin Verhältnisse eintreten könnten, welche andere Be¬
schlüsse mit sich bringen.

   Finanzminister v. Kerkäpoly erklärte sich außerstande, über
das ihm erst heute zugekommene Budget eine bindende Äußerung abgeben zu
können, bevor er nicht die einzelnen Positionen geprüft habe.

   Finanzminister Freiherr v. Holzgethan: Er habe bei
der Kürze der Zeit die einzelnen Positionen des Kriegsbudgets noch nicht einge¬
hend prüfen können, gebe denselben aber doch schon heute seine Zustimmung in
der Voraussetzung, daß nur solche Anforderungen gestellt wurden, welche in der
Tat nötig sind.

    Die Konferenz erkannte die Berechtigung der Budgetprüftmg durch den unga¬
rischen Landesfinanzminister an und beschloß sohin die Beratung am 29. August
fortzusetzen.3

    Schließlich nahm noch Finanzminister Freiherr v. Holz¬
gethan das Wort, um anknüpfend an die im Budget des Ministeriums des
Äußern aufgenommene Lloydsubvention, wobei die Einkommensteuer des Lloyd
ä 82 000 fl. als Abzugspost aufgefuhrt erscheint, den Standpunkt der diesseitigen
&quot;Reichsvertretung3 zu wahren. Es sei nicht seine Absicht, heute eine Diskussion
über diesen Gegenstand herbeizufiihren, nur wünsche er durch stillschweigende
Hinnahme der fraglichen Budgetpost nicht etwa der Auffassung Raum zu geben,
als ob er derselben zustimme. Für ihn müsse vielmehr der Beschluß des Reichs¬
rates, den derselbe nach der bekannten gemeinsamen Abstimmung der vorjähri¬
gen Delegationen über die Behandlung der Einkommensteuer des Lloyd faßte,
maßgebend sein, und in diesem Anbetrachte sei er genötigt, diese Steuer auch im
cisleithanischen Budget als Bedeckung einzustellen.

    Demgegenüber bemerkte Ministerpräsident Graf Andrässy
und Reichsfinanzminister v. Lönyay, daß das von Seiner
Majestät sanktionierte Ergebnis der gemeinsamen Delegationsabstimmung als
ein in aller Form zustande gekommener Beschluß für das gemeinsame Ministeri¬
um als bindende Richtschnur dienen müsse und daß sonach die Einstellung der

         Korrektur aus Delegation.

 3 Siehe GMR. v. 29. 8. 1870, RMRZ. 80.
<pb/>Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. 8. 1870                    93

Einkommensteuer als Abzugspost von diesem Standpunkte vollkommen korrekt
sei.

   Womit die Sitzung geschlossen wurde.
                                                                                                  Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 17. September 1870. Franz Joseph.

        Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 29. August 1870

    RS. (undRK.)
    Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident GrafAndrässy (o. D.), der k. k. Ministerpräsident
GrafPotocki (o. D.), der Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn (o. D.), der Reichsfinanzminister v.
Lönyay (6. 9.), der k. k. Finanzminister Freiherr v. Holzgethan (6. 9.), der kgl. ung. Finanzminister
v. Kerkäpoly (o. D.).
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Fortsetzung der Besprechung über das gemeinsame Budget 1871.

   KZ. 3111-RMRZ. 80
   Protokoll des zu Wien am 29. August 1870 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des Reichskanz¬
lers Grafen Beust.

   Die Beratung wurde mit der Vorlesung des Protokolles über die Sitzung vom
27. August eingeleitet,1 während welcher sich über die Anschaffung von Wemdl-
gewehren eine neuerliche Diskussion entspann, indem Ministerpräsi¬
dent Graf Andrässy seinen vorgestrigen Antrag wegen zweifacher
Hinstellung des Erfordernisses in das Extraordinarium des Jahresbudgets und in
das heurige Kriegsnachtragsbudget wieder aufhahm und hierin vom Reichs-
finanzminister eifrig unterstützt wurde, welcher der Ansicht war, daß
man durch Einstellung des Erfordernisses in das außergewöhnliche Kriegsbudget
einen größeren Erfolg erzielen werde als durch Beschränkung auf das Jahresbud¬
get. GrafAndrässy betonte, daß wir wahrscheinlich in die Lage kommen werden,
Gewehre zu benötigen, und durch die sofortige Bestellung eines größeren Quan¬
tums uns nicht nur einen möglichst ausgiebigen Vorrat sicherstellen, sondern die
Fabriken zugleich verhindern, fremde Bestellungen zu effektuieren, was mittel¬
bar auch einem Gewinn gleichkomme. Was man also heute an Gewehren sich
verschaffen könne, und er glaube, daß man auf die Votierung durch die Delega¬
tionen rechnen könne, solle man nicht aus der Hand lassen. Die Gewehre seien
kein fressendes Kapital wie die Pferde, welche man fortlaufend erhalten müsse.

        GMR. v. 27. 8. 1870, RMRZ. 79.
<pb/>