Gemeinsamer Ministerrat, 20. 7. 1869
I. Budget des Kriegsministeriums pro 1870
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z56.pdf.
Nr. 56 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 20. 7. 1869 311 Nr. 56 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 20. Juli 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy, der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe, der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (23. 7.), der Reichskriegsminister FML. Freiherr v. Kuhn (24. 7.), der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay, der k. k. Finanzmini¬ ster Brestei. Protokollführer: Sektionschef Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Budget des Kriegsministeriums pro 1870. KZ. 2574 - RMRZ. 56 Protokoll des zu Wien am 20. Juli 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬ fen Beust. Als Ausgangspunkt der Verhandlung diente das Ordinarium des Budgets der Landarmee für das Jahr 1870, dessen im Vergleich zum heurigen Voran¬ schlag um 5 Millionen höheres Erfordernis in beiden Delegationen Verstim¬ mung hervorgerufen haben soll und rücksichtlich dessen von seiten der bei¬ den Landesfmanzminister heute die Einwendung erhoben wurde, daß sich dasselbe nicht in Konformität mit den seinerzeitigen Beschlüssen des Ministerrates befinde. Speziell wurde von der beiden Chefs der Landesfinanzverwaltung gel¬ tend gemacht, daß sie, als das Budget der Landarmee im Ministerrate für gemeinsame Angelegenheiten zur Sprache kam, die Vertretung gegenüber den Delegierten ausdrücklich an die Bedingung geknüpft hätten, daß das nächstjährige Ordinarium das diesjährige Erfordernis - plus des Bedarfes für die Gagenerhöhung der Offiziere - nicht überschreite.1 In ähnlichem Sinne sprechen sich auch die Ministerpräsidenten Graf Andrässy und Graf v. Taaffe aus, während die Reichsmi¬ nister die von gegenteiliger Seite behauptete Tatsache des erwähnten Vor¬ behaltes bestritten. Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke unterstützte diese Ansicht mit der Verlesung des Protokolles über die am 26. Mai d. J. unter Ah. Vorsitze Seiner Majestät des Kaisers abgehal¬ tene Sitzung, wonach gegen die Erfordemisansätze des Ordinariums von seiten der beiden Landesfinanzminister keine Einwendung erhoben und sich nur eine genauere Durchsicht des Budgets Vorbehalten wurde.2 Siehe GMR. v. 26. 5. 1869, RMRZ. 48; GMR. v. 4. 6. 1869, RMRZ. 51. 2 Nach dem Protokoll des GMR. v. 26. 5. 1869, RMRZ. 48: Gegen die Ziffer des Ordinariums wurde im allgemeinen keine Einwendung erhoben, doch behielten sich bei¬ de Landesfinanzminister noch eine nähere Durchsicht vor. <pb/>312 Nr. 56 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 20. 7. 1869 Finanzminister Brestei dagegen berief sich auf eine frü¬ here Besprechung3 wobei er jenen Vorbehalt gemacht habe, und bemerkte, daß die in der Sitzung vom 26. Mai gemachten Eröffnungen des Reichs¬ kriegsministers nur das Budget in seinen allgemeinen Umrissen betroffen hätten und eine detaillierte Ziffemnachweisung, aufgrund deren eine Zu¬ stimmung hätte erfolgen können, gar nicht stattgefunden habe, worauf Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn die Erwi¬ derung machte, daß schon damals, als das Budget verhandelt wurde, hin¬ längliche Anhaltspunkte zu etwaigen Bemerkungen Vorlagen, daß er übri¬ gens nicht ermangelt habe, das Budget dem Finanzminister v. Lonyay nach der Hand seinem Wunsche gemäß zur Einsicht mitzuteilen. Es sei ihm nichts ferner gelegen als ein eigenmächtiges Abweichen von den Beschlüs¬ sen des Ministerrates. Sollte er übrigens, worauf er sich nicht mehr erinnern könne, gesprächsweise erwähnt haben, daß sich das 1870er Budget, aus¬ schließlich der Gagenerhöhung, nicht höher stellen werde als das heurige, so habe er dabei jedenfalls den für heuer benötigten Nachtragskredit mit im Auge gehabt, welcher zu dem heurigen Budget eigentlich hinzugerechnet werden müsse und in dieser Summierung ein so ziemlich gleiches Verhält¬ nis herstelle.8 Finanzminister Brestei: Von dem Nachtragskredite pro 1869 sei bei der ursprünglichen Besprechung nur nebenbei und ohne Zif- femangabe die Rede gewesen. Daß derselbe den Betrag von 3 700 000 fl. erreiche, sei ihm erst kürzlich zu seiner großen Überraschung bekannt ge¬ worden und bereite ihm jetzt, wo man seitens der Delegierten an ihn die Frage über die Aufbringbarkeit richte, nicht geringe Verlegenheiten.4 Über¬ haupt sei die Durchbringung des Budgets bei den Delegierten für ihn schwer. Er sei sowohl im cisleithanischen Ministerrate als auch im Gesprä¬ che mit einigen Mitgliedern des Reichsrates dafür eingestanden, daß für 1870 für die Landarmee kein höheres Erfordernis in Anspruch genommen werden solle als für heuer, und werde nun durch die gegenteilige Tatsache sozusagen kompromittiert. Dasselbe Bedenken wurde auch von dem Finanzminister v. Lonyay und vom Grafen Andrässy geltend gemacht, und fügte letzterer noch ergänzend bei, daß er, als die Frage, ob man Mitglieder der Linken in die Delegation wählen solle, in Pest zur Sprache gebracht wurde, seine abratende Ansicht gerade mit dem Hinweis darauf motiviert habe, daß die Delegation nicht in die Lage kommen werde, für Kriegs- Randbemerkung Kuhns Nicht nur ein so ziemlich gleiches Verhältnis, sondern sogar eine Besserung sich herausstelle. Brestei spricht im GMR. v. 24. 5. 1869, RMRZ. 45 allgemein über die größtmögliche Sparsamkeit. Vgl. des weiteren Lönyay GMR. v. 26. 5. 1869, RMRZ. 47. GMR. v. 4. 7. 1869, RMRZ. 54. <pb/>Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. 8. 1869 313 zwecke heuer höhere Beträge votieren zu müssen als im Vorjahr, daher auch von der Opposition, selbst wenn diese von den Delegationen ausgeschlos¬ sen werde, keine Verdächtigung in dieser Beziehung zu furchten habe - ein Versprechen, das sich nach dem faktischen Erfordemisansatze allerdings nicht bestätige. An die vom Reichsfinanzminister Freiherrn v. Becke aufgeworfene Frage, welcher praktischer Erfolg diesem Dissens beizumessen sei, knüpfte sich noch eine kurze Diskussion, in deren Verlauf Ministerpräsident Graf Taaffe bemerkte, wie es sich für die Zukunft empfehlen werde, das gemeinsame Budget, speziell jenes des Kriegsministeriums, den beiderseitigen Finanzministem stets rechtzeitig und vor den Besprechungen im Ministerrate zur Kenntnis zu bringen, wor¬ auf schließlich Ministerpräsident Graf Andrässy das Er¬ gebnis der heutigen Verhandlung dahin konstatierte: 1. daß eine mala fides auf keiner Seite vorliege und bloß ein Mißverständnis darin obwalte, daß der eine Teil das seinerzeit im Ministerrate verhandelte Ordinarium der Landarmee unbedingt und ziffermäßig akzeptiert wähnte, während der an¬ dere die Genehmigung nur unter der eingangs erwähnten Voraussetzung erteilt erachtete, 2. daß ferner in der Folge der Vorgang zu beobachten sei, daß der Reichskriegsminister sein Budget stets rechtzeitig im Wege des Reichsfmanzministers den beiden Landesfmanzministem mitteilen und letztere dadurch in die Lage setze, dasselbe gehörig und nach allen Rich¬ tungen in Erwägung ziehen zu können, womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 29. Juli 1869. Franz Joseph. Nr. 57 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 2. August 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe (9. 8.), der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (4. 8.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (o. D.), der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay (7. 8.), der k. k. Handels¬ minister v. Plener, der k. k. Minister des Innern Giskra (10. 8.), k. k. Generalmajor Benedek. Protokollführer: Sektionschef Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: I. Bemängelung der ungarischen Delegation bezüglich der Armeerechnungen für das Jahr 1868. II. Besprechung der vom Budgetausschusse der Reichsratsdelegationen [sic!] beschlossenen Abstriche am Voranschlag der Landarmee für das Jahr 1870. III. Verwal¬ tung des militärischen Stellvertreterfondes. <pb/>