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Gemeinsamer Ministerrat, 22. 5. 1869

I. Verfügung über die in den Händen der Militärverwaltung befindlichen Immobilien

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z44.pdf.

II. Einberufungstag der Delegationen und gemeinsames Budget für das Jahr 1870

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z44.pdf#page=6.

Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 23. 5. 1869   249

Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 23. Mai 1869

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (28. 5.),a der k. k. Ministerpräsi¬
dent Graf Taaffe, der k. k. Finanzminister Brestei, der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay, der
kgl. ung. Minister am Ah. Hoflager Graf Festetics.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Verfügung über die in den Händen der Militärverwaltung befindlichen Im¬
mobilien. II. Einberufungstag der Delegationen und gemeinsames Budget für das Jahr 1870.

   KZ. 1455 - RMRZ. 44

   Protokoll des zu Wien am 23. Mai 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬
fen Beust.

   I. Reichskanzler Graf Beust leitete die Verhandlung
mit der Vorlesung des Protokolles über die unter Ah. Vorsitze Seiner Maje¬
stät des Kaisers am 30. April d. J. abgehaltene Sitzung des gemeinsamen
Ministerrates ein,1 in welcher Seine Majestät anläßlich des von seiten des
cisleithanischen Finanzministers angeregten Verkaufes mehrerer in Händen
der Militärverwaltung befindlichen Entitäten und speziell auch des Josef¬
städter Exerzierplatzes die prinzipielle Austragung der Frage wegen des
Verfügungsrechtes über Immobilien der bezeichneten Kategorie anzuord¬
nen geruht habe.

   Sei es nun auch zu bedauern, daß der Kriegsminister, dessen Ressort
durch die vorliegende Frage in erster Linie berührt werde, infolge plötzli¬
chen Unwohlseins am Erscheinen an der heutigen Sitzung verhindert sei, so
mögen doch vorbehaltlich der definitiven Vereinbarung in einer früheren
Sitzung heute wenigstens vorläufige Pourparlers gepflogen werden, wobei
der Reichsfinanzminister wohl in der Lage sein werde, den gemeinsamen
Standpunkt auch im Namen des abwesenden Reichskriegsministers zu
wahren.

   Übergehend auf das Meritum der Sache, so stehe dieselbe so, daß Seine
Majestät der Kaiser gegen das zwischen den Finanzministem der beiden
Reichshälften geschlossene Übereinkommen, wonach die in den Händen
des Militärärars befindlichen Immobilien im Falle ihrer Entbehrlichkeit zu¬
gunsten der betreffenden Reichshälfte zu inkamerieren seien, das Bedenken

Randbemerkung Beckes bei Vidimierung mit der ergebensten Bemerkung, daß meine
Ausführungen zwar nur in den allgemeinsten Umrissen wiedergegeben wurden, daß ich
aber auf eine Ergänzung derselben verzichte, da die Schlußentscheidung ohnedies mit
meiner ersten Auffassung des Gegenstandes übereinstimmt.

GMR. v. 30. 4. 1869, RMRZ. 42.
<pb/>250 Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 23. 5. 1869

hege, es könne, wenn der Armeeverwaltung die freie Verfügung mit dem
Erlös aus solchen entbehrlichen Objekten und damit die Möglichkeit zur
Beischaffung der Mittel für nötige Neuherstellungen oder Anschaffungen
entzogen wird, den Interessen einer rationellen und fortschreitenden
Armeeverwaltung leicht Abbruch geschehen.2

   Die praktische Seite der Frage sei evident, denn es könne nicht geleugnet
werden, daß der Kriegsminister, wenn ihm das Verfügungsrecht über bisher
von dem Militärärare besessene Objekte nicht zugestanden werde, diesel¬
ben in manchen Fällen selbst in ihrer Entbehrlichkeit, vielleicht zum Nach¬
teile einer ökonomischen Gebahrung, lieber gar nicht aus den Händen ge¬
ben als auf die Verfügung verzichten werde; ferner liege der Gedanke nahe,
ob es angezeigt sei, den Delegationen die Bewilligungsgegenstände zu ver¬
mehren und ob sich nicht empfehle, der Armeeverwaltung für gewisse Fälle
eigene Ressourcen zu sichern; endlich komme hier auch die Eigentums¬
frage rücksichtlich mancher Immobilien, die sich im Besitze des Militär¬
ärars befinden, in Betracht.

   Kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay: Mit Rück¬
sicht auf die in dem vorgelesenen Protokolle enthaltene Darstellung müsse
er noch ergänzend bemerken, daß die zwischen den Finanzministem der
beiden Reichshälften getroffene Vereinbarung auch im ungarischen
Ministerrate zur Sprache gebracht, daselbst akzeptiert und das einschlägige
Sitzungsprotokoll Seiner Majestät dem Kaiser nachträglich unterbreitet
worden sei.3 Was das vom Reichskanzler angedeutete Eigentumsrecht be¬
treffe, so könne dasselbe nicht in Frage gezogen werden, es stehe im Sinne
des XII GA. vom Jahre 1867 dem betreffenden Landesteile zu; die Gemein¬
samkeit beziehe sich nur auf das Heer, nicht aber auch auf die von dem¬
selben zu welchem Zwecke immer benützten Immobilien, welche in der
jenseitigen und, wie er glaube, auch in der diesseitigen Reichshälfte in älte¬
rer Zeit stets aus Mitteln des Territoriums, auf welchem sie sich befinden,
erbaut wurden.

    So sei dies, um nur einige größere Objekte anzuführen, mit der Ullöer
und mit der Invalidenkaseme in Pest der Fall gewesen.15 Erst in der auf das
Jahr 1848 gefolgten Zwischenperiode sei der Begriff des Militärärars als
einer moralischen Person aufgetaucht, derselbe sei aber staatsrechtlich
nicht begründet, und es sei ausschließlich der Staat, das ist die betreffende
Reichshälfte, Eigentümer der in Frage stehenden Immobilien. Würde das
Prinzip der Gemeinsamkeit auch auf die vom Militärärar benützten Realitä-

        Randbemerkung Sr. Majestät Die Üllöer Kaserne gehört der Stadt Pest.

        Ebd.
 3 In den ungarischen Ministerratsprotokollen fand sich keine Spur davon, daß man die

        Frage behandelt hat.
<pb/>Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 23. 5. 1869                           251

ten ausgedehnt, so könne ja Ungarn nur gewinnen, denn bei Abschätzung
der jenseitigen und diesseitigen Investitionen würde sich, alles zusammen¬
gerechnet, in der diesseitigen Reichshälfte eine höhere Summe von Werten
ergeben, an denen sodann Ungarn pro rata mit partizipieren müsse. Den¬
noch aber könne er sich für einen solchen Modus, welcher mit den Aus¬
gleichsbestimmungen im Widerspruche stehen würde, nicht aussprechen
und glaube auch nicht, daß derselbe von der ungarischen Legislative ange¬
nommen werden würde.

   Aber selbst in dem Falle, als das Prinzip des gemeinsamen Besitzes zur
Geltung gelangen sollte, könne von dem freien Verfügungsrechte der
Kriegsverwaltung mit Umgehung des Bewilligungsrechtes der Delegatio¬
nen keine Rede sein. Dies sei ganz und gar inkonstitutionell und würde al¬
lerseits auf die lebhafteste Einsprache stoßen.

   Finanzminister Brestei: Als er die in Rede stehende
Vereinbarung mit dem ungarischen Finanzminister anbahnte, habe es sich
noch nicht um den Verkauf des Josefstädter Exerzierplatzes, sondern um
sonstige Entitäten vom minderem Belange gehandelt, die gleichwohl eine
prinzipielle Normierung des Vorganges erheischen. Er habe daher gestützt
auf den bei seinerzeitigen Verhandlung über die Gestüte eingetretenen ana¬
logen Vorgang4 und in der Überzeugung, daß die Idee des gemeinsamen
Besitzes in Ungarn auf Widerspruch stoßen werde, in dem angedeuteten
Sinne der ungarischen Finanzverwaltung Eröffnungen gemacht, welche die
dortige Zustimmung erlangt und zu dem bekannten, der Sachlage am mei¬
sten entsprechenden Übereinkommen geführt hätten. Ihm sei es dabei nur
um Aufstellung eines gleichen Prinzipes und um gleiche Behandlung zu tun
gewesen. Wie immer diese ausfalle, so müsse aber an dem Grundsätze fest¬
gehalten [werden], daß das Militärärar nur Usufructuar und der Staat Eigen¬
tümer der fraglichen Immobilien sei, und daß den Delegationen, selbst
wenn ein gemeinsamer Besitz anerkannt werden wollte, die Einflußnahme
auf die Verfügung mit denselben nicht entzogen werden dürfe.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Wie
schon der Reichskanzler angedeutet, so halte er sich für verpflichtet, den
Standpunkt der Gemeinsamkeit zu wahren und gegen eine Auffassung zu

sprechen, welche in ihren Konsequenzen den Ausgleich und das Band der
Gemeinsamkeit noch weiter lockern und zufolge haben müßte, daß das Mi¬
litär, wenn es nur als Nutznießer betrachtet wird, eigentlich nirgend mehr zu

Hause sein würde.
   Vor allem könne er sich der Ansicht nicht anschließen, daß sich die Idee

des gemeinsamen Besitzes aus den Ausgleichsbestimmungen nicht folgern

lasse und dem Militär als solchem ein Immobilbesitz nicht zukomme. In

Über das Vermögen der Militärgestüte siehe GMR. v. 21. 10. 1868, RMRZ. 21.
<pb/>252 Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 23. 5. 1869

Österreich, wo letzteres aus den Grundbüchern erwiesen werden könne, sei
es zweifellos, und in Ungarn, wo die das Grundbuchwesen betreffenden
Judexcurialbeschlüsse maßgebend seien, werde sich das Eigentumsrecht
des Militärs auch in vielen Fällen nachweisen lassen. Auf keinen Fall könne
in Abrede gestellt werden, daß viele Ameliorationen aus gemeinsamen Mit¬
teln bestritten worden seien, welche sohin als ein gemeinsames Aktivum
erscheinen; auch sei es immerhin denkbar, daß das Militär im Auslande eine
Liegenschaft, z. B. eine Waffenfabrik besitze oder akquiriere; wie sollte
sich in diesem Falle das Eigentumsverhältnis gestalten?

   Die Teilung der Realitäten nach Territorien könne zwar im Wege speziel¬
ler Vereinbarung ausgesprochen werden, sei aber in manchen Fällen nicht
praktisch, wie z. B. bei dem über eine Million kostenden Militärspital in
Ofen, wozu die diesseitige Reichshälfte mit 70 % konkurrierte und welches
nun nicht ohne weiteres Ungarn geschenkt werden könne.

    Vortragender bedauere, daß über die schwebende Frage keine Experten
vernommen worden seien, um an der Hand fachmännischer Gutachten Vor¬
gehen zu können. In Ermangelung solcher handle es sich jetzt darum, einen
modus procedendi ausfindig zu machen, wenn einige der erwähnten Immo¬
bilien entbehrlich werden sollten, und da glaube er empfehlen zu sollen, daß
kleinere Objekte von minderem Werte zwar den betreffenden Territorien
zugesprochen werden könnten, über größere Realitäten aber von Fall zu
Fall mit Rücksicht auf die Verhältnisse verhandelt werden sollte. Auf diese
Weise weiche man der prinzipiellen Seite der Frage aus und vermeide
unliebsame Kollisionen.

    Was schließlich die Frage betreffe, ob der Militärverwaltung Mittel ge¬
boten werden könnten, um sich der Einflußnahme der Delegationen zu ent¬
ziehen, so habe er dieselbe schon in der Sitzung vom 30. April verneinet
und sei der Ansicht, daß der Erlös aus eventuellen Verkäufen stets gewis¬
 senhaft in das Budget eingestellt werden müsse.5

    Finanzminister v. Lönyay: Er nehme die Ausgleichs¬
 bemerkungen des Vorredners auf und sei gerade im Interesse des Ausglei¬
 ches dafür, daß man alles vermeiden solle, was dagegen erbittern könnte.
 Dies werde aber in Ungarn unzweifelhaft eintreten, wenn all die militäri¬
 schen Realitäten, die nach der vor 1848er Gepflogenheit durch die Muni-
 zipien erbaut wurden, nunmehr für gemeinsames Eigentum erklärt würden;0
 dieses würde umgekehrt zu dem Standpunkt der ungarischen Opposition
 führen, welche von dem Erlös auf dem Josefstädter Exerzierplatz 30 % für
 sich beansprucht.*1 Wollte man aber Sachverständige und Kronjuristen ver-

         Randbemerkung Sr. Majestät Wem fallt denn so etwas ein?
         Randbemerkung Sr. Majestät mit vollem Rechte.

  5 Siehe den Streit zwischen Kuhn und Becke im GMR. v. 30. 4. 1869, RMRZ. 42.
<pb/>Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 23. 5. 1869  253

nehmen und bei jeder einzelnen Realität auf die Eruierung des Eigentums
und des Besitztitels zurückgehen, so führe dies zu einer Menge von Rekla¬
mationen und mache die Sachlage nur noch verwirrter. Die geschlossene
Übereinkunft sei am natürlichsten und empfehle sich als das beste Mittel
zur Vermeidung von Kollisionen.

   Finanzminister Brestei: Er müsse dem Minister Lonyay
darin zustimmen, daß man den Anlaß zu nutzlosen Differenzen vermeiden

und sich auf eine prinzipielle Abmachung beschränken solle. Würde man
sich in eine Detailverhandlung über das Zustandekommen der einzelnen
Realitäten und über die Frage, an wen dieselben im Falle ihrer Ent¬
behrlichkeit zu fallen hätten, einlassen, so gäbe dies leicht Anlaß zu Strei¬
tigkeiten, die überdies wegen Mangel eines dazu berufenen Richters gar
nicht geschlichtet werden könnten.* Gerade um dies zu vermeiden und weil
denn doch namentlich in älterer Zeit in den meisten Fällen das betreffende
Land aus eigenen Mitteln die Kosten der für das Militär benötigten Realitä¬
ten bestritten hätte/ habe er das dem ungarischen Finanzminister pro-
ponierte Auskunftsmittel gewählt. Was die in der Folge aus gemeinsamen
Mitteln herzustellenden Objekte betreffe, so würden dieselben gemeinsa¬
mes Eigentum der beiden Reichshälften sein, ebenso wie die etwa im Aus¬
lande befindlichen und zu Militärzwecken benützten Realitäten. Anbelan¬
gend endlich die Bemerkung, daß die Armeeverwaltung gewisse entbehrli¬
che Immobilien lieber unbenützt verfallen lassen als auf die Verfügung ver¬
zichten werde, so sei dies ein Standpunkt, welcher sich mit der auf das Ge¬
meinwohl zu richtenden Pflichterfüllung nicht vereinigen lasse und wel¬
chen der Kriegsminister gewiß nicht einnehmen werde.

   Finanzminister v. Lönyay macht die Andeutung, daß
dies dem Kriegsminister schon durch die Kontrolle der Delegationen, wel¬
che ihn gegebenen Falles interpellieren würden, unmöglich gemacht werde.

   Reichskanzler Graf v. Beust: Darin seien alle Kon¬
ferenzmitglieder einig, daß der Kriegsminister mit dem Verkaufe entbehrli¬
cher Immobilien nicht selbständig vergehen und sich der Kompetenz der
Delegationen nicht entziehen könne, ebenso scheine ihm darüber Überein¬
stimmung zu herrschen, daß militärische Realitäten, die in der Folge aus
gemeinsamen Mitteln hergestellt werden, ein gemeinsames Eigentum der
beiden Reichshälften zu bilden haben; es handle sich also eigentlich nur
bezüglich der aus früherer Zeit bestehenden und in dem Besitze des Militär¬
ärars befindlichen Realitäten um die theoretische Frage, ob es ein gemein¬
sames Eigentum geben könne? Er glaube die Frage bejahen zu können, we¬
nigstens sei die praktische Ausführung dieses Gedankens nicht schwer,

       Randbemerkung Sr Majestät Gar keine Streitigkeiten, da ja genau bekannt ist, wem je¬
       des Objekt gehört.
f Randbemerkung Sr Majestät nicht richtig.
<pb/>254 Nr. 44 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 23. 5. 1869

wenn der Vorgang festgehalten werde, daß der Erlös aus Immobilien, wel¬
che von der Kriegsverwaltung über Bewilligung der Delegationen veräu¬
ßert werden, im gemeinsamen Kriegsbudget unter die eigenen Einnahmen
des Kriegsministeriums einzustellen sei, wo sich dann auf der anderen Seite
das Erfordernis beziehungsweise die perzentmäßige Beitragspflicht der bei¬
den Reichshälften um ebensoviel geringer heraussteilen werde. Auf diese
Weise werde es dem Kriegsminister auch leichter werden, für gewisse Aus¬
lagen, welche ganz oder teilweise in solchen eigenen Einnahmen die
Bedeckung finden, von den Delegationen die Passierung zu erlangen, als
wenn die gesamten Kosten z. B. eines Neubaues von den Delegationen in
Anspruch genommen, etwaige entbehrliche Immobilien aber dem betref¬
fenden Landesfinanzminister zur Verfügung gestellt werden müßten.

   Ministerpräsident Graf v. Taaffe macht die An¬
deutung, wie eigentlich das zwischen den beiden Finanzministem ge¬
schlossene Übereinkommen für den Kriegsminister nicht ungünstig sei, in¬
dem es ihm, wenn er gewisse Immobilien einer oder der anderen Reichs¬
hälfte abtrete, unbenommen bleibe, sich dafür entsprechende Äquivalente
auszubedingen.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Wor¬
auf es hauptsächlich ankomme, das sei die Entbehrlichkeit. Hiernach werde
sich die Beurteilung jedes einzelnen Falles richten; wünsche das Militärärar
selbst die Abgabe irgendeines Objektes, so könne dasselbe immerhin
inkameriert werden, liege dagegen der Finanzverwaltung an der Über¬
lassung einer in militärischer Benützung befindlichen Realität, wie es z. B.
bei dem Josefstädter Exerzierplatz der Fall sei, so könne die Militärver¬
waltung selbstverständlich nicht expropriiert werden und müsse daher na¬
turgemäß eine Verhandlung über den Gegenstand Platz greifen. Dieses
wünsche er in Form einer neueren Vereinbarung ausgesprochen zu wissen.

   Finanzminister Brestei bemerkt, daß es ihm, wie schon
erwähnt, vor allem auf eine Gleichförmigkeit des Vorganges ankomme,
welche bei der angedeuteten Verhandlung von Fall zu Fall vielleicht nicht
immer beobachtet werden könnte.

    Schließlich wünschte Finanzminister v. Lönyay für
den Antrag des Reichsfinanzministers eine bestimmte Formulierung, wel¬
chem Wunsche auch die übrigen Konferenzmitglieder beistimmten, worauf
die Präzisierung der diesfälligen prinzipiellen Vereinbarung für die nächste,
im Beisein des Reichskriegsministers stattzufindende Konferenz in Aus¬
sicht genommen wurde.6

    II. Reichskanzler Graf v. Beust: Die gleichfalls auf
die heutige Tagesordnung gesetzte Besprechung über das gemeinsame Bud¬
get für das Jahr 1870 werde wohl auch besser für die nächste Minister-

6 GMR. v. 24. 5. 1869, RMRZ. 45.
<pb/>Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 24. 5. 1869                    255

beratung sich eignen und habe er den Reichsminister bereits ersucht, wenig¬
stens die Hauptziffern seines Erfordernisses im Ordinarium und die Details

des Extraordinariums, rücksichtlich welcher eine rechtzeitige Vereinbarung
mit den beiden Landesfmanzministem geboten erscheine, in der nächsten
Sitzung bekanntzugeben.7

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Es sei
jedenfalls nötig, wenigstens die Ziffern im großen jetzt schon kennenzuler¬
nen, um die Budgetannahme bei den Führern in den Delegationen vertrau¬
lich anzubahnen. Nebstbei müsse man auch über die Deckung des vor¬
jährigen, mittels eines Darlehens aus dem Militärstellvertreterfond inte¬
rimistisch bedeckten Defizits des Armeebudgets im Betrage von 2 700 000
Gulden schlüssig werden. Endlich müsse nunmehr, um alle Vorlagen recht¬

zeitig vorbereiten zu können, der Einberufungstag der Delegationen defini¬
tiv festgesetzt werden.

   Die Konferenz einigte sich hierauf in dem 4. Juli als Einberufungstermin,
womit die Sitzung geschlossen wurde.

                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 29. Mai 1869. Franz Joseph.

          Nr. 45 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 24. Mai 1869

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichsfmanzminister Freiherr v. Becke (28. 5.), der Reichskriegs¬
minister FML. Freiherr v. Kuhn (28. 5.), der k. k. Ministerpräsident Graf Taaffe, der k. k.
Finanzminister Brestei, der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay, der kgl. ung. Minister am Ah.
Hoflager Graf Festetics.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Verfügung mit den in der Benützung des Militärärars befindlichen Immobi¬
lien. II. Gemeinsames Budget für das Jahr 1870.

   KZ. 1456 - RMRZ. 45
   Protokoll des zu Wien am 24. Mai 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬
fen Beust.

   [I.] Reichskanzler Graf Beust macht nach Verlesung
des Protokolles über die gestrige Sitzung die Eröffnung, daß Seine Majestät
der Kaiser geruhen werden, die Frage wegen der Verfügung über die in der
Benützung des Militärärars befindlichen Immobilien am 26. d. M. in einer

7 Ebd.
<pb/>