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Gemeinsamer Ministerrat, 7. 5. 1869

 242 Nr 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 7. 5. 1869

Rücksichten nicht akzeptiert werden könnte. Ungarns Interesse sei durch
das bisherige Ergebnis dieser Verhandlungen keineswegs bedroht, weil an
dem fraglichen Unternehmen neben der Südbahn auch die Staatsbahn sich
beteiligen könne und der Anschluß der enthaltenen serbischen Linie jeden¬
falls an einer der ungarischen Linien erfolgen werde. Gleichwohl wolle er
der jenseitigen Regierung die geeigneten Eröffnungen machen und ihr Ge¬
legenheit geben, sich auszusprechen, wie sie die Interessen Ungarns in
Konstantinopel gewahrt zu wissen wünsche.8

    Womit Seine Majestät die Sitzung zu schließen geruhten.
                                                                                          Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 5. Mai 1869. Franz Joseph.

            Nr. 43 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 7. Mai 1869

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (14. 5.), der Reichskriegs¬
minister [FML.] Freiherr v. Kuhn (15. 5.), Oberst König, Abteilungsvorstand im k. k. Kriegs¬
ministerium.
    Protokollführer: Sektionsrat Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Monturlieferung für die Armee. II. Waldverkauf in der Militärgrenze.

   KZ. 1451 - RMRZ. 43
   Protokoll des zu Wien am 7. Mai 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬
fen Beust.

   I. Reichskanzler Graf Beust: Bevor er den eigentli¬
chen Gegenstand der heutigen Beratung auf die Tagesordnung setze, müsse
er eines Vorkommnisses Erwähnung machen, welches seiner Aufmerksam¬
keit soeben durch den Ministerpräsidenten Grafen Taaffe und durch den
Minister des Innern Giskra empfohlen worden sei.1 Er meine die mehrfa-

       Der Reichskanzler an kgl. mg. Ministerpräsidenten v. 5. 5. 1869 HHStA., PA. XL,
       K. 129: Beust sichert Andrässy zu, daß er in Sachen des Eisenbahnbaus auch die spezi¬
       ellen Interessen Ungarns im Auge behält, d. h. bei der Pforte nicht nur für die durch
       Bosnien, sondern auch durch Serbien ßhrende Verbindung nach Saloniki eintritt.

1 Karl Giskra siehe GMRProt. v. 31. 12. 1867, RMRZ. 1. Anm. 4. Eduard Graf Taaffe
       (1833-1895) ab 30. Dezember 1867 Ministerpräsidentenstellvertreter und
       Landesverteidigungsminister, 24. 9. 1868 (zunächst interimistisch, seit 17. 4. 1869 defi¬
       nitiv) - 15. 1. 1870 Ministerpräsident, 12. 4. 1870-4. 2. 1871 Minister des Inneren.
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chen Vorstellungen, welche zum Teil in öffentlichen Blättern, noch mehr
aber in an das Abgeordnetenhaus gerichteten Petitionen von seiten böhmi¬
scher und mährischer Industrieller gegen die Übergabe der Armeelie¬
ferungen an ein Konsortium erhoben und worin zur Unterstützung des Wun¬
sches, daß gegenüber dem Konsortium die freie Konkurrenz nicht ausge¬
schlossen werde, auf die notwendige Schonung der Interessen des kleinen
Gewerbestandes und auf die Nachteile der Monopolisierung der Armee¬
lieferungen hingewiesen worden sei.

   Mit Rücksicht auf den Umstand, daß diese Petitionen zumeist aus tsche¬
chischen Distrikten herrühren, wo die erwähnte Maßregel vielleicht zu na¬
tionalen Agitationen unter den Gewerbetreibenden ausgebeutet werden
könnte, halte er sich für verpflichtet, die Sache hier zur Sprache zu bringen,
obschon er sich nicht verhehlen könne, daß die an und für sich nicht mehr
lebensfähige kleine Industrie der Aufgabe, die sie sich vindiziert, ebenso¬
wenig gewachsen sei, als die von dieser Seite empfohlene Modalität der
kleinweisen Armeelieferung den Zwecken der Kriegsverwaltung fortan ent¬
sprechen könne.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Er habe
bezüglich der von ihm eingeleiteten Maßregel an der ungarischen Delegati¬
on, welche die Übergabe der Armeelieferung an ein Konsortium selbst aus¬
sprach, einen kräftigen Rückhalt. Überdies hätte ihn hiebei die Rücksicht
auf die Fertigkeit der Armee geleitet, damit bei etwa eintretendem Bedarfe
sich nicht der Fall des Jahres 1866 wiederhole, wo die auf 30 Millionen sich
belaufenden Armeeanschaffungen nicht mehr rechtzeitig effektuiert und
erst im Monate September, sohin lange nach Beendigung des Feldzuges,
beigestellt wurden. Zu der Vorsorge für die Fertigkeit der Armee, wie sol¬
che durch die ihm vom Konsortium gewährleistete Bereithaltung der
Montur für 80 000 Mann gesichert erscheine, sei er übrigens auch durch den
Umstand, daß im letzten Kriegsbudget die Kosten für die Monturaug¬
mentationen der sechsten Bataillone durch die Delegationen gestrichen
worden seien, wie nicht minder durch die Erfahrung gedrängt worden, daß
die Kleinlieferanten selbst zu Friedenszeiten die Lieferungstermine nicht
pünktlich einzuhalten vermögen, was die täglich an das Kriegsministerium
gelangenden Fristgesuche zur Genüge beweisen. Angesichts des im Auge
behaltenen großen und allgemeinen Zweckes könne das - übrigens bereits
in das Stadium einer vollendeten Tatsache getretene - Monturgeschäft
kleinlichen Bedenken zuliebe nicht mehr aufgehalten werden, um so weni¬
ger, als dieselben nicht so sehr in sachlichen Gründen als vielmehr in dem
Wunsche der Opponenten nach Mitbeteiligung an dem aus Armee¬
lieferungen resultierenden Gewinne wurzeln.

   Was nun seinen Vorgang vor und bei Abschluß des Monturgeschäftes
betreffe, so habe er sich die größte Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit an¬
gelegen sein lassen; er habe sich dazu nur über Einraten der diesfalligen
Enquetekommission, an welcher sich Vertreter sowohl der cis- als der
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transleithanischen Industrie beteiligt hätten, entschlossen und habe von den
drei Konsortien, die sich um das Geschäft bewarben, über Ah. Genehmi¬
gung Seiner Majestät des Kaisers jenes gewählt, welches bei mittleren Prei¬
sen die meiste Lebenskräftigkeit gezeigt und die meiste Garantie für die
Solidität des Geschäftes geboten hätte.

   Es sei dies dasjenige Konsortium, bei welchem unter anderen auch der
Abgeordnete Skene und zwei Tuchfabrikanten in Ungarn mitbeteiligt seien,
während das andere Konsortium, an dessen Spitze Pollak stand, bloß den
Charakter eines auf Gewinn abzielenden Unternehmens an sich trug, und
das dritte, von Quittner repräsentierte Konsortium gerade von solchen
Gewerbetreibenden gebildet worden sei, die &quot;keine vollkommene Garantie
für ein so wichtiges Geschäft boten.&quot;2

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Der lei¬
tende Gedanke der KriegsVerwaltung sei offenbar der gewesen, sich ohne
viele Kosten einen Monturvorrat zu sichern; dieser Zweck werde durch das
mit dem Konsortium auf fünf Jahre abgeschlossene Übereinkommen mög¬
lichst erreicht. Das Forum, vor welches diese Angelegenheit gehöre, seien
übrigens die Delegationen, und werde es Sache des Kriegsministers sein,
dieselbe dort zu vertreten; daß ihm dies gelingen werde, bezweifle Vortra¬
gender nicht, denn es unterliege keinem Zweifel, daß der Vorgang des
Kriegsministers, welcher zur Verwaltung der gemeinsamen Kriegsauslagen
berufen sei und seinen Bedarf da zu suchen habe, wo er ihn billiger und
besser finde, ein vollkommen ressortmäßiger sei.

   Von den beiden Einwänden, daß durch das mit dem Konsortium abge¬
schlossene Monturgeschäft der kleine Gewerbestand ruiniert werde und daß
die Armeeverwaltung, wenn sie sich auf fünf Jahre binde, in die Hände von
Monopolisten gerate, sei ersterer unstichhaltig, weil das Konsortium die
kleinen Gewerbeleute ebenso benötigen werde wie bisher die Einzel¬
lieferanten, letzterer dagegen nur scheinbar richtig, weil der Kriegsminister
durch nichts gehindert sei, seinerzeit auch mit anderen Unternehmern in
Unterhandlung zu treten.

   II. Reichskanzler Graf Beust: Der eigentliche Zweck
der heutigen Besprechung sei die nochmalige Beratung über den Wald¬
verkauf in der Militärgrenze und die damit in Verbindung zu bringende
dalmatinische Eisenbahn.3 Nach den ihm zugekommenen Stimmungsbe-

        Korrektur Kuhns aus bisher die Armee so schlecht bedienten.

        Alfred Skene (1815-1887) Heereszeugfabrikant in Brünn, Karel Pollak, Lederfabrikant
        in Laibach, Quittner, Armeelieferant.
3 Eisenbahnbau in Dalmatien und in Zusammenhang damit Waldverkauf in der Militär¬
        grenze siehe GMR. v. 30. 6. 1868, RMRZ. 18; GMR. v. 11. 7. 1868, RMRZ. 19; GMR. v.
        9. 2. 1869, RMRZ. 34; GMR v. 18. 2. 1869, RMRZ. 36; GMR. v. 27. 2. 1869, RMRZ. 37.
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richten habe ersterer in Kroatien und Ungarn große Unruhe hervorgerufen,
stoße auf vielseitigen Widerspruch und habe, wie auch aus den Zeitungs¬
berichten bekannt, bereits zu Interpellationen im kroatischen Landtage und
letztlich zu einem Proteste des letzteren an den ungarischen Landtag Anlaß
gegeben.4 Man gehe drüben von der Ansicht aus, daß die Militärgrenze zu
den Ländern der Stephanskrone gehöre und vom Kriegsministerium nur
noch interimistisch verwaltet werde, daher dieses dann auch zu einer so
umfangreichen Holzausbeute nicht berechtigt sei, während von anderer Sei¬
te darauf hingewiesen werde, wie die dalmatinische Bahn die jenseits der
Leitha so vielseitig gewünschte Reintegrierung des dreieinigen König¬
reiches beschleunigen würde.

   Bei der herrschenden Erregung könne sich, wie der Bericht laute, dieser
Gegenstand sogar noch zu einer Kabinettsfrage für das ungarische Ministe¬
rium gestalten. Es sei daher um so mehr an der Zeit, sich hierüber mit letz¬
terem en rapport zu setzen, als dasselbe gewiß bald in die Lage kommen
werde, sich über den kroatischen Landtagsprotest zu äußern und es für das
gemeinsame Interesse von Gewicht sei, wie diese Äußerung ausfallen solle
und werde. Zu einer vertraulichen Besprechung mit Grafen Andrässy, wie
solche bei der letzten, unter Ah. Vorsitze Seiner Majestät stattgefundenen
Beratung in Aussicht genommen wurde, habe sich bisher noch keine Gele¬
genheit geboten.5

   Vortragender habe daher bei der Dringlichkeit des Gegenstandes eine
Zuschrift an Graf Andrässy entwerfen lassen, welche er zur Verlesung brin¬
gen werde und wofür er sich die Zustimmung der Konferenz erbitte.6

   Der leitende Ideengang dieser Zuschrift sei der, daß das ungarische Mini¬
sterium, ohne die heikle und jetzt noch nicht zeitgemäße staatsrechtliche
Seite der Frage zu berühren, zunächst wegen des von Earle projektierten
Eisenbahnbaues und des dabei in Betracht kommenden internationalen Mo-

Der kroatische Landtag faßte den Beschluß, daß der Waldverkauf nur im Geiste des
GA. XXX/1868 § 8 durchführbar sei, wonach über den Verkauf der kroatisch-
slawonischen Staatsgüter [unter welchen auch die Staatsforste begriffen sind] auch der
Landtag von Kroatien, Slawonien und Dalmatien zu hören ist und ohne dessen Zustim¬
mung ein solcher Verkauf nicht stattfinden darf Siehe Bernatzik, Die österreichischen
Verfassungsgesetze 719-720. Diesen Beschluß sandte er in einer Note vom 21. April
1869 an den ungarischen Reichstag. Das Wesen des Beschlusses: Der geplante Verkauf
von 33 000 Katastraljoch Wald solle ausgesetzt werden, das Recht aufdie Waldnutzung
der Bevölkerung in der Militärgrenze soll erhalten bleiben, und wenn der Verkaufeiner
größeren überalterten Holzmenge begründet sei, solle das daraus eingegangene Vermö¬
gen für die Militärgrenze verwendet werden. Lederer, Gröf Andrässy Gyula beszedei,
Bd. 2 87.
GMR. v. 27. 2. 1869, RMRZ. 37.
Die Zuschrift des Reichskanzlers an Andrässy als Beilage der Ministerratsprotokolle ist
nicht auffindbar.
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mentes sowie des Anschlusses bei Bares begrüßt7 und dabei betont werde,
wie es aus formellen Gründen schwer sei, für die das Militärgrenzgebiet
durchziehende Bahnstrecke eine Zinsengarantie in der Weise, wie solche
für Dalmatien erwartet werde, zu erlangen und wie es nahe liege, den mas¬
senhaften totliegenden Holzvorrat der Grenze im Zwecke des Zustande¬
kommens des Eisenbahnbaues zu verwerten, wobei der Gesichtspunkt her¬
vorgehoben werden müsse, daß es sich keineswegs um eine Walddevasta¬
tion, wie es von vielen Seiten dargestellt wird, sondern vielmehr um eine
durch die Bahnen rationeller Forstkultur gebotene Melioration durch Fül¬
lung überständiger Waldteile handle. So dargestellt, werde sich gegen den
Holzverkauf kaum etwas stichhaltiges einwenden lassen, geschehe es den¬
noch, so werde dies eben Anlaß zu weiteren Verhandlungen mit der jen¬
seitigen Regierung geben, in deren Verlauf es möglich sein werde, die ge¬
genteiligen Auffassungen zu berichtigen.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Auch er
sei vollkommen der Ansicht, daß es geboten erscheine, sich nunmehr mit
der ungarischen Regierung, die gegenüber den kroatischen Landtagsma¬
nifestationen Stellung nehmen müsse, formell auseinanderzusetzen und daß
man derselben den Nachweis liefern solle, wie es sich nicht um einen
Grundverkauf, sondern bloß um eine administrative Maßregel zur Hintan¬
haltung weiterer Holzdeterioration und um Verwendung des Erlöses zur
Schaffung von Kanälen, Eisenbahnen und sonstigen Kommunikationen
handle. Man müsse hiebei den faktischen Stand der Administration, welche
ausschließlich dem Kriegsministerium obliege, betonen und sich durch die
vom ungarischen Ministerium gemachte Hinweisung auf den eventuellen
Verlust der Verwaltung in der Militärgrenze nicht schrecken lassen. Dieses
sei eine leere Drohung, die nicht sobald in Erfüllung gehen könne, denn der
Verlust der Militärgrenze schade uns viel weniger als Ungarn die In¬
korporierung. Letzteres sei schon wegen Mangel an Organen nicht in der
Lage, die Militärgrenze verwalten zu können, und bei richtiger Beurteilung
der Interessen müsse die jenseitige Regierung selbst gegen die Inkorpo¬
rierung der Grenze sein.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn macht
die Andeutung, daß sich der Holzverkauf in der Militärgrenze als ein Gebot
rationeller Volkswirtschaft darstelle, mit dessen Ausführung, wie auch das
ihm unterbreitete fachmännische Gutachten Wesselys bezeuge, nicht weiter
gezögert werden dürfe, wenn der reiche Holzvorrat der Militärgrenze nicht
unbenützt zugrunde gehen solle.8

7 Über den Plan des von der Firma Earle vorgeschlagenen Eisenbahnbaus GMR. v.
        9. 2. 1868, RMRZ. 34.
       Joseph Wessely (geh. 1815), Geologe.
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   Man möge sich durch die dagegen erhobene Einsprache nicht beirren las¬
sen, denn hinter der ablehnenden Haltung des kroatischen Landtages stecke
einerseits der Einfluß Fiumes, welches der nach Spalato zu führenden Ei¬
senbahn abhold sei, anderseits die Intrigen einiger Holzhändler und kroati¬
scher Edelleute, an ihrer Spitze Baron Prandau, welche selbst große Holz¬
vorräte zum Verkauf aufgespeichert hätten und in dem ärarischen Wald¬
verkaufe eine unwillkommene Konkurrenz erblicken.9

   Man möge festbleiben und den Ungarn begreiflich machen, daß die
staatsrechtliche Frage in diese Angelegenheit ganz ungerechtfertigt mit hin¬
eingezogen werde, indem es sich ja um eine Melioration und um die
Hebung des Landes handle, welches selbst, wenn es einstens in eine andere
Verwaltung übergehen sollte, durch das in Rede stehende Projekt nur ge¬
winne.

   Oberst König erbat sich das Wort, um den vorliegenden Gegen¬
stand von seinem Standpunkte als Kriegsministerialreferent in Grenzan¬
gelegenheiten zu beleuchten, wobei ihn einerseits die Erfahrungen, die er

sich bei der amtlichen Grenzberechnung gesammelt, anderseits die Berichte
der unterstehenden Regimentskommanden leiten. Er wolle in Kürze wieder¬
geben, was er bereits in einem au. Vortrage zusammengefaßt, den er anlä߬
lich der Ah. Signatur, die einem Gesuche von eingeforsteten Grenzern um
Sistierung des Waldverkaufes zuteil geworden sei, vorbereitet habe.10

   Nach den auch von Nationalökonomen von Fach anerkannten Bewirt¬
schaftungsgrundsätzen könne ein Land nicht mehr als 15 % Waldfläche ver¬
tragen. Nun betrage aber das Waldareal im Broder Regimentsbezirke 30 %,
und ähnlich gestalte sich das Verhältnis im Oguliner und Ottochaner Re¬
giment. Dies sei offenbar zu viel, was auch die in den Waldungen zuneh¬
mende Kemfaule beweise. Um nun das richtige Verhältnis herzustellen und
nach Möglichkeit gutzumachen, was die Vernachlässigung der Grenzver¬

waltung während der letzten 30 Jahre verschuldet habe, und um das Land
durch Schaffung von Kommunikationsmitteln von dem sonst drohenden
Verfalle zu retten, habe man bereits vor längerer Zeit mit Entsumpfungen,
Rodungen und Kanalisierungen begonnen und auf diese Weise bereits
8 Meilen fruchtbaren Bodens gewonnen, der Bewirtschaftungsplan habe es
mit sich gebracht, daß jährlich 1000 Joch Wald verkauft werden, und bisher
sei es niemandem eingefallen, gegen diese rationelle Maßregel Einsprache
zu erheben. Nur jetzt, wo die Grundamelioration in größerem Maßstabe in
Angriff genommen und ein auf 20 Jahre zur Abstockung hinreichendes
Areal von 30 000 Joch zur Erzielung eines ausgiebigeren Fondes auf einmal

Baron Gustav Prandau (1807-1885).
Au. Vortrag von Oberst König über Waldverkaufin der Militärgrenze war nicht auffind¬
bar.
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verwertet werden solle, machten sich die bereits oben angedeuteten, von
Selbstsucht geleiteten Stimmen geltend. Wie einseitig jedoch ihr Stand¬
punkt sei, beweise aber der Umstand, daß, wie ihm berichtet worden sei,
von Gemeinden, die durch die geschilderte Gebarung zu gewinnen Aussicht
haben, nunmehr Gegendeputationen vorbereitet würden.

   Was nun die prinzipielle Seite des Verkaufgeschäftes betreffe, so scheine
es ihm keinem Zweifel zu unterliegen, daß die Verwaltung der Grenze, folg¬
lich auch der Waldverkauf, insoweit er sich als eine administrative Ma߬
regel darstelle, ausschließlich in den Wirkungskreis des Kriegsministe¬
riums gehöre, und es könne sonach nur die Verwendung des Erlöses einer
Kontrolle unterliegen, in welcher Beziehung es ihm zur ein für allemaligen
Hintanhaltung derartiger Einsprachen darauf anzukommen scheine, zu prä¬
zisieren, daß der Walderlös, anstatt in die Reichskasse einzufließen, zur
Herstellung von Kommunikationen und zu welchen verwendet werden dür¬
fe. Hiezu genüge der leicht zu liefernde Nachweis, daß die Grenze in jeder
Richtung materiell ungeheuer zurückgeblieben und zu arm sei, um ohne
Verwertung der Bodenprodukte gehoben werden zu können.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke be¬
merkt, daß dies zu weitwendigen Verhandlungen Anlaß geben und über das
Ziel des heute in Frage kommenden Zweckes hinausführen würde, höch¬
stens könnte dem Grafen Andrässy ein die Sachlage, wie sie Oberst König
geschildert, darstellendes Expose zur allfalligen Benützung bei Beant¬
wortung von Interpellationen an die Hand gegeben werden, worauf
Reichskanzler Graf Beust die Andeutung macht, daß die
Mitteilung eines solchen Expose sich besser für spätere Zeit als Erwiderung
auf die gewiß nicht ausbleibende Rückäußerung des ungarischen Minister¬
präsidenten über die gegenwärtig zu vereinbarende Zuschrift empfehlen
werde. Sofort wurde der Entwurf dieser Zuschrift zur Verlesung gebracht,
in seinen Hauptzügen einhellig angenommen, und nur in einigen Punkten
eine dem Ergebnis der heutigen Besprechung angepaßte Abänderung be¬
schlossen.

   Womit die Sitzung geschlossen wurde.
                                                                                          Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 13. Mai 1869. Franz Joseph.
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