Gemeinsamer Ministerrat, 12. 4. 1869
I. Eröffnungstermin für die diesjährigen Delegationen
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z41.pdf.
II. Au. Vortrag des Reichskriegsministers z. 1239 betreffend den Pferdeankauf in Österreich für Rechnung fremder Mächte
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z41.pdf#page=4.
III. Durchfuhr einer Bleisendung nach Montenegro
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z41.pdf#page=6.
IV. Türkisches Bahnprojekt
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z41.pdf#page=6.
Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869 229 Ministerium ausgefertigt werden. Er werde also Seiner Majestät im Sinne der heute ausgesprochenen übereinstimmenden Ansichten au. Bericht er¬ statten.3 Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust [Ah. E. fehlt.]4 Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. April 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (16. 4.), der Reichskriegs¬ minister [FML.] Freiherr v. Kuhn (17. 4.). Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: I. Eröffnungstermin für die diesjährigen Delegationen. II. Au. Vortrag des Reichskriegsministers Z. 1239 betreffend den Pferdeankauf in Österreich für Rechnung frem¬ der Mächte. III. Durchfuhr einer Bleisendung nach Montenegro. IV. Türkisches Bahnprojekt. KZ. 750 - RMRZ. 41 Protokoll des zu Wien am 12. April 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬ fen v. Beust. I. Seine Exzellenz der Reichskanzler eröffnete die Sitzung mit der Mitteilung, daß neuere Verhandlungen zu der Inaussicht- Au. Vortrag des Reichskanzlers Grafen Beust v. 13. 4. 1869, womit derselbe im Einvernehmen mit den übrigen Reichsministern das Gutachten über den ihm mit Ah. Handschreiben vom 25. Februar d. J. zugekommenen au. Vortrag des kgl. ung. Ministers am Ah. Hoflager betreffend die Abänderung des bei ungarischen Staatsakten in Verwendung kommenden Siegels erstattet. HHStA., Kab.Kanzlei, KZ. 1256/1869. Der Herrscher sendet jedoch Beusts Vortrag zurück, er solle die Angelegenheit noch einmal eingehend mit dem ungarischen Minister am Ah. Hoflager verhandeln. Beusts erneuter au. Vortrag, im wesentlichen im gleichen Geiste wie sein früherer, v. 24. 6. 1869 ebd. KZ. 2301/1869. Bei dem Protokoll befindet sich ein Zettel in blauer Farbe, wie jene, auf denen Be¬ merkungen zum Geschäftsgebaren zu stehen pflegen, mit folgendem Text: Seine Exzellenz der Herr Reichskanzler will, daß dieses Protokoll MRZ. 40 einfach ad acta gehen soll. 9. 5. 1869 Krauss. Aufdem Einsichtsbogen des Protokolls steht ebenfalls mit Bleistift: Im Auftrag Seiner Exzellenz ad acta 9. 5. 1870 (sic!), d. h., dies wurde wahr¬ scheinlich nachträglich eingetragen, 1870, als der Beamte zufällig auf dieses Datum stieß. Daß das Protokoll ohne Ah. Entschließung ad acta gelegt wurde, mag damit Zu¬ sammenhängen, daß Seine Majestät Beusts Vortrag v. 13. 4. 1869 zurückgesandt hatte. Siehe Anm. 3. <pb/>230 Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869 nähme des 1. Juli als Einberufungstermin für die diesjährigen Delegationen geführt hätten.1 Den Konferenzmitgliedem seien die hiebei maßgebenden Motive bekannt, er glaube daher ihrerseits keinem Widerspruche zu begeg¬ nen, und handle es sich also heute nur darum, die Zustimmung des Reichsministerrates protokollarisch festzustellen, um sofort den Minister¬ präsidenten in der dies- und jenseitigen Reichshälfte die geeigneten Eröff¬ nungen machen zu können. Die beiden Reichsminister erklärten sofort ihre Bereitwilligkeit zur Er¬ teilung dieser Zustimmung, wobei Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke die Andeutung machte, daß man ja über das gemeinsame Budget in seinen Hauptumrissen bereits aus früheren Verhand¬ lungen einig und ein Vernehmen des Reichsfmanz- mit dem Reichskriegs¬ ministerium nur noch über einzelne Posten, wie z. B. die Einstellung des vorläufig aus dem Stellvertreterfond2 bedeckten Defizits im Militärbudget des Vorjahres, dann über die Einstellung der Honvedpensionen und die Be¬ züge der als Hofchargen verwendeten Militärs notwendig sei, was jedoch in kurzer Zeit erzielt werden könne und die Budgetzusammenstellung nicht aufhalten werde. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Er habe seinen Departementsvorständen die größte Eile anempfohlen und hoffe bis Ende April mit dem Kriegsbudget fertig werden und dasselbe zur Druck¬ legung bereit machen zu können. Auch werde die Budgetverhandlung in den Delegationen selbst heuer in mancher Beziehung erleichtert sein, da mehrere von jenen Posten, welche bisher Anlaß zu Bemerkungen seitens der Delegierten gaben, den ausgesprochenen Wünschen gemäß abgeändert wurden.8 Nur bezüglich einer Ausgabspost, auf deren prinzipielle Regelung er aber von seinem Standpunkte aus Gewicht legen müsse, sehe er weit¬ wendigeren Debatten entgegen, und dies seien die Ausgaben für Befesti¬ gungen namentlich in Krakau, welche letztere von der polnischen Fraktion der Delegierten perhorresziert würden. Gleichwohl müsse die Befestigungsfrage einmal endgiltig ausgetragen werden, wobei sich allerdings die Zustimmung der Vertretungskörper nicht Randbemerkung Kuhns Ich erwähnte, daß ich den verschiedenen Departements des Kriegsministeriums den Auftrag erteilt hatte, bis Ende April mit Zusammensetzung des Budgets für ihre Angelegenheiten fertig zu werden. Damit ist aber das ganze Budget nicht fertig und zur Drucklegung bereit, was erst Anfang des Monates Juni der Fall sein könne. Ferner bemerkte ich, daß bei einem so kurzen Termin es mit der Rechnungslegung für das Budget 1868 so wie es für die ersten vier Monate dieses Jahres seine Schwierigkeiten haben werde. Die Einberufung der Delegationen wurde behandelt in den GMR. v. 25. 1. 1869, RMRZ. 32; GMR. v. 31. 1. 1869, RMRZ. 33; GMR. v. 26. 3. 1869, RMRZ. 39. Über den Stellvertreterfond siehe GMRProt. v. 18. 2. 1869, RMRZ. 36. Anm. 4. <pb/>Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869 231 umgehen lasse. Es frage sich nur, wie und bei welchem Vertretungskörper diese Zustimmung anzustreben sei: ob bei den Delegationen oder von den Legislativen der beiden Reichshälften? Nach seiner Ansicht komme es zunächst darauf an, das System der Befe¬ stigung der Monarchie und sofort die Progression dieser Befestigung zu normieren. Die Genehmigung des ersteren glaube er für die beiden Legisla¬ tiven ebenso vindizieren zu müssen, wie seinerzeit die Befestigung von Antwerpen nicht ohne vorherige Zustimmung der Kammern erfolgte.b Die Bewilligung des systemmäßig in jedem Jahre auf den Befestigungsausbau der Monarchie entfallenden Geldbetrages werde sodann einen Gegenstand der Budgetverhandlung der Delegationen zu bilden haben. Nur auf diese Weise sei es möglich, den alljährlich wiederkehrenden Einsprachen und Abstrichen an den Ansätzen für Befestigungsbauten, welche doch im Inter¬ esse der Sicherheit der Monarchie gelegen seien, vorzubeugen. Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Streng¬ genommen halte er die Feststellung eines Befestigungssystems der Monar¬ chie für ein Recht des obersten Kriegsherrn und könne den Delegationen eine Ingerenz nur insoweit zuerkennen, als die alljährliche Geldbewilligung hiebei mit in Frage komme. Wollen die Legislativen der beiden Reichs¬ hälften zur Entscheidung über den Befestigungsplan herbeigezogen wer¬ den, so müßte man, um staatsrechtlich korrekt vorzugehen, die Befestigung als einen integrierenden Bestandteil der Wehrkraft des Reiches, gleichsam als ein Appendix zum Wehrgesetz, welches seiner Zeit in beiden Reichs¬ hälften gleichlautend votiert wurde, darstellen, denn nur so ließe es sich rechtfertigen, daß die Legislative der einen Reichshälfte über Befestigungs¬ arbeiten in der anderen Hälfte der Monarchie ihr Votum mit abgebe. Jedenfalls müsse man sich darüber klar werden, ob der Reichsrat und Reichstag oder die Delegationen in der Sache mitzureden hätten. Diese Fra¬ ge könne aber heute einseitig nicht gelöst werden, sondern erheische ein früheres Einvernehmen mit den beiden Landesministerien, mit welchen rücksichtlich der Befestigungsarbeiten auch bis zur prinzipiellen Austra¬ gung der Frage ein modus vivendi vereinbart werden müßte. Die Angele¬ genheit sei ja ohnehin nicht dringend und setze, um praktisch verwirklicht zu werden, eine längere Friedensdauer voraus. Reichskanzler Graf Beust: Die Bedenken des Reichs¬ finanzministers seien theoretisch und konstitutionell begründet und über- b Randbemerkung Kuhns Ich habe das Recht der legislativen Körper nicht vindizieren wollen, sondern habe bemerkt, daß analog mit dem Vorgänge in Belgien und Frankreich die Vertretungskörper sich das Recht, über so wichtige kostspielige Fragen zu entschei¬ den, selbst vindizieren werden und die Delegationen höchstwahrscheinlich eine Ent¬ scheidung hierin selbst ablehnen werden, wie es in der letzten Delegation von einigen Herren bereits angedeutet wurde. <pb/>232 Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869 haupt die angeregte Frage nicht ohne staatsrechtliche Schwierigkeiten. Ei¬ nerseits seien die Delegationen nach ihrer ganzen Zusammensetzung nicht berufen, in der vorliegenden Angelegenheit mit zu entscheiden, anderer¬ seits lasse sich nicht verkennen, daß, wenn dieselbe vor die Legislativen gebracht wird, eine Menge von Interessen mit ins Spiel komme. Einstwei¬ len möge immerhin auch heuer der Versuch gemacht werden, von den Dele¬ gationen einen entsprechenden Geldbetrag für Befestigungsarbeiten bewil¬ ligt zu erhalten. Was die vom Kriegsminister gewünschte prinzipielle Regelung betreffe, so sei er bereit, die Sache in die Hand zu nehmen und auf Grund des ihm von letzterem mitzuteilenden Befestigungsplanes der Monarchie mit den beiden Landesministerien in der von Baron Becke angedeuteten Richtung in Verhandlung zu treten.3 II. Als weiteren Gegenstand der Beratung brachte Seine Exzellenz der Reichskanzler die Frage wegen etwaiger Erlassung von Maßregeln zur Hintanhaltung der Pferdeausfuhr für Rechnung fremder Mächte vor, wor¬ über Seine Majestät der Kaiser anläßlich eines au. Vortrages des Reichs¬ kriegsministers mit Ah. Entschließung von 4. d. M. die Meinungsabgabe des gemeinsamen Ministerrates anzuordnen geruht hätten.4 Es sei nämlich Tatsache, daß in Böhmen, Mähren und Galizien für Rechnung Preußens und in neuester Zeit in Ungarn und Siebenbürgen für Rechnung Frankreichs, welches einen eigenen Agenten dahin entsendete, massenhafte Pferdean¬ käufe effektuiert wurden, und daß namentlich Frankreich 1000 Stück Chargenpferde - worunter viele Stuten - zu hohen Preisen habe ankaufen lassen, infolgedessen der Kriegsminister auf die Nachteile aufmerksam ge¬ macht habe, welche für uns entstehen, wenn nicht nur der Preis der für unse¬ re eigene Armee benötigten Pferde in die Höhe getrieben, sondern auch für einen Mobilisierungsfall die Aufbringung des notwendigen Bedarfes an ge¬ eigneten Remonten geradezu erschwert werde. So nahe nun auch der Gedanke liege, durch Erlassung eines Pferdeaus¬ fuhrverbotes den Eintritt einer solchen Kalamität femzuhalten, so könne Vortragender bei dem heutigen Stande der europäischen Verhältnisse der Der Reichskriegsminister erstellt aufgrund des Beschlusses dieses Ministerrates ein Expose über die Kosten der Reichsbefestigung, zu dem Zweck, daß dieses die Grundlage für die mit beiden Landesregierungen zu führenden Verhandlung bilde: Reichskriegs¬ minister an Beust v. 22. 4. 1969 HHStA., PA. I, Karton 560, 338/PS. Beust ist aber der Ansicht, daß über die Modalität zur Realisierung des erwähnten Projektes zunächst in einer unter dem Vorsitze Seiner Majestät abzuhaltenden Sitzung des gemeinsamen Ministerrates verhandelt werden müsse. Siehe Beust an Becke v. 27. 4. 1869 ebd. Au. Vortrag des Reichskriegsministers v. 1. 4. 1869, worin er einen Bericht über den umfangreichen Pferdeankaufgibt. Ah. Entschließung v. 4. 4. 1869 befiehlt, daß die An¬ gelegenheit von einem gemeinsamen Ministerrat debattiert werden soll. Reichskriegs¬ minister an Beust v. 9. 4. 1869 über den Ah. Befehl HHStA., PA. I, Karton 554, Nr. 307. <pb/>Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869 233 erwähnten Maßregel von seinem Standpunkte doch nicht das Wort reden, weil, ganz abgesehen von den nationalökonomischen Vorteilen des Pferde¬ exportes aus Österreich, die Erlassung eines Ausfuhrverbotes nur unnötig Staub aufwirbeln und zu unliebsamen Mißdeutungen Anlaß geben würde, welche heute ebenso zu vermeiden seien, wie man sie damals vermeiden wollte, als sich der Ministerrat gegen die Erlassung eines Waffendurchfuhr¬ verbotes aussprach.5 Preußen und Rußland würden darin einen Ausfluß ge¬ hässiger Gesinnung erblicken und nicht unterlassen, die Maßregel zum Nachteile des österreichischen Kabinetts auszubeuten. Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Ein Pferdeausfuhrverbot werde weittragende Konsequenzen haben, er könne dazu aus Gründen politischer Natur und im Interesse der Stellung des Reichskanzlers gegenüber den anderen Kabinetten nicht raten, denn was für einen Eindruck müsse es in Europa machen, wenn zu einem Zeitpunkte, wo alle Regierungen von Friedensversicherungen überfließen und Minister Lavalette6 im gesetzgebenden Körper Frankreichs seine Friedenszuversicht aufs neue ausspricht, gerade Österreich mit einer Maßregel von so wenig friedfertigen Charakter hervortrete? Allerdings sei es ein finanzieller Nachteil, daß wir durch diese Pferdean¬ käufe möglicherweise in die Notwendigkeit versetzt werden, unsere Re- monten um 100 fl. teurer als bis jetzt bezahlen zu müssen, dieser Nachteil verschwinde aber gegenüber dem volkswirtschaftlichen Schaden, welcher sich ergeben würde, wenn durch die bei einem Ausfuhrverbot unausbleibli¬ che Beunruhigung der Börsen eine Entwertung unserer Valuta und sonstige folgenschwere Kursschwankungen eintreten sollten. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Auch er könne sich den vorgebrachten staatspolitischen und nationalökonomischen Bedenken nicht verschließen und wolle die Erlassung eines Ausfuhr¬ verbotes für Pferde in dem gegenwärtigen Momente ebensowenig befür¬ worten, als es bei Erstattung seines diesfalligen au. Vortrages seine Absicht gewesen sei, ein solches unmittelbar zu veranlassen. Vielmehr habe er den¬ selben nur in dem Bewußtsein seiner Pflicht erstattet, Seine Majestät von der gemachten Wahrnehmung der Pferdeausfuhr in Kenntnis zu setzen und zu dem möglichen Zurückgehen der Leistungsfähigkeit des Pferdematerials in der Armee die Erklärung zu geben. Das von ihm gemeldete Faktum sei nahe und habe er hinlängliche Belege, um seine Meldung auch gegenüber dem Leugnen der die Entsendung eines eigenen Agenten für Pferdeankäufe in Abrede stellenden französischen Regierung aufrecht zu erhalten.0 ' Randbemerkung Kuhns Nachdem auch sehr viele Stuten ausgeführt werden, so hob ich hervor, daß wenigstens für diese die Ausfuhr beschränkt werden sollte, was nur eine nationalökonomische Maßregel wäre. 5 Vgl. GMR. v. 26. 11. 1868, RMRZ. 21. 6 Charles-Jean Lavalette, Marquis de (1806-1881), zwischen Dezember 1868 und Juli 1869 Außenminister Frankreichs. <pb/> 234 Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869 Reichskanzler Graf Beust: Was Frankreich betreffe, so sei er in der Lage, der dortigen Regierung in diplomatischem Wege die Andeutung machen zu können, daß der Pferdeaufkauf hierorts nicht gerne gesehen werde; er habe bei der Verbotsfrage vorzüglich Preußen und Ru߬ land vor Augen. Wenn nun auch die Konferenz darüber einig sei, daß jetzt von einem Ver¬ bote Umgang genommen werde, so könne doch immerhin den beiden Landesministerien eröffnet werden, daß diese Frage anläßlich der gemach¬ ten Wahrnehmung hierseits wenigstens in Beratung gezogen worden sei, damit dieselben den -- übrigens auch aus den Zollregistern ersichtlichen Pferdeexport - auch ihrerseits invigilieren und über das Faktum überhaupt in Kenntnis seien.7 Übrigens erbitte er sich vom Kriegsminister eventuell auch weitere ver¬ läßliche Mitteilungen in dieser Richtung, um einerseits durch Zeitungs¬ notizen, anderseits durch Sammlung von Material für eine Kammerinter¬ pellation, wenn solche wünschenswert werden sollte, das Terrain für den Fall vorbereiten lassen zu können, als die Erlassung eines Ausfuhrverbotes etwa in der Folge unumgänglich nötig werden sollte. III. Das Beisammensein des gemeinsamen Ministerrates benützend, müßte er übrigens drittens auch noch ein Telegramm zur Sprache bringen, welches ihm vom Grafen Taaffe soeben mitgeteilt worden sei, und worin der Bezirkshauptmann von Cattaro sich anfrage, wie er sich gegenüber ei¬ ner daselbst saisierten, für Montenegro bestimmten Sendung von 625 Zent¬ ner Blei zu verhalten habe? Vortragender sei der Ansicht, daß - sowenig erwünscht die Anhäufung von Schießmaterial in Montenegro für uns auch erscheine -- doch solange ein Waffen- und Munitionsdurchfuhrverbot in Österreich nicht bestehe, dergleichen Sendungen nicht Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden könnten, daher auch die dermalen in Frage stehende Bleisendung anstandslos zu passieren sei. Dieser Auffassung stimmten auch die beiden übrigen Konferenzmitglieder bei. IV. Über Aufforderung des Reichskanzlers gab schließlich der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke nachste¬ hende Aufklärung über den gegenwärtigen Stand des türkischen Eisenbahn¬ projektes.8 Das Außenministerium (Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim) informiert am 15. 4. 1869 die Ministerpräsidenten der beiden Staaten über den Ministerratsbeschluß in Angelegenheit des Pferdeankaufs. HHStA., PA. I, Karton 554, Nr. 307. Über die direkte Vorgeschichte der Angelegenheit siehe Beckes Bericht über die Stellung der kaiserlichen Regierung zur türkischen Eisenbahnfrage v. 6. 3. 1869 HHStA., <pb/>Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869 235 Ursprünglich habe ein Konsortium, an welchem sich die Kreditanstalt, der Pariser Credit Foncier, die Ottomanische Bank und einige englische Bankhäuser beteiligten, sich um die Überlassung des Baues des zirka 2000 Kilometer umfassenden türkischen Eisenbahnnetzes beworben und - nach den ihm von dem mit den Negotionen betrauten Daud Pascha gemachten Eröffnungen - unter gewissen Bedingungen auch Aussicht auf Erlangung der Baukonzession gehabt. Mannigfache Intrigen hätten aber die Basis der einschlägigen Unterhandlungen verrückt, und es sei dem erwähnten Kon¬ sortium in der Anglo-Bank, vereint mit dem Hause Bischofsheim, ein ge¬ fährlicher Konkurrent erwachsen; letztere hätten bereits den Ingenieur Lan¬ ge mit Geldmitteln im Betrage von 100 000 Fontsterling nach der Türkei entsendet, um die erforderlichen Vorarbeiten vorzunehmen. Nun sei es of¬ fenbar, daß letzteres Unternehmen weniger solid und nur auf Geldgewinn durch Poussierung der Aktien berechnet sei und daß Österreich Gefahr lau¬ fe, hiebei nicht jene Berücksichtigung seiner vitalen Interessen zu finden, auf welche bei dem eingangs erwähnten Konsortium mit Zuversicht gerech¬ net werden könne. Allerdings sei unsere Regierung nicht in der Lage, in die Konzessionserteilung für den türkischen Eisenbahnbau unmittelbar einzu¬ greifen, vielmehr könne sie bei dem jenseitigen Gouvernement nur vermit¬ telnd auftreten; gleichwohl aber erheische unser Interesse, daß an dem frag¬ lichen Bau auch östereichische Geldkräfte sich beteiligen mögen, nur sohin das Konsortium Creditanstalt etc. Berücksichtigung finde. Beauftragt, mit Daud Pascha9 in Unterhandlung zu treten und die österreichischen Interes- PA. XL, Karton 129. Hier berichtet Becke unter Hinweis auf sein Referat vom 11.11.1868 und den Artikel in der Wiener Abendpost vom 16. Februar über die Schwie¬ rigkeiten in den Verhandlungen mit der türkischen Regierung: Die Türken und Daud Pascha persönlich (der zu Beginn des Jahres in Wien verhandelte) stehen der Monarchie mißtrauisch gegenüber, fürchten für ihre Souveränität durch die Monarchie und sind darüber besorgt, daß die Wiener Regierung den österreichischen Geldinstituten eine Monopolstellung beim türkischen Eisenbahnbau sichern will. Im Ministerrat schlägt Becke im wesentlichen die Fortsetzung der mit Daud Pascha in Wien begonnenen Ver¬ handlungen vor. Über die breiteren Zusammenhänge der Frage: Lutz, Österreich-Un¬ garn und die Gründung des Deutschen Reiches 179; PalotAs, Die außenwirtschaftlichen Beziehungen zum Balkan und zu Rußland 595-599. Es war ein grundsätzliches Bestre¬ ben der Monarchie, eine Eisenbahnverbindung mit der Türkei zu schaffen. Die Er¬ schließung der wirtschaftlichen Güter der Türkei war ßr Österreich und Ungarn ein eminentes Interesse. Mit Details: Dimtschoff, Das Eisenbahnwesen auf der Balkan¬ halbinsel; May, The Novibazar Railway Projekt 496-527; Rechberger, Zur Geschichte der Orientbahn; ders., Zur Geschichte der Orientbahnen 348-359. Memorandum v. Kuhn über die türkischen Bahnen v. 1. 2. 1870 HHStA., AR., Fach 34, S. R. 72, f. 826. Daud Pascha, Ministerßr öffentliche Arbeiten in der Türkei. <pb/>236 Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869 sen zu wahren, sei es für Vortragenden schwer, inmitten der sich von Tag zu Tag mehr verwickelnden Lage gleichsam mit gebundenen Händen dazu¬ stehen; er halte es deshalb für dringend geboten, daß möglichst unauffällig ein Vertreter unserer Interessen nach Paris, wo sich dermalen auch Daud Pascha befinde und wo die Negotiationen abgewickelt werden, zu dem Zwecke entsendet werde, damit wenigstens das erreicht werde, daß die Anglo-Bank die Konzession nicht ausschließlich, sondern nur unter Mit¬ beteiligung österreichischer Kapitalisten erhalte. Für diese Mission halte er den Sektionschef Lackenbacher,10 der in der Sache vollkommen versiert sei, besonders geeignet. Auf eine solche Mission habe auch Graf A. Potocki, der sich für das Unternehmen lebhaft interessiere, hingedeutet.11 Reichskanzler Graf Beust: Unsere politischen Bezie¬ hungen zur Pforte brächten es mit sich, daß wir in der Lage seien, von der¬ selben die tunlichste Berücksichtigung unserer materiellen Interessen zu verlangen und in dieser Absicht selbst einige Pression auszuüben. Könne man derselben nun auch die Konzessionserteilung an Bischofsheim et Konsorten nicht gerade verbieten, so würden diplomatische Schrittte vor¬ aussichtlich doch nicht ohne Erfolg bleiben. Er halte es daher für angezeigt, daß Baron Becke möglichst bald ein Expose in dem obigen Sinne verfasse, welches er sodann nicht ermangeln werde, Ali Pascha in geeigneter Weise zukommen zu lassen.12 Hierauf möge man sich im Augenblicke beschrän¬ ken. Die Konferenz erklärte sich hiemit einverstanden, worauf die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Ofen, 21. April 1869. Franz Joseph. Lackenbacher, Sektionschef im gemeinsamen Finanzministerium. Siehe GMRProt. v. 31. 1. 1869, RMRZ. 33. Anm. 5. GrafAdam Potocki siehe GMRProt. v. 4. 1. 1869, RMRZ. 29. Anm. 10. 12 Ali Pascha, Mehmed Emin (1815--1871), türkischer Staatsmann, Diplomat. <pb/>