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Gemeinsamer Ministerrat, 3. 4. 1869

I. Ah. Handschreiben vom 25. Februar, betreffend das bei ungarischen Staatsakten anzuwendende Siegel

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z40.pdf.

Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4. 1869                     225

nehmen. Von seinem Standpunkte komme es ihm nun vor allem darauf an,
daß die beiden Vertretungskörper das heurige Rekrutenkontingent noch vor
ihrer Vertagung votieren, nachdem die Rekruteneinberufung im Herbste er¬
folgen müsse und in Ungarn vor der Rekrutenbewilligung keine Vorarbeiten
zur Aushebung getroffen werden.

   Minister Graf Festetics: Für die Wünsche des ungari¬
schen Ministeriums spreche die politische Notwendigkeit, für jene des
cisleithanischen würden meist nur Zweckmäßigkeitsgründe geltend ge¬
macht. Er glaube, erstere müßten den Ausschlag geben, und empfehle daher
nochmals die Annahme des jenseitigen Antrages.

   Min i sterpräside n t e n s t e 11vertreter Graf Taaffe:
Die Verfassung gebe wohl die Mittel für den Fall an die Hand, daß das
diesseitige Ministerium auf seinem Anträge beharren sollte. Gleichwohl
wolle er, nachdem heute unter den Konferenzmitgliedem die Geneigtheit
zum Eingehen in den ungarischerseits gestellten Antrag vorzuliegen schei¬
ne, demselben für seine Person nicht entgegen sein, müsse aber jedenfalls
vor bindender Stimmabgabe mit den Ministem für die im Reichsrate vertre¬
tenen Länder nochmals Rücksprache pflegen, was bei den im Mitte liegen¬
den Osterfeiertagen erst am 30. d. M. tunlich sei, bis wohin er um Frist
bittet.6

   Womit die Sitzung geschlossen wurde.
                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Gödöllö, 1. April 1869. Franz Joseph.

          Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. April 1869

    US. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichsfmanzminister Freiherr v. Becke (20. 4.), der Reichskriegs¬
minister [FML.] Freiherr v. Kuhn (20. 4.), Hofsekretär in der Präsidialsektion des Ministe¬
riums des Äußern v. Krauss.
    Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: Ah. Handschreiben vom 25. Februar, betreffend das bei ungarischen Staats¬
akten anzuwendende Siegel.

6 Über den wünschenswerten Einberufungstermin der Delegation Taaffe an Beust v.
       2. 4. 1869 HHStA., PA. I, Karton 559, Nr. 278 und desselben weitere Korrespondenz zu
       diesem Gegenstand. Ähnlich auch bei den Akten der Delegationen, ebd. Karton 563.
<pb/>226 Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4. 1869

   KZ. fehlt - RMRZ. 40
   Protokoll des zu Wien am 3. April 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬
fen v. Beust.

   Reichskanzler Graf v. Beust: Mit dem Ah. Hand¬
schreiben vom 25. Februar d. J. hatten Seine Majestät der Kaiser geruht,
ihm den au. Vortrag des königlichen ungarischen Ministers am Ah. Hof¬
lager vom 22. Februar d. J. betreffend die Anfertigung eines Siegels für die
ungarischen Staatsakte zur Begutachtung Ag. mitzuteilen.1 Bevor er diesem
Ah. Aufträge entspräche, wünsche er die Ansicht des Ministerrates in dieser
staatsrechtlich bedeutsamen Frage kennenzulemen.

   Hofsekretär Freiherr v. Krauss: Für die Ausferti¬
gung der auf Ungarn Bezug habenden Majestalien seien bis zum Jahre 1848
stets andere als die für das Gesamtkaisertum üblichen Titulaturen und
Majestätssiegel in Gebrauch gewesen und habe eine Gleichartigkeit nur
hinsichtlich der Form insoweit bestanden, daß hüben wie drüben je nach der
Kategorie des betreffenden der große, mittlere und kleine (gekürzte) Titel
und Siegel in Anwendung gebracht worden sei. Die letzte Feststellung der¬
selben habe bezüglich beider Länder mit der Ah. Entschließung vom 11.
November 1836 stattgefunden, wobei rücksichtlich des großen und mittle¬
ren Wappens eine Änderung gegenüber den für das Kaisertum angeordneten
Darstellung für Ungarn insoweit zur Geltung gekommen ist, daß in dem
Brustschilde des kaiserlichen Adlers das ungarische Landeswappen an die
Mittelstelle gerückt, die übrigen Landeswappen um dasselbe gruppiert und
das kaiserliche Familienwappen obenan gestellt war. Über die Darstellung
des kleinen kaiserlichen Wappens auf ungarischen Staatsakten liege kein
amtlicher Nachweis vor, aus Privatquellen sei Vortragendem aber bekannt,
daß auch in diesem der Hinweis auf die Dynastie nicht fehlte.

   In der neuesten Zeit sei der dualistischen Gestaltung des Reiches durch
die Ah. Entschließung vom 14. November 1868 und vom 29. Jänner 1869
Rechnung getragen worden, wodurch bei unveränderter Beibehaltung des
großen Ah. Titels der kleinere und mittlere Titel reguliert worden sei.2

   Bezüglich des Siegels sei aber eine allgemeine Regelung noch nicht er¬
folgt, denn die Anwendung des Siegels für das Inauguraldiplom erscheine

       Au. Vortrag des kgl. ung. Ministers am Ah. Hoflager Grafen Festetics v. 22. 2. 1869 be¬
        treffend das dem mit Ah. Handschreiben v. 14. 11. 1868 festgestellten neuen Titel ent¬
       sprechende königliche Siegel. HHStA., Kab.Kanzlei, KZ. 669/1869. Ah. Entschließung
       v. 25. 2. 1869 ebd.
       Ah. Entschließung v. 14. 11. 1868: GMRProt. v. 22. 1. 1869, RMRZ. 31. Ah. Ent¬
       schließung v. 29.1.1869 HHStA., Kab.Kanzlei, KZ. 354/1869. Siehe GMRProt.
       v. 22. 1. 1869, RMRZ. 31. Anm. 2.
<pb/>Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4. 1869  227

lediglich als das Ergebnis einer Verhandlung ad hoc. In dieser Beziehung
rege nun gegenwärtig das kgl. ung. Ministerium mit dem vorliegenden au.
Vortrage vom 22. Februar d. J. die Frage an, welches Siegel bei den ungari¬
schen staatsrechtlichen Akten nunmehr in Anwendung zu kommen habe,
und erbitte sich die Ermächtigung, das im Entwürfe vorgelegte Siegel über¬
all in Anwendung zu bringen, wo der mit dem Ah. Handschreiben vom
14. November 1868 festgestellte (gekürzte oder kleine) Titel ,,Kaiser von
Österreich, König von Böhmen etc., apostolischer König von Ungarn&quot; in
Anwendung zu kommen habe. Der Entwurf zeige das kgl. ung. Wappen in
seiner üblichen Darstellung (Herzschild Ungarn, Rückenschild quadriert
von Dalmatien, Kroatien, Slavonien und Siebenbürgen) mit der ungarischen
Königskrone darüber und der Randschrift, welche den vorerwähnten Titel
Seiner Majestät in ungarischer Übersetzung enthält. Die Randschrift deute
darauf, daß das Siegel ein Majestätssiegel des regierenden Souveräns sei,
während das Wappen sich lediglich als ein Landeswappen darstelle, in wel¬
chem die Bezugnahme auf die regierende Dynastie fehle. Diese Weglassung
des Familienwappens der Dynastie erscheine gegenüber der mit der Ah.
Entschließung vom 11. November 1836 angeordneten Darstellung als ein
staatsrechtlich nicht begründetes Novum, denn so selbstverständlich es
auch sei, daß Seine Majestät sich bestimmt finden, als König von Ungarn
ein besonderes Wappen und Siegel zu fuhren, und so wenig bedenklich es
erscheine, wenn die ungarischen Behörden als solche nur das Landes¬
wappen führen, so müsse doch in dem fraglichen Emblem an der staats¬
rechtlich hochwichtigen Auffassung festgehalten werden, daß die gegen¬
wärtige dualistische Gestaltung des Reiches sich nicht als eine Neuerung,
sondern nur als das Zurückgehen auf die durch die pragmatische Sanktion
geschaffenen und durch die späteren Verhältnisse in eine bestimmte Gestalt
gebrachten Zustände darstelle. Dies scheine um so notwendiger, als aus

dem Resolutionsentwurfe des kgl. ung. Ministeriums nicht hervorgehe, für
welche Staatsakte das projektierte Siegel in Anwendung zu kommen hätte,
und der große und mittlere Titel mit den entsprechenden Wappen mit Still¬
schweigen übergangen würden.

   Um daher die Erinnerung an das Familienwappen der Ah. Dynastie in
ungarischen Staatsakten nicht verschwinden zu lassen, würde es sich nach
Ansicht des Vortragenden empfehlen, nicht ein neues Siegel in Aufnahme
zu bringen, sondern an den früher geführten die allenfalls erforderlichen
Neuerungen vorzunehmen.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Die
vorliegende Frage sei nicht unbedeutend und wichtiger, als sie auf den er¬
sten Anblick scheine, eine leichtfertige Behandlung könne möglicherweise
in der Folge zu Unannehmlichkeiten führen, und deshalb sei er dafür, daß
streng an der Hand historischer Daten vorgegangen und selbst auch mit
Heraldikern noch das Einvernehmen gepflogen werde. Vor allem müsse,
was in dem au. Vorträge des Grafen Festetics nicht mit der gehörigen Schär-
<pb/>228 Nr. 40 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 3. 4. 1869

fe präzisiert wurde, die Persönlichkeit genau bezeichnet werden, als deren
Attribut das fragliche Siegel erscheine. Sei dies ein Emblem des Souveräns,
wie es den Anschein habe, so erscheine auch die Wahl des Wappens und
Siegels nicht als im Zusammenhang mit der Konstitution, sondern als ein
selbständiges Recht des Monarchen, und es ließe sich die Weglassung des
Hinweises auf das Ah. Erzhaus ebensowenig rechtfertigen, als für einem
solchen Vorgang eine Analogie in anderen Staaten zu finden sei.

   Allerdings könnte ungarischerseits vielleicht eingewendet werden, daß
in jenem Lande der Adler als Erinnerung an eine verhaßte Regierungs¬
epoche kein beliebtes Symbol sei, demgegenüber müsse aber auf Kroatien
und Slavonien hingewiesen werden, wo der Adler noch immer als Wahrzei¬
chen kaiserlicher Macht und Größe hoch in Ehren gehalten werde und das
Beibehalten desselben in den Siegeln auf Staatsakten gewiß lebhaft ge¬
wünscht werden würde.

   Auch sei aus dem vom ungarischen Ministerium vorgelegten Reso-
lutionsentwurfe nicht gehörig ersichtlich, daß das zu genehmigende Siegel
nur auf für Ungarn publizierten und vom ungarischen Ministerium vollzo¬
genen Majestalien in Anwendung zu bringen sei. Es möge daher betont
werden, daß dasselbe für gemeinsame staatsrechtliche Akte keine Geltung
haben solle.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Für ihn
sei das Wappen im Siegel das Symbol des Titels. Wenn nun die Umschrift
des Siegels ,,Kaiser von Österreich&quot; mit dem darin vorkommenden Wappen
verglichen werde, so müsse es auffallen, daß dasselbe - da es doch ein
Majestätssiegel sein solle - nur als Landeswappen dargestellt und auf die
Ah. Person des Monarchen darin kein Bezug genommen werde. Wolle er
auch nicht verlangen, daß in dem Wappen, welches Seine Majestät als Kö¬
nig von Ungarn führt, dessen sämtliche Herrschertitel ausgedrückt werden,
so glaube er doch, daß - wenn in der Siegelumschrift das Wort ,,Kaiser&quot;
vorkommt - dementsprechend auch der Adler als Zeichen der kaiserlichen
Würde dargestellt werden müsse.

   Reichskanzler Graf v. Beust: Er befinde sich mit den
Ansichten der beiden Reichsminister in voller Übereinstimmung, auch er
halte den Adler im Wappen für ein unerläßliches Symbol der dem Könige
von Ungarn gleichzeitig zukommenden Kaiserwürde; denn würde das
projektierte Siegel genehmigt, so müßte die Umschrift strenggenommen
nur ,,König von Ungarn&quot; lauten, und dahin solle man es nicht kommen las¬
sen. Ebenso einleuchtend sei es ihm, daß die Anwendung des fraglichen
Siegels nur für jene auf die Länder der ungarischen Krone bezüglichen
Staatsakte gerechtfertigt erscheine, welche Seine Majestät mittelst des kgl.
ung. Ministeriums vollzieht, und daß der Gebrauch eines besonderen
Majestätssiegels für Ungarn bei jenen Staatsakten nicht beansprucht wer¬
den könne, welche für beide Gebiete der Monarchie durch das gemeinsame
<pb/>Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 4. 1869  229

Ministerium ausgefertigt werden. Er werde also Seiner Majestät im Sinne
der heute ausgesprochenen übereinstimmenden Ansichten au. Bericht er¬
statten.3

   Womit die Sitzung geschlossen wurde.
                                                                                                  Beust

[Ah. E. fehlt.]4

         Nr. 41 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. April 1869

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichsfmanzminister Freiherr v. Becke (16. 4.), der Reichskriegs¬
minister [FML.] Freiherr v. Kuhn (17. 4.).
    Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim.
    Gegenstand: I. Eröffnungstermin für die diesjährigen Delegationen. II. Au. Vortrag des
Reichskriegsministers Z. 1239 betreffend den Pferdeankauf in Österreich für Rechnung frem¬
der Mächte. III. Durchfuhr einer Bleisendung nach Montenegro. IV. Türkisches Bahnprojekt.

   KZ. 750-RMRZ. 41
   Protokoll des zu Wien am 12. April 1869 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Gra¬
fen v. Beust.

    I. Seine Exzellenz der Reichskanzler eröffnete die
Sitzung mit der Mitteilung, daß neuere Verhandlungen zu der Inaussicht-

Au. Vortrag des Reichskanzlers Grafen Beust v. 13. 4. 1869, womit derselbe im
Einvernehmen mit den übrigen Reichsministern das Gutachten über den ihm mit
Ah. Handschreiben vom 25. Februar d. J. zugekommenen au. Vortrag des kgl. ung.
 Ministers am Ah. Hoflager betreffend die Abänderung des bei ungarischen Staatsakten
in Verwendung kommenden Siegels erstattet. HHStA., Kab.Kanzlei, KZ. 1256/1869.
Der Herrscher sendet jedoch Beusts Vortrag zurück, er solle die Angelegenheit noch
einmal eingehend mit dem ungarischen Minister am Ah. Hoflager verhandeln. Beusts
erneuter au. Vortrag, im wesentlichen im gleichen Geiste wie sein früherer, v.

24. 6. 1869 ebd. KZ. 2301/1869.
Bei dem Protokoll befindet sich ein Zettel in blauer Farbe, wie jene, auf denen Be¬
merkungen zum Geschäftsgebaren zu stehen pflegen, mit folgendem Text: Seine
Exzellenz der Herr Reichskanzler will, daß dieses Protokoll MRZ. 40 einfach ad acta
gehen soll. 9. 5. 1869 Krauss. Aufdem Einsichtsbogen des Protokolls steht ebenfalls mit
Bleistift: Im Auftrag Seiner Exzellenz ad acta 9. 5. 1870 (sic!), d. h,, dies wurde wahr¬
scheinlich nachträglich eingetragen, 1870, als der Beamte zufällig auf dieses Datum
stieß. Daß das Protokoll ohne Ah. Entschließung ad acta gelegt wurde, mag damit Zu¬
sammenhängen, daß Seine Majestät Beusts Vortrag v. 13. 4. 1869 zurückgesandt hatte.

Siehe Anm. 3.
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