Gemeinsamer Ministerrat, 27. 2. 1869
I. Waldverkauf in der Militärgrenze
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z37.pdf.
Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2. 1869 215 Es sei überhaupt ein Übelstand, daß das Kriegsministerium mit den zahl¬ reich vorhandenen brachliegenden Objekten, wie es z. B. mit vielen un¬ benutzten Militärgebäuden und Gründen der Fall sei, nicht frei verfügen könne. Das Militärärar wäre oft in der Gelegenheit, solche Objekte ökono¬ misch verwerten zu können, während dieselben bei der jetzigen Einrichtung oft ohne Vorteil verschleudert werden oder zu Grunde gehen. Es scheine ihm daher wünschenswert über die Art der Benutzung sämtlicher Objekte der bezeichneten Kategorie genau Kenntnis zu erlangen und in Evidenz zu bleiben. Mit Rücksicht auf die vom Kriegsminister gegebene Aufklärung hatte Seine Majestät der Kaiser die Gnade, die vom Reichs- finanzminister gewünschte Ermächtigung zu erteilen, und geruhte noch die Notwendigkeit anzudeuten, daß die Landesministerien bezüglich der in den beiden Reichshälften befindlichen Militärgebäude und Gründe nicht einsei¬ tig vergehen, letztere vielmehr gemeinsam verwaltet und ihr Erträgnis, wenn auch nicht - was das Natürlichste wäre - dem Militärärar, so doch wenigstens den gemeinsamen Finanzen zustatten komme. Womit Seine Majestät die Beratung zu schließen geruhten. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 26. Februar 1869. Franz Joseph. Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. Februar 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (3. 3.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (3. 3.). Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Waldverkauf in der Militärgrenze. KZ. 479 - RMRZ. 37 Protokoll des zu Wien am 27. Februar 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Seine Majestät der Kaiser geruhten die Mitteilung zu machen: es seien Allerhöchstdemselben mit einem au. Vortrage des ungari¬ schen Ministerpräsidenten Graf Andrässy1 zwei an letzteren gerichtete Zu- 1 Au. Vortrag von Andrässy v. 23. 2. 1869 betreffend die Verwertung der in der kroatisch- slavonischen Militärgrenze gelegenen Waldungen. HHStA., Kab.Kanzlei, KZ. 684/ 1869. <pb/>216 Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2. 1869 Schriften, nämlich des Ministers für Kroatien Bedekowich2 und des Finanz¬ ministers Lönyay,3 unterbreitet worden, welche beide das bereits in die Öf¬ fentlichkeit gelangte Projekt der Holzausbeute in den ärarischen Waldun¬ gen der Militärgrenze betreffen und infolge deren Graf Andrässy die Bitte gestellt habe, es möge das fragliche Verkaufsgeschäft nicht ohne Anhörung, beziehungsweise Einflußnahme des ungarischen Ministeriums von Seiner Majestät genehmigt werden. Minister Bedekowich betone die staatsrecht¬ liche Seite des Gegenstandes, welchen anzufechten die kroatische und un¬ garische Vertretung gewiß nicht unterlassen würde, während Minister Lonyay, mehr den fiskalischen Standpunkt wahrend, mit Anführung ziffer- mäßiger Daten und fachmännischer Gutachten die Befürchtung ausspreche, daß bei der beabsichtigten Verkaufsmodalität die tatsächlichen Wert¬ verhältnisse nicht die gehörige Berücksichtigung finden würden. Nachdem die erwähnten Schriftstücke über Ah. Befehl zur Verlesung gebracht worden, geruhten Seine Majestät zu konstatieren, daß ein prinzipi¬ eller Einwand gegen die eingeleitete Holzausbeutung ungarischerseits ei¬ gentlich nicht erhoben worden sei, und daß es somit bloß darauf ankomme, über die angeregten Bedenken eine Verständigung mit dem jenseitigen Mi¬ nisterium zu erzielen, wofür es an Anknüpfungspunkten nicht fehle. Reichskanzler Graf Beust: Nach seiner Meinung wür¬ de es im Interesse der Sache erwünscht gewesen sein, wenn es möglich ge¬ wesen wäre, mit dem Verkaufsgeschäft bald ins reine zu kommen und ohne vielseitige Einstreuungen ein fait accompli zu schaffen, welches nach allen Richtungen zu vertreten bei den offenbaren Vorteilen, die das Geschäft bie¬ tet, nicht schwer gewesen sein würde. Nunmehr aber werde dieser Vorgang durch das ungarischerseits erhobene Verlangen alteriert, und es trete die Frage heran, ob der jenseitigen Regierung prinzipiell eine Einflußnahme zuzugestehen sei? Er erblicke in dem gestellten Begehren den Ausfluß jenes Gedankens, daß die Militärgrenze zu Ungarn gehöre oder wenigstens mit der Zeit dahin inkorporiert werden müsse, im Zusammenhang mit welchem Minister Lönyay bereits früher einmal des Anspruches Ungarns auf die Re¬ venuen der Militärgrenze erwähnt habe. Könne er nun auch nach der heutigen staatsrechtlichen Stellung der Militärgrenze eine Ingerenz der jenseitigen Regierung auf die vorliegende Angelegenheit nicht anerkennen, und besäße dieselbe auch faktisch keine Mittel in der Hand, um das Verkaufsgeschäft zu hindern, so sprächen doch Gründe der Opportunität dafür, daß man dem dortseits geäußerten Wunsche nicht schroff entgegentreten, sondern dem obigen Gedanken durch die Nachweisung: wie die Holzausbeutung von einer Deteriorierung der Grenze weit entfernt sei, Rechnung tragen möge, um dadurch zugleich die ungari- Bedekowich an Ministerpräsidenten Andrässy v. 11. 2. 1869 ebd. Finanzminister Lönyay an Ministerpräsidenten Grafen Andrässy v. 22. 2. 1869 ebd. <pb/>Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2. 1869 217 sehe Regierung in den Stand zu setzen, etwaige Interpellationen entspre¬ chend beantworten zu können. Dies werde am ehesten im mündlichen Ver¬ kehr möglich sein, wozu die bevorstehende Anwesenheit Seiner Majestät in Ofen die Gelegenheit bieten werde.4 Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Bei dem Ausgleich mit Ungarn seien die Verhältnisse der Militärgrenze im Sta¬ tus quo belassen worden,5 und soviel ihm bekannt sei, habe auch die ungari¬ sche Delegation gegen die prinzipielle Einrechnung der Erträgnisse der Grenze in die eigenen Einnahmen des gemeinsamen Kriegsministeriums noch keine Einwendungen erhoben. Diese seien nur eine Idee des Ministers Lönyay,6 die aber staatsrechtlich leicht widerlegbar erscheine, denn nach Ansicht des Vortragenden könnte eine Änderung in den diesfalls bestehen¬ den Abmachungen höchstens nur nach Ablauf der zehn Jahre, für welche das dermalige Quotenverhältnis normiert wurde, Platz greifen. Gegen eine unmittelbare Einflußnahme des ungarischen Ministeriums auf den in Rede stehenden Gegenstand müsse daher auch er sich aussprechen, habe aber gleichwohl, um die Beziehungen zu den ungarischen Regierungsmännern nicht zu trüben, nichts dagegen einzuwenden, daß denselben über den Stand und die Details der Sache vertraulich Mitteilung gemacht werde, und glau¬ be, daß, wenn dem offenbar von unrichtigen Zifferansätzen ausgehenden Minister Lonyay mittels eines im Kriegsministerium auszuarbeitenden Memoire Einsicht in das Bewirtschaftungsprojekt gewährt werde, die dro¬ hende Differenz sich leicht werde beseitigen lassen. Der Unternehmer Earle werde seine Detailpläne in der allernächsten Zeit einbringen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Den vom Reichsfinanzminister angedeuteten Mitteilungen an das ungarische Ministerium wolle er sich nicht entziehen; gegen eine unmittelbare In- gerenz von dieser Seite müsse er sich aber verwahren, denn eine solche Konzession würde nicht nur zu weiteren Konsequenzen führen, in deren Verfolg das jenseitige Ministerium sich sofort auch eine weitere Ingerenz Zu der geplanten persönlichen Begegnung des Herrschers mit Andrässy in Sachen des Verkaufes der Waldungen in der Militärgrenze kam es schließlich doch nicht. Vgl. GMR. v. 7. 5. 1869, RMRZ. 43: Zu einer vertraulichen Besprechung mit Grafen Andrässy, wie solche bei der letzten unter Ah. Vorsitze Seiner Majestät stattgefundenen Beratung in Aussicht genommen wurde, habe sich bisher noch keine Gelegenheit geboten. Siehe GMRProt. v. 18. 12. 1869, RMRZ. 36. Anm. 2. Lönyay schreibt nämlich in seinem oben zitierten Schreiben v. 22. 2. 1869, daß derzeitig zwar die ungarische Regierung in die Verwaltung der Staatsgüter in der Militärgrenze nicht eingreifen kann, aber die Entmilitarisierung der Militärgrenze an der Schwelle stehe und dasjetzige Geschäft eine lange Zeit betreffe, also auchjene, wenn die Militär¬ grenze bereits Teil der ungarischen Krone sei, deshalb sei es unerläßlich, daß in dieser Angelegenheit auch die Meinung der ungarischen Regierung gehört werde. <pb/>218 Nr. 38 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. 3. 1869 - Protokoll I auf alle innere Administrationsangelegenheiten der Grenze vindizieren könnte, was staatsrechtlich und politisch bedenklich wäre, sondern dieselbe könnte auch möglicherweise das Scheitern des ganzen Projektes zur Folge haben, was bei dem vorgerückten Stande, in welchem sich dasselbe befinde, nicht geduldet werden könnte oder doch die größten Verlegenheiten veran¬ lassen müßte. Finanzminister Freiherr v. Becke: Es komme eben auf die Redigierung der Ah. Resolution über den Vortrag des Grafen Andrässy an, welche so, daß daraus ein Recht zur unmittelbaren Ein¬ flußnahme nicht hergeleitet werden könne, und etwa in dem Sinne zu sti¬ lisieren wäre: ,,daß Seine Majestät den Kriegsminister anweise, vor definiti¬ vem Abschluß des Geschäftes dem ungarischen Ministerium davon Mittei¬ lung zu machen". Reichskanzler Graf Beust: Einer Ah. Resolution in diesem Sinne könne er nicht das Wort reden, denn dieselbe involviere einer¬ seits eine Geschäftsverzögerung, andererseits eine Anerkennung der jenseitigen Einflußberechtigung, was eben umgangen werden solle. Nach seinem Ermessen komme es bloß darauf an, die ungarische Regierung für das Projekt überhaupt zu kaptivieren und sich ihre Vertretung für den gege¬ benen Fall zu sichern, was lieber konfidentiell geschehen möge. Seine Majestät der Kaiser geruhten sonach den Be¬ schluß dahin zu fassen, daß Allerhöchstderselbe den au. Vortrag des Grafen Andrässy vorläufig noch nicht erledigen, sondern die Ah. Resolution von weiteren Besprechungen des Gegenstandes in Ofen abhängig machen wer¬ de. Gleichzeitig hatte Seine Majestät die Gnade, zu gestatten, daß an dem eingeleiteten Verkaufsprojekte weiter gearbeitet werde und die Verhandlun¬ gen mit dem Unternehmer Earle ihren ununterbrochenen Gang fortgehen. Womit Seine Majestät die Sitzung zu schließen geruhten. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Agram, 11. März 1869. Franz Joseph. Nr. 38 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 26. März 1869 - Protokoll I RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (29. 3.), der Reichskriegs¬ minister FML. Freiherr v. Kuhn (29. 3). Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Au. Vortrag des Reichskanzlers sub Z. 226 ad 869, betreffend die Gebahrung und Kontrolle der konsolidierten Staatsschuld. <pb/>