Gemeinsamer Ministerrat, 18. 2. 1869
I. Bau der dalmatinischen Eisenbahn und Verwertung der ärarischen Waldungen in der Militärgrenze
Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z36.pdf.
II. Verwendung eines in den Händen des Militärärars befindlichen Vorrates von Brucherz zum Gusse neuer Kanonen für das Arsenal in Pola
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208 Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 2. 1869 Ministerpräsident Graf Andrässy bloß darauf Ge¬ wicht legte, daß die Äußerung des befragten Ministeriums sich jeder meri- torischen Begutachtung des beabsichtigten Antrages zu enthalten und bloß den Charakter einer Aufklärung über die Person des Auszuzeichnenden zu wahren habe, während Graf Taaffe hervorhob, wie nur wesentli¬ che Bedenken in Betracht kommen könnten, einigte sich die Konferenz über Antrag des Grafen Taaffe in dem Beschluß: 1. daß in allen Fällen der bezeichneten Kategorie mit dem jenseitigen Ministerium das Einverneh¬ men zu pflegen, das heißt, an dasselbe die Anfrage zu richten sei, ob es gegen die in Frage stehende Person irgendwelche wesentliche Bedenken habe; 2. daß solche Bedenken stets zu motivieren und wenn das antrag¬ stellende Ministerium trotzdem auf seiner Absicht beharre, die abratende Note des jenseitigen Ministeriums dem diesbezüglichen au. Vortrage beizu¬ schließen sei; 3. daß die hierauf bezügliche Korrespondenz den beiderseiti¬ gen Ministerpräsidenten obliegen solle, nachdem nach der neuen Einrich¬ tung ohnehin dies- wie jenseits der Leitha jede Ordenserwirkung im Mi¬ nisterrate zur Verhandlung zu kommen habe. Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 21. Februar 1869. Franz Joseph. Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. Februar 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (23. 2.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (23. 2.). Protokollführer: [Hofsekretär] Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: I. Bau der Dalmatinischen Eisenbahn und Verwertung der ärarischen Wal¬ dungen in der Militärgrenze. II. Verwendung eines in den Händen des Militärärars befind¬ lichen Vorrates von Brucherz zum Gusse neuer Kanonen für das Arsenal in Pola. KZ. 477 - RMRZ. 36 Protokoll des zu Wien am 18. Februar 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. I. Reichskanzler Graf Beust erbat sich das Wort, um das bereits in der Sitzung des gemeinsamen Ministerrates vom 9. d. M. ver¬ handelte Projekt des englischen Parlamentsmitgliedes Ralph Earle betref¬ fend die Kombinierung des dalmatinischen Eisenbahnbaues mit der Holz¬ ausbeutung der ärarischen Waldungen in der Militärgrenze nochmals zur <pb/>Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 2. 1869 209 Sprache zu bringen.1 Damals sei man über vorläufige Pourparlers nicht hin¬ ausgekommen; die Wichtigkeit und Dringlichkeit des Gegenstandes erheische nun aber eine definitive Einigung des Reichsministeriums, um einerseits gegenüber den politischen Anfechtungen, welche möglicherwei¬ se ungarischerseits gegen das Waldgeschäft erhoben werden könnten, Stel¬ lung nehmen, anderseits dem cisleithanischen Ministerium den Impuls zur Verhandlung über die fragliche Eisenbahn geben zu können. Letzteres sei in der Sache noch nicht schließig geworden; bei der über¬ windenden Anzahl politischer Erwägungen, die zu Gunsten einer reichsrät- lichen Konzession sprechen, lasse sich jedoch nicht bezweifeln, daß die Garantie für die das dalmatinische Territorium durchlaufende Bahnstrecke leicht zu erlangen sei. Selbstverständlich sei aber eine solche Verhandlung nur mit der Voraussetzung der Weiterführung der Bahn durch die Militär¬ grenze denkbar, für welche aus bereits früher besprochenen formellen Gründen eine Garantie nicht zu gewinnen sei. Es frage sich also, ob - um letztere Schwierigkeit auszugleichen - der Eisenbahnbau in der Militär¬ grenze mit dem lukrativen Geschäfte der Holzausbeute in Verbindung ge¬ bracht und, wenn ja, welcher Vorgang zur praktischen Verwirklichung des angeregten Projektes eingeschlagen werden solle. Die Frage sei nach meh¬ reren Seiten auch politisch wichtig und müsse daher wohl erwogen werden. Seine Majestät der Kaiser hatten die Gnade, die vom Reichskanzler angedeutete politische Wichtigkeit des Gegenstandes gleich¬ falls zu betonen. Eben deshalb empfehle es sich, jetzt schon einen Beschluß zu fassen und eine feste Grundlage für die weiteren Verhandlungen nach allen Richtungen zu gewinnen. Neben der politischen erscheine Aller- höchstdemselben auch die nationalökonomische Seite der Frage von Ge¬ wicht, da es für die Hebung der Landeskultur und für die Aufbesserung der finanziellen Erträgnisse der Militärgrenze nur von Nutzen sein könne, wenn das zum großen Teile noch tot liegende Material der Grenze zugänglich ge¬ macht und ein Schritt weiter zur Anbahnung einer Änderung in der Organi¬ sation getan werde. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Schon bei der ersten Besprechung habe er die Wichtigkeit der von Earle pro¬ jektierten Bahn anerkannt, welche einerseits in die Hauptstapelplätze des lebhaften kroatisch-slavonisch-syrmischen Handelsverkehrs führend, im Anschluß an die nächstens zum Ausbau gelangende Linie Sissek-Esseg die kürzeste und lukrativste Verbindung zwischen Spalato und dem ungari¬ schen Tieflande an der Donau und Theiß herstelle, andererseits aber eine wünschenswerte Parallelbahn zur Linie Wien--Triest bilde. Gleichwohl könne er zwei Bedenken nicht unerwähnt lassen. GMR. v. 9. 2. 1869, RMRZ. 34. <pb/>210 Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 2. 1869 Das erste bilde die Rücksicht auf die Servitutsrechte, der in die ära¬ rischen Waldungen der Militärgrenze eingeforsteten Bewohner jener Ge¬ genden, welche - wenn man ihnen auch die ungeschmälerte Belassung in ihrem Holzungsrechte, als durch den teilweisen Waldverkauf nicht berührt, gewährleiste - das Geschäft doch nur mit Mißtrauen ansehen würden. Das zweite sei das Streben des spezifisch ungarischen Einflusses, sich in die Angelegenheiten der Militärgrenze einzumengen, obschon nach den tat¬ sächlichen und durch den Ausgleich mit Ungarn nicht berührten Verhältnis¬ sen die Verwaltung der Militärgrenze in der Hand des gemeinsamen Mini¬ steriums geblieben sei.2 Die bisherigen Erfahrungen in dieser Beziehung ließen mit Sicherheit erwarten, daß der Eisenbahnbau wie der Waldverkauf in der Militärgrenze von der ungarischen Delegation nicht unberührt gelas¬ sen werde. Eine weitere Vorfrage sei die Grenzregulierung oder wenigstens Herstel¬ lung einer entsprechenden Garantie seitens der Türkei für jene Strecke, wo das türkische Gebiet berührt werde, und die frühere Sicherstellung des Kostenpunktes der projektierten Bahn, um beurteilen zu können, wie sich die wirtschaftliche Seite des mit derselben zu kombinierenden Waldge¬ schäftes gestalte. Earle habe bisher noch gar keine Detailpläne vorgelegt, was unbedingt nötig sei. Endlich müsse er auch darauf Gewicht legen, daß bei dem Waldverkauf die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen und wenigstens die Form der Kon¬ kurrenz gewahrt werde. Dies vorausgeschickt, habe er gegen die Verbindung beider Unterneh¬ mungen prinzipiell nichts einzuwenden, zumal mit Rücksicht auf die Route der projektierten Bahn, welcher er aus strategischen Gründen - da sie die Verteidigung der Küste wesentlich erleichtere - ohne Bedenken das Wort rede. Selbst in den Delegationen würde sich die in Rede stehende Un¬ ternehmung - sollte sie aufs Tapet gebracht werden - mit Aussicht auf Er¬ folg vertreten lassen, denn die deutsche Delegation werde in dem Eisen¬ bahnbau ein Mittel zur Verwirklichung des bereits in der bekannten Inter¬ pellation des Abgeordneten Skene3 zum Ausdruck gelangten Wunsches nach einer festen Verbindung Dalmatiens mit Cisleithanien erblicken, wäh¬ rend den Ungarn die Herstellung einer geraden Verbindung des mittleren Donaubeckens mit der Adria nur erwünscht sein könne. Der Ausgleich selbst, GA. XII/1867, verfügte nichts über die Militärgrenze, da aber GA. V/1848 sie als Teil Ungarns anerkannt hatte, blieb nach 1867 automatisch das 48er Gesetz in Geltung. (Der erwähnte GA. verfügt über die Wahl der Reichstagsab¬ geordneten und erwähnt unter ihnen auch die aus der kroatischen Militärgrenze zu entsendenden Delegierten.) Im kroatischen Ausgleich von 1868 übernahm Ungarn aber die Verpflichtung, auf die Vereinigung der Gesetzgebung und Verwaltung der Militär¬ grenze mit Kroatien zu drängen: GA. XXX/1868. 3 Siehe GMRProt. v. 4. 1. 1869, RMRZ. 29. Anm. 15. <pb/>Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 2. 1869 211 Seine Majestät der Kaiser geruhten anzudeuten, daß das vom Kriegsminister erwähnte internationale Einvernehmen mit der Tür¬ kei sich leicht werde hersteilen lassen. Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Es sei notwendig, sich über die vom Kriegsminister angedeuteten staatsrecht¬ lichen Bedenken klar zu werden. Was zunächst den Eisenbahnbau in der Militärgrenze betreffe, so sei Vortragender des Erachtens, daß die Kon- zessiotiierung nach dem heutigen Stande der Dinge unzweifelhaft zu dem administrativen Ressort des gemeinsamen Kriegsministeriums gehöre, rücksichtlich im Schoße des gemeinsamen Ministerrates zu verhandeln und von Seiner Majestät ohne Ingerenz eines Vertretungskörpers zu genehmi¬ gen sei, zumal wenn - wie es hier geschieht - eine eigentliche Garantie für die Unternehmer nicht verlangt werde. Anbelangend dagegen das Wald¬ geschäft, so ließen sich die staatsrechtlichen Schwächen desselben nicht nur nicht verkennen, sondern es scheine ihm auch wahrscheinlich, daß sich die ungarische Delegation oder wenigstens Finanzminister Lönyay dessel¬ ben bemächtigen werde, welcher nur so lange die Militärgrenze passiv sieht, den Einkünften derselben keine besondere Aufmerksamkeit schenke, im Falle eines durch das Waldgeschäft herbeigeführten günstigen Um¬ schwunges in der Bilanz aber gewiß nicht unterlassen werde, ein etwaiges Plus für die auf Ungarn entfallende Quote zu den Armeeauslagen in An¬ spruch zu nehmen. Gleichwohl aber glaube er, daß sich der Waldverkauf selbst gegen staatsrechtliche Anfechtungen werde schützen lassen, wenn er mit der Eisenbahn für die Militärgrenze in Zusammenhang gebracht wird. Allerdings habe der Kriegsminister darin Recht, daß das unerläßliche ziffermäßige Substrat für eine solche Kombinierung noch nicht vorliege, demgegenüber sei aber zu bedenken, daß es sich heute auch noch nicht um die Details, sondern vorerst um das Prinzip handle: wie hinsichtlich der Bahnführung in die Militärgrenze die Grundlage geschaffen werden solle? Vorläufig genüge es, wenn dem Unternehmer Earle die Zusicherung ge¬ macht werde, daß weder das Holzgeschäft, noch die Eisenbahnkonzession einseitig vergeben werden, in welchem Falle sich derselbe anheischig ma¬ che, innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Spezialstudien zu machen und dann mit bestimmten Vorschlägen in beiden Richtungen her¬ vorzutreten, welche die Regierung sodann annehmen oder verwerfen könne. Das Geschäft der Waldausbeutung in der Militärgrenze erscheine übri¬ gens so bedeutend, daß es weit über den Rahmen einer gewöhnlichen ad¬ ministrativen Maßregel hinausreiche und durch seinen Einfluß auf das Mili¬ tärbudget überhaupt, sowie als Deckung für vorläufig dem Stellvertreter¬ fond4 entnommenen Geldmittel anläßlich der Budgetüberschreitung des 4 Über den Stellvertreterfond siehe GMRProt. v. 30. 6. 1868, RMRZ. 18. Anm. 5. Kriegs¬ minister Kuhn war der Ansicht: Der Fond gehöre faktisch der gemeinsamen Armee und sei zur Gewinnung und Erhaltung tüchtiger Unteroffiziere bestimmt. GMR. v. 2. 8. 1869, RMRZ. 57. <pb/>212 Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 2. 1869 Jahres 1868, vor allem aber als mögliche Ressource für eventuelle außeror¬ dentliche Staatsbedürfnisse den Charakter einer politisch-finanziellen Ma߬ regel gewinne, deren Durchführung das Gesamt-Reichsministerium auf das Lebhafteste interessiere.5 Namentlich die letztere Eventualität müsse Vor¬ tragender besonders scharf ins Auge fassen. Die europäische Lage sei derart, daß man den Gedanken nicht von sich weisen könne, sich Kreditmittel für den Fall zu sichern, wo die Verhältnisse geheime Rüstungen zu einer Zeit erfordern sollten, in welchen der Aufse¬ hen und Beunruhigung der Gemüter verursachende Appell an die Vertretun¬ gen sich noch als verfrüht darstellen sollte. Der unvorbereitete Zustand, in dem uns das Jahr 1866 traf, möge zur Warnung dienen. Mit Rücksicht auf diese Eventualität sei es von Gewicht, mit wem man wegen des Unterneh¬ mens in Unterhandlung trete, und es könne dies nur eine vollkommen ver¬ läßliche Persönlichkeit sein. Deshalb solle wohl die Form der Konkurrenz gewahrt, aber das Geschäft doch nur mit jener abgeschlossen werden, wel¬ che alle Bedingungen erfüllt, denn die im allgemeinen wohl richtigen Be¬ merkungen des Kriegsministers über die notwendige Öffentlichkeit bei ge¬ wöhnlichen Lieferungsgeschäften könnten hier bei der heiklen politischen und staatsrechtlichen Natur des Gegenstandes nicht unbedingte Beachtung finden. Aus diesem Grunde und in Hinblick auf den staatsfinanziellen Zweck des Verkaufes der Waldungen sei auch eine kleinweise Hintangabe des Geschäftes nicht tunlich und müsse man sich an einen Unternehmer, der dasselbe im großen und ganzen übernimmt, halten. Reichskanzler Graf Beust deutete auf die mögliche Oppo¬ sition der um ihre Servitutsrechte besorgten Grenzer hin, welche dem Un¬ ternehmen nicht minder gefährlich werden könnte wie die staatsrechtlichen Anfechtungen der ungarischen Opposition. Nach seiner Meinung müsse dasselbe zunächst unter der Grenzbevölkerung mit Hinweis auf die dadurch ermöglichte Eisenbahn und die daraus fließenden Vorteile populär gemacht werden, um sofort der Opposition Ungarns entgegentreten zu können. Seine Majestät der Kaiser geruhten hierauf anknüp¬ fend an die Bemerkung des Finanzministers über die nötige Offenhaltung eventueller Kreditmittel den Mittelzustand darzulegen, der zwischen dem wirklichen Kriegsausbrüche und der bloß drohenden Kriegsgefahr liege, der aber immerhin von langer Hand vorzubereitende, jedoch geheimzu¬ haltende Rüstungen erheische. Allerhöchstderselbe verstehe darunter weni¬ ger die Augmentationsanschaffungen, die in verhältnismäßig kurzer Zeit vor sich gehen könnten, als die zum mindesten acht Wochen in Anspruch nehmende Einübung der einzuberufenden Mannschaft, deren Beköstigung Über die Budgetüberschreitung des Jahres 1868: GMR. v. 21. 10. 1868, RMRZ. 21; GMR. v. 3. 11. 1868, RMRZ. 23; GMR. v. 14. 11. 1868, RMRZ. 24; GMR. v. 17. 11. 1868, RMRZ. 25. <pb/>Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 2. 1869 213 sodann in dem auf den Friedensstand berechneten Budget keine Bedeckung finden werde. Biete nun das proponierte Waldgeschäft die Aussicht, daß dabei für den Fall solcher Rüstungen noch eine reine Summe für den Kriegsminister erübrige, so sei dasselbe nicht von der Hand zu weisen. Es frage sich nur, ob man bereits Anhaltspunkte für eine Berechnung des Walderlöses habe, worauf der Reichskriegsminister Frei¬ herr v. Kuhn den beiläufigen Erlös auf 20 Millionen Gulden an¬ gab, die jedoch nach dem Abstattungsplane sich auf zwanzig Jahre verteilen und wovon der ratenweise Rückersatz des dem Stellvertreterfond entnom¬ menen Vorschusses in Abschlag zu bringen sei. Seine Majestät der Kaiser geruhten sonach mit der Be¬ merkung fortzufahren, daß jedenfalls auch ein Finanzplan über die Ausnützung der Waldungen festgestellt und dabei die Idee ausgesponnen werden solle, wie und bis zu welchem Betrage der Kriegsminister im Bedarfsfälle vom Unternehmer Vorschüsse auf den fällig werdenden Erlös beheben könne. Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Es sei dies eine Sache höchsten Vertrauens, die seinerzeit nur mit dem Erstehen des Geschäftes abgemacht werden könne. Der materielle Nutzen werde sich in Hinblick auf diese Eventualität etwas geringer darstellen, dieser Ausfall aber durch die mit der Eisenbahn verbundene Hebung der sonstigen Er- tragsfahigkeit der Militärgrenze bei weitem überwogen werden. Hier müsse er noch bemerken, daß mit den Einleitungen des Geschäftes nicht weiter gezögert und die in der Dauer ungewissen, dermalen günstigen Chancen des Geldmarktes nicht unbenutzt gelassen werden sollten. Ein rasches Vorge¬ hen sei auch deshalb nötig, weil Earle bereits Miene mache, sich mit der Anglo-Austrian Bank in Verbindung zu setzen, und es wünschenswert sei, mit ihm allein zu tun zu haben. Es möge daher jemand die Sache in die Hand nehmen, und mit Earle vorläufig einen Vertrag abschließen, auf Grund dessen derselbe die nötigen Vorarbeiten beginnen könne. Nachdem noch der Reichskriegsminister Freiherr v . Kuhn hervorgehoben, daß hierin ein einvernehmlicher Vorgang des Reichsfinanz- und des Reichskriegsministers angezeigt erscheine, während der Reichskanzler darauf hinwies, wie die Sache anzufassen sei, damit von Earle ein möglichst günstiges Anbot erzielt und derselbe nicht etwa darauf hingeleitet werde, sich für den Mangel einer Garantie für die das Gebiet der Militärgrenze durchlaufende Bahnstrecke durch niedere Kaufbedingungen beim Waldgeschäfte schadlos zu halten, geruhten Sei¬ ne Majestät der Kaiser über Einigung der Votanten Ag. zu genehmigen: 1. daß der Eisenbahnbau in der Militärgrenze mit der Holzausbeutung in den dortigen ärarischen Waldungen im Zusammenhänge behandelt und - selbstverständlich ohne Präjudiz - auf Grundlage des von Earle eingebrachten Projektes vorgegangen werden solle, 2. daß die hierauf bezüglichen Verhandlungen aus den heute zur Sprache gekommenen Grün- <pb/>214 Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 2. 1869 den in den Händen des Reichsministeriums zu konzentrieren und die vor¬ läufigen Pourparlers sowie die effektive Anbahnung des Geschäftes mit Earle dem Reichsfinanzminister zu übertragen sei, welcher, sobald die De¬ tailarbeiten und Anträge des Unternehmers Earle vorliegen, über die An¬ nahme oder Verwerfung eine kommissioneile Beratung, für welche in Ver¬ tretung des Reichskriegsministers Oberst König6 und ein höherer Inten¬ danturbeamter in Aussicht genommen wurden, anzuberaumen habe, 3. daß die eventuelle Vorschußerteilung an den Kriegsminister und deren Bedin¬ gungen seinerzeit jedenfalls vertragsmäßig sicherzustellen sei.7 II. Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke bat noch einen Gegenstand zur Sprache bringen zu dürfen. Er sei nämlich vom Kriegsminister in einer Note um die Zustimmung angegangen worden, daß ein in den Händen des Militärärars befindlicher Vorrat von Brucherz im Werte von 200 000 fl. zur Anschaffung von Hinterladekanonen für das Arsenal in Pola verwertet werde. Obschon er von seinem Standpunkte ge¬ gen diese gewiß zweckmäßige Maßregel nichts einzuwenden habe, so müs¬ se er doch auf das Inkonstitutionelle eines solchen Vorgangs aufmerksam machen, welcher die vorherige Zustimmung der Delegationen erheische. Mit Rücksicht auf dieses formelle Bedenken könne er daher die gewünschte Zustimmung nur über Ah. Ermächtigung und in Voraussetzung der eventu¬ ellen solidarischen Vertretung des Reichsministeriums erteilen. Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Streng¬ genommen müßte, wenn das angehäufte Brucherz verwertet werden soll, allerdings der Erlös in Einnahme gestellt und die Anschaffung der für die Küstenbefestigung an einigen dalmatinischen Inseln benötigten Kanonen von den Delegationen früher genehmigt werden, allein prinzipiell werde die Delegation gegen die benötigten Hinterlader nichts einzuwenden haben, da dieses Erfordernis schon bei der letzten Budgetberatung in Anspruch ge¬ nommen und nicht aus sachlichen Gründen, sondern nur aus Erspa¬ rungsrücksichten gestrichen worden sei.8 Schaffe er nur durch den Umguß oder Verkauf des Brucherzes, welches ohne Verantwortlichkeit ebensogut auch unverwertet gelassen werden könne, die Mittel zur Beistellung der Kanonen, so werde dies billig wohl nicht angefochten werden können. Gustav Freiherr v. König (1825-1909), Oberst, 1868 Vorstand der 10. Abteilung im Reichskriegsministerium. Über den Plan der dalmatinischen Eisenbahn und ihren schließlichen Mißerfolg: Karaman, Problemi privrednog razvitka Dalmacije pod austrijskom upravom 266-290; neuestens ValentiC, Das Eisenbahnnetz in der Militärgrenze 118-124. Siehe: A közös Ogyek tArgyalAsAra a magyar orszdggyüles ältal kiküldött s Öfels6ge ältal folytatölag 1868 november 12-kere Pestre összehIvott bizottsAg jegyzökönyvei 24-27. <pb/>Nr 37 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. 2. 1869 215 Es sei überhaupt ein Übelstand, daß das Kriegsministerium mit den zahl¬ reich vorhandenen brachliegenden Objekten, wie es z. B. mit vielen un¬ benutzten Militärgebäuden und Gründen der Fall sei, nicht frei verfügen könne. Das Militärärar wäre oft in der Gelegenheit, solche Objekte ökono¬ misch verwerten zu können, während dieselben bei der jetzigen Einrichtung oft ohne Vorteil verschleudert werden oder zu Grunde gehen. Es scheine ihm daher wünschenswert über die Art der Benutzung sämtlicher Objekte der bezeichneten Kategorie genau Kenntnis zu erlangen und in Evidenz zu bleiben. Mit Rücksicht auf die vom Kriegsminister gegebene Aufklärung hatte Seine Majestät der Kaiser die Gnade, die vom Reichs- fmanzminister gewünschte Ermächtigung zu erteilen, und geruhte noch die Notwendigkeit anzudeuten, daß die Landesministerien bezüglich der in den beiden Reichshälften befindlichen Militärgebäude und Gründe nicht einsei¬ tig vergehen, letztere vielmehr gemeinsam verwaltet und ihr Erträgnis, wenn auch nicht - was das Natürlichste wäre - dem Militärärar, so doch wenigstens den gemeinsamen Finanzen zustatten komme. Womit Seine Majestät die Beratung zu schließen geruhten. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 26. Februar 1869. Franz Joseph. Nr. 37 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 27. Februar 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (3. 3.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (3. 3.). Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Waldverkauf in der Militärgrenze. KZ. 479 - RMRZ. 37 Protokoll des zu Wien am 27. Februar 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. Seine Majestät der Kaiser geruhten die Mitteilung zu machen: es seien Allerhöchstdemselben mit einem au. Vortrage des ungari¬ schen Ministerpräsidenten Graf Andrässy1 zwei an letzteren gerichtete Zu- 1 Au. Vortrag von Andrässy v. 23. 2. 1869 betreffend die Verwertung der in der kroatisch- slavonischen Militärgrenze gelegenen Waldungen. HHStA., Kab.Kanzlei, KZ. 684/ 1869. <pb/>