Gemeinsamer Ministerrat, 12. 2. 1869
I. Feststellung des Vorganges bei Erwirkung Ah. Auszeichnungen für Inländer, welche nicht dem Bereiche des antragstellenden Ministeriums angehören
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206 Nr. 35 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 2. 1869 eilen Frage zuerst aus den Journalen erfahren wird. Immerhin dürfte es aber an der Zeit sein, daß die Frage der Holzausbeutung in der Ministerkon¬ ferenz eingehend nach allen ihren Seiten erörtert werde. Schließlich dürfte nicht unbemerkt bleiben, daß auch der bekannte unga¬ rische Parteimann Türr mit dem Projekte einer Eisenbahn hervorgetreten ist, die von Esseg nach Brod, von da durch einen Teil Bosniens über Livno nach Spalato gehen soll. Diese Bahnlinie kann weder der Militärgrenze noch Dalmatien konvenieren; da sie aber ein spezifisch ungarisches Interes¬ se (die nächste Verbindung von Südungam mit Spalato) fordert und nach der Parteistellung und dem Einflüsse des Konzessionswerbers vielen An¬ hang findet, so scheint es rätlich, baldmöglichst durch einen bestimmten Entschluß allen weiteren Velleitäten dieser Art einen Riegel vorzuschieben. Nr. 35 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. Februar 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (17. 2.), der Reichskriegs¬ minister [FML.] Freiherr v. Kuhn (18. 2.), der k. k. Ministerpräsidentenstellvertreter Graf Taaffe, der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy. Protokollführer: Hofsekretär Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: Feststellung des Vorganges bei Erwirkung Ah. Auszeichnungen für Inländer, welche nicht dem Bereiche des antragstellenden Ministeriums angehören. KZ. 474 - RMRZ. 35 Protokoll des zu Wien am 12. Februar 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Grafen v. Beust. Reichskanzler Graf Beust: Es sei eine keineswegs ver¬ wickelte Sache, um die es sich heute handle, die aber gleichwohl pro¬ tokollarisch festgestellt werden möge. Finanzminister Lönyay habe ihm nämlich eine Note übersendet, worin anläßlich des nunmehr zum Abschluß gelangten Geschäftes, betreffend das ungarische Eisenbahnanlehen, mehre¬ re Personen, welche sich um das Zustandekommen dieses Geschäftes ver¬ dient gemacht haben, zur Erwirkung von Orden und Dekorationen in Antrag gebracht werden. Unter den Vorgeschlagenen befänden sich neben mehre¬ ren Pariser Finanzmännem auch zwei Wiener, nämlich der Bankier Gustav Springer und der Journalist Gustav Schlesinger.1 Menyhert Lönyay (1822-1884), ungarischer Finanzminister. Vgl. au. Vortrag des Mini¬ sters des Äußern v. 22. 2. 1869 mit den vom ungarischen Finanzminister auf Ah. Befehl angeregten au. Anträgen, denjenigen Personen, welche sich um die Emission des ungari- <pb/>Nr. 35 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 2. 1869 207 Was nun die Ausländer betreffe, so glaube er keinem Widerspruche zu begegnen, wenn er die ressortmäßige Befugnis zur au. Vortragserstattung für sich als Minister des Äußern in Anspruch nehme. Aber anders verhalte es sich mit Springer und Schlesinger, welche der diesseitigen Reichshälfte angehören und rücksichtlich welcher daher das cisleithanische Ministerium bei dem vom Finanzminister Lönyay ausgegangenen Anträge möglicher¬ weise mitinteressiert sein könne.2 Dieser Umstand führe ihn zur Erkenntnis des notwendigen Einverständnisses unter den beiden Landesministerien in Fällen, wo eines derselben für Verdienste, die der ihm unterstehenden Reichshälfte zustatten kommen, jemanden zu einer Ah. Auszeichnung zu beantragen beabsichtigt, der nach seiner Landesangehörigkeit dem Berei¬ che des anderen Ministeriums untersteht. Das Recht der Initiative und selbständigen Vertretung seines Vorhabens könne dem antragstellenden Ministerium gewiß nicht bestritten werden, aber anderseits müsse zugegeben werden, daß ein solcher Antrag mögli¬ cherweise dem Ministerium der anderen Reichshälfte Verlegenheiten berei¬ ten könne, wenn es sich um Personen handelt, welche wegen ihrer von der Politik des Ministeriums abweichenden politischen Tendenzen sich mit demselben geradezu in Opposition befinden oder in sonstiger Beziehung anrüchig und für eine Ah. Auszeichnung nicht geeignet erscheinen. Es komme also darauf an, das angedeutete Recht der selbständigen An¬ tragstellung mit der gebotenen Rücksicht auf etwaige Bedenken des ande¬ ren Ministeriums praktisch in Einklang zu bringen. Hiefür scheine sich ihm der Vorgang zu empfehlen, daß zwischen den beiden Landesministerien von Fall zu Fall das Einvernehmen gepflogen werde, wobei es in der Natur der Sache liege, daß das um seine Äußerung befragte Ministerium sich eben- sowie in eine, lediglich dem antragstellenden Ministerium obliegende Erör¬ terung der objektiven Würdigkeit einzulassen habe, als es sich bei etwaigen Bedenken von nebensächlichen Konnivenzen leiten lassen solle. Eine weitere Frage sei noch die, wie der diesfallige Verkehr unter den beiden Ministerien formell zu regeln sei. Nach einer kurzen Diskussion, wobei sich sämtliche Ansichten in einer mit den Auseinandersetzungen des Reichskanzlers konformen Auffassung begegneten und in deren Verlaufe sehen Eisenbahnanlehens in Paris und Wien besondere Verdienste erworben haben. Ah. Ordensauszeichnungen Ag. zu verleihen. HHStA., Kab.Kanzlei, KZ. 651/1869. Bankier Gustav Springer (1842-1920) hat das Bankhaus ,,Max Springer" gegründet. Baron Eötvös kgl. ung. Kultusminister an Beust v. 6. 3. 1869 HHStA., PA. I, Karton 558, Nr. 228/1869; Beust an Eötvös 11. 3. 1869 ebd. Die Dienste Schlesingers, eines in Wien wohnhaften preußischen Schriftstellers, in Sachen des Eisenbahnkredits wurden auch im ungarischen Ministerrat erwähnt: 11. 3. 1869 MT. 15/1869, OL., K-27. Die Frage behandelte auch der ungarische Ministerrat: 1. 3. 1869 MT. 12/1869, OL., K-27. <pb/>208 Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. 2. 1869 Ministerpräsident Graf Andrässy bloß darauf Ge¬ wicht legte, daß die Äußerung des befragten Ministeriums sich jeder meri- torischen Begutachtung des beabsichtigten Antrages zu enthalten und bloß den Charakter einer Aufklärung über die Person des Auszuzeichnenden zu wahren habe, während Graf Taaffe hervorhob, wie nur wesentli¬ che Bedenken in Betracht kommen könnten, einigte sich die Konferenz über Antrag des Grafen Taaffe in dem Beschluß: 1. daß in allen Fällen der bezeichneten Kategorie mit dem jenseitigen Ministerium das Einverneh¬ men zu pflegen, das heißt, an dasselbe die Anfrage zu richten sei, ob es gegen die in Frage stehende Person irgendwelche wesentliche Bedenken habe; 2. daß solche Bedenken stets zu motivieren und wenn das antrag¬ stellende Ministerium trotzdem auf seiner Absicht beharre, die abratende Note des jenseitigen Ministeriums dem diesbezüglichen au. Vortrage beizu¬ schließen sei; 3. daß die hierauf bezügliche Korrespondenz den beiderseiti¬ gen Ministerpräsidenten obliegen solle, nachdem nach der neuen Einrich¬ tung ohnehin dies- wie jenseits der Leitha jede Ordenserwirkung im Mi¬ nisterrate zur Verhandlung zu kommen habe. Womit die Sitzung geschlossen wurde. Beust Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen. Wien, 21. Februar 1869. Franz Joseph. Nr. 36 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 18. Februar 1869 RS. (und RK.) Gegenwärtige: der Reichskanzler Graf Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (23. 2.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (23. 2.). Protokollführer: [Hofsekretär] Freiherr v. Konradsheim. Gegenstand: I. Bau der Dalmatinischen Eisenbahn und Verwertung der ärarischen Wal¬ dungen in der Militärgrenze. II. Verwendung eines in den Händen des Militärärars befind¬ lichen Vorrates von Brucherz zum Gusse neuer Kanonen für das Arsenal in Pola. KZ. 477 - RMRZ. 36 Protokoll des zu Wien am 18. Februar 1869 abgehaltenen Ministerrates für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kaisers. I. Reichskanzler Graf Beust erbat sich das Wort, um das bereits in der Sitzung des gemeinsamen Ministerrates vom 9. d. M. ver¬ handelte Projekt des englischen Parlamentsmitgliedes Ralph Earle betref¬ fend die Kombinierung des dalmatinischen Eisenbahnbaues mit der Holz¬ ausbeutung der ärarischen Waldungen in der Militärgrenze nochmals zur <pb/>