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Gemeinsamer Ministerrat, 11. 7. 1868

I. Überschreitungen im Militärbudget

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z19.pdf.

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   Im übrigen müsse er erklären, daß er keineswegs im Prinzip gegen die
Inanspruchnahme eines Nachtragskredits sei, sondern daß er einen solchen
im vorliegenden Falle für kaum zu umgehen erachte. Es komme eben alles
auf die Gründe an, womit man eine solche Forderung zu unterstützen ver¬
möge. Werde ein Teil der Summe durch Verkauf von Waldungen in der
Militärgrenze gedeckt und fanden namentlich zur Erntezeit Beurlaubungen
im größeren Maßstabe statt, was nicht verfehlen könne, auf die öffentliche
Meinung einen sehr günstigen Eindruck hervorzubringen, so zweifle Vor¬
tragender keineswegs daran, daß ein sich nur auf den Restbetrag beziehen¬
der Nachtragskredit bei den Delegationen durchgebracht werden könne.

   Es wurde beschlossen, gegenwärtiges Protokoll Seiner Majestät dem
Kaiser mit der untertänigsten Bitte zu unterbreiten, über die darin berührten
Gegenstände unter Ah. Vorsitze Anfang kommender Woche eine Sitzung
abhalten zu lassen.6

                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 7. Juli 1868. Franz Joseph.

           Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. Juli 1868

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Freiherr v. Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr v.
Becke (14. 7.), der Reichskriegsminister FML. Freiherr v. Kuhn (18. 7.), Generalkriegs¬
kommissär Früh.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: Überschreitungen im Militärbudget.

   KZ. 2065 - RMRZ. 19
   Protokoll des zu Wien am 11. Juli 1868 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des Kai¬
sers.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn be¬
merkte, daß es dringlich sei, eine Bedeckung für den Abgang zu finden,
welcher sich durch Überschreitung der Ziffer des Militärbudgets im ersten
Halbjahr 1868 ergebe.1

   Generalkriegskommissär Früh führte dann weiter
aus, daß es sich um eine Differenz von 3 700 000 fl. handle, worin ein

6 GMR. v. 11. 7. 1868, RMRZ. 19.
1 Darüber auch GMR. v. 30. 6. 1868, RMRZ. 18.
<pb/>96 Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 7. 1868

Mehrbedarf für Pensionen von nahezu einer Million begriffen sei. Die
anderweitigen Überschreitungen seien durch Preissteigerungen entstanden,
wobei Perzentualabschläge nicht übersehen werden dürften. Möglich, daß
sich der Ausfall schließlich nicht so hoch belaufen werde, in dem Falle
nämlich, wenn günstige Konjunkturen eine große Besserung in den
Getreideankäufen &quot;und Verpachtungen der Verpflegung dann bei der
Mannschaftsmenage&quot; als tunlich erscheinen ließen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Die
im September d.J. auszuführenden Reduktionen seien bei der Bemessung
obigen Ausfalles bereits in Anschlag gebracht. Es handle sich um die
Schlagfertigkeit der Armee; wolle man noch weiter gehen, so müsse man
zur Auflösung ganzer Körper schreiten. Im Vergleiche mit dem vorigen Jah¬
re seien heuer 8-10 Millionen erspart worden. Vom halben September an
über den Winter könne man die Kompagnie auf 50 Mann reduzieren.

   Seine Majestät der Kaiser geruhten zu bemerken, daß
mit Herabsetzung des Standes nicht gleichmäßig, sondern nach den
Gamisonsverhältnissen vorzugehen sein werde. Während des Winters
könnten selbst noch größere Reduzierungen eintreten, als die vom Kriegs¬
minister bezeichneten.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke war
des Dafürhaltens, daß in das nächste Budget jedenfalls 70 Mann pro
Kompagnie eingestellt und von den Delegationen verlangt werden sollen;
werde diese Ziffer bewilligt, so käme dem Budget durch die Reduzierungen
in den Wintermonaten eine nicht unbedeutende Ersparnis zugute. bDoch
wäre nicht zu übersehen, daß diese Rückwirkungen der Ersparnisse des
Dienstes 1869 auf den Dienst 1868 von den Delegationen jährlich nicht
ohne weiteres zugestanden werden würden, daher der Erfolg der
proponierten Maßregel bezüglich der Deckung des jetzigen Ausfalls im¬
merhin ein sehr zweifelhafter bleibtb.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Was die auswär¬
tige Frage angehe, so werde das nächste Frühjahr für die Lage der Dinge
entscheidend sein; dasselbe werde entweder Krieg, und daher für uns die
Notwendigkeit einer militärischen Aufstellung, oder die Entwaffnung brin¬
gen. In dieser Voraussetzung müsse man sich auf Rüstungen einrichten und
durchzusetzen trachten, was man dazu braucht. Hieraus folge zunächst, daß
man vor allem dahin streben müsse, in die Beratungen über das Wehrgesetz
nicht störend einzugreifen, da von einem günstigen Resultat derselben alles
abhänge.

    Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Bei
den bestehenden verfassungsmäßigen Verhältnissen sei er absolut verhin-

a-a Einfügung Frühs.
b-b Einfügung Beckes.
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dert, über die bewilligten 67 Millionen hinaus etwas zu verabfolgen. Bis zu
dieser Ziffer dürfe und werde er anweisen, ohne sich an gleiche Raten
skrupulös zu halten. Werde aber nicht Vorsorge getroffen, so sei die Gefahr
vorhanden, daß im letzten Monate die Dotation nicht in ausreichendem
Maße gegeben werden könne und daß daher die Soldaten ihre Löhnung
nicht vollständig erhalten. Es ergebe sich aus einem solchen Zustande zwar
allerdings eine Art Zwangslage für die Delegationen, einen geforderten
Nachtragskredit nicht zu verweigern, aber aus dem Schoße derselben wür¬
den die heftigsten Vorwürfe gegen das Ministerium wegen liederlicher
Wirtschaft geschleudert werden. Man müsse daher jedenfalls den Delega¬
tionen den Nachweis zu liefern vermögen, daß man das möglichste getan
habe. Sei die Summe für die Pensionisten wirklich falsch veranschlagt wor¬
den, so könne eine auf den realen Bedarf gegründete Forderung keinem be¬
gründeten Anstande begegnen. Auch Vortragender sei der Ansicht, daß das
Zustandekommen des Wehrgesetzes nicht in Frage kommen dürfe, [sic!]
Für den Augenblick sei die geforderte Summe verfügbar; werde aber nicht
der Abgang rechtzeitig bedeckt, so sehe Vortragender voraus, daß im No¬
vember ein großer Sturm entstehen werde, wofür er im voraus jede Verant¬
wortung ablehnen müsse. Der Stellvertreterfond könne ebenfalls ins Mit¬
leid gezogen werden, um einen Teil der fehlenden Summe aufzubringen.2

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Man
habe auf eine Verwertung der Forste in der Militärgrenze hingedeutet, die
bezügliche französische Gesellschaft habe aber ihr Angebot zurückgezo¬
gen.3 Wahrscheinlich würde das Ärar bei einem solchen Handel zu kurz
kommen; es sei daher besser, eine Manipulation mit dem Stellvertreterfond

vorzunehmen.
   R e i c h s f i n a n z m i n i s t e r Freiherr v. Becke:

Würde man bei dem Verkauf der Staatswaldungen in der Militärgranze den
Lokalautoritäten einen maßgebenden Einfluß einräumen wollen, so seien
tausend Schwierigkeiten vorauszusehen. Man müsse von hier aus eine ver¬
traute Person schicken, welche nach vorgenommener Besichtigung ihre
Vorschläge mache. Vortragendem schienen die Anträge des Engländers
Brandeis sehr räsonabel.4 Man könne sich auf diese Art im administrativen

2 Über den Stellvertreterfond siehe GMRProt. v. 30. 6. 1868, RMRZ. 18. Anm. 5.
3 Über das Angebot derfranzösischen Firma siehe GMR. v. 30. 6. 1868, RMRZ. 18.
4 Die Firma Brandeis hatte schon im Frühjahr Interesse am Kauf der Wälder in der

       Militärgrenze bezeigt und darüber das Außenministerium schon am 18. 3. 1868 eine
       Note an das Finanzministerium gerichtet. Siehe Präsidialsektion des Ministeriums des
       Äußern an Reichskriegsminister Kuhn v. 7. 7. 1868 HHStA., PA. I, Karton 551, Nr. 773.
        Über die weiteren finanziellen Bezüge der Frage: Reichskriegsminister an Reichs¬
       finanzminister v. 30. 9. 1868; Reichsfinanzminister an Reichskriegsminister v.
       5. 10. 1868 FA., Pr./1868 (Fase. 18.20.) Nr. 6417. Über das Kreditangebot des Londo¬

       ner Bankhauses Brandeis: GMR. v. 24. 1. 1868, RMRZ. 7.
<pb/>98 Nr. 19 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 11. 7. 1868

Wege Vorschüsse verschaffen, ohne jemand deshalb befragen zu müssen.
Eine bis 2 Millionen würde man dabei ohne Schwierigkeit herausbringen
können.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust sprach sich für
die Ansicht des Freiherm v. Becke aus. Die Propositionen von Brandeis
seien annehmbar, und zur Sicherung der staatlichen Interessen könne man
eine wirksame Kontrolle daneben setzen. Die Situation erheische, daß rasch
gehandelt werde. Könne man den Delegationen nachweisen, daß man sich
die äußerste Mühe gegeben habe, die Überschreitung so gering als möglich
erscheinen zu lassen, so werde man für einen den Rest betreffenden Nach¬
tragskredit gewiß die Zustimmung erlangen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn mach¬
te den Einwand, daß die Absicht, die Staatswaldungen in der Militärgrenze
zu verkaufen, publik werden und von ungarischer Seite eine Reklamation
dagegen hervorrufen würde.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust hob demgegen¬
über hervor, daß gerade, weil es sich um ein gemeinsames Objekt - die
Armee - handle, der Verkauf der Waldungen auch Ungarn gegenüber um so
passender sein würde.

   Nachdem Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn
noch einmal auf den Stellvertreterfond hingewiesen hatte, äußerte sich
Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke dahin,
daß man in dieser Beziehung allerdings die freieste Hand habe. Man dürfe
aber nicht vergessen, daß es sich des Rechtspunktes halber doch immer nur
um einen Vorschuß handeln könne. Die Frage sei nun: Wer zahlt zurück?
Sollte dies durch einen Zuschlag zum Budget geschehen, so sei die Bewilli¬
gung der Delegation notwendig, und man komme auf diese Art aus der
Schwierigkeit nicht heraus. Vortragender sei demnach cnur im Notfälle0 da¬
für, daß beide Mittel, nämlich der Verkauf der Staatswaldungen und die
Manipulation mit dem Stellvertreterfondd, kombiniert und von letzterem
&#39;jedenfalls0 nur ein Vorschuß erhoben werden solle.

   Seine Majestät der Kaiser geruhten zu bemerken, daß
in Anbetracht der dargelegten Verhältnisse der Verkauf der Staats¬
waldungen ohne weiteres mit Energie in Angriff zu nehmen sei. Die Lei¬
tung der Angelegenheit sei Oberst König anzuvertrauen,5 welcher in der
Weise zu instruieren sein wird, daß er sich aus der glücklichen und erfolg¬
reichen Durchführung der Maßregel ein Verdienst mache.

^ Einfügung Kuhns.
d Korrektur Kuhns aus wenn nötig.
M Einfügung Kuhns.

5 Gustav Freiherr v. König (1825-1909) wurde 1868 Vorstand der 10. Abteilung im
       Reichskriegsministerium.
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   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn wies
darauf hin, daß das Kriegsbudget um 4 bis 5 Millionen erhöht werden mü߬
te, um die Armee in vollkommen schlagfertigem Stande zu erhalten. Das
nächste Jahr, in welchem sich alle Ersparungen wirksam zeigen sollen, be¬
trage das Militärbudget 74 Millionen brutto, 67 Millionen netto. Hiebei sei
der Stand der Kompagnie jedoch nur mit 50 Mann für die Infanterie, 60
Mann bei den Jägern angenommen. Selbst mit 77 Millionen brutto sei es
möglich, das Auskommen zu finden, wenn die Lebensmittelpreise sich
nicht in außerordentlicher Weise erhöhen. Sollen aber gar, wie das
cisleithanische Ministerium wolle, noch 10 Millionen abgestrichen werden,
so bleibe gar nichts übrig, als 30 Regimenter zu entlassen.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Die Angelegen¬
heit wegen Verkaufs der Staatswaldungen sei in einer Art einzuleiten, daß
in der Grenze selbst, mit Ausnahme gewisser Ermittlungen, nichts transpi¬
riere. Habe dann das Wehrgesetz die Vertretungskörper passiert, so sei un¬
mittelbar zum definitiven Abschlüsse des Vertrages zu schreiten.

   Seine Majestät der Kaiser geruhten hierauf das Resul¬
tat der Beratungen dahin zusammenzufassen: Es sei zur Bedeckung der im
Kriegsbudget im Jahre 1868 vorkommenden Überschreitungen: I. der Ver¬
kauf der Staatswaldungen in der Militärgrenze vorzunehmen; II. vom Sep¬
tember d. J. an der Stand der Mannschaft an den Orten, wo es tunlich, selbst

noch unter das von dem Kriegsminister beantragte Ausmaß zu reduzieren
und III. wenn unbedingt notwendig, auf den Stellvertreterfond einen Vor¬
schuß aufzunehmen.6

   Die hierauf von dem Reichsfinanzminister erbetene Ah.
Entscheidung, ob er sich für ermächtigt halten dürfte, dem Kriegsmini¬

sterium die augenblicklich vorhandene Überschreitung von 1 230 000 fl.
sofort, innerhalb des Rahmens der von der Delegation bewilligten Ge¬
samtdotation für das Militärordinarium 1868f zu verabfolgen, geruhten
Seine Majestät im bejahenden Sinne zu erteilen.

                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 17. Juli 1868. Franz Joseph.

f_f Einfiigung Beckes.

6 Au. Vortrag v. Kuhn v. 3. 11. 1868 KA., KM., Präs. 24-12/4/1868 erbittet mit Berufung
       auf diesen Ministerrat vom 11. Juli die Genehmigung des Herrschers für die Deckung
       des Militärdefizits.
<pb/>