MRP-2-0-01-1-18680221-P-0014.xml

|

Gemeinsamer Ministerrat, 21. 2. 1868

I. Deckung des Extraordinariums im Militärbudget

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z14.pdf.

II. Anfrage der rumänischen Regierung wegen Durchführung in Preußen gefertigter Kanonen durch das österreichische Staatsgebiet

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z14.pdf#page=4.

III. Form, in welcher die Beschlüsse der Delegation zu fassen und zu publizieren sein werden

Siehe PDF-Daten https://hw.oeaw.ac.at/ministerrat/serie-2/oe_hu_mrp_I1/pdf/oe_hu_mrp_I1_z14.pdf#page=5.

Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1868       75

Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. Februar 1868

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Freiherr v. Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr
v. Becke (24. 2.), der k. k. Ministerpräsident Fürst Auersperg, der k. k. Finanzminister Brestei,
der kgl. ung. Ministerpräsident Graf Andrässy, der kgl. ung. Finanzminister v. Lönyay.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: I. Deckung des Extraordinariums im Militärbudget. II. Anfrage der rumäni¬
schen Regierung wegen Durchführung in Preußen gefertigter Kanonen durch das österreichi¬
sche Staatsgebiet. III. Form, in welcher die Beschlüsse der Delegation zu fassen und zu publi¬
zieren sein werden.

   KZ. 589 - RMRZ. 14
   Protokoll des zu Wien am 21. Februar 1868 abgehaltenen Ministerrates
für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des
Kaisers.

   [I.] Finanzminister Lonyay bemerkte, daß die beiden
Delegationen sich vor dem Laufe der nächsten Woche kaum dürften mit
dem Extraordinarium für das Kriegsbudget befassen können. Die politi¬
schen Verhältnisse in Ungarn ließen es nun als dringend wünschenswert er¬
scheinen, daß das bezügliche Gesamterfordemis auf einmal bewilligt wer¬
de. Die Gründe hiezu seien einleuchtend; die gegenwärtige Stimmung in
Ungarn kenne man, wisse aber nicht, wie sie sich später gestalten werde.
Dann scheine es Vortragendem unzweifelhaft, daß, sobald das Wehrsystem
einmal feststehe, keine außerordentlichen Auslagen für das Kriegsbudget
mehr würden in Anspruch genommen werden können. In gegenteiliger An¬
nahme erschiene ein geregelter Stand der Finanzen gar nicht möglich. Nach
seiner Auffassung sei die zu lösende Aufgabe die, zu bewirken, daß unge¬
achtet der Votierung der Gesamtauslagen durch die Delegationen die
Landesbudgets nicht belastet würden. Dies erscheine als möglich, denn der
zu Ende Dezember v. J. erfolgte Abschluß zeige, daß in der Tat ein Betrag
erübrige, durch welchen die außerordentlichen Auslagen ihre Bedeckung
finden können. Vortragender verkenne zwar nicht, daß 1. noch keine Ab¬
rechnung gepflogen sei und daß 2. die Verpflichtung zur Auszahlung der
Kupons eine disponible Reserve erheische. Allein dem stünde wieder ent¬
gegen, daß für alle Fälle ein ansehnlicher Rest erübrige und daß gewisse
Aktiven erst im Laufe des Jahres flüssig werden, sonach letztere für die
Kuponszahlung verwendet werden können. Vergangenes Jahr sei kein Teil
mit seinen Leistungen im Rückstände geblieben, und sei nach getroffener
Vereinbarung der Überrest an den Reichsfinanzminister abzuliefem. Würde
in dieser Weise vorgegangen und daher den Delegationen der Vorschlag
gemacht werden, das Extraordinarium durch die vorhandene Barschaft zu
decken, so sei an die Zustimmung seitens des ungarischen Teiles nicht zu

zweifeln.
<pb/>76 Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1868

   Finanzminister Brestei: Vor allem müsse er hervorhe¬
ben, daß er, bevor spezielle Daten über die erfolgte Abrechnung vorlägen,
keine bestimmte Äußerung zu geben vermöge. Da er vorausgesehen habe,
daß das Extraordinarium Bedenken finden werde, habe er dessen Verteilung
auf zwei Jahre zweckmäßiger befunden. Das vom Minister Lönyay eben
entwickelte System laufe darauf hinaus, aus den in der Zentralkasse vorhan¬
denen Aktiven Bedeckung für den Abgang im Extraordinarium zu schaffen.
Diese Aktiven würden aber vom Vorredner überschätzt. 22 Millionen
Obligationen würden zum Nominalwerte veranschlagt. Die Auslagen für
Kuponszahlung würden im laufenden Jahre den größeren Teil der vorhande¬
nen Beträge in Anspruch nehmen. Für die beiden beitragenden Teile sei es
übrigens - vorausgesetzt, daß sich bei der Liquidierung der Aktiven keine
große Differenz zeige - ziemlich gleichgültig, ob man den vorhandenen
Betrag in erwähnter Art verwende oder Abrechnung pflege, weil die bezüg¬
liche Summe selbstverständlich auf die Quote eines jeden Teiles in Abrech¬
nung kommen muß. Die Abrechnung unterliege mannigfachen Schwierig¬
keiten, da bestimmte Voraussetzungen des Übereinkommens nicht zuge¬
troffen seien.

   Hier sei bis ultimo Dezember alles an die Zentralkasse abgeführt worden,
was nicht in den Landeskassen absolut notwendig war. Der ungarische Fi¬
nanzminister habe dagegen vorausgewußt, daß er in die Lage kommen wer¬
de, im Monate Jänner eine Quote in Abfuhr zu bringen, und habe daher eine
Reserve zurückbehalten. Es liege eine Beruhigung für die cisleithanischen
Lande darin, wenn die Verwendung des Überrestes mit der Abrechnung in
Zusammenhang gebracht werde. Vortragender müsse sogar im Grundsätze
behaupten, daß die Delegationen gar nicht befugt seien, über den Rest zu
disponieren, sondern dies nur den beiderseitigen Vertretungskörpem zuste¬
he. Es komme übrigens Vortragendem nicht in den Sinn, in Abrede zu stel¬
len, daß gewisse Aktivreste noch jedem der beiden Teile zugute kommen
müßten und demnach allerdings in Berücksichtigung gezogen werden kön¬
ne, ob das angesprochene Extraordinarium dadurch zu bedecken sei oder
nicht.

   Finanzminister v. Lönyay: Er müsse die vom Herrn
Präopinanten erwähnten staatsrechtlichen Grundsätze als berechtigt aner¬
kennen. Damit aber die Delegation das Extraordinarium votiere, sei ein
Expose des Finanzministers notwendig, welches den Nachweis liefere, daß
das Bedürfnis durch die vorhandenen Aktiven gedeckt werden könne.
Ungarischerseits sei übrigens jeder Kassarest an die Zentrale abgeführt
und mehr geleistet worden, als ursprünglich in Aussicht genommen wor¬
den sei.

    Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Er
müsse sich auf den Standpunkt des Ministers Brestei stellen, obwohl aller¬
dings Opportunitätsrücksichten für Minister v. Lonyay sprächen. Es stehe
die Frage zur Beantwortung: Ist es wirklich möglich, die Ziffern anzuge-
<pb/>Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1868  77

ben, welche der Zentralregierung zur Verfügung stehen? Vor definitiver
Abrechnung scheine dies Vortragendem nicht tunlich. Man könnte sich da¬
bei um Millionen irren. 48 Millionen - worunter 22 Millionen (Nomi¬
nalwert) Obligationen - seien am Schlüße des Jahres vorhanden gewesen.
Seither seien aber bedeutende Zahlungen geleistet worden, und müsse auch
der Dienst des Vorjahres berücksichtigt werden. Nach Berechnung des Vor¬
tragenden würden ungefähr 16 Millionen jedenfalls zur Disposition stehen.
Ein Beschluß im gegenwärtigen Augenblicke sei aber wohl nicht möglich,
weil jede einzelne Post geprüft werden müsse.

   Finanzminister v. Lonyay glaubt dagegen die verfüg¬
bare Summe auf 26 Millionen berechnen zu können, wenn das Erfordernis
für die Kupons nach den bisherigen Erfahrungsgrundsätzen angenommen
werde. Sei das noch erübrigende Erfordernis ein geringes, so könne es dann
leicht von beiden Reichshälften getragen werden.

    Finanzminister Brestei: Ein Betriebsfond von 8-10
Millionen sei notwendig. Eine gewisse Unsicherheit sei bei den Staats¬
gläubigem unverkennbar. Die Kupons strömen aus dem Auslande herein.
Auch die Verjährungsfrist der letztem sei zu berücksichtigen.

    Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke,
sich mit dieser Auffassung einverstanden erklärend, hob hervor, daß keine
prinzipielle Verschiedenheit der Ansichten obwalte, sondern daß nur die
Ziffer, über welche man disponieren kann, in Frage stehe. Vortragender reg¬
te die Frage an, den Stellvertreterfond zu einem Lombardgeschäfte zu be¬
nützen, wonach ein Vertrag des Kurators mit den beiderseitigen Finanz¬

verwaltungen stattzufinden hätte.
    Infolge einer von Seiner Exzellenz dem Reichskanzler ausgegangenen

Anfrage geruhten Seine Majestät der Kaiser zu bemer¬
ken, daß Allerhöchstdieselben die Durchbringung des Extraordinariums in
toto als eine vom Ministerium bereits beschlossene Tatsache ansehe.

    Ministerpräsident Graf Andrässy: Der Zweck,
 welchen man im Auge habe, gehe dahin, die Delegation zu vermögen, das
 Extraordinarium in möglichst kurzer Frist zu votieren. Gelinge die Sache,
 so erreiche man einen doppelten Vorteil: 1. die Sicherheit des Staates werde
 dadurch sehr befestigt und 2. der Kredit werde gehoben, wenn man nicht zu
 einer Anleihe greifen müsse. Ein Expose erscheine jedenfalls notwendig,
 und es komme nur zu erwägen, wieviel Zeit müsse man auf ein solches

 verwenden?
    Reichskanzler Freiherr v. Beust: Es sei auch die

 Manipulation zu bedenken. Seien die ungarischen Minister des Dafürhal¬
 tens, daß eine solche Vorlage auf die ungarische Delegation günstig einwir¬
 ken werde, so möchten sie auch trachten, dieselbe zu bestimmen, daß sie
 mit ihrem bezüglichen Votum der hiesigen vorausgehe. Es wäre ein solcher
 Vorgang für die Bemühungen des cisleithanischen Ministeriums vom grö߬

 ten Werte.
<pb/>78 Nr. 14 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 21. 2. 1868

    Ministerpräsident Fürst Auersperg: Er habe die
Motive, welche nach seiner Auffassung für eine nur einmalige Votierung
sprächen, bei einem frühem Anlasse bereits umständlich dargelegt und kön¬
ne sich daher hier einfach darauf zurückbeziehen.1 Aufgrund der bestehen¬
den staatsrechtlichen Verhältnisse müsse er wünschen, daß das betreffende
Expose nur in Form einer vertraulichen Mitteilung an die Delegationen ge¬
leitet werde. Wähle man diesen Modus, dann brauche man in der Ziffer¬
frage auch weniger ängstlich zu sein.

   Finanzminister Brestei äußerte sich dahin, daß er
umsomehr ein vorgängiges Votum der ungarischen Delegation befürworten
müsse, als er niemals verhehlt habe, daß die deutsche Delegation einer Ver¬
teilung der Summe auf zwei Jahre den Vorzug gebe.

    [II.] Reichskanzler Freiherr v. Beust: Die rumä¬
nische Regierung habe anher eine Anfrage gerichtet, ob die Durchfuhr eini¬
ger von ihr in preußischen Waffenfabriken bestellten Kanonen durch öster¬
reichisches Gebiet einem Anstande unterliege. Es werde beabsichtigt, diese
Geschütze durch Galizien und die Bukowina nach der Moldau zu transpor¬
tieren. Die Sache habe zwei Seiten und jede derselben wieder ihre eigen¬
tümlichen Unannehmlichkeiten.

   Bei einer Verweigerang könne man sich darauf gefaßt machen, daß man
trachten werde, dem Gegenstände die Bedeutung einer Frage zu geben. Bei
einer Bewilligung stehe die eventuelle Benutzung der Kanonen gegen uns
im Bereiche der Möglichkeit und würde von mssischer Seite in dieser Be¬
willigung gewiß ein Argument gefünden werden, die Ansicht zu verbreiten,
als begünstige Österreich insgeheim die Unruhestifter in diesen Ländern.
Die Haltung der moldowalachischen Regierung sei eine sehr unbefriedigen¬
de. Für Vortragenden sei aber die Erwägung entscheidend, daß man die Hin¬
sendung der Geschütze, welche ja auch auf anderen Wegen als durch Öster¬
reich erfolgen könne, keineswegs würde zu verhindern vermögen, und er
müsse sich daher für die Gestattung der Durchfuhr aussprechen.

   Ministerpräsident Graf Andrässy sprach die An¬
sicht aus, daß die kaiserliche Regierung gar nicht das Recht haben würde,
eine solche Durchfuhr zu hindern, es würde dies einem Akte wahrer Feind¬
seligkeit gleichkommen. Andemteils sei aber das Benehmen der rumäni¬
schen Regierung ein gegen Österreich so systematisch feindseliges, daß das
kaiserliche Kabinett voraussichtlich sich bald genötigt sehen dürfte, diesel¬
be über ihre eigentlichen Intentionen zu interpellieren. Der Skandal, wo¬
nach 4000 der österreichischen Regierung gehörige und zur Rücksendung
nach Österreich bestimmte Gewehre in der Walachei unter offener
Konnivenz der rumänischen Regierung von Volkshaufen und National¬
garden geplündert und zurückbehalten worden seien, erscheine als noch

       Vgl. GMR. v. 14. 1. 1868, RMRZ. 6.
<pb/>Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. 3. 1868                     79

ungesühnt.2 Vielleicht könnte man gerade die Durchfuhr der Kanonen be¬
nützen, um durch Depression Genugtuung zu erzwingen.

   Ministerpräsident Fürst Auersperg sprach die
Ansicht aus, daß ohne Erlassung eines förmlichen Waffenverbotes die
Durchfuhr nicht zu verhindern sein würde, welcher Auffassung Seine
Majestät der Kaiser beizustimmen geruhten. Reichs¬
kanzler Freiherr v. Beust wies - auf den Gedankengang
des Grafen Andrässy eingehend - die Schwierigkeiten nach, in welche die
kaiserliche Regierung geraten müßte, wenn sie ungeachtet einer von ihr er¬
teilten speziellen Bewilligung später die Durchfuhr der Geschütze in der
bezeichneten Art erschweren wollte.

[III.] Seine Majestät der Kaiser geruhten hierauf die

Form in Erörterung zu bringen, in welcher die Beschlüsse der Delegationen

zu publizieren sein werden. Zwei Hauptpunkte seien dabei als unabänder¬

lich im Auge zu behalten: 1. daß die kaiserliche Sanktion notwendig und 2.

daß die Beschlüsse für die beiderseitigen Vertretungskörper unbedingt ver¬

bindlich seien. Nach längerer Erörterung des Gegenstandes geruhten

Seine Majestät sich dahin auszusprechen, daß die zweckmäßig¬

ste Form jedenfalls die sein würde, wenn die Ah. Genehmigung der Be¬

schlüsse beider Delegationen nur durch einen einzigen Rechtsakt zu erfol¬

gen hätte. Die Ministerpräsidenten Fürst Auer¬

sperg und Graf Andrässy pflichteten dieser Anschauungs¬

weise vollkommen bei.

Die Sitzung wurde hiemit geschlossen.

                                                  Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Ofen, 2. März 1868. Franz Joseph.

          Nr. 15 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 5. März 1868

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke (13. 3.), der Reichskriegs¬
minister FML. Freiherr v. Kuhn (14. 3.), der k. k. Ministerpräsidentenstellvertreter und
Landesverteidigungsminister Graf Taaffe.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.

       Über die Angelegenheit der rumänischen Waffentransporte siehe: Auswärtige Angele¬
       genheiten. Correspondenzen des kaiserlich-königlichen Ministeriums des Äußern.
       No. 1 vom November 1866 bis Ende 1867 Nr. 102-11.78-82. Allgemein die Beziehungen
       Österreich-Ungarns zu Rumänien: Bindreiter, Die diplomatischen und wirtschaftlichen
       Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Rumänien in den Jahren 1875--1888
       28-33.
<pb/>