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[Tagesordnungspunkte]

Gemeinsamer Ministerrat, 9. 2. 1868

Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 2. 1868                     67

vorgerufen werden, und erscheinen dieselben praktisch nicht durchführbar,
man müsse eben mit 1. Jänner einen Strich machen und von neuem begin¬
nen.

   Seine Majestät der Kaiser: Man komme auf diese
Weise ins Absurdum, und sei das Prinzip nicht durchzuführen.

   Finanzminister Brestei: Einzelne Posten werden auch
hier angegriffen werden, er wolle nur an die Pensionen der Hofkanzler erin¬
nern.

   Finanzminister v. Lonyay: sprach noch den Wunsch
aus, daß die Abrechnungskommission wegen Liquidierung der beiderseiti¬
gen Aktiven möglichst ins Leben treten möge, worauf Reichs-
finanzminister Freiherr v. Becke entgegnete, daß die
betreffenden administrativen Verfügungen bereits getroffen seien, sonach
der Zusammentritt alle Tage erfolgen könne.

   Hiemit wurde die Sitzung geschlossen.

                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 14. Februar 1868. Franz Joseph.

        Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. Februar 1868

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichsfxnanzminister Freiherr v. Becke (14. 1.), der Reichskriegs¬
minister FML. Freiherr v. Kuhn (o. D.), k. k. Ministerpräsidentenstellvertreter und Landes¬
verteidigungsminister Graf Taaffe.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: Armeeorganisation.

   KZ. 71 - RMRZ. 12
   Protokoll des zu Wien am 9. Februar 1868 abgehaltenen Ministerrates für
gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Reichskanzlers Frei-
herm v. Beust.

   Reichskanzler Freiherr v. Beust: Die Veranlas¬
sung zu gegenwärtiger Sitzung habe sich dadurch ergeben, daß Seine Maje¬
stät der Kaiser vor einiger Zeit den Wunsch zu äußern geruht hätten, das
Reichsministerium möchte die Armeefrage ins Auge fassen und Vortragen¬
der mit dem Kriegsminister gemeinschaftlich zu bestimmter Vorlage gelan¬
gen.1 Die Verständigung mit Ungarn sei noch in der Schwebe. Es existiere

i Die Heeresorganisationsfrage wurde schon vom GMR. v. 31. 12. 1867, RMRZ. 1;
       GMR. v. 11. 1. 1868, RMRZ. 3; GMR. v. 26. 1. 1868, RMRZ. 8 behandelt.
<pb/>68 Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 2. 1868

der Entwurf eines Schreibens des kaiserlichen Kriegsministers an Grafen
Andrässy, in welchem die Ansichten des ersteren in bezug auf die Land¬
wehr (Honveds) dargelegt werden.2 Vortragendem scheine vor allem wich¬
tig, daß in diesem Schreiben die Einheit der Armee ganz zweifellos hinge¬
stellt werde.

   Das Schreiben sei noch nicht abgegangen. Aus dem Vorausgeschickten
gehe jedoch hervor, wie es der Ah. Wille sei, daß die endliche Armee¬
organisation vom politischen Standpunkte aus behandelt werde, im Einver¬
nehmen mit den militärischen Autoritäten. Zur Erfüllung dieser Ah.
Intentionen böten sich zwei Wege dar: 1.: die Feststellung der wesentlichen
Grundsätze könne ausschließlich dem Militärdepartement zufallen und das
politische Ministerium nur Teil an der Beratung nehmen, oder 2.: es könn¬
ten vom politischen Standpunkte aus Gedanken aufgestellt werden, wäh¬
rend die Militärautorität nur eine Grenzlinie bezeichnen würde, über wel¬
che nicht hinausgegangen werden könne. Wenn Vortragender sich für die 2.
Alternative ausspreche, so geschehe dies nur deshalb, weil er die Unmög¬
lichkeit voraussehe, einen vom Militär ausgehenden Plan anders als aus
militärischen Rücksichten zu bekämpfen. In gegenteiliger Annahme sei
eine solche Schwierigkeit nicht vorhanden. Vortragender werde sich also
veranlaßt finden, mit einer Idee hervorzutreten, von welcher es dann frei¬
lich noch fraglich sei, ob sie sich als ausführbar erweise und die Ah. Geneh¬
migung erhalte. Seine Auffassung laufe darauf hinaus, ein imposantes
Defensivsystem mit dem gehörigen militärischen Nachdruck politisch
durchzuführen. Neben der Armee möge nach Verschiedenheit der Teile der
Monarchie eine Volkswehr platzgreifen. Nicht eine spezielle Transaktion
mit Ungarn habe Vortragender im Auge. Dieser Gedanke sei zu vermeiden.
Für weitergehende Ausführungen müsse sich Vortragender noch einen kur¬
zen Aufschub Vorbehalten.

    Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Zwei
 Sachen seien zu unterscheiden, 1. der Zeitpunkt und 2. das Substrat. Ad 1
müsse er bemerken, daß die Angelegenheit eine äußerst dringliche sei. Der
jetzige Landtag in Ungarn sei politisch gefügig, jeder Aufschub sei ein
 Stimulus für die Linke, ein zweites Mal sei das Militärbudget durch die
 Delegation nicht mehr zu forcieren, es müsse das Wehrgesetz noch in dieser
 Session von beiden Legislativen angenommen werden. Man müsse sich fra¬
 gen, was hat zu geschehen. Kriegsminister Freiherr v. John habe im Jahre
 1866 einen Entwurf ausgearbeitet, derselbe habe anfangs eine gute Aufnah¬
 me gefunden.3 Man müsse vor allem wissen, wie steht die jetzige Regierung

 2 Der Entwurfdes Kriegsministers an Andrässy in bezug aufdie Landwehr war nicht auf¬

        findbar.
 3 Im Oktober erarbeitet eine Militärkonferenz unter Vorsitz von Erzherzog Albrecht einen

         Wehrgesetzentwurf, welchen John am 6. 11. 1866 dem Staatsministerium sowie der un-
<pb/>Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 2. 1868  69

zu diesem Entwurf? Werden die darin aufgenommenen Prinzipien aufrecht¬
erhalten oder nicht?

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Um
hierüber völlig ins klare zu kommen, sei eben die gegenwärtig tagende mi¬
litärische Kommission von Seiner Majestät berufen worden.4 Dieselbe habe
den politischen Teil ihrer Aufgabe beendet, und werde am betreffenden Pro¬
tokolle soeben gearbeitet. Bei der Heeresorganisation könne man ein stram¬
mes oder ein Milizheer im Auge haben. Entscheide man sich für die letzte
Alternative, so werde die Linie dadurch natürlich schwächer. Vortragender
hält aber ein Milizsystem nicht für ausführbar, und es ist auf diese Art un¬
möglich, einem kräftigen Gegner zu widerstehen. Die Geschichte liefere
den Beweis hiefür.

   Ministerpräsidente n s t e 11vertreter Graf Taaffe:
Das Kontingent müsse noch in diesem Monate verlangt werden. Hier werde
die Forderung erst später als im ungarischen Landtage eingebracht werden,
und stehe die Bewilligung zu erwarten. Ungarischerseits werde man aber
die Bewilligung an die Konzessionen in der Honvedfrage knüpfen wollen,
und daraus erwachse eine große Schwierigkeit. Vor allem sei daher mit dem
ungarischen Ministerium sicherzustellen, ob die Vorlage nicht vielleicht
doch ohne Bedingungen durchzubringen sei.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn äußer¬
te die Befürchtung, in Ungarn herrsche das Streben, den Kern zu einer be¬
sonderen Armee zu gewinnen. Eine Zweiteilung der Armee sei unmöglich.

   Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke: Es
sei zu erwägen, was geschehen solle, wenn Graf Andrässy die Frage vernei¬
nend beantworte?

   Ministerpräsidentenste11vertre t e r Graf Taaffe:
Man müsse dann eben den am wenigst gefährlichen Ausweg wählen. Man

garischen, der siebenbürgischen und der kroatisch-slawonischen Hoßcanzlei mit der Bit¬
te um Beratung in der Militärkonferenz zuleitete. Die Ministerkonferenz billigte den Ge¬
setzentwurfmit einigen Änderungen, vertratjedoch die Ansicht, der Gesetzentwurfmüs¬
se verfassungsmäßig verhandelt werden. Allerdings sollen gewisse Punkte des Gesetz¬
entwurfes angesichts der Dringlichkeit einer Erhöhung der Wehrkraft provisorisch auf
dem Verordnungswege eingeführt werden. Der Herrscher billigte am 28. 12. 1866 den
Wehrgesetzentwurf, erließ jedoch nur eine Verordnung betreffend Abänderung des
HeeresergänzungsgesetzesNNMitees., Die k. (u.) k. Armee - Gliederung und Aufgaben¬
stellung 484--488. Das Wehrgesetz veröffentlicht: Wiener Zeitung v. 31. 12. 1866.
Der Kaiser befahl am 24. 12. 1867, den Wehrgesetzentwurf und die gesamte Heeres¬
organisation durch die Generalskommission durchzuberaten. Das Verhandlungs¬
material der Kommission: KA., MKSM. Sep.Fasc. 70, Nr. 52. Die Kommission hat vom
29. 1. bis zum 18. 3. 1868 ihre Tagungen abgehalten. Wagner, Die k. (u.) k. Armee -
Gliederung und Aufgabenstellung 489.
<pb/>70 Nr. 12 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 9. 2. 1868

könne sagen, man begehre gar keinen Rekruten, werde aber dann auch kei¬
nen Mann entlassen.

   Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn und
Reichsfinanzminister Freiherr v. Becke beton¬
ten, daß man festbleiben müsse, die Stimmung bessere sich entschieden.
Kriegsminister Freiherr v. Kuhn: Konzessionen seien
bei der Landwehr möglich. 800 000 Mann für Linie und Reserve, 200 000
für Landwehr stünden zu erwarten, letztere sei zu organisieren wie in Tirol.
Unterordnung unter das Reichskriegsministerium sei notwendig, in der
Ausrüstung könnten nationale Zugeständnisse gemacht werden. Es sei nicht
eine Landwehr aus jungen Leuten beabsichtigt, sondern man solle aus der
Reserve erst in dieselbe übertreten, wodurch man besonnene Leute bekom¬
me. In Tirol werden die Offiziere gewählt. Habe Vortragender einmal eine
feste Armee in der Hand, so liege ihm nichts daran, ob in die Landwehr
Honvedoffiziere hineingewählt werden, nur dürften sie nicht persönlich
bemakelt sein. Reichskanzler Freiherr v. Beust sprach
die Ansicht aus, daß die Delegationen zu Ende gehen müßten, ehe man die
Frage aufrühre. Minister Graf Taaffe: Das Prinzip der Land¬
wehr finde hier großen Widerspruch auch von seiten der Minister.

   Nachdem Kriegsminister Freiherr v. Kuhn noch
ausgesprochen hatte, daß auch der Landsturm gesetzlich geregelt werden
müsse, erfolgte eine Erörterung über den Inhalt des an Grafen Andrässy zu
erlassenden Schreibens, wobei Reichsfinanzminister
Freiherr v. Becke erinnerte, daß in den Ministerratsprotokollen
des vergangenen Jahres sich Ansichten des ungarischen Ministeriums über
die Notwendigkeit einer einheitlichen Armee aufgrund der pragmatischen
Sanktion ausgesprochen fänden, welche sehr nützlich zu verwerten sein
würden.5

    Reichskriegsminister Freiherr v. Kuhn: Graf
Andrässy dränge immer darauf, daß der ungarische Landesverteidigungs¬
minister eine gewisse Wehrkraft unter sich haben solle. Vortragender sei
dem nicht ganz entgegen, nur könne es sich nicht um aktive Armee, sondern
nur um Landwehr handeln und müßte auch in dieser Voraussetzung die Er¬
mächtigung zur Einberufung stets vom Kriegsminister erbeten werden.

    Reichsf i nanz m i n i ster Freiherr v. Becke
wünschte zu wissen, ob nicht noch weitere Konzessionen möglich wären,
welche Anfrage Kriegsminister Freiherr v. Kuhn ver¬
neinend beantwortete.

    Es erfolgte sodann der Beschluß: eine Sitzung unter dem Vorsitze Seiner
Majestät zu erbitten, sobald Minister Graf Taaffe seinen au. Vortrag - be-

 5 Siehe MR. v. 14. 2. 1867, MRZ. 127. Nr. I.
<pb/>Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. 2. 1868                    71

treffend die Regierungsvorlage wegen Bewilligung des Kontingentes - er¬
stattet haben werde. Fürst Auersperg, Graf Taaffe und Graf Andrässy soll¬
ten daran Anteil nehmen und wären dabei im Detail festzustellen, zu wel¬
chem Zeitpunkte das Kontingent zu verlangen sei.6 Die Angelegenheit des
Wehrgesetzes sei noch zu ajoumieren, bis die Militärkommission ihr Gut¬
achten erstattet habe, dann sei im engsten gegenseitigen Einvernehmen vor¬
zugehen und die bezügliche Vorlage zu entwerfen.7

                                                                                         Beust

Ah. E. Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, 16. Februar 1868. Franz Joseph.

        Nr. 13 Gemeinsamer Ministerrat, Wien, 12. Februar 1868

    RS. (und RK.)
    Gegenwärtige: der Reichskanzler Freiherr v. Beust, der Reichsfinanzminister Freiherr
v. Becke (17. 2.), der Reichskriegsminister [FML.] Freiherr v. Kuhn (o. D.), der k. k. Mi¬
nisterpräsidentenstellvertreter und Landesverteidigungsminister Graf Taaffe, der kgl. ung.
Ministerpräsident Graf Andrässy.
    Protokollführer: Sektionschef v. Hofmann.
    Gegenstand: Vortrag des Grafen Taaffe wegen Bewilligung des Truppenkontingentes.

   KZ. 585 -RMRZ. 13
   Protokoll des zu Wien am 12. Februar 1868 abgehaltenen Ministerrates
für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Ah. Vorsitze Sr. Majestät des
Kaisers.

   Seine Majestät der Kaiser geruhten die Beratung mit
dem Bemerken zu eröffnen, daß Minister Graf Taaffe den Vortrag wegen
Bewilligung des Truppenkontingentes bereits erstattet habe. Es erscheine
als zweckmäßig, daß dieselbe Vorlage gleichzeitig in Ungarn eingebracht
werde.1 Die Möglichkeit eines solchen Verfahrens sei nunmehr zu erörtern.

   Minister Graf Taaffe: Der Gegenstand sei bereits in der
Ministerkonferenz zur Sprache gekommen und man dabei zu dem Resultate

Der Ministerrat unter dem Vorsitz des Kaisers: GMR. v. 12. 2. 1868, RMRZ. 13.
Aufgrund der Stellungnahme der Militärkommission verfertigte Kriegsminister Kuhn
am 11. 4. 1868 die neuen Entwürfe fiir Wehrgesetz, Landwehr und Landsturmstatute.
Wagner, Die k. (u.) k. Armee - Gliederung und Aufgabenstellung 490.

Der Vortrag von Taaffe war nicht auffindbar.
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